Schienenverkehr in Namibia
Der Schienenverkehr in Namibia wird auf einem weitmaschigen, 2687 Kilometer[1] langen Streckennetz betrieben. Betreiber ist heute das staatliche Unternehmen TransNamib.
Das Streckennetz stammt in seiner Länge und Ausstattung zum Großteil noch aus der Zeit Deutsch-Südwestafrikas, wird jedoch seit Mitte der 1990er Jahre saniert und ausgebaut. Die Kosten für die Sanierung des gesamten Streckennetzes wurde im Januar 2015 auf bis zu neun Milliarden Namibia-Dollar geschätzt.[2] Für die Finanzjahre 2015/16, 2016/17 und 2017/18 wurden Ende März 2015 mehr als fünf Milliarden Namibia-Dollar für Streckensanierungen und -neubau bereitgestellt.[3]
Geschichte und Netz
Der Beginn
Die Grundstruktur des namibischen Eisenbahnnetzes stammt aus der Zeit, als das Land als Deutsch-Südwestafrika eine Kolonie des Deutschen Reichs war.
Das aride Südwestafrika war landwirtschaftlich nicht sehr ergiebig, so dass am Anfang der gesamte Überlandtransport mit Ochsenwagen erfolgte. Dieses Verkehrssystem brach nach einer Rinderpest 1897 weitestgehend zusammen.
Da aufgrund der nun extrem prekären Transportsituation schnell reagiert werden musste, wurde die Entscheidung getroffen,
- eine Bahnstrecke vom deutschen Hafen Swakopmund nach Windhoek zu errichten,
- dafür vorhandenes, militärisches Feldbahn-Material der 600-mm-Spur zu verwenden und
- eine Eisenbahnbrigade mit dem Bau zu beauftragen, der im September 1897 begonnen wurde.
Der Betrieb der Gesamtstrecke wurde am 19. Juni 1902 aufgenommen.
Netzaufbau
Der an diese erste Strecke anschließende Eisenbahnbau richtete sich teils nach militärstrategischen Gesichtspunkten in Konsequenz aus dem Aufstand der Herero und Nama, zum Teil nach wirtschaftlichen Erfordernissen. So entstanden bis zum Ersten Weltkrieg die Strecken (Jahr der vollständigen Inbetriebnahme):
- 1902: Bahnstrecke Swakopmund–Windhoek, 600 mm, 1911 im Abschnitt Karibib–Windhoek auf 1067 mm (Kapspur) umgespurt.
- 1906: Otavibahn, 600 mm
- 1905: Abzweig Onguati–Karibib
- 1908: Abzweig Otavi–Grootfontein
- 1907: Lüderitzbahn, Kapspur
- 1909: Abzweig Seeheim–Kalkfontein
- ca. 1911: Kolmannskuppe–Elisabethbucht–Bogenfels, Werksbahn der Diamantenfelder
- 1911: Khan-Gruben-Anschlussbahn (Kleinbahn)
- 1912: Bahnstrecke Windhoek–Keetmanshoop, Kapspur
- 1914: Otjiwarongo–Outjo–Okahakana, 600 mm (Projekt, nur begonnen, kriegsbedingt aber nicht fertiggestellt), siehe Ambolandbahn
Das technische Personal sowohl für den Bahnbau[5] als auch für den Bahnbetrieb[6] wurde bei den Staatsbahnen in Deutschland rekrutiert.
Werksbahn der Diamantenfelder
Die Werksbahn der Diamantenfelder zwischen Kolmannskuppe und Bogenfels in 600-mm-Spur wurde seit 1911 elektrifiziert und war damit die bis heute einzige elektrisch betriebene Eisenbahn Namibias. Da der Diamantenabbau immer weiter nach Süden wanderte, wurde der nördliche Teil der Bahn bis Pomona 1931 aufgegeben und das Material zum Teil für die Erweiterung der Bahn Richtung Oranjemund verwendet. Der südliche Abschnitt wurde mit Dieseltraktion betrieben. Die Bahn existiert heute nicht mehr, der Abbau erfolgt heute mit Bulldozern und Lkw.
Erster Weltkrieg und danach
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs räumte die deutsche Schutztruppe die Küste, zog sich ins Landesinnere zurück und zerstörte dabei die Otavibahn und die alte Staatsbahntrasse in Richtung Karibib bis Rössing. Die Briten setzten von der britischen Enklave Walvis Bay sofort nach und errichteten noch 1914 eine 37 Kilometer lange Bahn nach Swakopmund in Kapspur. Auch der Wiederaufbau der Otavibahn in Richtung Karibib erfolgte in Kapspur, wobei das letzte Stück zwischen Usakos und Karibib neu trassiert wurde. Das Netz nördlich von Usakos verblieb im 600-mm-Betrieb. Die Werkstatt für beide Betriebsarten wurde in Usakos zusammengefasst, die in Karibib geschlossen.
Das benachbarte Südafrika war ebenfalls Kriegsgegner des Deutschen Reichs. Von dort wurde – in Verlängerung der Strecke De Aar–Prieska – der Eisenbahnbau vorangetrieben, um einen sicheren Nachschubweg für die südafrikanischen Truppen zu erhalten. 1916 wurde das Gleis in Kalkfontein/Karasburg an das deutsche Netz angeschlossen.
Netzaufbau
Unter südafrikanisch/britischer Regie entstanden so die Strecken (Jahr der vollständigen Inbetriebnahme):
- 1914: Walfishbay–Swakopmund in 1067-mm-Spur
- 1915: Swakopmund–Karibib: Wiederaufbau in 1067-mm-Spur
- 1915/1916: (De Aar)–Nakop (Grenze)–Kalkfontein in 1067-mm-Spur
- 1921: Otjiwaronge–Outjo in 600-mm-Spur (beruhte auf deutschen Vorarbeiten)
- 1929: Bahnstrecke Windhoek–Gobabis in 1067-mm-Spur
- Ab 1958 wurde die Otavibahn nördlich von Usakos schrittweise auf 1067 mm umgespurt, wobei die Trasse parallel aber überwiegend neu zur bestehenden angelegt wurde; Inbetriebnahme 1961.
Mandatszeit
Seit August 1915 wurde das Eisenbahnnetz von Südwestafrika de facto von der South African Railways betrieben und ihr 1922 auch offiziell zugeschlagen.
Seit 1959 wurden schrittweise die Dampflokomotiven durch Diesellokomotiven ersetzt, für die ein Bahnbetriebswerk in Windhoek errichtet wurde. Dies erleichterte den Betrieb sehr, da in Namibia das Wasser knapp ist und die Kohle für die Maschinen ebenfalls aus dem Transvaal herbeigeschafft werden musste.
Mitte der 1980er Jahre übertrug Südafrika seine bisherige Zuständigkeit für die Transportinfrastruktur und für die Schienenfahrzeuge an die verantwortlichen Verwaltungsstellen in South West Africa/Namibia. Die Übergabe der Anlagegüter im Wert von 2,28 Milliarden Rand erfolgte formell zum Starttermin am 10. Mai 1985 von SATS an den Generaladministrator in Windhoek. Die Übergabe umfasste das staatliche Schienen- und Straßennetz. Nicht enthalten waren dabei die staatlichen Luftfahrtdienste und der Hafen Walvis Bay.[7] Die Übergabe des Schienennetzes hatte schon am 1. April 1985 begonnen und sollte bis zum 1. April 1987 abgeschlossen sein. Ein vom Generaladministrator eingesetzter Beirat für Transportfragen schlug nach der Übernahme allgemein die Beendigung der Personentransportleistungen sowie speziell die Einstellung von drei Strecken vor, nämlich die Verbindungen nach Gobabis, Lüderitz und Outjo.[8][9]
Gegenwart
Das Eisenbahnnetz wird seit der Unabhängigkeit Namibias von TransNamib betrieben. Aufgrund der mehr als 100 Jahre alten Grundinfrastruktur werden seit Mitte der 1990er Jahre zahlreiche Streckenabschnitte saniert. Da diese Sanierungen bei Weitem noch nicht abgeschlossen sind, wurden in den letzten Jahren zahlreiche Streckenabschnitte für den Personenverkehr gesperrt.[10]
Netzausbau
Alle neu gebauten beziehungsweise sanierten Bahnstrecken wurden in 1067-mm-Spur (Kapspur) errichtet. Die Bahnstrecke Tsumeb–Oshikango ist in ihrem ersten Abschnitt bis Ondangwa 2006 als komplette Neubaustrecke in Betrieb genommen worden. Die Sanierung des zweiten Streckenabschnitts bis Oshikango geht aufgrund finanzieller Probleme nur langsam voran.[11] In einer dritten Phase wird derzeit (Stand Dezember 2014) Oshakati angeschlossen.[12] Langfristig wird sogar eine Verbindung mit den angolanischen Bahnen (CFA) angestrebt.
Am 8. März 2010 wurde zudem ein Vertrag über den Bau eines Anschlusses von der Bahnstrecke von Otavi zur Zementfabrik Ohorongo geschlossen,[13][14] die im März 2011 betriebsbereit war.[15] Nach über 13 Jahren Bauzeit ist die Sanierung der Südbahn (Bahnstrecke Lüderitz–Seeheim) zwischen Aus und Lüderitz noch nicht abgeschlossen.
Mitte 2015 hat die Sanierung von etwa 400 Kilometer Schienennetz zwischen dem Trennungsbahnhof Kranzberg und Tsumeb mit dem Teilstück Otavi–Tsumeb begonnen. Der namibische Entwicklungsplan (Harambee Prosperity Plan) für die Jahre 2016 bis 2020 sieht den Ausbau der Strecken Walvis Bay–Tsumeb (Abschluss im Jahr 2020), Sandverhaar–Buchholzbrunn und Aus–Lüderitz (Sandtunnel) mit einer Gesamtlänge von 612 Kilometern vor.[16] Ende 2017 hat die Afrikanische Entwicklungsbank für den Ausbau des 210 Kilometer langen Abschnitts Walvis Bay–Kranzberg auf 80 km/h im Güter- und auf 100 km/h im Personenverkehr ein Darlehen von 153 Millionen US-Dollar bewilligt.[17]
Geplante Strecken
Zwei Bahnstrecken in Namibia befinden sich derzeit (Stand Mai 2015) in der Planung:
- Die sogenannte Ostbahn oder auch Trans-Kalahari-Eisenbahn (Arbeitsbezeichnung: „TransKalahari Railway Line Development“) befindet sich derzeit in der Planungsphase.[18][19] Der Bau wurde 2014 zwischen beiden Ländern schriftlich vereinbart. Die geänderte Streckenführung von 1500 Kilometer Länge führt von Botswana zum Hafen Walvis Bay. Der geplante Bau soll zwischen 9,2[20] und 15 Milliarden US-Dollar kosten.[21]
- Die Trans-Caprivi-Eisenbahn wurde im Mai 2015 vorgestellt. Sie soll Namibia durch den Caprivizipfel mit Livingstone in Sambia verbinden.[22]
- Katima Mulilo bis Cape Fria (Arbeitsbezeichnung: „Trans-Caprivi Railway Line“).[23]
- Otjiwarongo nach Okahandja
- Grootfontein nach Rundu
Museum
- Das TransNamib-Museum ist das zentrale Eisenbahnmuseum von Namibia. Es ist im ersten Stock des historischen Empfangsgebäudes des Bahnhofs von Windhoek untergebracht. Einige Fahrzeuge werden auch auf dem Freigelände vor dem Bahnhof gezeigt.
- Ein Zug der 600-mm-Spur ist im Namibischen Nationalmuseum in Windhoek ausgestellt – einschließlich für diese Spurweite unüblicher Schlafwagen.
- Weitere historische Züge befinden sich unter anderem in Usakos und Otjiwarongo
Siehe auch
Literatur
- Uwe Albert: Damals und Heute", Auf den Spuren der Eisenbahnen in Deutsch-Südwestafrika, Windhoek 2016, ISBN 978-99916-909-1-9.
- Uwe Albert: Die Bahnpost in Deutsch-Südwestafrika 1899–1903, Arbeitsgemeinschaft der Sammler deutscher Kolonialpostwertzeichen e.V., Berlin 2018, ISBN keine.
- Brenda Bravenboer, Walter Rusch: The First 100 Years of State Railways in Namibia. Windhoek 1997, ISBN 0-86976-401-2.
- Helmut Schroeter: Die Eisenbahnen der ehemaligen deutschen Schutzgebiete Afrikas und ihre Fahrzeuge (= Die Fahrzeuge der deutschen Eisenbahnen. Band 7). Verkehrswissenschaftliche Lehrmittelgesellschaft, Frankfurt 1961, DNB 454487177.
- Beat H. Schweizer: Bahnen in Namibia, 110 Jahre Schienentransportsystem im ehemaligen Deutsch Südwest-Afrika. TrevorB Editions, Somerset West 2007, ISBN 978-3-907579-99-2.
- Gerhardus Pool: Eisenbahnen in Deutsch-Südwestafrika 1897–1915. Namibia Wissenschaftliche Gesellschaft, Windhoek 2009, ISBN 978-3-936858-71-6.
- Walter Paschasius: "Die Befreiung Okahandjas", Eine Eisenbahnergeschichte. Windhoek 2014, ISBN 978-99916-872-9-2.
- Matthias Hille: Namibia – Eisenbahn im ehemaligen Deutsch-Südwest, Eisenbahn-Kurier, Heft 1/2008, Seite 70 bis 74
Weblinks
- Schienennetz der TransNamib (englisch)
Einzelnachweise
- Rail history and distribution network. TransNamib Holdings Limited, 2017, archiviert vom Original am 22. Januar 2018; abgerufen am 21. Januar 2018 (englisch).
- N$9 billion for railway network refurbishment. The Namibian, 21. Januar 2015 abgerufen am 21. Januar 2015
- Govt to spend billions on SOEs. The Namibian, 7. April 2015 (Memento vom 7. April 2015 im Webarchiv archive.today) abgerufen am 7. April 2015
- Angabe nach Schroeter; Bravenboer erwähnt die Bahn nicht.
- So etwa das Bau- und Betriebskonsortium Bachstein-Koppel (Berlin): Eisenbahndirektion Mainz (Hrsg.): Amtsblatt der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirektion in Mainz vom 6. Mai 1911, Nr. 22. Bekanntmachung Nr. 300, S. 140.
- Eisenbahndirektion Mainz (Hrsg.): Amtsblatt der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirektion in Mainz vom 10. November 1906, Nr. 59. Bekanntmachung Nr. 624, S. 507: Das Auswärtige Amt sucht vier Lokomotivheizer für die Südwestafrikanische Eisenbahnverwaltung. Voraussetzungen waren eine dreijährige Dienstverpflichtung und möglichst Erfahrung im Kleinbahnbetrieb. Geboten wurde ein Jahresgehalt von 4.200 bis 4.700 Mark. Hinzu kam ein 20%iger Aufschlag, solange noch Krieg gegen die Herero herrschte, einmalig je 300 Mark für Ausrüstung im ersten und zweiten Jahr sowie 700 Mark Reisekosten. Reisekosten für die Familie wurden gegebenenfalls übernommen; Eisenbahndirektion Mainz (Hrsg.): Amtsblatt der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirektion in Mainz vom 8. August 1908, Nr. 50. Bekanntmachung Nr. 641, S. 577, betreffend Lokomotivführer.
- SAIRR: Race Relations Survey 1985. Johannesburg 1986, S. 227
- SAIRR: Race Relations Survey 1986, Part 1. Johannesburg 1987, S. 198–199
- Klaus Dierks: Namibias Schmalspureisenbahnen erschließen Afrikas letzte Wildnis: Die weitere Entwicklung, Konsolidierung und der Rückgang des namibischen Eisenbahnsystems von 1930 bis zur Unabhängigkeit 1990 und danach. auf www.klausdierks.com
- Bahnnetz soll Priorität genießen. (Memento vom 23. November 2011 im Internet Archive) In: Allgemeine Zeitung. 14. Juli 2010.
- Notschrei für Bahnsanierung. In: Allgemeine Zeitung. 30. Juni 2009.
- Govt pays 25 cents per m2. Namibian Sun, 19. Dezember 2014 (Memento vom 20. Dezember 2014 im Webarchiv archive.today) abgerufen am 20. Dezember 2014
- Vertrag für Bau von Bahnanschluss. In: Allgemeine Zeitung. 9. März 2010.
- Anschluss per Gleis. In: Allgemeine Zeitung. 19. Mai 2010.
- Desie Heita: Ohorongo cement now available (Memento vom 4. September 2012 im Webarchiv archive.today). 4. März 2011, Zugriff am 15. September 2011
- Harambee Prosperity Plan 2016/17–2019/20, Namibian Government's Action Plan towards Prosperity for All. (PDF) Republic of Namibia, April 2016, S. 53, abgerufen am 21. Januar 2018 (englisch).
- AfDB grants US$153mn loan for railway project in Namibia. In: African Review. Alain Charles Publishing, 14. Dezember 2017, abgerufen am 21. Januar 2018 (englisch).
- Kleine Schritte zur Ostbahn. In: Allgemeine Zeitung. 5. Januar 2011.
- Entwicklungsprojekte des Ministeriums für Öffentliche Arbeiten und Verkehr abgerufen am 25. Februar 2011
- New Era: Trans-Kalahari railway on track. Meldung vom 12. August 2014 auf www.newera.com.na (englisch)
- 20. März 2014 Nachrichten am Morgen. Hitradio Namibia, 20. März 2014 (Memento vom 20. März 2014 im Webarchiv archive.today) abgerufen am 20. März 2014
- 15.05.2015 Nachrichten am Abend. Hitradio Namibia (Memento vom 15. Mai 2015 im Webarchiv archive.today), 15. Mai 2015
- Transport durch drei Länder. In: Allgemeine Zeitung. 17. Dezember 2009.