Rundturmkirche
Rundturmkirchen stellen eine besondere architektonische Form von Kirchengebäuden in der Westhälfte Europas dar, die sich insbesondere auf England konzentrieren.
Verbreitung
Deutschland
In Deutschland gibt oder gab es Rundturmkirchen in der Westhälfte.
- Baden-Württemberg (Achern und Lorch)
- Holstein
- Vicelinkirchen in Neukirchen/Malente, Pronstorf und Ratekau sowie ursprünglich in Bosau.
- Zu den Holsteiner Rundturmkirchen sind neben der Michaeliskirche (Kaltenkirchen) auch die Heiligen-Geist-Kirche (Barmstedt), St. Johannis (Hamburg-Eppendorf) und die Rellinger Kirche zu zählen, deren Türme ummauert wurden.
- In Dithmarschen die Bartholomäuskirche in Wesselburen (heute in den barocken Neubau integriert), die St.-Andreas-Kirche (Weddingstedt) (nur noch der Stumpf erhalten) und die Remigiuskirche in Albersdorf.
- Südschleswig (Süderstapel, Kosel und Oeversee)
- Niedersachsen (Suderburg, Betzendorf, Reckenhausen, Salzhausen, Sattenhausen und Westen)
- Nordrhein-Westfalen (Lukaskirche in Münster)
- Rheinland-Pfalz (Eckersweiler, Hermeskeil-Bescheid)
- Saarland (Bebelsheim, Erfweiler-Ehlingen und Reinheim).
- Bayern (Heilig Blut in Landshut; St. Thomas in Augsburg, eine moderne Rundturmkirche, die der Kategorie eigentlich nicht entspricht).
- St. Peter und Paul Betzendorf
- Feldsteinkirche von Oeversee Schleswig-Holstein
- Rundturm von St. Andrew in Bedingham
- Rundturmkirche St Giles Risby
- West Dereham
- Bruisyard church
- Saul church County Down
- Verfallener Rundturm: Cockley Cley, Norfolk
England und Orkney
Der Großteil dieser Kirchen findet sich in England, insbesondere in East Anglia. Allein in Norfolk gibt es 124 Rundturmkirchen, in Suffolk 38. Weitere Countys mit mindestens einer Rundturmkirche sind Essex, Cambridgeshire, Sussex und Berkshire.
Die Rundturmkirchen East Anglias sind häufig angelsächsischen Ursprungs und teilweise über 1000 Jahre alt. Ein Charakteristikum vieler Rundturmkirchen in Norfolk ist das Reetdach, eine in der Gegend früher häufig anzutreffende Form der Bedachung.
Die Kirchen liegen teilweise weit ab von Siedlungen. Grund hierfür ist, dass die Landesherren früher oft die ihnen unterstellten Bewohner umsiedelten, um sich Jagdgründe zu schaffen. Die Behausungen wurden abgerissen und an anderer Stelle aufgebaut, an die Kirchen traute man sich jedoch nicht heran, so dass sie einsam in der Landschaft stehen und oft nur über Fußwege erreichbar sind.
Hieraus ergibt sich das Problem, dass viele der Kirchen keine Gemeinden mehr haben und damit entweder ausgesegnet und dem Verfall preisgegeben werden oder durch gemeinnützige Organisationen, wie etwa den „Churches Conservation Trust“, die sich über Spenden finanzieren, erhalten werden müssen. Geldmangel führt auch oft dazu, dass die eigentlich ursprünglichen Reetdächer nicht mehr erneuert werden können oder die Kirchen verfallen.
Die St. Magnus Church auf Egilsay (Orkney) hat auch einen Rundturm.
- Kirche von Hammarlunda
- Kirche von Hammarlunda
Schweden
In Schweden gibt es Kenntnisse über sechs Rundturmkirchen, alle in Schonen, von denen vier erhalten sind. Diese sind nicht mit den schwedischen Rundkirchen zu verwechseln.
- Blentarp
- Bollerup
- Dagstorp (im 19. Jahrhundert abgerissen)
- Hammarlöv
- Hammarlunda
- Önnarp (im 19. Jahrhundert abgerissen)
Weitere Rundturmkirchen
Weitere Länder mit Rundturmkirchen sind
- Andorra, Santa Coloma
- Frankreich (in Elsaß-Lothringen Altrippe, Berg, Farebersviller, Farschviller, Heckenransbach, Hilbesheim, Lidrezing, Metting, Rodalbe, Tarquimpol, Uzès, Weyer, Ville-Di-Paraso (Korsika), Xouaxange, St-Marcel in Zetting),
- Italien
- Norwegen
- Polen
- Schottland (St. Magnus Church auf Egilsay, Orkney) und Kilmore church, Dervaig, Isle of Mull, Hebriden
- Südafrika
- Tschechien
- Bebelsheim Kirche im Bliesgau
- Berg, Frankreich
- St. Martin in Berg/Elsass, Frankreich
- Uzès
Ursprungstheorien
Merkmal dieser Kirchenform ist der Rundturm. Nach wie vor ist ungeklärt, warum auf diese Form zurückgegriffen wurde. Hierzu gibt es folgende Theorien.
- Viele Rundturmkirchen – gerade in East Anglia – befinden sich in Gebieten, in denen es wenig geeignetes Baumaterial gab. Da es einfacher ist, runde Formen mit den vorhandenen weicheren Steinen zu bauen, wurden die Türme rund konstruiert. Gegen diese Theorie spricht, dass man in Norddeutschland viele Rundturmkirchen aus Feldstein (Feldsteinkirchen) findet.
- Andere Kirchen befinden sich in Gebieten, die häufigen Plünderungen durch Wikinger unterworfen waren. Da gibt es die Theorie, dass es sich ursprünglich um Wehrtürme gehandelt haben könnte. Gegen diese Theorie spricht, dass die Türme im Regelfall zu kurz waren, um ausreichenden Schutz zu bieten, und außerdem häufig erst später an bestehende Kirchen angebaut wurden. Dies erkennt man häufig daran, dass die Wände des Turms an der Stelle, an der er an das Schiff angebaut ist, flach sind.
- Die Rundtürme werden versuchsweise aufgrund örtlicher Gegebenheiten erklärt, wie etwa frühgeschichtliche Steinkreise oder Brunnen. Unter dem englischen König Æthelstan, der das meiste zuvor von Wikingern besetzte Land zurückeroberte, blieben die Wikinger in ihrer Dörfern. Dies betrifft auch Dörfer, die Rundturmkirchen haben. Der Ortsname oder sein Suffix ist ein Hinweis auf eine Wikingergründung. Im Jahre 937 gab Athelstan ein Gesetz heraus, das festlegte, wodurch ein Anspruch auf den Status des „thegn“ (des freien Mannes) und auf seinen Besitz erworben wird (siehe Shakespeare Macbeth, Thane von Cawdor). Ein Erfordernis war, dass das Land einen Glockenturm (Glocke) haben musste. Es gibt Belege dafür, dass die Türme erst zu dieser Zeit an existierenden Kirchen errichtet wurden. Möglicherweise verdanken die Rundtürme ihre Existenz dieser Verordnung, denn viele der erhaltenen Rundturmkirchen datieren aus der Zeit vor der normannischen Eroberung im Jahre 1066, einige sind danach entstanden. Genaue Aufzeichnungen erfolgten im Jahre 1086 als das Domesday Book als erstes Grundbuch angelegt wurde.
Eine allgemein zufriedenstellende Erklärung steht jedoch aus.
Abgrenzung
Rundturmkirchen sind nicht zu verwechseln mit den keltischen Rundtürmen, wie sie in Irland häufig (Glendalough) oder in Schottland seltener zu finden sind Auch nicht mit Rundkirchen, die im Gegensatz zu Rundturmkirchen, bei denen nur der Turm rund ist, einen runden Kirchen-Grundriss oder einen runden Kirchenteil aufweisen.
Literatur
- W. J. Goode: Round Tower Churches of South East England (Round Tower Churches Society); das Standardwerk zum Thema.
- Lyn Stilgoe: The Round Tower Churches of Norfolk – Illustrations by Dorothy Shreeve, Canterbury Press Norwich, ISBN 1853114480.
- Heidi Kügler: Rundturmkirchen im Bliesgau, 1. Aufl. – Neuss 1993., 19 S., zahlr. Ill., ISBN 3-88094-755-4. - (Hrsg.: Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Reihe: Rheinische Kunststätten 394: Saarland).