St. Johannis (Hamburg-Eppendorf)
Die St.-Johannis-Kirche ist eine evangelisch-lutherische Pfarrkirche im Hamburger Stadtteil Eppendorf. Sie ist eine der ältesten Gründungen auf nordelbischem Gebiet, war sehr lange Mittelpunkt eines großen Kirchspiels und ist Mutterkirche vieler weiterer Kirchen im Hamburger Norden. Das nach Johannes dem Täufer benannte Gebäude gilt als die bekannteste „Hochzeitskirche“ in Hamburg.
Geschichte
Die Kirche wurde 1267 erstmals urkundlich erwähnt als Ort einer Verhandlung gegen Otto von Barmstede. Die häufig geäußerte Vermutung, ihre Gründung ginge auf eine Missionsreise Ebo von Reims im Jahre 823 in das Gebiet nördlich des fränkischen Reichs zurück, lässt sich nicht belegen. 1400 wurde die Kirche in das Zisterzienserinnenkloster Harvestehude inkorporiert, von deren Patronen das Kirchspiel bis 1832 verwaltet wurde.
Der Pfarrbezirk umfasste bis zum Gottorper Vergleich im Jahre 1768 und zur daraus resultierenden Abtretung des Bezirks der Niendorfer Marktkirche das gesamte Gebiet zwischen der damaligen Hamburger Stadtgrenze am Dammtor im Süden und Ochsenzoll im Norden. Besonders während der Wachstumsphase Hamburgs am Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden viele neue Gemeinden auf dem Gebiet des ehemaligen Pfarrbezirkes von St. Johannis. Einige dieser unmittelbaren Tochterkirchen sind St. Lukas in Fuhlsbüttel, St. Johannis in Harvestehude und St. Markus in Hoheluft.
Während der Kriege im 17. und 18. Jahrhundert musste die Kirche mehrfach Plünderungen und Nutzung als Militärlager und zuletzt während der Hamburger Franzosenzeit als Unterkunft für die aus dem niedergebrannten Pesthof evakuierten Kranken überstehen.
Baugeschichte und Architektur
Der älteste Teil der Kirche ist der romanische Rundturm, der 1751 rechteckig mit Backsteinen ummantelt und mit einer barocken, heute mit Kupferblech gedeckten, 36 m hohen Spitze versehen wurde. Die Feldsteinmauer des alten Turmes sind nur noch an der Rückwand der Empore zu erkennen. Der Turm entstand möglicherweise schon in karolingischer Zeit als Wachturm an der damaligen Alsterfurt.[1]
Die heutige Kirche ist mindestens die dritte Kirche an dieser Stelle. Wohl 1314 fiel die erste Kirche einem Band zum Opfer. Der Bau aus dem 14. Jahrhundert wurde 1622 durch den heutigen Bau ersetzt. Das Kirchenschiff ist ein rechteckiger 33 m langer und 12 m breiter Fachwerksaal mit flachem Chorabschluss. Die Kirche hatte ursprünglich ein flaches Bretterdach.
Die Kirche wurde von 1902 bis 1903 renoviert und dabei von Julius Faulwasser mit Turmeingang und Brettertonnengewölbe im Innenraum versehen. Eine weitere Renovierung wurde 1957 bis 1963 unter der Leitung von Gerhard Langmaack vorgenommen, der vor allem neugotische Elemente zurückbauen ließ und dabei auch die heutige Anordnung der Fenster in der Chorwand festlegte. Die letzte Renovierung des Kirchenschiffs fand 1981 bis 1984 durch die Architekten Bunsmann, Scharf und Lockner statt und umfasste auch eine Neugestaltung des Altarraumes. Der Turm wurde in den Jahren 1999 bis 2001 aufwendig restauriert. Im August 2021 begann eine weitere Renovierung.
Ausstattung
Der Kirchsaal ist durch die großen Fenster mit ihrem farblosen Glas und seinen in Weiß gehaltenen Wänden sehr hell. Die 9 m hohe hölzerne Tonnendecke wird durch einige schmale Holzsäulen unterstützt, an Nord- und Westwand sind Emporen eingefügt.
Das Kruzifix an der Altarrückwand kam erst in den 1960er-Jahren in die Kirche, die verwendete Christusfigur ist jedoch wesentlich älter und wird auf das frühe 16. Jahrhundert geschätzt. Wahrscheinlich wurde sie in der Gegend von Nürnberg gefertigt.
An der Chorwand und an den Seitenwänden befinden sich mehrere Bilder, die der Kirche zum Neubau 1622 geschenkt wurden, darunter Bilder der Evangelisten Matthäus und Markus und von den Reformatoren Martin Luther und Philipp Melanchthon. Die Bilder an den Emporen stammen von 1669. An der Chorempore stellen sie das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen dar; die Seitenempore zeigt Szenen aus dem Leben Jesu; an der Orgelempore wurden Bilder angebracht, die sich früher an der Seitenempore befand, aber aus unterschiedlichen Gründen abgenommen wurden.
Kanzel und Gestühl wurden 1781 vom örtlichen Tischler Ulrich Reese im klassizistischen Stil gefertigt. Vom Gestühl haben sich bis heute nur einzelne Wangen im vorderen Bereich erhalten. Das die Kanzel beherrschende Motiv sind die Zehn Gebote und ihre Verkündung durch Mose. Der heutige Altar ist ein Entwurf von Paul-Gerhard Scharf aus dem Jahre 1989 mit einer Ergänzung durch Siegfried Assmann aus dem Jahre 1991. Assmanns Ergänzung, ein in den Altartisch integriertes vergoldetes Bronzemedaillon, zeigt die Begegnung Jesu mit seinen Jüngern in Emmaus umrahmt von weiteren kleineren biblischen Szenen.
Orgel
Die Kirche besitzt eine Steinmeyer-Orgel aus dem Jahr 1972. Die Orgel weist seit ihrem Bau als Besonderheit ein unübliches Blockwerk im Hauptwerk auf. 1996 erfolgte durch die Herstellerfirma eine Überholung mit Änderungen in der Disposition, die wie folgt lautet:[2]
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- Koppeln:: I/II, I/III, I/P, II/P, III/P
- Spielhilfen: 4 freie Kombinationen, Pleno, Auslöser, Handregister ab.
2021 wurde die Orgel abgebaut. Nach der Ausmalung der Kirche soll eine neue Orgel eingebaut werden.
Glocken
Für St. Johannis goss die Glockengießerei Otto aus Hemelingen/Bremen im Jahr 1893 drei Bronzeglocken mit der Schlagtonreihe es – g – b.[3][4] Die beiden größeren Glocken fielen den Glockenvernichtungen der beiden Weltkriege zum Opfer. Heute hängt nur noch die kleine b-Glocke von Otto im Turm. Das heutige Geläut[5] ist seit 1954 wieder dreistimmig und hängt seit 2009 wieder in einem hölzernen Glockenstuhl. Die älteste ist ein Fundstück vom Hamburger Glockenfriedhof, für das der Vorbesitzer nicht festgestellt werden konnte; sie stammt ursprünglich aus Danzig.[6] Die neueste Glocke ist ein Neuguss von 1954.
Nr. |
Name |
Gussjahr |
Masse (kg) |
Schlagton |
Glockengießer |
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1 | 1954 | 820 | Fa. Rincker, Hessen | ||
2 | 1732 | 490 | Michael Wittwerk, Danzig | ||
3 | 1893 | 394 | b' | Fa. Otto, Bremen |
Friedhöfe
Bis zum Jahr 1837 diente ein Kirchhof, welcher das Sakralgebäude direkt umschloss, als Begräbnisplatz. Bei Wiederbelegung einer Grabstätte noch nicht vergangene Knochen wurden in einem Beinhaus gesammelt. Da dieser Kirchhof für die zunehmende Bevölkerung Anfang des 19. Jahrhunderts zu klein war, wurde ein neuer Friedhof an der Wegkreuzung von Eppendorfer Landstraße und Kümmellstraße eingerichtet. Die Grabstellen rund um die Kirche wurden in den Jahren danach sämtlich aufgelöst, das Gelände zum Teil überbaut.
Nach der Eröffnung des Ohlsdorfer Friedhofs fanden immer weniger Bestattungen von Gemeindegliedern statt, zuletzt um 1900. Das Gelände dieses zweiten Gemeindefriedhofes wurde verkauft und in den 1950er Jahren mit dem Parkplatz eines Warenkaufhauses überbaut (heute Marie-Jonas-Platz). Die Gebeine wurde nach der Exhumierung auf den Hauptfriedhof Ohlsdorf überführt. Hier befand sich u. a. auch die Grabstelle der prominenten Gastwirtin Marianne Ruaux (1802–1882), genannt „Die schöne Marianne“.
Gemeinde
Bedeutende Persönlichkeiten
Samuel Heinicke, einer der Pioniere im deutschen Gehörlosenschulwesen, war von 1768 bis 1778 Kantor der Gemeinde und unterrichtete daneben mehrere gehörlose Schüler. Ein Porträt von ihm hängt an der linken Innenwand des Kirchenschiffs. Es wurde 1890 von dem tauben Künstler Anton Kaulbach angefertigt.
Im 20. Jahrhundert prägte vor allem Pastor Ludwig Heitmann die Gemeinde. Während seiner ungewöhnlich langen Amtszeit von 1909 bis 1951 rief er eine blühende, stark bündisch geprägte Jugendarbeit ins Leben und führte eine Reihe neuer Gottesdienstformen ein, darunter schon 1930 die Feier der Osternacht.
Ulrich Rüß war von 1982 bis 2009 Pastor der Gemeinde.
Nutzung
Die Gottesdienste am Sonntagvormittag und am Mittwochabend werden als Lutherische Messe gefeiert.
Der Kirchenbau ist aufgrund seines erhalten gebliebenen Charakters als dörflich geprägte Kirche, der heute als starker Kontrast zur städtischen Umgebung erlebt wird, einer der beliebtesten sakralen Orte für Trauungen in Hamburg. In der Kirche finden jeden Sonnabend die Johanniskonzerte statt.
Fotografien und Karte
- Chorabschluss
- Blick über die Alster zur Kirche (2006)
- Blick über die Alster zur Kirche (1845)
- Reste des klassizistischen Gestühls
Literatur
- Ralf Lange: Architektur in Hamburg. Junius Verlag, Hamburg 2008, ISBN 978-3-88506-586-9, S. 130.
- Matthias Gretzschel: Kirchen in Hamburg: Geschichte, Architektur, Angebote. Axel Springer Verlag, Hamburg 2000, ISBN 3-921305-92-6, S. 72 f.
- Friedhelm Grundmann, Thomas Helms: Wenn Steine predigen. Medien Verlag Schubert, Hamburg 1993, ISBN 3-929229-14-5, S. 55, 64–66.
- Karin Schöpflin: Führer durch die Kirche St.Johannis-Eppendorf. Hrsg.: Kirchenvorstand St. Johannis Eppendorf. Eigenverlag der Kirchengemeinde, Hamburg (st.johannis-eppendorf.de [PDF; abgerufen am 28. Januar 2013] nach 1990).
- Barbara Leisner, Norbert Fischer: Der Friedhofsführer. Christians Verlag, Hamburg 1994, ISBN 3-7672-1215-3, S. 103.
- Veronika Janssen: 750 Jahre St. Johannis Eppendorf. Hamburg 2018 (Erhältlich bei der Kirchengemeinde).
- Veronika Janssen: St.Johannis zu Eppendorf. Eine Hamburger Dorfkirche vom Mittelalter bis heute. Solivagus-Verlag, Kiel 2018, ISBN 978-3-943025-53-8.
Einzelnachweise
- Veronika Janssen: St.Johannis zu Eppendorf. Eine Hamburger Dorfkirche vom Mittelalter bis heute. Kiel 2018, S. 17
- Eintrag in der Orgeldatenbank orgbase.nl. Abgerufen am 30. Oktober 2015.
- Gerhard Reinhold: Otto-Glocken. Familien- und Firmengeschichte der Glockengießerdynastie Otto. Selbstverlag, Essen 2019, ISBN 978-3-00-063109-2, S. 588, insbesondere Seiten 74, 398, 506.
- Gerhard Reinhold: Kirchenglocken – christliches Weltkulturerbe, dargestellt am Beispiel der Glockengießer Otto, Hemelingen/Bremen. Nijmegen/NL 2019, S. 556, insbesondere S. 91, 368, 473, urn:nbn:nl:ui:22-2066/204770 (Dissertation an der Radboud Universiteit Nijmegen).
- Information zu den Glocken auf der Homepage des NDR. Abgerufen am 14. Februar 2013.
- Veronika Janssen: St.Johannis zu Eppendorf. Eine Hamburger Dorfkirche vom Mittelalter bis heute. Kiel 2018, S. 268
Weblinks
- Website der Gemeinde
- Beschreibung auf der Homepage der Stadt Hamburg