Redendes Wappen
Als Redendes Wappen (französisch stets im Plural gebraucht armes parlantes), auch Sprechendes Wappen oder Namenswappen, bezeichnet man in der Heraldik solche Wappen, die im Fall von Familiennamen auf den Namen des Inhabers oder im Falle von Ortswappen auf die (oft volksetymologischen) Deutung des Ortsnamens entweder anspielen oder ihn rebusartig darstellen. Die Anspielung liegt meist in der Figur, seltener in der Farbe.
Redende Zeichen gab es bereits in der Antike. Vor allem die zunächst noch nicht beschrifteten Münzen aus der archaischen Zeit nehmen in ihren Motiven häufig auf die Namen der Städte Bezug, in denen sie geprägt wurden. Beispiele sind Phokaia mit einer Robbe (griechisch phokä), Zankle (zánklä = Sichel), Himera mit einem Hahn (häméra = Tag) und Selinus mit dem Blatt einer Sichelstaude (sélinon = Selleriestaude),[1] Melos mit einem Apfel (melon), Rhodos mit einer Rosenblüte (rhodon).[2] Einige Münzen aus der Zeit der Römischen Republik spielen mit redenden Zeichen auf die Familiennamen der Münzmeister an.[3]
Beispiele
- Stadt München: der Mönch steht für München
- Kanton Uri (Schweiz): der Auerochse steht für Ur bzw. Uri
- Kröpelin: ein kriechender Krüppel (volksetymologische Deutung des ursprünglich slawischen Ortsnamens)
- Horn (Niederösterreich): Das Hifthorn steht für die Stadt Horn
- Pfaffenhofen zeigt eine Priestertonsur, auch in Pfaffstätten ist der Pfaffe entsprechend erkennbar
- Schwanau: Ein in der Au(e) schwimmender Schwan
- In Blaufelden reden Hintergrund sowie der wackere Sämann
- Cham: Trägt im Wappen einen Kamm, obwohl etymologisch nicht verwandt
- Schweinspoint: Seit dem 12. Jh. steht hier ein Eber im Schild
- Bunter Bock in Buntenbock im Harz
- Geiselwind: Den Wind symbolisiert der Windhund
- Der Storchenschnabel symbolisiert Schnabelwaid in Oberfranken
- Lederhose (Thüringen): Dieses Wappen wurde gezielt angepasst
- Tanne (Sachsen-Anhalt): Drei Nadelbäume
- Farnern (Kanton Bern)
- Wachen in Wachstedt
- Waschen in Wäschenbeuren
- Henneberg (Meiningen) Henne auf (Drei-)Berg
- Küsnacht: volksetymologische Anlehnung an mittelhochdeutsch küssîn bzw. schweizerdeutsch Chüssi „Kissen“
- Faoug (deutsch Pfauen): volksetymologische Anlehnung an „Pfau“ und korrekte Herleitung von lat. fagus „Buche“
- Hadersdorf-Kammern, Österreich
- Schattendorf, Österreich
- Hranice u Aše (deutsch Roßbach)
- Oxford, etymologisch „Ochsenfurt“
- Offenburg zeigt eine offene Burg
- Magdeburg. Die Teile des Stadtnamens sind dargestellt: oben eine Jungfrau/Magd, unten eine Burg.
- Schwanenberg, Schwan auf einem Berg
Die Grafen von Henneberg führten z. B. eine Henne auf einem Dreiberg, die Herren von Aufenstein einen Auf oder Uhu, die Grafen von Helfenstein einen Elefanten; das Wappen der Herren von Olvenstedt zeigt ein Kamel, welches im Mittelalter Olfent hieß. Hier lag eine phonologische Ähnlichkeit nahe. Die spätere offizielle Heraldik verfuhr bei der Wahl der redenden Wappen sehr willkürlich und den Gesetzen der Heroldskunst widersprechend. So ist das Wappen des preußischen Staatsministers August Friedrich von Boden (geadelt 1739) dreifach redend, indem es eine Pfote (Pote), einen Boden und einen Boten enthält.
Auch Ortswappen können sprechend sein, etwa bei Berlin (volksetymologisch als Bärlein = kleiner Bär uminterpretiert) oder Bern (ebenfalls volkstümliche Anlehnung an Bär) sowie Hamburg (Burg auf rotem Grund)[4]. Bei Uri handelt es sich um das Ur, einen Auerochsen, bei Füllinsdorf um ein Fohlen (schweizerdeutsch Fülli; etymologisch liegt indes ein männlicher Personenname vor). Ein weiteres Beispiel ist Tragwein (Weinfass auf einer Trage). Falken finden sich oft in Wappen von Orten mit Namen Falkenstein und Falkenberg (so im heutigen Niemodlin), der Löwe bei der Gemeinde Löwenberger Land, Beile, die in Beilstein diesen hämmern, ferner eine Tanne auf Münzen und Wappen der elsässischen Stadt Thann. Bekannt sind auch die Magd über der Burg im Wappen von Magdeburg oder der Stralsunder Strahl.
Als Münzmeisterzeichen wurden redende Wappen ebenfalls verwendet. Zum Beispiel hatte Ernst Peter Hecht, von 1693 bis 1714 Münzmeister der Münzstätte Leipzig, die Buchstaben E P H und zusätzlich den Hecht aus seinem Wappen. Auch auf Münzen kommen redende Wappen vor. Karl Christoph Schmieder erklärt das Münzbild der Schaffhauser Bockstaler, dass es sich um das Stadtwappen von Schaffhausen handelt. „Schafbock und Haus“ so Schmieder, sind das redende Wappen von Schafhausen.[5]
Viele redende Wappen sind eine (teilweise volksetymologische) direkte bildhafte Umsetzung des Ortsnamens:
- Beilstein zeigt das Wappen von Beilstein besteckt mit drei (2:1) auf einem Stein darin eingehauenen Spitzhämmer
- Bockhorn zeigt einen Hirsch und ein Blasinstrument
- Cambridge zeigt unter anderem ein Schiff neben einer Brücke; engl. bridge „Brücke“ über dem Fluss Cam
- Châteaurenard zeigt ein Schloss unter einem Fuchs; franz. château „Schloss“, renard „Fuchs“
- Dürr (= blattlos) ist die Buche in Dürrenbüchig
- Elmbridge zeigt eine Ulme an einer Brücke; engl. elm „Ulme“, bridge „Brücke“
- Eriskirch zeigt eine goldene Schwertlilie (Iris sibirica) und die heutige Pfarrkirche „Unsere Liebe Frau“.
- Faoug, deutsch Pfauen, hat einen Pfau (volksetymologische Deutung des Ortsnamens) und eine Buche (richtige Herleitung von lateinisch fagus „Buche“) im Wappen
- Goldscheuer zeigt eine goldene Scheune
- Graben BE zeigt gekreuzte Spaten
- Haßfurt zeigt einen Hasen
- Hornberg zeigt zwei Hifthörner über einem Dreiberg
- Königsbrunn zeigt Krone und Brunnenschacht
- Küsnacht und Küssnacht haben ein Kissen im Wappen (volksetymologische Deutung des Ortsnamens, eigentlich aber zurückgehend auf fundus Cossiniacus „Landgut des Cossinius“)
- L’Aquila zeigt einen Adler; ital. aquila „Adler“
- Lyon zeigt einen Löwen; franz. lion „Löwe“
- Meersburg zeigt ein Meer (für den Bodensee) und eine Burg
- Neunkirchen zeigt neun Kirchen
- Nonnenhorn zeigt eine Ordensfrau und ein Füllhorn
- Offenhausen in Österreich zeigt einen Affen auf einem halb offenen Stadttor
- Oxford zeigt einen im Fluss stehenden Ochsen; engl. ox „Ochse“, ford „Furt“
- Puchheim zeigt gekreuzte Puchenblätter und ein Haus
- Rockenhausen zeigt drei Roggen-Ähren
- Starnberg zeigt einen Staren auf grünem, nach Busch, Baum oder Hügel aussehenden Grund.
- Steinhaus zeigt ein Stein-Haus
- Tours zeigt drei silberne Türme; franz. tour „Turm“
- Triberg zeigt zwei Hifthörner über einem Dreiberg
- Turin zeigt einen Stier; ital. toro „Stier“
- Wolfsburg zeigt einen Wolf auf einer Burgmauer
Andere Wappen benutzen einen symbolhaften „Umweg“:
- Baden zeigt – Badende!
- Bettendorf (entstanden aus Betendorf) zeigt Bibel und Rosenkranz als Symbol für das Beten.
- Kröpelin zeigt einen Krüppel; tatsächlich liegt das slawische Wort crepelice (= Ort der Wachtel) zugrunde.
- Frankfurt (Oder) zeigt einen Hahn, lat. gallus. Im mittelalterlichen Latein sind die galli Franken („Gallier“).
- Gallipoli zeigt einen Hahn, ital. gallo, obwohl der Name der Stadt eigentlich von griech. kalòs kommt (Volksetymologie)
- Luckau zeigt einen Stier, das Symbol für den Evangelisten Lukas.
- Jüterbog zeigt einen Bock, der nach einer Volksetymologie der Namensgeber sein soll
- Kindberg in der Steiermark blasoniert wie folgt: „In blauem Schild golden ein auf einem silbernen Berg sitzendes nacktes, nur mit Lendentuch bekleidetes Kind, unter drei halbrund angeordneten goldenen fünfzackigen Sternen mit einer der vorne und hinten gebogen aus dem Berg wachsenden silbernen Blumen spielend.“
- Lauffen am Neckar hat den laufenden Boten („Läufer“).
- Lichtental, der Bezirksteil des 9. Wiener Gemeindebezirkes zeigt ein von der Sonne beleuchtetes Tal.
- Schattendorf – wirft Schatten
- Telgte (nach einem Gehöft Telgoth) zeigt eine stilisierte Eiche, Telge steht dabei für Eiche (Telgen potten für Bäume pflanzen, 16. Jahrhundert).
Initialwappen
Auch sind die Initialwappen häufig als redend anzusehen. Beispiele sind:
Literatur
- Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Bibliographisches Institut, Mannheim/Wien/Zürich/Leipzig 1984, ISBN 3-411-02149-7; 2. unveränderte Aufl. mit dem Untertitel Von Apfelkreuz bis Zwillingsbalken, Battenberg, Regenstauf 2006, ISBN 3-86646-010-4; 3. Aufl. 2011, ISBN 978-3-86646-077-5.
- Winfried Schich: Redende Siegel brandenburgischer und anderer deutscher Städte im 13. und 14. Jahrhundert. In: Markus Späth (Hrsg.): Die Bildlichkeit korporativer Siegel im Mittelalter. Kunstgeschichte und Geschichte im Gespräch (= Sensus. Bd. 1). Böhlau, Köln u. a. 2009, ISBN 978-3-412-20353-5, S. 113–130.
Weblinks
Einzelnachweise
- Haymann, Antike Münzen sammeln, Regenstauf 2016, Seite 29, 32.
- Peter Franz Mittag, Griechische Numismatik, Heidelberg 2016, Seite 22.
- Rainer Albert, Die Münzen der Römischen Republik, Regenstauf 2003, Katalognummern 874, 905, 1117, 1241, 1298 und 1464.
- Eigentlich ist die Mauer mit Tor und Türmen das generelle Wappensymbol für eine Stadt. In Hamburg ist allerdings dieses übliche Symbol burghaft zusammengedrängt.
- Karl Christoph Schmieder: Handwörterbuch der gesammten Münzkunde. Waisenhaus, Halle/Berlin 1811, S. 61: Redendes Wappen.