Rainbow Gathering
Ein Rainbow Gathering (engl. „Regenbogen-Zusammenkunft“) ist ein Treffen der Rainbow Family („Regenbogen-Familie“). Rainbow Gathering finden meist unter freiem Himmel in abgeschiedener Umgebung statt. Offizielle Veranstalter gibt es keine, sondern lediglich sogenannte „Scouts“, die einen passenden Platz suchen oder auswählen und Vocalizer, die Informationen zu Ort und Vorbereitung der Zusammenkunft verbreiten. Aufgrund der Abwesenheit jedweder Hierarchie sind diese Treffen ein Beispiel für Selbstorganisation und Anarchie. In den USA kam es schon zu Konflikten mit lokalen Behörden, da diese bei größeren Versammlungen einen „Anführer“ als unumgänglich erachten.
Neuere Treffen in Europa
Das erste europäische Rainbow Gathering in Deutschland fand 2005 in Thüringen statt.
Im Jahre 2009 fand das 27. Gathering der europäischen Familie in der Ukraine statt und erlaubte es auch vielen Mitgliedern der russischen Rainbow Family ohne Einreiseschwierigkeiten teilzunehmen.[1]
2011 traf sich die europäische Rainbow Family in Portugal, 2012 in der Slowakei und 2013 im nordgriechischen Gebirge nahe der albanischen Grenze.
Im Sommer 2014 fand das europäische Gathering in Rumänien statt.
Das Gathering der Schweizer Rainbow Familie 2015, fand von 14. August bis 13. September im Valle Onsernone statt.[2]
Am 33. Europa-Gathering 2015 in Litauen wurde beschlossen das Gathering 2016 in den Alpen stattfinden zu lassen. Als Scouting wird die Suche nach einem passenden Platz bezeichnet.[3]
Das europäische Gathering 2016 – ab Neumond 2. August, Höhepunkt Vollmond 17. (18.) August und Ende zu Neumond 1. September – mit Teilnehmern aus über 35 Nationen umfasste etwa 450 Teilnehmer, als sie sich am 2. August in der Kaiserau niederließ. Ohne klaren oder haltbaren Konsens des Grundeigners Stift Admont lagerten sie auf dieser Alm in 1200 m Seehöhe und verstießen durch Campieren und Feuermachen im Wald gegen österreichisches Gesetz. Die Bezirkshauptmannschaft ordnete einen Polizeieinsatz an, 70 Polizisten setzten am Nachmittag des 7. August den Abzug der „besonders friedfertigen“ Teilnehmer durch, die im Anschluss einen Redekreis (Talkingcircle) am Parkplatz durchführten. Eine Person wurde von Polizeikräften weggetragen.[4] Eine Stimme aus den Reihen der Teilnehmer räumte ein, „dass bei der diesjährigen Organisation des Zusammentreffens von Gathering-Teilnehmern aus der ganzen Welt ‚nicht alles ganz glücklich gelaufen‘ sei.“ Die Teilnehmer verließen den Platz „verständnisvoll, wenn auch wehmütig“ und hoffen auf ein Angebot von Menschen in der Steiermark oder Oberösterreich zum Aufbau eines Camps. Laut einem Teilnehmer, zu hören in der ORF Fernsehsendung „Steiermark Heute“ am 7. August, war zuvor aus dem Stift eine Zusage auch für das Vorhandensein von WCs gekommen, doch dann ein Widerruf.[5][6] Schlussendlich gelang es, einen Platz an der slowenisch-italienischen Grenze zu finden und dort das 34. European Gathering 2016 in einer etwas improvisierten Form zu realisieren.
2017 fand das europäische Rainbow Gathering in den norditalienischen Alpen statt. Die extreme Isolation – nur ein mehrstündiger Fußmarsch über unwegsames Gelände erlaubte Zugang – wurde kritisiert, da zum Beispiel Rollstuhlfahrer keinen Zugang hatten.
2018 fand ein Treffen im August und September auf der Hohen Geba in Thüringen statt.
Teilnehmer
Die Teilnehmer bezeichnen sich selbst als Rainbows und ihre Gemeinschaft als Rainbow Family. Sie sind unterschiedlicher nationaler und sozialer Herkunft und gehören vielfach diversen Subkulturen wie Ökos, Friedens- und Umweltaktivisten, Selbstversorgern, Travellern, Hippies, Aussteigern und Esoterikern an. Genau so finden sich hier auch Lehrer, Ärzte, Handwerker, Künstler, Studenten sowie Väter und Mütter mit Kindern. Bei größeren Treffen finden sich regelmäßig auch Menschen aus der jeweiligen Umgebung ein, die mit ihrer Präsenz maßgeblich die Stimmung und Kultur der Zusammenkunft prägen.
- Russisches Mitglied der Rainbow Family
- Russisches Mitglied der Rainbow Family
Ideologie, Übereinkünfte und Traditionen
Die Rainbow Family bezieht sich auf soziale Wertvorstellungen wie Kollektivität, Pazifismus, Spiritualität, Basisdemokratie und Umweltschutz.[7]
Auf einem Rainbow-Gathering werden anfallende Entscheidungen nach dem Konsensprinzip getroffen und ein Minimum an Übereinkünften bestimmt das Zusammenleben für mehrere Wochen: Gewaltfreiheit, keine Alkoholika, keine Drogen, kein Handel mit Geld und keine elektrischen Geräte.
Die letzte Übereinkunft verrät eine gewisse Technikkritik vieler Rainbows, die nicht selten auch den Rest des Jahres in Bauwagen-Siedlungen und Kommunen leben oder als „fahrendes Volk“ unterwegs sind. Zentrales Element eines Gatherings ist der Kreis. Im Zentrum des Lagers aus Zelten und Tipis befindet sich eine Freifläche um eine große Feuerstelle, wo die Teilnehmenden zweimal täglich zum gemeinsamen Essen (Food Circle) und für andere Aktivitäten zusammenkommen.
Geld für das gemeinsame Essen wird in einer täglichen Kollekte im Kreis mit dem Magic Hat eingesammelt. Eine wechselnde Gruppe Teilnehmer kümmert sich um den Einkauf und die Zubereitung von Lebensmitteln. Diese sind vegan, nach Möglichkeit biologisch und werden nach Möglichkeit bei umliegenden Bauern eingekauft. Für die Kinder auf dem Treffen gibt es eine eigene Küche, wo auch unter Verwendung von Milchprodukten mehrmals täglich gekocht wird.
Mahlzeiten und Kreise jeglicher Art sowie wichtige Informationen werden per Ruf angekündigt. Eine Übereinkunft ist diese Rufe zu wiederholen, damit möglichst alle informiert sind.
Ablauf und Organisation
Viele Teilnehmer eines Gatherings bieten kostenlose Workshops an, die von Lehrgängen in Didgeridoo und afrikanischem Trommeltanz über Shiatsu, Reiki und Tai-Chi bis hin zum Bau von Windgeneratoren und gewaltfreier Konfliktschlichtung reichen.
Die europäischen Haupttreffen finden zumeist um den zweiten Vollmond nach dem 21. Juni (der Sommersonnenwende) in wechselnden Ländern statt. Die Entscheidung für den Ort des jeweils nächsten Gatherings fällt im so genannten Vision Council, einem für alle offenen Redekreis, in welchem oft tagelang miteinander gesprochen wird, bis schließlich nach dem Konsensprinzip ein Land für das nächste Gathering ausgewählt wird. Im Frühjahr beginnt das Scouting mit der Suche nach dem richtigen Platz, wo dann oft schon sechs Wochen vor dem Rainbowvollmond das Seed Camp, die Keimzelle des Gatherings, von einem Dutzend engagierter Menschen aufgebaut wird.
Symbolik
Der Regenbogen steht symbolisch für die verschiedenen Strömungen, Farben und Stämme der menschlichen Kultur.[7] Der Ursprungsmythos der Rainbows geht angeblich auf eine Legende des nordamerikanischen Hopi-Volkes zurück, die besagt, dass sich ein neuer Stamm aus Menschen aller Erdteile zusammenfinden wird, deren Farben so verschieden sind wie die des Regenbogens. Nach einer Epoche der Ausbeutung und des Krieges wird es dieser Stamm sein, so die Legende, der Mensch und Natur wieder versöhnt und die Erde heilt. Ein vom US-amerikanischen Autor Michael Niman interviewter Hopi-Elder hingegen hält den Zusammenhang zwischen seinem Volk und dem Rainbow-Mythos für unrichtig.[8]
Geschichte
Das erste Rainbow Gathering wurde erstmals nach dem Vortex II Festival 1972 in den USA organisiert und werden seither in wechselnden Bundesstaaten und stets am 4. Juli, dem US-amerikanischen Nationalfeiertag, zelebriert. Diese jährlichen Treffen können recht groß sein und ziehen bis zu 40.000 Menschen an. Die in Europa jährlich stattfindenden großen Gatherings haben 1983 in einem Hochtal der Schweiz ihren Anfang genommen. Im Vergleich zu den US-Gatherings sind sie mit durchschnittlich 1.500 Teilnehmern um das Vollmondfest relativ überschaubar; in Ungarn waren es während der totalen Sonnenfinsternis 1999 schätzungsweise 4.000 Menschen. Oftmals finden sich auf den Treffen Gruppen von Menschen zusammen, die auch in der Zeit zwischen den großen Treffen kleinere lokale Rainbow-Gatherings oder auch „walkabouts“ (Rainbow-Wanderungen) organisieren.
Kritik
Von einigen Vertretern amerikanischer Ureinwohner wurden die Gatherings kritisiert, da auf den Treffen eine kulturelle Aneignung ihrer Traditionen stattfinde.[9]
Literatur
- Ramor Ryan: Clandestines: The Pirate Journals of an Irish Exile. AK Press, San Francisco 2006, ISBN 1-904859-55-0.
- Michael I. Niman: People of the Rainbow: A Nomadic Utopia. The University of Tennessee Press, Tennessee 1997, ISBN 0-87049-988-2.
- Andre O’Donnell, Sarah O’Donnel: The Flow Chronicles. Microcosm Publishing, 2002, ISBN 0-9726967-0-9.
- Thomas Widlok, Wolde Gossa Tadesse: Property and Equality: Ritualization, Sharing, Egalitarianism. Berghahn Books, 2005.
- Adam Possamai: In Search of New Age Spiritualities. Ashgate Publishing, 2005, ISBN 0-7546-5213-0.
- David B. Sentelle: Judge Dave and the Rainbow People. Green Bag Press, Washington D.C. 2002, ISBN 0-9677568-3-9, S. 200–204.
Einzelnachweise
- Artikel von Erich Kocina (Text) und Clemens Fabry, Die Presse vom 8. August 2009, abgerufen am 29. Jänner 2017.
- Einladung zum Gathering der Schweizer Rainbow Familie 2015 im Valle Onsernone 14. August – 13. September, freelists.org, abgerufen am 7. August 2016.
- (erster) Beitrag von Marek Wellmer, rainbow – scouting Austria, Öffentliche Gruppe, Facebook vom 25. September 2015, abgerufen am 7. August 2016.
- Besuch der Polizei im Camp am 6. August 2016, youtube.com
- „Rainbow Family“: Friedlich-wehmütiger Abzug, orf.at, 7. August 2016, abgerufen am 7. August 2016.
- Polizei-Einsatz im Hippie-Camp (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , ORF-TV Steiermark Heute, 7. August 19:00, Filmbericht 02:06 Min.
- Rainbow Family – Lebendiger Nachhall der Hippie Bewegung (Memento des Originals vom 27. September 2007 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , kurskontakte.de
- Michael Niman: People of the Rainbow: A Nomadic Utopia. Hrsg.: University of Tennessee Press. 1997, ISBN 978-0-87049-989-0, Fakelore, S. 134–137 (google.com).
- Estes, Nick; et al: Protect He Sapa, Stop Cultural Exploitation (Memento des Originals vom 3. März 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: Indian Country Today Media Network, 14. Juli 2015, abgerufen am 24. November 2015