Oberwaldbahn
Als Oberwaldbahn wird heute die ehemalige Vogelsbergbahn zwischen den Bahnhöfen Glauburg-Stockheim an der Bahnstrecke Gießen–Gelnhausen und Lauterbach (Hess) Nord an der Bahnstrecke Gießen–Fulda bezeichnet. Die 65 Kilometer lange Nebenbahn verlief entlang der Nidder und über den Vogelsberg. Vom Bahnhof Hartmannshain aus führte die Vogelsberger Südbahn zum Bahnhof Wächtersbach an der Bahnstrecke Frankfurt–Göttingen.
Der ursprüngliche Streckenname Vogelsbergbahn ist heute für die Bahnstrecke von Gießen über Grünberg, Alsfeld und Lauterbach nach Fulda in Gebrauch, obwohl diese den Vogelsberg nur am Rande streift. Die Bezeichnung Oberwaldbahn bezieht sich auf den Bahnhof Oberwald bei Bermuthshain, der nach dem schrittweisen Abbau der Gleise zwischen Stockheim und Oberwald in den 1970er und frühen 1980er Jahren zum Endpunkt der Reststrecke von Lauterbach aus geworden war.
Verlauf
Die Vogelsbergbahn folgte ab dem damaligen Bahnhof Stockheim (Oberhess) zunächst dem Oberlauf der Nidder, die sie mehrfach überquert. Ab Hirzenhain verließ die Strecke das Tal der Nidder und verlief durch ein enges Nebental.
Östlich von Gedern stieg die Strecke über mehrere Kehren zur Hauptkette des Vogelsbergs an. Südlich der Herchenhainer Höhe kurz nach dem Bahnhof Hartmannshain, mit 575 m der ehemals höchstgelegene Bahnhof in Hessen, erreichte die Strecke ihren höchsten Punkt beim Überwinden der Rhein-Weser-Wasserscheide.
Durch das Tal der Schwarza verlief die Strecke nach Grebenhain. Nach der westlichen Umfahrung des Heerhains wendete sich die Strecke nach Norden und verlief entlang des Eisenbachs und der Lauter nach Lauterbach.
Geschichte
Auf dem Territorium des Großherzogtums Hessen hatte die Oberhessische Eisenbahn-Gesellschaft 1870 die Bahnstrecken Gießen–Fulda (heutige Vogelsbergbahn) und Gießen–Gelnhausen (Lahn-Kinzig-Bahn) fertiggestellt. Zum besseren Anschluss von Wetterau und Vogelsberg erließ die Regierung in Darmstadt 1884 ein Gesetz zum Bau einer staatseigenen Nebenbahn, die eine diagonale Querverbindung zwischen beiden Strecken herstellen sollte.
Auf Grund der schwierigen Trassierung bei der Durchquerung des Vogelsberges wurde die Bahn in mehreren Abschnitten geplant und gebaut, so dass bis zur Fertigstellung der Gesamtstrecke rund zwanzig Jahre vergingen. Zunächst wurde nur der 18,5 Kilometer lange, noch relativ ebene Streckenabschnitt von Stockheim nach Gedern gebaut und bereits am 1. Oktober 1888 eingeweiht. Im ersten Betriebsjahr wurden etwa 50.000 Personen und mehr als 10.000 Tonnen Fracht befördert, hauptsächlich Holz.
Mehr als zwölf Jahre später wurde der 21,7 Kilometer lange nördliche Streckenabschnitt von Lauterbach nach Grebenhain nach zweijähriger Bauzeit am 31. Januar 1901 eröffnet. Der 24,8 Kilometer lange, höchstgelegene Streckenabschnitt mit der Querung der Rhein-Weser-Wasserscheide wurde schließlich am 1. April 1906 dem Verkehr übergeben. Betrieben wurde die Bahn von der Preußisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft, die 1920 Teil der neugegründeten Deutschen Reichsbahn wurde.
Mit dem Weiterbau der Vogelsberger Südbahn ab Birstein wurde der Bahnhof Hartmannshain am 23. Dezember 1934 zum Anschlussbahnhof. Nahe dem drei Kilometer nordöstlich davon gelegenen Bahnhof Oberwald bestand von 1936 bis 1945 die Luftmunitionsanstalt Hartmannshain (Muna), die über ein eigenes Anschlussgleis verfügte. Die Teilstrecke der Vogelsberger Südbahn zwischen Birstein und Hartmannshain wurde bereits Ende der 1950er Jahre stillgelegt und abgebaut.
Die damalige Vogelsbergbahn wurde in den 1960er Jahren aufgrund des zunehmenden Individualverkehrs und parallel angebotener Bahnbusverbindungen ebenfalls zunehmend unrentabel. Ab der Mitte der 1970er Jahre legte die Deutsche Bundesbahn die Strecke daher schrittweise still. Als erstes wurde der Personenverkehr am 28. September 1975 auf der Gesamtstrecke eingestellt. Nur gelegentliche Sonderfahrten mit Passagieren fanden danach noch statt. Auch der Gesamtverkehr zwischen Ober-Seemen und Oberwald wurde 1975 eingestellt und dieser Streckenabschnitt im Anschluss daran abgebaut.
Am 1. Juni 1984 erfolgte die Einstellung des Güterverkehrs zwischen Stockheim und Gedern, nachdem dies zwischen Gedern und Ober-Seemen schon zum 23. Mai 1982 der Fall gewesen war. Im Anschluss daran wurde der gesamte verbliebene Südteil der alten Vogelsbergbahn bis zum Bahnhof Stockheim zurückgebaut. Der Nordteil der ehemaligen Gesamtstrecke, zwischen Lauterbach Nord und Oberwald, hielt sich dagegen noch ein Jahrzehnt länger, da das 1966 auf dem Gelände der ehemaligen Muna angesiedelte Verpackungsmittelunternehmen Stabernack den Gleisanschluss der Muna zum Bahnhof Oberwald weiterhin nutzte. Erst nach der Verlagerung der Transporte dieser Firma auf die Straße wurde der Bahnhof Oberwald am 31. März 1991 mit dem Teilstück bis Grebenhain geschlossen.
Am 29. Mai 1994 wurde die Strecke von Grebenhain bis Lauterbach Süd stillgelegt, der letzte Abschnitt bis zum Bahnhof Lauterbach (Hess) Nord folgte am 31. Mai 2001. Bereits im Frühjahr 1997 war das Gleis zwischen dem Bahnhof Oberwald und der Anschlussstelle Stabernack im Südwesten von Lauterbach demontiert worden, Anfang 2005 geschah dies auch bis zum ehemaligen Bahnhof Lauterbach Süd, nur innerhalb zweier Bahnübergänge waren die Schienen mitsamt den Straßensignale noch vorhanden und wurden im Zuge einer Straßensanierung inzwischen ebenfalls abgebaut. Abgesehen von der teils gut erkennbaren Trasse stehen noch die beiden Formsignale an der Bahnhofseinfahrt von Lauterbach Nord.
Auf dem größten Teil der ehemaligen Bahntrasse wurde in den Jahren 2000 bis 2003[2] der Vulkanradweg gebaut, der die teilweise noch erkennbare damalige Strecke von Süden kommend in Lauterbach kurz vor der Dirlammer Straße verlässt.
Literatur
- Friedrich Müller: Erst durch die Bahn wurde einst der Hohe Vogelsberg erschlossen, in: Heimat im Bild. Nr. 1–3, 1981. Beilage zu: Gießener Anzeiger, Kreis-Anzeiger, Lauterbacher Anzeiger.
- Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.): Eisenbahn in Hessen. Eisenbahnenbauten- und strecken 1839–1939, 1. Auflage. Theiss Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-8062-1917-6, Bd. 2.2, S. 664ff (Strecke 049).
- Jürgen Röhrig, Stefan Klöppel: 150 Jahre Oberhessische Eisenbahnen. ArGe Drehscheibe e.V., Köln 2020, ISBN 978-3-929082-38-8, S. 201–227.
Weblinks
Einzelnachweise
- Eisenbahnatlas Deutschland. 9. Auflage. Schweers+Wall, Aachen 2014, ISBN 978-3-89494-145-1.
- Vulkanradweg im Vogelsberg: Historische Bahntrasse. Abgerufen am 15. Februar 2015.