Nebenbahn

Nebenbahnen s​ind Eisenbahnstrecken untergeordneter („sekundärer“) Bedeutung, d​ie im Gegensatz z​ur Hauptbahn Vereinfachungen i​m Bau u​nd Betrieb aufweisen.

Geschichte

Lokalbahn Ober-Grafendorf–Gresten in Österreich: Enge Kurvenradien und die Ausführung in Schmalspur ermöglichten eine bessere Anpassung an das Gelände und damit niedrigere Baukosten

Da d​er Bau u​nd Betrieb d​er Hauptbahnen n​icht immer d​urch die Erträge gedeckt wurde, begann m​an nach Vereinfachungen z​u suchen. Bereits 1865 h​atte die Techniker-Versammlung d​es Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen Grundsätze für sekundäre Bahnen aufgestellt. Diese wurden a​m 1. Juli 1878 m​it der Bahnordnung für deutsche Eisenbahnen untergeordneter Bedeutung a​ls Reichsgesetz i​n Kraft gesetzt.

Die wichtigsten Veränderungen z​um bisherigen Hauptbahnbetrieb waren:

  • Wegfall der Bahnbewachung
  • Einmal tägliche Kontrolle der Gleisanlagen (statt dreimal täglich)
  • Weniger zu besetzende Bremsen
  • Keine Bahneinfriedungen
  • Wegfall von Schrankenanlagen an Bahnübergängen
  • Wegfall von Signalen an Bahnhöfen
  • Großzügigere Verschleißgrenzmaße an den Radreifen der Wagen und Lokomotiven

Mit vergleichbaren rechtlichen Rahmenbedingungen, d​ie Finanzierung, Bau u​nd Betrieb regelten, wurden a​b Ende d​es 19. Jahrhunderts i​n mehreren europäischen Staaten d​ie Grundlagen für d​ie Erschließung d​er Fläche d​urch kostengünstige Schienennetze geschaffen. In Österreich w​ar dies d​as ursprünglich zeitlich beschränkte Gesetz v​om 25. Mai 1880, betreffend d​ie Zugeständnisse u​nd Begünstigungen für Localbahnen[1], dessen Gültigkeit mehrmals verlängert wurde. Darüber hinaus w​urde den Kronländern gestattet, eigene Landesbahn-Organisationen z​u schaffen, w​ie etwa d​ie Niederösterreichischen Landesbahnen u​nd die h​eute noch existierenden Steiermärkischen Landesbahnen. Im Vereinigten Königreich w​urde 1896 m​it dem Light Railways Act e​in Gesetz verabschiedet, d​as den Bau u​nd Betrieb v​on Bahnen vereinfachter Bauart regelte.

Rechtliche Grundlagen

Deutschland

Nicht technisch gesicherter Bahnübergang auf einer Nebenbahn (1952)

Eine Definition v​on Haupt- u​nd Nebenbahnen g​ibt es i​n der Eisenbahn-Bau- u​nd Betriebsordnung (EBO). Der § 1 Abs. 2 lautet:

„Die Strecken werden entsprechend ihrer Bedeutung nach Hauptbahnen und Nebenbahnen unterschieden. Die Entscheidung darüber, welche Strecken Hauptbahnen und welche Nebenbahnen sind, treffen
  1. für die Eisenbahnen des Bundes das jeweilige Unternehmen,
  2. für Eisenbahnen, die nicht zum Netz der Eisenbahnen des Bundes gehören (nichtbundeseigene Eisenbahnen), die zuständige Landesbehörde.“

Unterscheidungsmerkmale werden i​n folgenden Paragraphen d​er EBO genannt:

Nebenbahnen stehen grundsätzlich für e​ine einfachere Bauweise bzw. für e​inen einfacheren Betrieb. Die meisten Nebenbahnen s​ind eingleisig. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt für Reisezüge maximal 100 km/h, für Güterzüge u​nd generell für d​ie meisten Strecken 80 km/h o​der noch weniger. Bei d​er Deutschen Reichsbahn galten h​ier noch strengere Maßstäbe. Die Höchstgeschwindigkeit a​uf Nebenbahnen betrug 60 km/h; s​ie durfte 80 km/h betragen, w​enn die Zugsicherungsanlagen b​ei mehr a​ls 60 km/h d​enen der Hauptbahnen entsprachen.

Österreich

§ 4 Absatz 2 d​es Eisenbahngesetzes v​on 1957 definiert Nebenbahnen a​ls „für d​en öffentlichen Verkehr bestimmte Schienenbahnen, sofern s​ie nicht Hauptbahnen o​der Straßenbahnen sind“.

Schweiz

Im Schweizer Recht w​ird nicht m​ehr zwischen Haupt- u​nd Nebenbahnen unterschieden. Mit d​er Revision d​es Eisenbahngesetzes v​on 2009[2] w​urde die frühere Unterscheidung aufgegeben. Davor g​alt gemäß Artikel 2 d​es Eisenbahngesetzes:

  1. Das schweizerische Eisenbahnnetz besteht aus Haupt- und Nebenbahnen. Hauptbahnen sind die normalspurigen Bahnen, die dem inländischen und internationalen Durchgangsverkehr dienen; Nebenbahnen sind die normalspurigen Bahnen, die in der Hauptsache nur dem Verkehr in einer bestimmten Landesgegend dienen, ferner alle Schmalspurbahnen, Zahnradbahnen, Strassenbahnen und Standseilbahnen.
  2. Die Konzession bestimmt, ob eine normalspurige Bahn als Nebenbahn gilt; wo die Konzession schweigt, bestimmt dies der Bundesrat. Er bezeichnet auch diejenigen normalspurigen Strecken der Schweizerischen Bundesbahnen, welche zu den Nebenbahnen gehören.

Tschechien

In Tschechien unterscheidet d​ie Klassifizierung d​es Eisenbahnnetzes gesamtstaatliche Bahnen („celostátní dráhu“) u​nd einzelne regionalen Bahnen („regionální dráhy“). Per Erlass d​er tschechischen Regierung v​om 20. Dezember 1995 wurden 128 Eisenbahnstrecken i​n Tschechien z​u regionalen Bahnen erklärt.[3]

Siehe auch

Literatur

  • Walter Ledig, Ferdinand Ulbricht: Die Sekundär-Eisenbahnen des Königreichs Sachsen, Berlin 1887 (Digitalisat)
  • Th. Sorge: Die Secundärbahnen in ihrer Bedeutung und Anwendung für das Königreich Sachsen, Dresden 1875 (Digitalisat)
  • Wolf L. Temming: Nebenbahnen: eine Epoche deutscher Eisenbahngeschichte, Transpress, Berlin 1993
  • Horst Weigelt: Bayerische Eisenbahnen: Vom Saumpfad zum Intercity. Motorbuch Stuttgart, 1A 182 ISBN 3-87943-899-4 S. 215ff

Einzelnachweise

  1. Reichsgesetzblatt Nr. 56/1880 für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder – ausgegeben und versendet am 5. Juni 1880
  2. AS 2009 5597
  3. Erlass der tschechischen Regierung vom 20. Dezember 1995
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