Justizvollzugsanstalt München
Die Justizvollzugsanstalt München in der Stadelheimer Straße im Münchner Stadtteil Giesing gehört mit 14 ha Nutzfläche zu den größten Justizvollzugsanstalten in Deutschland.
Stadelheimer Straße 12 | |
Informationen zur Anstalt | |
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Name | Justizvollzugsanstalt München |
Bezugsjahr | 1894 |
Haftplätze | 1379 – 2100 |
Mitarbeiter | 636 (512 Beamte + 124 sonstige Dienstkräfte)[1] |
Anstaltsleitung | Michael Stumpf, Leitender Regierungsdirektor |
Website | www.justiz.bayern.de |
Zahlen
Es existieren fünf Gebäude (Nord-, Süd-, West-, Ost- und Neubau[2]), inklusive der offenen Vollzugsanstalt in der Leonrodstraße, besitzen eine Gesamtkapazität von 1379 Haftplätzen, die in Notständen auf 2100 erweitert werden kann. Die höchste Auslastung der JVA-Gebäude bestand am 9. November 1993 mit 1969 Gefangenen. In Stadelheim werden größtenteils männliche Gefangene und Arrestanten ab 16 Jahren inhaftiert. Hinzu kommen der Jugendarrest, die Frauenabteilung und die mittlerweile geschlossene JVA Neudeck, die zusammen weitere 124 Gefangene aufnehmen konnten. Im Jahr 2001 betrug die durchschnittliche Belegung 1581 Inhaftierte und lag damit deutlich oberhalb der regulären, gesetzlich zugelassenen Häftlingskapazität. Im Jahr 2001 waren 596 Personen in der JVA Stadelheim beschäftigt, davon 506 Beamte und 90 Angestellte. Außerdem gibt es eine Kirche auf dem Gefängnisgelände.
Außenstellen
Der Jugend- und Frauenstrafvollzug findet seit 2009 in einem Neubau, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hauptgelände statt. Dort stehen Haftplätze für 150 Frauen, 46 männliche und 14 weibliche Jugendliche zur Verfügung. Das Gebäude, das im Rahmen des Public-Private-Partnership errichtet und betrieben wird (Auftrag für Planung, Bau, Finanzierung, Betrieb und die Unterhaltung der Ver- und Entsorgungsanlagen einschließlich der Energielieferung ist/war Aufgabe der privatwirtschaftlichen Vertragspartner).[3] Die Einweihung fand am 26. Mai 2009 statt.[4] Grundstückseigentümer des großen Areals (Stadelheimer Straße 4 bis 6, ca. 8.850 m²) ist seit 8. Dezember 1994 der Freistaat Bayern (zuvor Bundeseigentum).[5] Für den Vollzug von Freigängern gibt es eine Außenstelle in der Leonrodstraße mit 45 Plätzen.[6]
Bis 2009 war der Strafvollzug für Frauen und Jugendliche in der ehemaligen Justizvollzugsanstalt Neudeck im Stadtteil Au untergebracht.
Geschichte
Die dauernde Überbelegung der Münchner Gefängnisse Anger, Baaderstraße und Lilienberg sowie bauliche Mängel führten 1892 zu Überlegungen zur Errichtung eines neuen Zentralgefängnisses. So entstand 1894 auf dem ehemaligen Gut Stadelheim,[7] der sogenannte Nordbau, als erster Bauabschnitt für 465 Gefangene. Sieben Jahre später, 1901, eröffnete der Südbau. Ab April 1901 wurden hier Hinrichtungen ausgeführt. Beide Bauten stehen heute unter Denkmalschutz.
Es wurden im Zuchthaus München-Stadelheim mindestens 1049 Gefangene hingerichtet, wovon nur 13 auf die Zeit zwischen 1895 und 1927 entfallen, darunter Eugen Leviné († 1919). Der Großteil der Hinrichtungen wurde in der Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 ausgeführt, als Stadelheim zusammen mit dem Untersuchungsgefängnis Stuttgart und dem Zuchthaus Bruchsal als „zentrale Hinrichtungsstätte für den Vollstreckungsbezirk VIII“ vorgesehen war; als zuständiger Scharfrichter fungierte Johann Reichhart. Unter den mindestens 1035 Getöteten dieser Zeit waren unter anderem Ernst Röhm († 1934) und die Mitglieder der Weißen Rose († 1943). Die hingerichteten Personen wurden teilweise auf dem benachbarten Friedhof am Perlacher Forst beerdigt.
Bei der Niederschlagung der Münchner Räterepublik Anfang Mai 1919 kam es im Gefängnis Stadelheim zu zahlreichen widerrechtlichen Tötungen durch die siegreiche weiße Soldateska. Nach dem Zeugnis von Ernst Toller, der in Stadelheim inhaftiert wurde, stand am Gefängnistor in weißer Kreideschrift zu lesen: „Hier wird aus Spartakistenblut Blut- und Leberwurst gemacht, hier werden die Roten kostenlos zu Tode befördert.“[8]
Eine Besonderheit ist, dass Kurt Eisner, Graf Arco-Valley, Adolf Hitler und Ernst Röhm zu unterschiedlichen Zeiten alle in der gleichen Gefängniszelle (Zelle Nr. 70) eingesessen haben.[9]
In der Zeit des Nationalsozialismus befanden sich hier Arbeitslager.[10]
Besondere Vorkommnisse
Am 22. August 1986 nahm ein Häftling einen Rechtsanwalt als Geisel, der im Besprechungszimmer der JVA auf einen Mandanten wartete. Der Anwalt konnte befreit werden, wurde jedoch durch eine selbstgebastelte Bombe des Geiselnehmers verletzt. Aufgrund ungenügender Sicherheitsmaßnahmen in der JVA erhielt er ein Schmerzensgeld vom Freistaat Bayern.
In einem Innenhof der JVA Stadelheim wurde 2010 eine kurze Szene der Folge Die Heilige der Fernseh-Kriminalreihe Tatort gedreht.
Gedenkstätte
Eine Gedenkstätte für die Mitglieder der Weißen Rose, gestaltet durch den Bildhauer Wilhelm Breitsameter, wurde 1974 errichtet und kann von Gruppen nach Anmeldung besucht werden. Am 65. Jahrestag der Hinrichtung (22. Februar 2008) von Hans und Sophie Scholl und Christoph Probst in Stadelheim wurde die Gedenkstätte erstmals für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.[11]
Mahnmal außerhalb der Mauern
Seit dem 24. Juli 2020 erinnern drei Gedenktafeln vor der JVA Stadelheim an das Schicksal der Menschen, die während der NS-Zeit dort inhaftiert waren. Die Gedenksteine sollen an die 1188 Menschen erinnern, die zwischen 1934 und 1945 hinter den Gefängnismauern hingerichtet wurden. Auf Anregung der Stadt München sollte auch außerhalb der Mauern für die Bevölkerung ein Mahnmal geschaffen werden. Stadelheim sei eines der zentralen Hinrichtungsstätten des Deutschen Reiches gewesen.[12]
Prominente Insassen
- Breno, schwere Brandstiftung (Juli 2012 bis Dezember 2014)
- John Demjanjuk, Kriegsverbrecher
- Kurt Eisner, nach dem Januarstreik 1918 verhaftet, ab Sommer bis zum 14. Oktober des Jahres in Stadelheim
- Willi Graf (Weiße Rose) wurde am 12. Oktober 1943 hier getötet
- Anton Graf von Arco auf Valley, der Mörder Kurt Eisners
- Hans Hartwimmer, Wilhelm Olschewski und weitere Mitglieder der Hartwimmer-Olschewski-Widerstandsgruppe wurden hier hingerichtet oder in Untersuchungshaft getötet
- Adolf Hitler wurde vom 24. Juni bis 27. Juli 1922 wegen Landfriedensbruchs inhaftiert
- Kurt Huber (Weiße Rose) wurde am 13. Juli 1943 hier getötet
- Gustav Landauer wurde am 2. Mai 1919 hier getötet
- Hans Leipelt (Weiße Rose Hamburg) wurde am 29. Januar 1945 hier hingerichtet
- Sonja Lerch, nach dem Januarstreik 1918 verhaftet, starb hier am 29. März 1918 (Suizid)
- Eugen Leviné wurde am 5. Juni 1919 hier getötet
- Lehmann „Leo“ Katzenberger, hier hingerichtet (ermordet) am 3. Juni 1942
- MOK, Berliner Rapper, inhaftiert 2003/04
- Karl Punzer, österreichischer Widerstandskämpfer, wurde am 5. Dezember 1944 hier getötet
- Christoph Probst (Weiße Rose) wurde am 22. Februar 1943 hier getötet
- Ludwig Quidde, Nach einer politischen Rede am 20. Januar 1896 wurde Quidde der versuchten Majestätsbeleidigung beschuldigt und zu drei Monaten Haft in Stadelheim verurteilt
- Ernst Röhm, ehemaliger SA-Stabschef, wurde am 1. Juli 1934 in Zelle Nr. 70 getötet
- Alexander Schmorell (Weiße Rose) wurde am 13. Juli 1943 hier getötet
- Hans Scholl und Sophie Scholl (Weiße Rose) wurden am 22. Februar 1943 hier getötet
- Die österreichischen Widerstandskämpfer Ludwig Haiden, Alfred Höchstätter und Josef Postl wurden hier am 25. Januar 1944 vom NS-Regime getötet
- Ingrid Schubert, RAF-Terroristin, Suizid durch Erhängen am 18. November 1977
- Oliver Shanti, ab 2008, verurteilt zu 6 Jahren und 10 Monaten wegen Kindesmissbrauchs
- Ludwig Thoma verbüßte 1906 eine sechswöchige Haftstrafe wegen Beleidigung der Sittlichkeitsvereine
- Ernst Toller, inhaftiert 1919–1924
- Friedrich Ritter von Lama, bekannter katholischer Journalist, saß wegen Hörens von Radio Vatikan ein, am 9. Februar 1944 hier als Gefangener getötet
- Bebo Wager (Revolutionäre Sozialisten) wurde am 12. August 1943 hier getötet
- Konstantin Wecker, Musiker, 1995 U-Haft wegen Drogendelikten[13]
- Dieter Zlof, der Entführer von Richard Oetker, war bis zu seiner Verlegung in die Justizvollzugsanstalt Straubing hier inhaftiert
- Johannes Feldmayer, Mitglied des Zentralvorstands von Siemens, U-Haft wegen des Vorwurfs der Untreue
- Beate Zschäpe, Mitglied des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), 2013–2019 in U-Haft, verlegt nach Chemnitz
Gebäude
Zum Gebäudekomplex gehört die Kapelle Heilige Maria.
Im September 2016 wurde das neu errichtete unterirdische Sitzungssaalgebäude innerhalb des umwehrten Geländes für Verfahren mit höchster Sicherheitsstufe eröffnet. Es finden dort 250 Menschen Platz.[14] Der Saal kann in zwei kleinere Säle aufgeteilt werden. Es ist beabsichtigt, hier vor allem Staatsschutzverfahren zu verhandeln, Anlass war der NSU-Prozess. Die Kosten beliefen sich auf 17 Millionen Euro. Zuvor gab es nur einen Hochsicherheitsgerichtssaal in Deutschland, der sich innerhalb einer JVA befindet, dabei handelt es sich um die Justizvollzugsanstalt Stuttgart.
Trivia
Ein „Stadelheimer“ ist in der Umgangssprache von München und Umgebung ein Vorbestrafter. Die JVA wird scherzhaft auch „Sankt Adelheim/St. Adelheim“ genannt.[15][16]
Literatur
- Irene Stuiber: Hingerichtet in München-Stadelheim. Opfer nationalsozialistischer Verfolgung auf dem Friedhof am Perlacher Forst., Kulturreferat der Landeshauptstadt München, 2004, ISBN 3-8334-0733-6 (PDF; 2,2 MB).
Weblinks
- Justizvollzugsanstalt München auf der Website des bayerischen Ministeriums für Justiz
Einzelnachweise
- Stand 2001
- justizvollzug-bayern.de: JVA München (Memento vom 27. April 2008 im Internet Archive)
- www.justizvollzug-bayern.de (Memento vom 23. Oktober 2015 im Internet Archive) 3. b) Neubauvorhaben. Aufgerufen am 13. Februar 2011.
- www.justiz.bayern.de (Memento vom 17. Januar 2016 im Internet Archive) Einweihung JVA München (PDF; 47 kB). Aufgerufen am 13. Februar 2011.
- www.justizvollzug-bayern.de (Memento vom 27. April 2008 im Internet Archive) Justizvollzugsanstalt München, Kurzbeschreibung. Aufgerufen am 13. Februar 2011.
- Justizvollzug in Bayern: Kurzbeschreibung der JVA München (Memento vom 27. April 2008 im Internet Archive)
- https://www.muenchen.de/sehenswuerdigkeiten/orte/1219009.html
- Ernst Toller: Eine Jugend in Deutschland, Rowohlt Taschenbuch Verlag (Reinbek) 1963, S. 126.
- Allan Mitchell: Revolution in Bayern 1918/1919. Die Eisner-Regierung und die Räterepublik. Beck, München 1967, Anm. 57 auf S. 60.
- Strafgefängnisse und Untersuchungshaftanstalt München-Stadelheim. Bundesarchiv, abgerufen am 3. Dezember 2021.
- Claudia Wessel: Ort des Terrors – Ort des Erinnerns. In: SZ vom 25. Februar 2008.
- Susi Wimmer: Mahnmal außerhalb der Mauern. SZ.de, 24. Juli 2020 (abgerufen am 25. Juli 2020)
- Steffen Ufer, Göran Schattauer: Nicht schuldig: Gerechtigkeit ist keine Verhandlungssache. Heyne Verlag, 2016, ISBN 978-3453201385. Focus-Online: leicht gekürztes Kapitel.
- http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.neubau-im-gefaengnis-die-saal-premiere-von-stadelheim.85487cd1-dcdc-4e7e-bcfc-b41dc56415f6.html
- Stichwort St. Adelheim in: bayrisches-woerterbuch.de.
- Justizvollzugsanstalt Stadelheim, Abschnitt Historische Mauern, in: muenchen.de – das offizielle Stadtportal.