Offener Vollzug

Beim offenen Vollzug werden i​m Gegensatz z​um geschlossenen Vollzug k​eine oder n​ur verminderte Vorkehrungen g​egen Entweichungen getroffen. Dies erfordert v​om Insassen d​ie freiwillige Einordnung i​n ein System d​er Selbstdisziplin, d​er Gemeinschaftsfähigkeit u​nd Eigensteuerung u​nd ist d​ie letzte u​nd wichtigste Stufe z​ur „Einübung d​er Regeln d​es freien Lebens“ (Resozialisierung).

Im Idealfall heißt dies konkret: Der Gefangene verlässt morgens die Haftanstalt und begibt sich zu seinem Arbeitsplatz. Nach Beendigung der Arbeit kehrt er unverzüglich in die Anstalt zurück und bleibt dort bis zum nächsten Morgen, sofern er keinen Ausgang oder Urlaub hat. In der Anstalt kann der Gefangene an den dort angebotenen Freizeit-, Sport- und Behandlungsmaßnahmen teilnehmen, die meisten Wochenenden verbringt er bei seiner Familie. Der Gefangene im offenen Vollzug hat sich aber strikt an die vorgegebenen Regeln zu halten. Alkoholkonsum oder eine verspätete Rückkehr können schnell dazu führen, dass ein Gefangener in den geschlossenen Vollzug verlegt wird.

Deutschland

Zum 31. März 2014 befanden sich von den 54.515 Strafgefangenen in Deutschland 45.574 (83,60 %) im geschlossenen und 8.941 (16,40 %) im offenen Vollzug.[1] Der Anteil der Gefangenen, die nach Ausgängen zu spät oder nicht freiwillig zurückkehrten, liegt bei weniger als 1 Prozent. Das sind in Berlin weniger als 100 Fälle pro Jahr.[2]

Juristischer Hintergrund

Ein Gefangener s​oll mit seiner Zustimmung i​n einer Anstalt o​der Abteilung d​es offenen Vollzuges untergebracht werden, w​enn er d​en besonderen Anforderungen d​es offenen Vollzuges genügt u​nd namentlich n​icht zu befürchten ist, d​ass er s​ich dem Vollzug d​er Freiheitsstrafe entziehen o​der die Möglichkeiten d​es offenen Vollzuges z​u Straftaten missbrauchen werde.

In der Regel werden nur Ersttäter in einer Anstalt des offenen Vollzugs untergebracht, je nach Bundesland können aber sehr unterschiedliche Kriterien und Maßstäbe für die Aufnahme in den offenen Vollzug ausschlaggebend sein. Der Gefangene bekommt eine Ladung zum Strafantritt. Er kann vor dem Strafantritt ein Gnadengesuch stellen, wobei er dafür triftige Gründe benennen muss. Nur in den seltensten Fällen wird aber ein Gnadengesuch positiv beschieden. Außerdem kann der Gefangene unter bestimmten Voraussetzungen (Krankheit, Todesfall in der Familie etc.) den Termin für seinen Strafantritt einmalig verschieben. Folgt er dieser Ladung nicht, wird er zur Fahndung ausgeschrieben und wird nach der Festnahme in den geschlossenen Vollzug verbracht und bleibt so lange im Regelvollzug, bis entweder wieder seine Eignung für den offenen Vollzug bescheinigt wurde oder er aus dem geschlossenen Vollzug entlassen wird. Nach seinem Strafantritt im offenen Vollzug darf der Gefangene erst einmal die Haftanstalt (den offenen Vollzug) so lange nicht verlassen, bis seine Eignung für den offenen Vollzug festgestellt wurde. Die Eignung wird durch die Sozialarbeiter der Haftanstalt überprüft und muss final vom Haftanstaltsleiter abgesegnet werden. Die Eignungsprüfung dauert üblicherweise 14 Tage. Erst nachdem die Eignung für den offenen Vollzug festgestellt wurde, werden dem Gefangenen erste Ausgänge genehmigt. Bewährt sich der Gefangene während dieser Zeit, wird ihm anschließend eine Arbeitsaufnahme außerhalb der Anstalt erlaubt. Hierbei wird der neue Arbeitgeber des Gefangenen allerdings genau überprüft, in dem der für den Gefangenen zuständige Sozialarbeiter den Arbeitgeber persönlich aufsucht. Erst danach darf er die neue Arbeit aufnehmen. Außerdem besucht der Sozialarbeiter den Gefangenen nach der Arbeitsaufnahme im Betrieb regelmäßig, aber unangemeldet, um zu prüfen, ob der Gefangene immer noch dort beschäftigt ist und erkundigt sich über die aktuelle Situation. Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass in den südlichen Bundesländern wie beispielsweise Bayern oder Baden-Württemberg strengere Maßstäbe angelegt werden, während in den nördlichen Bundesländern wie beispielsweise Berlin, Bremen oder Hamburg eine liberalere Praxis üblich ist. Für den offenen Vollzug ungeeignet sind namentlich sucht- und fluchtgefährdete Gefangene, Gefangene, die in der Vergangenheit eine Vollzugslockerung (Ausgang und Urlaub) missbraucht haben, sowie Gefangene, gegen die ein Ausweisungs-, Auslieferungs-, Ermittlungs- oder Strafverfahren anhängig ist.

Prominente Freigänger in Deutschland

Einzelnachweise

  1. Statistisches Bundesamt Deutschland:
  2. n-tv.de
  3. Berlin: Er narrte die Polizei jahrelang - Clan-Chef Ahmad Miri hinter Gittern. Abgerufen am 23. August 2021.

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