Johann Hermann Eschenburg
Johann Hermann Eschenburg (* 19. August 1844 in Lübeck; † 1. Januar 1920 ebenda) war deutscher Großkaufmann und Kommunalpolitiker. Er war Senator und Bürgermeister der Freien und Hansestadt Lübeck.
Leben
Herkunft
Hermann entstammte der Lübeckischen Patrizierfamilie Eschenburg. Er war der Sohn von Johann Daniel Eschenburg, Kaufmann und Senator (* 9. September 1809 in Lübeck; † 26. Februar 1884 ebenda), und dessen Ehefrau Elisabeth, Tochter des Akzisenkontrolleurs Georg Gottfr. Michels.
Der Bruder seines Vaters war Georg Bernhard Eschenburg (* 19. Januar 1811 in Lübeck; † 6. Februar 1886 ebenda). Auch dessen Sohn, Johann Georg Eschenburg, sollte später Lübecker Bürgermeister werden.
Laufbahn
Wie viele jungen Kaufleute nahm Eschenburg nach seiner Kaufmännischen Lehrzeit einen längeren Aufenthalt im Ausland. Hierbei war er längere Zeit zuerst in Messina, dann in Genua. Als er 24-jährig zurückkehrte, trat er als Teilhaber in die Firma Jost Hinrich Havemann & Sohn, deren Inhaber zu jener Zeit sein Vater war, ein. Mit dem Tode seines Vaters wurden er und sein Bruder, Gustav Georg Eschenburg (königlich italienischer Konsul), Leiter der Holzhandlung, die, erweitert und durch moderne Einrichtungen vervollkommnet, bei seinem Tode eines der bedeutendsten Handelshäuser Lübecks war.
Als Mitglied der Kaufmannschaft wurde Eschenburg 1881 in die Handelskammer, sie war als deren Vorstand mit den Aufgaben einer Wirtschaftsbehörde betraut, gewählt. Mit seinem Übertritt in den Senat schied er aus dieser.
Der Lübecker Bürgerschaft gehörte Eschenburg ab 1883 an und wurde bereits am 24. März 1884, als Nachfolger seines im Vormonat verstorbenen Vaters, in den Lübecker Senat erwählt.
Dort widmete er sich vor allem einer umfassenden Tätigkeit auf dem Gebiet des Verwaltungs- und Finanzwesens und war viele Jahre Vorsitzender der diese Zweige der Verwaltung des Staatswesens wahrnehmenden Körperschaften. Auch auf den Gebieten der Förderung des Verkehrs, des Handels und der Schifffahrt entfaltete er allzeit seine fruchtbringende Tätigkeit.
In der Wahlperiode 1911/12 war Eschenburg erstmals präsidierender Bürgermeister der Stadt. Nachdem vorher stets nur dem Gelehrtenstand angehörende Mitglieder des Senates diese Würde innehatten, war er der Erste aus dem Kaufmannsstand hervorgegangene Bürgermeister. Als solcher hatte er zum Beispiel das Protektorat des Ehrenpräsidenten und Bürgermeisters des im Juni 1911 in der Stadt tagenden VI. Deutschen Esperanto-Kongresses des 1906 gegründeten Deutschen Esperanto-Bundes zusammen mit dessen Bundestag inne.
Das ritterschaftliche Allodialgut Banzin, das heute ein Teil von Vellahn ist, im Bezirk des einst ritterschaftlichen Amtes Boitzenburg gehörte Eschenburg. Am Burgfeld 4 hatte er seine Wohnung. Eine nach Plänen von Christian Frederik Hansen erbaute Villa, sie wurde später als „Eschenburgvilla“ bezeichnet, erwarb er als Sommersitz vor den Toren der Stadt. Im Weltkrieg langte das Lübeckische Barackenlazarett bis vor sein Sommerhaus und hatte dort seine Lungenheilstation. Nach Eschenburgs Tod zog Ina in die Eschenburgvilla. Heute befindet sich in dem Haus das Brahms-Institut an der Lübecker Musikhochschule.
Um Eschenburgs Verdienste als Senator zu würdigen, wurde ihm zu seinem 70. Geburtstag die goldene Bene Merenti-Münze als höchste Auszeichnung des Senats verliehen.
Während des Ersten Weltkrieges wurde Eschenburg in der Wahlperiode 1915/16 nochmals in das Amt des Bürgermeisters erwählt.
Im Vergleich zu seiner ersten Amtszeit war seine zweite mit erheblich mehr militärischer Repräsentation angereichert.
Sämtliche Vereine des Landeskriegerverbandes folgten am Nachmittag des 17. Januar 1915 vom Markt aus der Schutzmannkapelle auf den Hof der Alten Kaserne zur Fahnenweihe der Jungwehr. Unter Führung des Polizeimajors Moritz Grünweller hatten dort links und rechts eines Rednerpultes die Jugendkompanien Aufstellung genommen. Die Jugendwehr, die sich in Lübeck wie im ganzen deutschen Reich gleich nach Ausbruch des Krieges bildete, diente als eine freiwillige Organisation unter der Führung alter Militärs und tatkräftiger Männer der militärischen Vorbildung der Jugend. Hinter der Rednerkanzel sammelten sich die Landeskriegervereine mit ihren Fahnen, der Ehrenvorsitzende des Verbandes Heinrich Kühne, der Vorsitzende Druckereibesitzer und Verleger des Lübecker Verbandes Julius Heise, der stellvertretende Oberst v. Kuenheim, Bürgermeister Eschenburg, Senats- und Bürgerschaftsmitglieder, andere Ehrengäste und eine große Menschenmenge. Die feierliche Übergabe der vom Landeskriegerverband gestifteten Fahne begann mit dem Niederländischen Dankgebet, bevor Pastor Wilhelm Mildenstein das Pult bestieg und eine von den Befreiungskriegen von 1813 über den Deutsch-Französischen Krieg in den derzeitigen Krieg reichende Rede hielt. Nach einem Choral überbrachte Julius Heise[1] die Grüße des Landeskriegerverbandes, hieß die Mitglieder der Jugendwehr als jüngste Kameraden und brachte ein begeistert aufgenommenes „Hoch“ auf den Kaiser aus. Die Kaiserhymne wurde gesungen. Der Oberst übergab hierauf den zu Fahnenträgern erkorenen Vorgetretenen die in lübschen Farben gehaltene einen Adler tragende Fahne. Diese dankten mit dem Gelöbnis, dass sie allen Mitgliedern ein Ansporn zu treuester Pflichterfüllung werden solle. Nachdem der Landeskriegerverband in Person des Schriftführers, Malermeister Wilhelm Siems, und das dem Pfadfinderbund angegliedertem Pfadfinderkorps in Person des Hauptfeldmeisters, Lehrer Wilhelm Groth, mit je einem Fahnennagel die Fahne schmückten, endete die Zeremonie mit dem Absingen des Deutschlandliedes. Nach dem Abschreiten der Front der Vereine durch den Bürgermeister, Oberst sowie Polizeimajor zogen unter den Klängen der Schutzmannschaftskapelle der Landeskriegerverband sowie sämtliche Kompanien der Jugendwehr zum Markt. Dort konzertierte die Kapelle während für die Kriegsgefangenen Lübecker gesammelt wurde.[2]
Die Eröffnung des lübeckischen Ehrenfriedhofs fand am 6. Juni 1915 statt. Die Erbauungstunde mit Gesang und Predigt, die Pastor Ziesenitz entsprechend dem Anlass an Vers 5 des 3. Kapitels aus dem 2. Buch Mose aus der Lutherbibel[3] angelehnt hatte, fand vor fand vor der eigentlichen „Heldenstätte“, wo nach dem Krieg das Regimentsehrenmal errichtet wurde, statt. Dann öffneten sich die Tore des Hains. Mit dem Bürgermeister sowie dem Kommandeur des Ersatzbataillons des heimischen Regiments, Oberst v. Kuenheim, an der Spitze, schritten Mitglieder des Senates und des Offizierkorps, Mitglieder der Bürgerschaft und andere Ehrengäste, sowie die im Landeskriegerverband vereinigten Kriegervereine an den Gräbern entlang.[4]
Am Sedantag 1915 wurden die ersten, die aus russischer Gefangenschaft kommenden, 27 Austauschverwundeten auf dem Lübecker Hauptbahnhof erwartet. Sie sind aus Russland über Schweden nach Deutschland gekommen und fuhren in einem Lazarettzug nach Lübeck. An den Geländern der Treppe, die mit Flaggentuch überzogen waren, hatten sich Helferinnen vom Roten Kreuz aufgereiht, während der Bürgermeister, geschmückt durch das Eiserne Kreuz am weißen Bande, Mitglieder des Senats, Vertreter des Offizierkorps mit Oberst v. Kuenheim, sowie die leitenden Herren und Damen vom Roten Kreuz in der Mitte Aufstellung genommen hatten.
Auf dem nebenstehenden Bilde ist zu sehen, wie der Bürgermeister die von der Sanitätskolonne ausgeladenen und eingerahmten Verwundeten mit seiner Ansprache empfing.[5]
Schon im Frühjahr 1915 monierte man nicht nur in den Lübeckische Blättern, dass andere Städte bereits in ihren Fremdenführern „Kriegergedenkstätten“, gemeint waren in dem Ersten Weltkrieg erbeutete gegnerisches Kriegsgerät, als deren Sehenswürdigkeit auswiesen und beklagte, das Lübeck noch nicht über eine solche verfüge. Dies sollte sich am 1. November 1915 ändern. Bürgermeister Eschenburg nahm am 1. November 1915 stellvertretend für den Senat zwei zwischen dem Burgtor und der Burgtorbrücke aufgestellte französische „Beutegeschütze“ von dem stellvertretend für die Militäradministration stellvertretenden Kommandeur des in Lübeck ansässigen 81. Infanterie-Brigade, Generalmajor v. Wright, in einer feierlichen Zeremonie entgegen.[6]
Um das im Felde stehende Lübecker Regiment beim Ypernbogen in Roulers zu besuchen, verließ der Bürgermeister (9) am 15. November zusammen mit Senator Julius Vermehren (13) und Ratsdiener Böttcher (14) die Stadt. Dort angekommen erhielt er umgehend von Max von Boehn,[7] Kommandierender General IX. RK, die Einladung zu einem gemeinsamen Essen im Kreise des Offizierkorps des dortigen Generalkommandos. Ebenfalls zugegen waren Wilhelm von Beczwarzowski, Kommandeur der 81. Infanterie-Brigade, Karl von Rettberg (11), Kommandeur des der Brigade unterstellten Regiments und Rittmeister Jürgen Fehling (10), Regimentsangehöriger und Schwager des Bürgermeisters. Am nächsten Morgen, beim Eintreffen spielte die Regimentskapelle den Präsentiermarsch, wurde das Regiment und seine Baracken besichtigt. Im Anschluss wurde er zusammen mit Ernst von Ziethen, Divisionskommandeur der dem IX. RK unterstellten und der 81. IB vorgesetzten 17. RD, gefrühstückt. Als weiterer Gast war Ernst von Heynitz, bis zur Mobilmachung lübeckischer Regimentsangehöriger und von da an Kommandeur vom Reserve-Regimente des Infanterie-Regiments „Hamburg“ (2. Hanseatisches) Nr. 76, anwesend.
Am Nachmittag paradierte das vor Ort befindliche Ruhebataillon des Regiments am Rand eines Waldes bei Roulers an den Lübecker Gästen vorüber. Im Anschluss an die Parade verlieh der Bürgermeister verdienten Kriegern das Lübeckische Hanseatenkreuz.[8][9] Franz de Rainville (7) sollte 1918, als Kommandeur des Großherzoglich Mecklenburgischen Grenadier-Regiments Nr. 89, mit dem höchsten preußischen Orden, den Pour le Mérite, ausgezeichnet werden.[10] Auf em nebenstehenden Bilde sieht man die Besucher mit dem Offizierkorps nach der Parade.
Als das Rathaus Während der lübeckischen Umwälzungen am Ende des Krieges rot geflaggt war, wurden am 11. November 1918 vom Senat die Anträge der Senatoren Eduard Rabe, Johann Georg Eschenburg und Johann Hermann Eschenburg auf deren Übertritt in den Ruhestand angenommen.[11][12]
Am Abend des Neujahrstages 1921 verstarb mit dem Seniorteilhaber des Großhandelshauses ein, wie es Ida Boy-Ed in seinen in den Lübeckische Blättern erschienenen Nachruf schrieb, „aufrichtiger Hanseat“. Es sei ihm zu verdanken gewesen, dass Lübecks Finanzen wohlgeordnet den Sturm der Zeiten überstehen konnten.
Familie
Hermann hatte sich mit Ina verheiratet. Aus der Ehe gingen Karl (* 1877; † 1943), 1929 bis 1932 Ministerpräsident von Mecklenburg-Schwerin, und Hermann (* 1872; † 1954), der das Unternehmen fortführte, hervor.
Trivia
Nach dem Tode des Senatoren Mann am 13. Oktober 1891 wurde Konsul Fehling und der Weinhändler Tesdorf zum Vormund seiner fünf hinterlassenen Kinder bestellt.
Thomas Mann war zu diesem Zeitpunkt 16 Jahre alt. In seinem Roman Die Buddenbrooks, wofür er später den Nobelpreis erhalten sollte, begegnen wir Konsul Fehling als Konsul Hermann Hagenström und Konsul Gustav Georg Eschenburg als Senator Huneus.[13]
Literatur
- Senator Hermann Eschenburg †.; In: Vaterstädtische Blätter. Nr. 8, 18. Januar 1920, S. 29.
- Emil Ferdinand Fehling: Zur Lübeckischen Ratslinie 1814–1914. Lübeck 1915, Nr. 77
- Walther Schärffe: Aus der Geschichte der Firma Jost Hinr. Havemann & Sohn, Lübeck, Holzimport und Hobelwerk, Lübeck 1958
- Wolfgang Eschenburg: Jost Hinr. Havemann & Sohn, Lübeck: 1733–1958; Text der am 9. Febr. 1958 durch Wolfgang Eschenburg gehaltenen Festansprache zum 225jährigen Jubiläum der Firma, Lübeck 1958
- Fritz Meyen: Eschenburg. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 4, Duncker & Humblot, Berlin 1959, ISBN 3-428-00185-0, S. 642 f. (Digitalisat).
- Hans-Jochen Arndt: Ein lübsches Unternehmen mit Tradition. Zur Geschichte der Firma Jost Hinr. Havemann & Sohn. In: Der Wagen 1984, S. 32–46.
- Karl-Ernst Sinner: Tradition und Fortschritt. Senat und Bürgermeister der Hansestadt Lübeck 1918–2007, Band 46 der Reihe B der Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck herausgegeben vom Archiv der Hansestadt Lübeck, Lübeck 2008, S. 74
Weblinks
Einzelnachweise
- Julius Heise (Hrsg.): Zwischen Heimat und Front. Kriegsfahrten mit Liebesgaben des Landeskrieger-Verbandes Lübeck. Lübeck Vlg Landeskrieger-Verband, Lübeck 1916.
- Fahnenweihe der Jugendwehr, Jahrgang 1914/15, Nr. 17, Ausgabe vom 24. Januar 1915, S. 71.
- 2. Mose – Kapitel 3
- Gedächtnisfeier auf dem Ehrenfriedhof.; In: Vaterstädtische Blätter. Jg. 1915, Nr. 37, Ausgabe vom 13. Juni 1915, S. 149–151.
- Ankunft der ersten Austauschverwundeten aus Rußland.; In: Vaterstädtische Blätter. Jg. 1915, Nr. 50, Ausgabe vom 12. September 1915, S. 201–202.
- Übergabe zweier französischer Beutegeschütze In: Vaterstädtische Blätter. Jg. 1915, Nr. 6, Ausgabe vom 7. November 1915
- Boehns verstorbener Vater, Julius von Boehn, war dereinst Kommandeur des Lübecker Bataillons des 2. Hanseatischen Infanterie-Regiments Nr. 76 gewesen.
- Otto Dziobek: Geschichte des Infanterie-Regiments „Lübeck“ (3. hanseatisches) Nr. 162; erste Auflage 1922
- Ein Besuch beim Regiment „Lübeck“. In: Vaterstädtische Blätter. Jg. 1916, Nr. 11, Ausgabe vom 10. Dezember 1916, S. 43–44.
- Hanns Möller: Die Geschichte der Ritter des Ordens „pour le merite“ im Weltkrieg 1914–1918. Band II: M–Z. Verlag Bernard & Graefe. Berlin 1935. S. 170–172.
- Die Umwälzung in Lübeck. In: Lübeckische Blätter, 60. Jg., Nummer 46, Ausgabe vom 17. November 1918, S. 577–579
- Senator Eduard Rabe †. In: Von Lübecks Türmen, 30. Jahrgang, Nr. 12, Ausgabe vom 19. Juni 1920, S. 48.
- Buddenbrooks – Klarnamenverzeichnis