Gast
Ein Gast (Mehrzahl Gäste) ist allgemein eine zum vorübergehenden Bleiben eingeladene oder willkommene Person, die einen Besuch macht oder ihren Urlaub verbringt. Ursprünglich bedeutete Gast „Fremdling“, wie auch verwandte Bezeichnungen in anderen germanischen Sprachen. Während einerseits Fremden Gastrecht zu gewähren war bis hin zu einer Gastfreundschaft, galt es andererseits vorsichtig zu sein, denn Fremde konnten feindliche Absichten hegen. In der Regel hält sich ein Gast immer nur für eine begrenzte Zeit beim Gastgeber auf. Die grammatisch männliche Personenbezeichnung Gast bezeichnet eine Person unabhängig von ihrem Geschlecht: Gäste sind willkommen! Seit Jahrhunderten findet sich aber stellenweise auch die weibliche Form Gästin.
Wortherkunft
Zur Etymologie des Wortes Gast gibt der Duden an: „ursprünglich Fremdling“.[1] Mit dieser Bedeutung findet sich gast bereits im Althoch- und Mittelhochdeutschen sowie im Altsächsischen, gasts im Gotischen, altnordisch gestr, altenglisch giest und altfriesisch jest, in slawischen (kirchenslawisch gostĭ) sowie in romanischen Sprachen (lateinisch hostis, hospes).[2]
Das Frühneuhochdeutsche Wörterbuch erklärt den gast als „Fremder, Auswärtiger, Zugereister“ und findet für das Jahr 1481 auch die Wortbildung gastbrot als „Brot für Fremde“,[3] verzeichnet aber als weitere Bedeutung von gast: „j., der von einem Gastgeber, Wirt beherbergt, bewirtet wird; Eingeladener, Besucher“.[4]
Moderne Verwendung
Als Gast gilt heute auch eine Person, die unentgeltlich oder gegen Entgelt beherbergt, bewirtet oder befördert wird (siehe Fahrgast).[1] Im Gastgewerbe sind typische Beherbergungsunternehmen Gasthäuser, Herbergen, Hotels und Pensionen. Auch die Besucher von anderen Gastronomiebetrieben werden Gäste genannt.
Bei Auftritten und Konzerten, in Talk- oder Spielshows werden eingeladene Künstler als Gast vorgestellt.[2] In Filmen und fiktiven Werken bezeichnet ein Gastauftritt oder englisch Cameo das überraschende, zeitlich kurze Auftreten einer bekannten Person.
Ein Gastfreund ist umgangssprachlich ein Freund an einem anderen Wohnort, bei dem eine Person als Besuch oder auf Reisen (regelmäßig) unterkommt. Ein Gastfreundschaftsnetzwerk ist ein soziales Netzwerk von Privatpersonen, die sich bereit erklären, Reisende für einen begrenzten Zeitraum ohne Bezahlung bei sich unterzubringen.
Gästin
Die grammatisch maskuline Personenbezeichnung der Gast hat im allgemeinen Sprachgebrauch eine sexusneutrale Bedeutung ohne Information zum Geschlecht der Bezeichneten; mit ein Gast kann eine Frau, ein Mann oder eine nichtbinäre Person gemeint sein. Seit über 600 Jahren finden sich aber auch Vorkommen der femininen Ableitung Gästin für weibliche Personen, gebildet mit der Nachsilbe -in. Die Sprachwissenschaftlerin Damaris Nübling vermerkte 2019, dass diese Form „historisch geläufig“ war, aber heute unüblich sei; gelegentlich werde sie „reaktiviert“.[5][6] Die Schreibweisen gestinn (1365) und göstin (1582, 1624) mit der Bedeutung „Fremde, Auswärtige“ sind im Frühneuhochdeutschen Wörterbuch nachgewiesen.[7]
Das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm führt 1878 die gästin, althochdeutsch kestîn oder mittelhochdeutsch gestinne, gestîn als „weiblicher gast, wenig gebraucht“ (auch die Femininformen Engelin, Geistin und Teufelin werden geführt).[8][9][10] Die Bedeutung „eine fremde“ wird dort aus einer Nürnberger Polizeiverordnung aus dem Jahr 1478 zitiert: „dass kein bürger oder bürgerin, gast oder gästin in dieser stadt Nürnberg weder tags noch nachts betteln soll“.[8][11]
Als weitere Bedeutung des Wortes gästin wird in Grimm’scher Kleinschreibung angegeben: „eine fremde als besuch, als willkommner gast“; außerdem: „gastin ohne umlaut wird neuerdings gebraucht von schauspielerinnen u. ä. die auf gastspiel kommen.“[8] Verwiesen wird auch auf Goethes Sekretär Friedrich Wilhelm Riemer, der 1841 in seinen Mittheilungen schrieb: „Für Charlottens Persönlichkeit fand ich bald unter den Badegästinnen eine Goethe nicht unwillkommene Repräsentantin.“[12][8]
Das Deutsche Rechtswörterbuch nennt einen Beleg für gestin aus einer weiteren Nürnberger Polizeiverordnung des 15. Jahrhunderts.[13] Das Deutsche Sprichwörter-Lexikon von 1870 führt Gästin in einem Sprichwort zum Eintrag Hund: „Mit Hunden kein Gast, mit Kindern keine Gästin.“[14] Im Jahr 1891 schrieb der deutsche Sprachpfleger Gustav Wustmann in seinem Buch Allerhand Sprachdummheiten: Kleine deutsche Grammatik des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen: „In der ältern Sprache findet sich zuweilen auch Gästin, auf Theaterzetteln konnte man noch vor gar nicht langer Zeit lesen, daß eine auswärtige Schauspielerin als Gastin auftrete, aber wer möchte noch heute eine Frau oder ein Mädchen seine Gästin oder Gastin nennen?“[15]
Von 2007 bis 2018 wurde „Gästin“ von der Gastgeberin Gerburg Jahnke in der Kabarettsendung Ladies Night als Schlüsselwort zur Anmoderation genutzt.[16] Der Synonym-Duden verzeichnet 2010: „Die männliche Form der Gast wird gewöhnlich auf beide Geschlechter bezogen. Die weibliche Form die Gästin ist dagegen selten.“[17][9] Im Online-Duden stand im Zeitraum von 2013 bis 2021: „selten, weibliche Form zu Gast“.[18][17] Der Rechtschreibduden verzeichnet 2020: „Gästin (selten)“.[19] Kathrin Kunkel-Razum, Leiterin der Duden-Redaktion, erklärte dazu, dass auch Katia Mann (1883–1980) das Wort Gästin verwendet habe.[20]
Sofern der Sprachgebrauch dieser Femininform nicht in nennenswertem Umfang zunimmt und dadurch das Maskulinum ein Gast geschlechtsspezifisch auf Männer bezogen wird, bleibt Gast eine geschlechtsneutrale Personenbezeichnung und muss bei Bedarf spezifisch ergänzt werden: männlicher Gast, weibliche Gäste.[21] In Zusammenhängen, in denen nur oder überwiegend Frauen gemeint sind, kann es angemessen sein, von Gästinnen zu sprechen.[17][22][23]
Anfang 2021 wurde die Allgäu GmbH als offizielle Dachorganisation für Tourismus im Allgäu gefragt, ob sie die weibliche Form Gästin gebrauche. Die Pressesprecherin erklärte, dass Gendersternchen, Beidnennungen und geschlechtsneutrale Formulierungen verwendet würden, aber die Gästin „absolut nicht im Sprachgebrauch verankert ist, anders als Gastgeber / Gastgeberin“. Stattdessen seien Urlauberin oder Tagesausflüglerin geeignete weibliche Bezeichnungen.[24]
Die Form Gästin sei ein „Kunstbegriff“, schrieben kritische Presseberichte 2021 nach der Ankündigung der Duden-Redaktion, in der Online-Version zu allen 12.000 weiblichen Formen von Personenbezeichnungen eigenständige Artikel zu führen (siehe Duden online 2021).[25] Eine mehrfach wiedergegebene Meldung der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zitierte dazu Sabine Krome, Geschäftsführerin des Rats für deutsche Rechtschreibung: Sie bezweifelte, dass „abenteuerliche Kreationen“ wie „Gästin“ oder angebliche Neubildungen wie „Bösewichtin“, die jetzt im Online-Duden zu finden seien, eine relevante Rolle spielten.[26] Henning Lobin, Direktor des Instituts für Deutsche Sprache, wies auf Twitter darauf hin, dass der Verfasser der dpa-Meldung, Bernward Loheide, als Mitglied des Rats für deutsche Rechtschreibung die Grimm’schen Nachweise des Sprachgebrauchs von Gästin und ihren Frühformen eigentlich kennen müsse.[27][21]
Seit Mitte 2021 führt der Online-Duden einen ausführlichen Artikel zur Verwendung und Bedeutung des Wortes Gästin:[18]
- zur Bewirtung oder vorübergehenden Beherbergung eingeladene oder aufgenommene weibliche Person
- a) Besucherin eines Lokals: eine Gästin bewirten
b) weibliche Person, die gegen Entgelt beherbergt wird: die Gästin bezieht ihr Zimmer - a) weibliche Person, die sich [als Besucherin] in einer anderen als ihrer eigenen Umgebung, besonders in einem Personenkreis, zu dem sie nicht fest gehört, zu bestimmten Zwecken vorübergehend aufhält
b) weibliche Person, die als Künstlerin an einem anderen Ort, besonders auf einer fremden Bühne, auftritt
c) Sportlerin oder Mannschaft beim Wettkampf auf dem [Wettkampf]platz der Gegnerin
Literatur
- Frühneuhochdeutsches Wörterbuch (FWB): gast, der. + gästin, die.
- Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): gast (m.) + gästin (f.)
- Deutsches Wörterbuch (DWB): gast (m.) + gästin, gastin (f.) Band 4. 1878, Spalten 1454–1472 und 1482.
Weblinks
- Duden-Newsletter: Die Gästin und der Rotzlöffel: wie Luther und die Brüder Grimm unsere Sprache prägten. In: Duden.de. 1. März 2017 (archivierte Version).
Einzelnachweise
- Duden: Gast, der. In: Duden online. Abgerufen am 6. März 2020 (mehrere Bedeutungen).
- DWDS: Gast. In: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. Abgerufen am 21. Dezember 2020 (mehrere Bedeutungen).
- FWB: gast, der (1.). In: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch.
- FWB: gast, der (4.). In: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch.
- Damaris Nübling: Sprache // Sprachwandel und Geschlecht – Zu einigen Irrtümern in der Genderdebatte. In: Gender-Blog.de. 14. Oktober 2019, abgerufen am 28. Februar 2021 (doi:10.17185/gender/20191014; blog interdisziplinäre geschlechterforschung); Zitat: „Und was schließlich die vielbescholtene Gästin betrifft: Auch sie ist sprachhistorisch bis ins 19. Jahrhundert reich belegt, diese Bildung war also geläufig und wird heute nur reaktiviert.“
- DWDS-Korpusbelege DTA-Kern+Erweit. (1465–1969): Gästin. In: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. Abgerufen am 21. Dezember 2020.
- FWB: gästin, die. In: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch; Zitat: „Fremde, Auswärtige“.
- DWB: Gästin, gastin (f.) In: Deutsches Wörterbuch. Band 4. 1878, Spalte 1482; Zitat: „das kein burger oder burgerin, gast oder gestin in diser stat Nuremberg .. peteln sol“.
- Monsieur Tabasco: Das Theater rund um die Gästinnen: Warum regen sich eigentlich Leute über den Begriff Gästinnen auf? In: Salz-Pfeffer.ch. 4. Februar 2019, abgerufen am 22. Februar 2021 (Schweizer Magazin der Gastronomie).
- Duden-Newsletter: Die Gästin und der Rotzlöffel: wie Luther und die Brüder Grimm unsere Sprache prägten. In: Duden.de. 1. März 2017, abgerufen am 6. März 2020 (archivierte Version).
- Anton Hiersemann: Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart. Band 62. Literarischer Verein, Stuttgart 1861, S. 316–320: XI. Bettelordnung von 1478, hier S. 316 (Seitenvorschau in der Google-Buchsuche); Zitat: „Zum ersten ordnen, setzen und gebieten unnsere Herren vom Rate, das kein burger oder burgerin, gast oder gestin in diser stat Nuremberg, weder tags noch nachtz, peteln sol, es werde in dann von dem, so durch ein erbern rate darüber gesetzt und beschiden ist, gegunnet oder erlaubt.“
- Johann Wolfgang von Goethe: Die Wahlverwandtschaften. In: Goethe’s Werke. Band 15. Hempel, Berlin 1868, S. 12 (Seitenvorschau in der Google-Buchsuche).
- DRW: gästin (f.) In: Deutsches Rechtswörterbuch; Zitat: „weiblicher Gast […] einich gast oder gestin […] 15. Jh. NürnbPolO. 131“ (Nürnberger Polizeiordnungen).
- Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Wanders Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Band 2. Leipzig 1870, S. 857 (online auf deutschestextarchiv.de).
- Gustav Wustmann: Allerhand Sprachdummheiten: Kleine deutsche Grammatik des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen. Ein Hilfsbuch für alle, die sich öffentlich der deutschen Sprache bedienen. Grunow, Leipzig 1891, S. 67 (Seitenscan auf digitale-sammlungen.de).
- Richard Weber: „Ladies Night“ in der ARD – Weibliche Humorattacken: Ein Jammertal. In: Tagesspiegel.de. 17. Oktober 2014, abgerufen am 6. April 2020.
- Julian von Heyl: Kurz erklärt: Der Gast, die Gästin. In: Korrekturen.de. 2. August 2013, abgerufen am 19. Dezember 2020.
-
Duden: Gästin, die. In: Duden online. Abgerufen am 27. Februar 2022.
Ebenda: Version vom November 2020. - Duden-Redaktion (Hrsg.): Duden: Die deutsche Rechtschreibung (= Der Duden. Band 1/12). 28., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Dudenverlag, Berlin August 2020, ISBN 978-3-411-04018-6, S. 485: Gästin (selten).
- Textlabor #22: Hallo Duden: alles weiblich? In: Genderleicht.de. 8. Januar 2021, abgerufen am 22. Januar 2021.
- Gabriele Meseg-Rutzen (Presse, Universität Köln): Gast, Gästin, Gäst*innen? ExpertInnenstatement zur Diskussion um gendergerechte Sprache. In: idw-online.de. 26. Februar 2021, abgerufen am 28. Februar 2021 („Die Sprachwissenschaftlerin und apl. Professorin Dr. Kirsten Schindler über respektvolle und zielführende Sprache – und Probleme in der aktuellen Diskussionskultur zum Thema Gendern“).
- Irene Brickner: Opernball: Lugner und seine schönen Gästinnen. In: derStandard.at. 14. Februar 2020, abgerufen am 28. Februar 2021.
- Michael Ernst: Gästinnen sind hier erwünscht. In: Sächsische.de. 10. Januar 2020, abgerufen am 28. Februar 2021
- Holger Mock: Gender-Neutralität oder Gender-Irrsinn? Duden nimmt „Gästin“ auf: Soll der Allgäuer Tourismus das übernehmen? In: All-in.de. 16. Februar 2021, abgerufen am 22. Februar 2021.
- Karin Waldner-Petutschnig: 12.000 Kunstbegriffe – Gendern laut Duden: Von der Gästin bis zur Bösewichtin. In: KleineZeitung.at. 20. Februar 2021, abgerufen am 22. Februar 2021.
- Meldung (dpa): Kritik an Gender-Sprache: „Abenteuerliche Duden-Kreationen“. In: Der Spiegel. 14. Februar 2021, abgerufen am 22. Februar 2021.
- Henning Lobin: Neuschöpfungen? Die „Gästin“ kommt übrigens schon im Deutschen Wörterbuch von Jakob und Wilhelm Grimm vor… In: Twitter. 14. Februar 2021, abgerufen am 22. Februar 2021.