HMS Russell (1901)
Die HMS Russell war eines der sechs Linienschiffe der Duncan-Klasse der britischen Royal Navy, die inoffiziell „The Admirals“ genannt wurden. Sie kam 1903 für die Mittelmeerflotte in Dienst und wechselte bis 1914 mehrfach innerhalb der verschiedenen Flotteneinheiten. Im Ersten Weltkrieg diente sie mit ihren Schwesterschiffen anfangs bei der Grand Fleet zur Unterstützung der Northern Patrol, wechselte aber im November 1914 zur Kanalflotte und wurde zur Beschießung deutscher Stellungen in Flandern eingesetzt. 1915 war sie wieder bei der Grand Fleet, ehe sie Ende des Jahres zu den Dardanellen abgeordnet wurde. Ihr einziger Einsatz dort war die Teilnahme an der Räumung Kap Helles im Januar 1916 und sie war das letzte dort eingesetzte Linienschiff. Am 27. April 1916 lief die HMS Russell vor Malta auf zwei vom deutschen Unterseeboot U 73 gelegte Minen. Das Linienschiff geriet nach einer Explosion an Bord in Brand und sank langsam, so dass die Mehrzahl der Besatzungsangehörigen gerettet werden konnte. 125 Mann ließen ihr Leben.
Die HMS Russell | |
Übersicht | |
Typ | Linienschiff |
Bauwerft | |
Kiellegung | 11. März 1899 |
Stapellauf | 19. Februar 1901 |
Namensgeber | Edward Russell, 1st Earl of Orford |
Indienststellung | 19. Februar 1903 |
Verbleib | am 27. April 1916 nach Minentreffer vor Malta gesunken |
Technische Daten | |
Verdrängung |
13.270 ts, max. 15.200 ts |
Länge |
131,8 m über alles, (432 ft) |
Breite |
23,0 m (75,5 ft) |
Tiefgang |
7,8 m (25,75 ft) |
Besatzung |
720 Mann |
Antrieb |
24 Belleville-Kessel, |
Geschwindigkeit |
19 kn |
Reichweite |
7000 sm bei 10 kn |
Bewaffnung |
• 4 × 305-mm-L/40-Mk.IX-Kanone |
Panzerschotts |
bis 280 mm |
Panzerdeck |
bis 51 mm |
Gürtelpanzer |
bis 178 mm |
Artillerietürme |
bis 254 mm |
Kasematten |
152 mm |
Kommandoturm |
356 mm |
Baugeschichte
Die HMS Russell und ihre fünf Schwesterschiffe der Duncan-Klasse wurden als Reaktion auf die großen Bauprogramme der französischen und russischen Marine bestellt und sollten insbesondere die schnellen Schiffe des russischen Programmes bekämpfen können.[1] Sie waren daher eine kleinere, leichter gepanzerte und schnellere Version der vorangegangenen Formidable-Klasse. Die russischen Schiffe der Pereswet-Klasse waren aber nicht so stark bewaffnet wie ursprünglich erwartet, so dass die Schiffe der Duncan-Klasse sich als sehr überlegen in ihrem Verhältnis von Geschwindigkeit, Feuerkraft und Panzerung darstellten.[1]
Die Schiffe der Duncan-Klasse hatten die gleiche Bewaffnung wie die vorangehenden Schiffe der Formidable- bzw. London-Klasse bei einer etwas geringeren Verdrängung. Als Hauptbewaffnung verwendeten sie die 12-Zoll-305-mm-L/40-Mk.IX-Marinekanone[2] in zwei Doppeltürmen. Als Mittelartillerie wurden zwölf 6-Zoll-152-mm-L/45-Mk.VII-Geschütze[3] in Kasematten aufgestellt. Die Art der Panzerung und ihre Verteilung waren der der London-Klasse sehr ähnlich, bei einer Reduzierung des Umfanges bei den Barbetten der Hauptartillerie und beim Gürtelpanzer, der in Kruppstahl ausgeführt wurde. Die Maschinenanlage leistete 3000 Psi mehr als bei den vorangegangenen Schiffen. Erstmals wurden auf britischen Linienschiffen 4-Zylinder-Dreifach-Expansionsmaschinen eingebaut. Dazu erhielten die Schiffe eine verbesserte Rumpfform, um die Geschwindigkeit zu erhöhen. Die Schiffe hatten gute Seeeigenschaften, ließen sich bei allen Geschwindigkeiten gut steuern und hatten gute Verbrauchswerte. Sie waren die schnellsten Linienschiffe der Royal Navy mit einer Konstruktionsgeschwindigkeit von 19 kn und einer Operationsgeschwindigkeit 18 kn. Nur die beiden leichten Linienschiffe der Swiftsure-Klasse, HMS Swiftsure und HMS Triumph, und die späteren Turbinenschlachtschiffe waren schneller.[4]
Die vierte HMS Russell wurde bei Palmers Shipbuilding and Iron Company in Jarrow am Tyne am 11. März 1899 als erstes Schiff der neuen Klasse begonnen und lief am 19. Februar 1902 ebenfalls als erstes Schiff der Klasse vom Stapel. Eigentlich hätte die Klasse nach ihr benannt werden müssen, sie wird aber üblicherweise nach der späteren HMS Duncan benannt. Im Februar 1903 konnte die Russell, die 1.104.051 £ gekostet hatte, auch als erstes Schiff der Klasse fertiggestellt werden.[5] Ende 1906 war sie, wie alle anderen Linienschiffe, durch das Erscheinen der HMS Dreadnought technisch überholt. Dennoch hatte sie bis in die erste Phase des Weltkrieges wichtige Aufgaben zu erledigen.
Einsatzgeschichte
Nachdem die HMS Russell noch im Jahr 1902 ihre Tests absolvierte, wurde sie am 19. Februar 1903 als erstes Schiff der neuen Klasse beim Chatham Dockyard für die Mittelmeerflotte in Dienst gestellt. Bis zum 9. Februar 1904 kamen auch die Schwesterschiffe in Dienst.
Dienst im Frieden
Ihre erste aktive Dienstzeit verbrachte die HMS Russell bis April 1904 bei der britischen Mittelmeerflotte. Am 7. April 1904 wurde sie jetzt für die Home Fleet erneut in Dienst gestellt, die im Januar 1905 in Channel Fleet (Kanalflotte) umbenannt wurde.
Im Juni 1906 diente sie hier mit ihren Schwesterschiffen HMS Exmouth als Flaggschiff des Flottenchefs, Admiral Arthur Wilson, HMS Albemarle als Flaggschiff der Linienschiffsdivision, HMS Cornwallis, HMS Duncan und HMS Montagu und noch elf weiteren Linienschiffen mit der HMS Caesar als Flaggschiff des stellvertretenden Flottenchefs, HMS Prince George, HMS Jupiter, HMS Illustrious; HMS Canopus, HMS Ocean, HMS Goliath, HMS Glory, HMS Vengeance sowie Swiftsure und Triumph. Im Februar 1907 wurde die Russell dann zur Atlantikflotte in Gibraltar umgesetzt.
Während des Dienstes dort kollidierte sie am 16. Juli 1908 mit dem Kreuzer HMS Venus vor Quebec, wobei sie nur geringen Schaden erlitt[6]. Zusammen mit ihren Schwesterschiffen Exmouth, Albemarle und Duncan nahm sie an der 300-Jahr-Feier der Gründung Quebec´s teil, zu der auch Schiffe sieben weiterer Nationen kamen und der britische Thronfolger Georg mit dem neuen Schlachtkreuzer HMS Indomitable Kanada besuchte[7]. Am 30. Juli 1909 verlegte die Russell erneut zur Mittelmeerflotte nach Malta. Bei der Umgliederung der britischen Flotte am 1. Mai 1912 wurden die Linienschiffe der Mittelmeerflotte in das 4. Schlachtgeschwader der 1. Flotte der Home Fleet umbenannt und verlegten von Malta nach Gibraltar[8]. Im August 1912 verlegte die Russell zurück in die Heimatgewässer und reduzierte im September 1913 die Besatzung auf einen Stamm in der sogenannten aktiven Reserve als Teil des 6. Schlachtgeschwaders der 2. Flotte. Ab Dezember 1913 war sie dann Flaggschiff des 6. Schlachtgeschwaders und Flaggschiff des 2. Admirals der Home Fleet in der Nore[6]. Der Mobilmachungsplan sah vor, das die Russell mit den Linienschiffen Agamemnon, den vier noch vorhandenen Schwesterschiffen Albemarle, Cornwallis, Duncan und Exmouth – Montagu war 1906 verloren gegangen – sowie der älteren Vengeance als 6. Schlachtgeschwader in der Kanalflotte den Ärmelkanal überwachen und die Verlegung der British Expeditionary Force nach Frankreich sichern sollte.
Erster Weltkrieg
Es gab allerdings auch einen Plan, das 6. Schlachtgeschwader der Grand Fleet zuzuweisen. Bei Kriegsausbruch im August 1914 forderte daher der Oberbefehlshaber der Grand Fleet, Admiral Sir John Jellicoe die Russell und ihre vier noch vorhandenen Schwesterschiffe der Duncan-Klasse (Albemarle, Cornwallis, Duncan und Exmouth) zur Verstärkung des 3. Schlachtgeschwaders der Grand Fleet an, um dort wegen des Kreuzermangels Überwachungsaufgaben zu übernehmen. Die ursprüngliche Planung mit dem 6. Schlachtgeschwader wurde zurückgestellt und die Russell traf am 8. August 1914 in Scapa Flow ein, wurde dem 3. Schlachtgeschwader unterstellt und unterstützte die Kreuzer der Flotte bei der Northern Patrol.[9] Am 2. November 1914 verlegte die Russell mit ihren vier Schwesterschiffen und den Linienschiffen der King-Edward-VII-Klasse zur Verstärkung zur Channel Fleet wegen der Aktivitäten der Kaiserlichen Marine in diese Richtung. Die Schiffe der King-Edward-VII-Klasse wurden schon am 13. November wieder zur Grand Fleet abgezogen, aber die Schiffe der Duncan-Klasse blieben bei der Channel Fleet und bildeten ab dem 14. November das 6. Schlachtgeschwader mit der Russell als Flaggschiff. Das Geschwader sollte die deutschen U-Boot-Basen an der belgischen Küste angreifen und wurde in Portland stationiert, lag aber ab dem 14. November in Dover. Wegen unzureichenden Verteidigungsmöglichkeiten gegen U-Boot-Angriffe ging das Geschwader am 19. wieder nach Portland. Russell nahm am 23. November an der Beschießung des Stützpunktes Zeebrugge teil.[10] Das 6. Schlachtgeschwader kehrte im Dezember nach Dover zurück und verlegte am 30. Dezember 1914 nach Sheerness als Invasionsschutz, wo es 1914 das 5. Schlachtgeschwader ablöste.[11] Zwischen Januar und Mai 1915 verteilte sich das 6. Schlachtgeschwader. Die Russell verließ das Geschwader im April 1915 und schloss sich erneut dem 3. Schlachtgeschwader der Grand Fleet in Rosyth an. Von Oktober bis Anfang November wurde sie in Belfast überholt.[12] Am 6. November 1915 wurde eine Division des 3. Schlachtgeschwaders mit Hibernia als Flaggschiff, Zealandia, Albemarle, und Russell zur Verstärkung der britischen Flotte vor den Dardanellen entsandt. Das Schwesterschiff Albemarle musste die Reise wegen schwerer Wetterschäden schon recht früh abbrechen, während die übrigen Schiffe gemeinsam ins Mittelmeer liefen. Im Dezember traf die Russell in Mudros vor den Dardanellen ein[13], während die Hibernia weiter zurück in Bereitschaft gehalten wurde. Der einzige Einsatz der Russell im Kampf um Gallipoli war die Teilnahme an der Räumung von Kap Helles vom 7. bis zum 9. Januar 1916. Sie war das letzte Linienschiff, das vor den Dardanellen verblieb und ersetzte im Januar auch die Hibernia als Divisionsflaggschiff.[14] Auch nach dem Ende des Kampfes um Gallipoli verblieb die Russell im östlichen Mittelmeer.
Verlust der Russell
In der Nacht des 26. April 1916 traf die Russell vor Malta unter Kapitän W. Bowden Smith mit Admiral Sydney Freemantle ein. Da der Hafen über Nacht mit Netzen geschlossen war, konnte das Linienschiff nicht direkt einlaufen. Am Morgen des 27. April 1916 lief die Russell vor Malta auf zwei Minen, die das deutsche Unterseeboot U 73 einige Tage zuvor gelegt hatte. Im hinteren Teil des Schiffes brach ein Feuer aus und es wurde die Räumung befohlen. Nach einer Explosion in der Nähe des Heckturms bekam das Linienschiff auch erhebliche Schlagseite. Dennoch sank HMS Russell langsam etwa vier Meilen vor dem Leuchtturm von St Elmo auf 35° 54′ N, 14° 36′ O , so dass der überwiegende Teil der Besatzung gerettet werden konnte. 27 Offiziere und 98 weitere Seeleute starben beim Untergang.[15] Unter den Geretteten befand sich der spätere First Sea Lord John Cunningham (1885–1962). John Cunningham befehligte ab 1943 die Mittelmeerflotte und war vom Mai 1946 bis September 1948 Erster Seelord.
Das U-Boot U 73 gehört zum Minenlegertyp UE I[16] und hatte die Minen auf seiner Überführungsfahrt von der Nordsee nach Cattaro unter dem späteren Träger des Pour le Mérite, Kapitänleutnant Gustav Sieß[17], vor Malta gelegt.
Das Wrack der HMS Russell wurde im Juli 2003 von britischen Tauchern des Teams „Starfish Enterprise“ in 115 m Tiefe gefunden. Es wurde mit dem Kiel nach oben und ohne Heck gefunden[18].
Einzelnachweise
- Gibbons, S. 159
- British 12"/40 (305 mm) Mark IX
- British 6"/45 (152 mm) BL Mark VII
- Burt, S. 202
- Burt, S. 198
- Burt, S. 209
- QUEBEC'S TERCENTENARY.; Prince of Wales Will Represent King at Great Historic CelebrationQUEBEC'S TERCENTENARY.; Prince of Wales Will Represent King at Great Historic Celebration,NYT 13. Juli 1908
- Burt, p.209
- Burt, S. 209ff.
- Burt, S. 209,212
- Burt, S. 170, 212
- Burt, S. 212
- Burt, S. 211
- Burt, S. 209,211f.
- Burt, S. 211, andere Quellen, z. B. Conway's geben 126 Tote an
- UE ocean minelayers class
- Kapitänleutnant Gustav Sieß
- Calypso Aqua Club Malta (Memento des Originals vom 11. Juni 2010 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
Literatur
- R. A. Burt: British Battleships 1889–1904. Naval Institute Press, Annapolis, Maryland 1988, ISBN 0-87021-061-0.
- Roger Chesneau, Eugene M. Kolesnik (Hrsg.): Conway's All The World's Fighting Ships, 1860–1905. Mayflower Books, New York 1979, ISBN 0-8317-0302-4.
- F. J. Dittmar, J. J. Colledge: British Warships 1914–1919. Ian Allen, London 1972, ISBN 0-7110-0380-7.
- Tony Gibbons: The Complete Encyclopedia of Battleships and Battlecruisers: A Technical Directory of All the World's Capital Ships From 1860 to the Present Day. Salamander Books Ltd., London 1983.
- Randal Gray (Hrsg.): Conway's All The World's Fighting Ships 1906–1921. Naval Institute Press, Annapolis, Maryland, 1985, ISBN 0-87021-907-3.
Weblinks
- Wrack der Russell vor Malta
- HMS Russell Einsatzgeschichte und etliche Bilder
- HMS Russell