Grunerit
Das Mineral Grunerit, auch Grünerit, Amosit oder Braunasbest genannt, ist ein eher selten vorkommendes Kettensilikat aus der Gruppe der Amphibole. Es kristallisiert im monoklinen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung (Fe2+,Mg)7[OH|Si4O11]2 und entwickelt meist nadelige bis faserige, radialstrahlige Kristalle und Aggregate von aschgrauer oder bräunlichgrüner bis brauner Farbe. Die Kristalle können durchscheinend sein und zeigen auf ihren Flächen Glasglanz, bei undurchsichtigem, faserigem Habitus zeigt die Oberfläche schimmernden Perlglanz.
Grunerit | |
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Allgemeines und Klassifikation | |
Chemische Formel | (Fe2+,Mg)7[OH|Si4O11]2[1] |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Kettensilikate und Bandsilikate (Inosilikate) |
System-Nr. nach Strunz und nach Dana |
9.DE.05 (8. Auflage: VIII/F.07) 66.01.01.03 |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | monoklin |
Kristallklasse; Symbol | monoklin-prismatisch; 2/m[2] |
Raumgruppe | C2/m (Nr. 12)[1] |
Gitterparameter | a = 9,56 Å; b = 18,38 Å; c = 5,34 Å β = 101,9°[1] |
Formeleinheiten | Z = 2[1] |
Zwillingsbildung | einfache bis multiple Zwillinge parallel {100} |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 5 bis 6 |
Dichte (g/cm3) | 3,4 bis 3,6[3] |
Spaltbarkeit | vollkommen nach {110} |
Bruch; Tenazität | spröde |
Farbe | aschgrau, bräunlichgrün, braun |
Strichfarbe | weiß |
Transparenz | durchscheinend bis undurchsichtig |
Glanz | Glasglanz, Perlglanz bei faserigem Habitus |
Kristalloptik | |
Brechungsindizes | nα = 1,663 bis 1,686[4] nβ = 1,680 bis 1,709[4] nγ = 1,696 bis 1,729[4] |
Doppelbrechung | δ = 0,033 bis 0,043[4] |
Optischer Charakter | zweiachsig negativ |
Achsenwinkel | 2V = gemessen: 90 bis 70°; berechnet: 84 bis 86°[4] |
Pleochroismus | farblos, gelblich / grünlich-gelb |
Etymologie und Geschichte
Erstmals entdeckt wurde Grunerit durch den schweizerisch-französischen Chemiker Emmanuel Ludwig (Louis) Gruner (1809–1883) im „Ravine de Sarvengude“ bei Collobrières in Frankreich, der das Mineral auch analysierte und 1847 beschrieb.[5][6] 1853 benannte Gustav Adolf Kenngott das Mineral nach seinem Entdecker.[7]
Klassifikation
Bereits in der veralteten, aber teilweise noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Grunerit zur Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ und dort zur Abteilung der „Kettensilikate und Bandsilikate (Inosilikate)“, wo er zusammen mit Cummingtonit (Magnesiocummingtonit), Klino-Ferro-Ferri-Holmquistit, Klino-Ferro-Holmquistit, Manganocummingtonit, Manganogrunerit und Klino-Natrium-Ferri-Ferro-Holmquistit die Untergruppe der „Mg-Fe-Mn-Amphibole“ mit der System-Nr. VIII/F.07 innerhalb der Amphibolgruppe bildete.
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Grunerit ebenfalls in die Abteilung der „Kettensilikate und Bandsilikate (Inosilikate)“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der Struktur der Ketten bzw. Bänder sowie der Zuordnung in verwandte Mineralfamilien, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Ketten- und Bandsilikate mit 2-periodischen Doppelketten, Si4O11; Amphibol-Familie, Klinoamphibole“ zu finden ist, wo es zusammen mit Anthophyllit, Cummingtonit, Klino-Ferro-Ferri-Holmquistit, Ferri-Pedrizit, Ferro-Anthophyllit, Ferrogedrit, Ferroholmquistit, Ferro-Pedrizit, Fluor-Pedrizit, Gedrit, Holmquistit, Klino-Ferro-Holmquistit, Manganocummingtonit, Manganogrunerit, Natrium-Anthophyllit, Ferri-Pedrizit, Natrium-Ferri-Ferropedrizit, Natrium-Ferrogedrit, Natrium-Ferropedrizit, Natrium-Ferro-Anthophyllit, Natriumgedrit, Natriumpedrizit, Pedrizit, Permanganogrunerit, Protoanthophyllit, Protoferro-Anthophyllit und Protomangano-Ferro-Anthophyllit die „Mg,Fe,Mn-Klinoamphibole, Cummingtonitgruppe“ mit der System-Nr. 9.DE.05 bildet.
Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Kettensilikate: Doppelte unverzweigte Ketten, W=2“ ein. Hier ist er in der „Gruppe 1, Mg-Fe-Mn-Li-Amphibole (Monoklin)“ mit der System-Nr. 66.01.01 innerhalb der Unterabteilung „Kettensilikate: Doppelte unverzweigte Ketten, W=2 Amphibol-Konfiguration“ zu finden.
Kristallstruktur
Grunerit kristallisiert monoklin in der Raumgruppe C2/m (Raumgruppen-Nr. 12) mit den Gitterparametern a = 9,56 Å; b = 18,38 Å; c = 5,34 Å und β = 101,9° sowie zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle[1].
Modifikationen und Varietäten
Feinfaserige, asbestartige Varietäten des Grunerits werden als Amosit bezeichnet.
Bildung und Fundorte
Grunerit bildet sich durch Kontaktmetamorphose in mittel- bis hochgradigen Eisen-Formationen und einigen Blauschiefern. Begleitminerale sind unter anderem Fayalit, Granate, Hämatit, Hedenbergit, Magnetit, Quarz und Riebeckit.
Weltweit konnte Grunerit bisher (Stand: 2010) an rund 150 Fundorten nachgewiesen werden, so in Australien, Bolivien, Brasilien, China, Finnland, Frankreich, Indien, Japan, Kamerun, Kanada, Madagaskar, Norwegen, Österreich, Portugal, Russland, Schweden, Slowakei, Spanien, Südafrika, Tschechien, Ukraine, Ungarn, im Vereinigten Königreich (Großbritannien) und in den Vereinigten Staaten (USA).
Amosit wird vor allem in Südafrika in den Asbestos Mines of South Africa abgebaut. Der Begriff ist ein Kunstwort aus der Abkürzung der südafrikanischen Minengesellschaft A.M.O.S.
Verwendung
Amosit darf als asbestartiges Material heute in Europa nicht mehr verwendet werden. In anderen Ländern wird es aber zum Teil noch als Baumaterial eingesetzt.
Vorsichtsmaßnahmen
Bei längerer Exposition besteht die Gefahr ernster Gesundheitsschäden durch Einatmen. Der Stoff kann Krebs verursachen.
Siehe auch
Literatur
- E. L. Gruner: Description d’un minéral nouveau dont la composition correspond à un pyroxène à base de fer (Note présentée par M. Dufreénoy). In: Comptes rendus de l’Académie des sciences. Band 24, 1847, S. 794–795 (online verfügbar bei gallica.bnf.fr [abgerufen am 28. Mai 2018]).
- Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 726, 727 (Erstausgabe: 1891).
- Martin Okrusch, Siegfried Matthes: Mineralogie. Eine Einführung in die spezielle Mineralogie, Petrologie und Lagerstättenkunde. 7., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Springer, Berlin [u. a.] 2005, ISBN 3-540-23812-3, S. 98.
Weblinks
- Mineralienatlas: Grunerit (Wiki)
- Grunerite search results. In: rruff.info. Database of Raman spectroscopy, X-ray diffraction and chemistry of minerals (RRUFF), abgerufen am 15. April 2019 (englisch).
- American-Mineralogist-Crystal-Structure-Database – Grunerite. In: rruff.geo.arizona.edu. Abgerufen am 15. April 2019 (englisch).
Einzelnachweise
- Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 626 (englisch).
- David Barthelmy: Grunerite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 12. August 2020 (englisch).
- Grunerite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (online verfügbar bei handbookofmineralogy.org [PDF; 79 kB; abgerufen am 10. Mai 2018]).
- Grunerite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 12. August 2020 (englisch).
- Philippe Roth: Minerals first discovered in Switzerland and minerals named after Swiss individuals. 1. Auflage. Kristallografik Verlag, Achberg 2007, ISBN 3-9807561-8-1, S. 182.
- E. L. Gruner: Description d’un minéral nouveau dont la composition correspond à un pyroxène à base de fer (Note présentée par M. Dufreénoy). In: Comptes rendus de l’Académie des sciences. Band 24, 1847, S. 794–795 (online verfügbar bei gallica.bnf.fr [abgerufen am 28. Mai 2018]).
- Gustav Adolf Kenngott: VIII. Ordnung: Spathe. IX. Geschlecht: Augit-Spathe. 4. Grunerit. In: Das Mohs'sche Mineralsystem. Verlag und Druck von Carl Gerold & Sohn, Wien 1853, S. 62–77 (online verfügbar bei rruff.info [PDF; 647 kB; abgerufen am 10. Mai 2018]).