Gehlenit
Gehlenit ist ein eher selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Silicate und Germanate“. Es kristallisiert im tetragonalen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung Ca2Al[4][AlSiO7][2] und entwickelt meist durchsichtige bis durchscheinende Kristalle von dicktafeligem oder kurzprismatischem Habitus und weißer, grauer oder gelblicher Farbe, aber auch körnige bis massige Mineral-Aggregate.
Gehlenit | |
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Allgemeines und Klassifikation | |
Chemische Formel | Ca2Al[4][AlSiO7] |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Silikate und Germanate |
System-Nr. nach Strunz und nach Dana |
9.BB.10 (8. Auflage: VIII/C.02) 55.04.01.02 |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | tetragonal |
Kristallklasse; Symbol | tetragonal-skalenoedrisch; 42m[1] |
Raumgruppe | P421m (Nr. 113)[2] |
Gitterparameter | a = 7,69 Å; c = 5,07 Å[2] |
Formeleinheiten | Z = 2[2] |
Zwillingsbildung | nach {100}, lamellar nach {001}[3] |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 5 bis 6[3] |
Dichte (g/cm3) | gemessen: 3,038; berechnet: 3,03[3] |
Spaltbarkeit | deutlich nach {001}; undeutlich nach {110}[3] |
Bruch; Tenazität | uneben, splittrig bis muschelig[3] |
Farbe | farblos, braun, gelblich, grünlichgrau |
Strichfarbe | weiß bis grauweiß |
Transparenz | durchsichtig bis undurchsichtig |
Glanz | Glasglanz bis Fettglanz[3] |
Kristalloptik | |
Brechungsindizes | nω = 1,670[4] nε = 1,660[4] |
Doppelbrechung | δ = 0,010[4] |
Optischer Charakter | einachsig negativ |
Gehlenit bildet mit Åkermanit eine vollkommene Mischreihe.
Etymologie und Geschichte
Erstmals gefunden wurde Gehlenit 1815 am Monte Monzoni im Fassatal in Italien und beschrieben durch Johann Nepomuk von Fuchs, der das Mineral nach dem deutschen Chemiker Adolf Ferdinand Gehlen benannt, die Typlokalität befindet sich im Fassatal in der Provinz Trient, Italien.[5]
Klassifikation
In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Gehlenit zur Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ und dort zur Abteilung der „Gruppensilikate (Sorosilikate)“, wo er zusammen mit Åkermanit, Andrémeyerit, Barylith, Gugiait, Hardystonit, Jeffreyit, Kaliobarylith, Melilith, Meliphan und Okayamalith die „Melilith-Gruppe“ mit der System-Nr. VIII/C.02 bildete.
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Gehlenit ebenfalls in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Gruppensilikate (Sorosilikate)“ ein. Diese Abteilung ist allerdings weiter unterteilt nach der Art der Silikatgruppenbildung, der möglichen Anwesenheit weiterer Anionen und der Koordination der Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung und seinem Aufbau in der Unterabteilung „Si2O7-Gruppen, ohne nicht-tetraedrische Anionen; Kationen in tetraedrischer [4] und größerer Koordination“ zu finden ist, wo es zusammen mit Åkermanit, Barylith, Cebollit, Gugiait, Hardystonit, Jeffreyit, Melilith und Okayamalith die „Melilith-Gruppe“ mit der System-Nr. 9.BB.10 bildet.
Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Gehlenit in die Klasse der „Silikate und Germanate“, dort allerdings in die bereits feiner unterteilte Abteilung der „Gruppensilikate: Si2O7-Gruppen, generell ohne zusätzliche Anionen“ ein. Hier ist er zusammen mit Åkermanit, Melilith und Okayamalith in der „Melilith-Gruppe“ mit der System-Nr. 55.04.01 innerhalb der Unterabteilung der „Gruppensilikate: Si2O7-Gruppen, generell ohne zusätzliche Anionen und mit Kationen in [8] und niedrigerer Koordination“ zu finden.
Kristallstruktur
Gehlenit kristallisiert tetragonal in der Raumgruppe P421m (Raumgruppen-Nr. 113) mit den Gitterparametern a = 7,69 Å und c = 5,07 Å sowie zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle.[2]
Der Aufbau der Kristallstruktur erfolgt durch Gruppen aus schichtartig (100) angeordneten [AlSiO7]- und [AlO4]-Tetraedern, die durch Ca-O-Bindungen miteinander verknüpft sind, wobei Ca gegenüber O in [8]-Koordination auftritt.
Bildung und Fundorte
Gehlenit kann natürlich in Plutoniten, Metamorphiten und Meteoriten vorkommen oder artifiziell durch hochtemperiertes Brennen karbonat-hältiger Keramik.[6] Hochtemperaturmetamorphose von „unreinen“ (Alumosilikat enthaltenden) Kalken oder Kontaktmetamorphose von magmatischen Gesteinen mit Karbonaten kann zur Bildung von Gehlenit führen. Das Mineral wurde auch in chondritischen Meteoriten beschrieben und gehört zu den ersten Kondensationsprodukten des abkühlenden präsolaren Nebels.[7][8] In Calcium-Aluminium-reichen Einschlüssen (CAI) tritt Gehlenit zusammen mit Grossit, Hibonit, Spinell und Fassait, einem komplexen Klinopyroxen-Mischkristall aus Diopsid, Kushiroit, Davisit und Grossmanit.
Weltweit konnte Gehlenit bisher (Stand: 2010) an rund 60 Fundorten nachgewiesen werden, so in China, Deutschland, Iran, Israel, Italien, Japan, Mexiko, Neuseeland Österreich, Rumänien, Russland, Schweden, Tschechien, Uganda, Ungarn, im Vereinigten Königreich (Großbritannien) und in den Vereinigten Staaten (USA). Auch im Kometenstaub von Wild 2 konnte Gehlenit nachgewiesen werden.[9]
Verwendung
Da Gehlenit aufgrund seiner guten Kristallinität relativ einfach mittels Röntgenbeugung zu detektieren ist und unter atmosphärischen Druckbedingungen ein sehr eingeschränktes Bildungs- bzw. Stabilitätsfeld hat, kann dieses Mineral sehr gut zur Bestimmung von Brenntemperaturen antiker Keramiken herangezogen werden. Dieses "Thermometer" kann allerdings nur in karbonathaltigen Keramiken eingesetzt werden, da eine adäquate Menge an reaktivem Calcium für die Bildungsreaktion von Gehlenit verfügbar sein muss.
Siehe auch
Literatur
- Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 689 (Erstausgabe: 1891).
- Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 211.
Weblinks
- Mineralienatlas: Gehlenit (Wiki)
- Gehlenite search results. In: rruff.info. Database of Raman spectroscopy, X-ray diffraction and chemistry of minerals (RRUFF), abgerufen am 25. Februar 2019.
- American-Mineralogist-Crystal-Structure-Database – Gehlenite. In: rruff.geo.arizona.edu. Abgerufen am 25. Februar 2019.
Einzelnachweise
- David Barthelmy: Gehlenite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 25. Februar 2019 (englisch).
- Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 568 (englisch).
- Gehlenite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 67 kB; abgerufen am 25. Februar 2019]).
- Gehlenite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 25. Februar 2019 (englisch).
- Richard V. Gaines, H. Catherine W. Skinner, Eugene E. Foord, Brian Mason, Abraham Rosenzweig: Dana’s New Mineralogy. 8. Auflage. John Wiley & Sons, New York u. a. 1997, ISBN 0-471-19310-0, S. 1143–1144.
- C. Tschegg, Th. Ntaflos, I. Hein, 2008, Applied Clay Science
- Lawrence Grossman: Condensation in the primitive solar nebula. In: Geochemica et Cosmochemica Acta. Band 36, Nr. 5, 1972, S. 597–619, doi:10.1016/0016-7037(72)90078-6 (englisch).
- Lawrence Grossman: Vapor-condensed phase processes in the early solar system. In: Meteoritics & Planetary Science. Band 45, 2010, S. 7–20 (onlinelibrary.wiley.com [PDF; 2,0 MB; abgerufen am 23. Dezember 2018]).
- Fundortliste für Gehlenit beim Mineralienatlas und bei Mindat