Deutschland-Klasse (1931)
Die Deutschland-Klasse umfasste drei Kriegsschiffe, die für die deutsche Reichsmarine unter den Beschränkungen des Versailler Vertrags gebaut wurden. In der Reichsmarine und der späteren Kriegsmarine wurde für die Schiffe der Deutschland-Klasse in Anlehnung an das im Versailler Vertrages verwendete französische Wort cuirassé (gepanzertes Schiff) zuerst die Typansprache Panzerschiff gebraucht.[A 1] Am 15. Februar 1940 wurde die Typansprache jedoch in Schwerer Kreuzer geändert. Zur Zeit ihrer Konstruktion wurden sie von britischer Seite wegen ihrer vergleichsweise geringen Größe und starken Artillerie als Westentaschenschlachtschiffe (pocket battleships) bezeichnet.
Die Deutschland im Jahr 1936. | ||||||||||||||
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Vorgeschichte
Situation nach dem Ersten Weltkrieg
Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg wurden im Versailler Vertrag rigide Obergrenzen für die deutsche Marinerüstung festgelegt. Die Deutschland zugestandene begrenzte Anzahl von Linienschiffen veralteten Typs (vgl. Linienschiffe der Reichsmarine) durfte nur durch gepanzerte Schiffe mit nicht mehr als 10.000 ts (entspricht 10.160 metrischen Tonnen) Standardverdrängung ersetzt werden. Zum Vergleich: im Washingtoner Flottenabkommen einigten sich die USA, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan auf eine Begrenzung von 35.000 tons Standardverdrängung und 40,6 cm Kaliber für Schlachtschiffe. Die Begrenzung auf 10.000 Tonnen entsprach hingegen derjenigen des Washingtoner Vertrages für die Schiffsklasse der Schweren Kreuzer (sog. Washington-Kreuzer), diese waren jedoch typischerweise auf eine Bewaffnung mit Geschützen von 20,3 cm begrenzt.
Nach mehreren Vorentwürfen entschied man sich für ein Schiff mit 6-×-28-cm-Geschützen in zwei Drillingstürmen und mit Dieselmotorantrieb, der eine Höchstgeschwindigkeit von ca. 26 kn in Verbindung mit einer überdurchschnittlich hohen Reichweite ermöglichte. Die Panzerung betrug seitlich bis zu 80 mm und auf Deck 30–45 mm.
Innenpolitische Widerstände
Der von der Marineleitung unter Hans Zenker geforderte Bau war mehr ein Prestigeprojekt als militärisch sinnvoll. Am 30. März 1928 wurde im Reichstag gegen die Stimmen der oppositionellen SPD und KPD die erste Rate für den Bau der ersten Einheit (Panzerschiff A) in Höhe von 9,3 Millionen Reichsmark in den Reichshaushalt aufgenommen. Der Reichsrat unter Führung Preußens vertagte jedoch die endgültige Entscheidung darüber. Wegen der hohen Kosten wurde der Bau von der SPD im Reichstagswahlkampf 1928 scharf kritisiert. Nach der Wahl stimmten die Kabinettsmitglieder der SPD jedoch dem Bau zu, nachdem Reichswehrminister Groener, der über den Rückhalt des Reichspräsidenten Hindenburg verfügte, seinen Rücktritt angedroht hatte. Die Reichstagsfraktion war aber weiterhin gegen den Bau und unterwarf die zugehörigen Kabinettsmitglieder der Fraktionsdisziplin. Ein Antrag der SPD-Fraktion, den Bau einzustellen, fand in einer Abstimmung am 16. November 1928 durch Stimmen der DNVP keine Mehrheit im Reichstag. Die KPD startete ein Volksbegehren gegen den Bau, das aber mit nur 1,2 Millionen Ja-Stimmen scheiterte.
Außenpolitische Wirkung
Die Briten nannten die drei Schiffe dieser Klasse Pocket Battleships (Westentaschen-Schlachtschiffe), da ihre schwere Artillerie von sechs 28-cm-Geschützen der der Schweren Kreuzer weit überlegen und der vieler älterer Schlachtschiffe ebenbürtig war. Als Reaktion auf die Panzerschiffe baute Frankreich die zwei Schlachtschiffe der Dunkerque-Klasse, und es kam zu einer Welle von neuen Schlachtschiffbauten.
Konstruktionsmerkmale
Außergewöhnlich war der Antrieb bei der Deutschland-Klasse. Erstmals wurde für Kampfschiffe dieser Größe ein Dieselantrieb verwendet. Jeweils ein Verbund von vier Dieselmotoren trieb über ein Vulcan-Getriebe je eine Schraubenwelle an. Bei dem Vulcan-Getriebe handelte es sich um eine mit Wasser und Öl gefüllte hydromechanische Kupplung, die den Vorteil hatte, dass die Motoren unabhängig voneinander aufgeschaltet oder zu Wartungszwecken abgeschaltet werden konnten. Bei den Motoren selbst handelte es sich um acht doppeltwirkende Neunzylinder-Zweitakt-Dieselmotoren der MAN, die bei einer Drehzahl von 450/min je 6.750 PS (4.960 kW) leisteten. Dieser Motortyp war eine erfolgreiche Weiterentwicklung des ab 1909 im Rahmen der Dieselmotorenentwicklung für die Kaiserliche Marine unter der Federführung Wilhelm Laudahns entwickelten und gebauten doppeltwirkenden Zweitakt-Dieselmotoren für Linienschiffe mit einer Leistung von 12.000 PS (8.800 kW). Die Planung des Schiffes erfolgte um diese neuartige Maschine, die im Gegensatz zu klassischen Turbinen mit weniger Personal betrieben werden konnte[1].
Entgegen ersten Bedenken bewährte sich der Motortyp; vor allem die gefürchteten Vibrationen hielten sich in Grenzen. Ein großer Vorteil war die höhere Reichweite, die Gewichtseinsparung, die einfachere Wartung gegenüber den komplizierten Dampfturbinen und vor allem unter taktischen Gesichtspunkten das schnelle Hochfahren der Maschinenanlage. Der Dieselantrieb schien gar so erfolgversprechend zu sein, dass fast alle im Z-Plan vorgesehenen neuen Schiffe damit ausgerüstet werden sollten, sogar die geplanten Super-Schlachtschiffe der H-Klasse.
Durch die Begrenzung auf max. 10.160 Tonnen war man gezwungen, möglichst viel Gewicht einzusparen. Neben der Verwendung von Aluminiumlegierungen in einigen Bereichen im Schiff wurde z. B. der gesamte Schiffskörper geschweißt, wodurch das zusätzliche Gewicht der sonst üblichen Verbindung durch Niete wegfiel. Beim Nieten müssen die Stahlplatten überlappend angeordnet werden, während Schweißen eine Verbindung an den Kanten ermöglicht. Die Panzerung wurde in die Tragkonstruktion des Rumpfes einbezogen, so dass sie nicht nur zum Schutz, sondern auch zur Festigkeit des Schiffskörpers beitrug. Die Schiffe waren einige Jahre lang schneller als jedes stärkere und stärker als jedes schnellere Schiff, mit Ausnahme der allerdings erheblich größeren vier japanischen Schlachtkreuzer der Kongō-Klasse und der drei britischen Schlachtkreuzer Hood, Renown und Repulse. Insbesondere die Schweren Kreuzer der anderen Marinen waren von dieser neuen Entwicklung betroffen, da sie bei vergleichbarer Größe nicht stärker gepanzert waren und mit ihrer 20,3 cm Artillerie weder in der Reichweite noch an Durchschlagskraft den 28-cm-Geschützen etwas entgegensetzen konnten.
Neben dem größeren Kaliber kam bei der Deutschland-Klasse eine neue Geschützturmkonstruktion zum Einsatz, die es erlaubte, das mittlere Rohr der Drillingstürme genauso schnell nachzuladen wie die beiden äußeren Rohre. Diese technische Änderung bedeutete eine deutlich höhere Schussfrequenz als bei konventionellen Kreuzern.
- Unterscheidung der Schiffe
Die Deutschland unterschied sich von Admiral Scheer und Admiral Graf Spee hauptsächlich durch drei auffallende Merkmale:
- Sie hatte von Anbeginn einen röhrenförmigen Turmmast (Admiral Scheer erst nach dem Umbau 1939/1940, Admiral Graf Spee gar nicht)
- Die eigentliche Kommandobrücke war halbkreisförmig, das Entfernungsmessgerät saß auf dem Dach der Brücke unmittelbar vor dem Turmmast
- Das Flugzeugkatapult war zwischen Turmmast und Schornstein (bei den Schwesterschiffen hinter dem Schornstein)
Die Unterscheidung zwischen Admiral Scheer und Admiral Graf Spee kann vor allem am Turmmast vorgenommen werden:
- Wegen des Sieges des Namensgebers trug die Admiral Graf Spee vor Kriegsbeginn auf halber Höhe des Turmmastes ein Schild mit der Aufschrift Coronel, während jener der Admiral Scheer ohne Schild blieb.
- Nach dem Umbau hatte die Admiral Scheer ebenfalls einen Röhrenmast, dessen Aufbauten jedoch eckiger als jene der Deutschland blieben.
Einheiten
Von der Deutschland-Klasse wurden drei Schiffe gebaut. Eine zweite Bauserie mit zwei vergrößerten Schiffen wurde 1934 auf Kiel gelegt, aber wenig später wurde ein Baustopp verfügt und die bereits begonnenen Schiffe abgebrochen. Diese wurden 1935, unter den Bedingungen des deutsch-britischen Flottenabkommens, erneut begonnen und als Schlachtschiffe Scharnhorst und Gneisenau fertiggestellt.
Das Typschiff Deutschland
Die im April 1933 in Dienst gestellte Deutschland wurde am 15. November 1939 in Lützow umbenannt. Dieses geschah zum einen aus psychologischen Gründen, da Hitler nicht wollte, dass ein Schiff mit dem Namen Deutschland untergehen könnte, aber auch, um den Verkauf des Schweren Kreuzers Lützow der Admiral-Hipper-Klasse an die Sowjetunion zu verschleiern.
Panzerschiff Admiral Scheer
Die Admiral Scheer wurde als zweites Schiff im November 1934 in Dienst gestellt. Im Winter 1939/40 wurde ein umfangreicher Umbau vorgenommen: Das Vorschiff wurde verlängert und bekam einen größeren Spantenausfall. Außerdem wurde der große Gefechtsturm über der Brücke ausgebaut und durch einen schlanken Röhrenmast ersetzt, um das Aussehen des Schiffes an das der Lützow anzugleichen. Im Februar 1940 wurde die Admiral Scheer wie die Lützow zum Schweren Kreuzer umklassifiziert.
Panzerschiff Admiral Graf Spee
Als letztes Schiff der Klasse kam im Januar 1936 die Admiral Graf Spee in den Dienst der Kriegsmarine. Im Dezember 1939 wurde das Schiff auf Befehl des Kommandanten Hans Langsdorff, der die Lage als aussichtslos betrachtete und seine Mannschaft schonen wollte, in der Mündung des Río de la Plata vor Montevideo von der eigenen Mannschaft versenkt.
Anmerkungen
- Das französische cuirassé bezeichnet jedes gepanzerte Schiff. Mit der Typansprache Panzerschiff war nicht das spezielle „Panzerschiff“ des 19. Jahrhunderts gemeint. Es bestand kein historischer oder technischer Zusammenhang.
Literatur
- Gerhard Koop, Klaus-Peter Schmolke: Die Panzerschiffe der Deutschland-Klasse. Bernard & Graefe Verlag, Bonn 1993, ISBN 3-7637-5919-0.
- Jochen Brennecke, Theodor Krancke: Schwerer Kreuzer Admiral Scheer, Köhlers Verlagsges., ISBN 3-7822-0831-5.
- Werner Rahn: Marinerüstung und Innenpolitik einer parlamentarischen Demokratie – das Beispiel des Panzerschiffes A 1928. In: Die deutsche Marine – Historisches Selbstverständnis und Standortbestimmung. Schriftenreihe Deutsches Marine Institut, Deutsche Marine-Akademie, Bd. 4, Herford und Bonn 1983, S. 53ff, ISBN 3-8132-0157-0.
Weblinks
- Informationen zu den Panzerschiffen (engl.)
- www.deutschland-class.dk (engl.)
- Hugh und David Lyon: Kriegsschiffe von 1900 bis heute Technik und Einsatz. Buch und Zeit Verlagsgesellschaft mbH, Köln 1978, S. 116.