Seegefecht bei Coronel
Das Seegefecht bei Coronel zwischen dem deutschen Ostasiengeschwader und einem Geschwader der Royal Navy trug sich am 1. November 1914 in neutralen Gewässern vor Coronel zu. Die Seeschlacht vor der Küste Chiles lieferten sich Vizeadmiral Maximilian Graf von Spee und Konteradmiral Sir Christopher Cradock. Beteiligte Schiffe waren auf deutscher Seite die Großen Kreuzer SMS Scharnhorst und SMS Gneisenau sowie die Kleinen Kreuzer SMS Leipzig und SMS Dresden. Auf britischer Seite kämpften die Panzerkreuzer HMS Good Hope und HMS Monmouth, der Leichte Kreuzer HMS Glasgow und der Hilfskreuzer Otranto. Der Kleine Kreuzer SMS Nürnberg traf gegen Ende des Gefechts ein, während das alte und langsame Linienschiff HMS Canopus das Seegebiet nicht rechtzeitig erreichte.
Vorgeschichte
Aus dem Pazifik kommend, hielt sich das deutsche Geschwader vom 12. bis zum 18. Oktober in der Cook’s Bay von Hanga Roa auf der chilenischen Osterinsel auf. Außer den fünf Kreuzern (die Leipzig war erst am 14. Oktober aus Mexiko kommend eingetroffen) gehörten die Versorgungsschiffe Baden, Titania, Göttingen, Yorck, Amasis, Anubis und Karnak zu Admiral Spees Streitmacht. Nach dem einwöchigen Kohlenbunkern wurden die leeren Kohlenschiffe Anubis und Karnak entlassen. Das restliche Geschwader steuerte an Salas y Gómez vorbei mit 10 Knoten Fahrt in Richtung chilenischer Küste. Bei einer Kommandantensitzung am 24. Oktober teilte Spee seinen Entschluss mit, den Gegner zum Kampf zu stellen und auszuschalten, um in den Atlantik durchzubrechen.
Am 26. Oktober kohlten Spees Kreuzer an der Westseite der Insel Mas Afuera. Spee ließ ausschließlich die Leipzig die Funkstille brechen, um den Eindruck zu erwecken, sie sei allein.
Konteradmiral Cradock war Anfang September zum Befehlshaber einer britischen Kreuzergruppe vor der brasilianischen Küste ernannt worden. In den Wochen bis zum Aufeinandertreffen der beiden Geschwader äußerte er gegenüber der Admiralität mehrfach seine Bedenken hinsichtlich der numerischen Unterlegenheit seiner Schiffe, stieß jedoch beim Ersten Lord der Admiralität (Marineminister) Winston Churchill auf taube Ohren. Am 21. Oktober verließ er mit seinen Schiffen Port Stanley und fuhr durch die Magellanstraße in den Pazifik. Ab dem 26. Oktober ankerte er in der Bucht von Vallenar im Chonos-Archipel. Die vorausfahrende Glasgow fing die Funksprüche der Leipzig auf. Cradocks Panzerkreuzer Good Hope und Monmouth brachen daraufhin am 30. Oktober von der Bucht von Vallenar aus auf, um die vermeintlich einzelne Leipzig zu stellen. Am 31. Oktober lief die Glasgow in Coronel ein. Dort wurde sie von Deutschen entdeckt, und die kurz zuvor ebenso wie die Yorck in Coronel eingetroffene Göttingen lichtete wieder den Anker und funkte um 02.50 Uhr am 1. November außerhalb der Dreimeilenzone: „Kreuzer Glasgow ankert auf Coronel Reede.“ Spees Geschwader marschierte daraufhin umgehend mit 14 Knoten nach Süden, um die Glasgow abzufangen.
Das Gefecht
Die Glasgow hatte Coronel jedoch inzwischen wieder verlassen und war erneut zu Cradocks Verband gestoßen. Dieser verzichtete auf die Unterstützung der nur mit maximal 12 Knoten fahrenden Canopus und marschierte mit seinen schnelleren Kreuzern allein weiter.
Bei den Deutschen fiel die Nürnberg, die einen Dampfer und einen Segler durchsucht hatte, um 25 sm zurück. Die Dresden lief etwa 10 sm hinter den Panzerkreuzern her, um den Kontakt nicht abreißen zu lassen.
Um 16:17 Uhr meldete der Ausguck der Scharnhorst: „Zwei Schiffe im Westen gesichtet!“. Das waren die Glasgow und die Otranto, bei denen sich noch die Monmouth befand. Spee ließ den Verband eine Kiellinie formieren und lief mit 22 Knoten nach Süden. Die britischen Schiffe wendeten und liefen Südwestkurs, um sich mit der von dort herankommenden Good Hope zu vereinigen. Cradocks Flaggschiff setzte sich an die Spitze des britischen Geschwaders und steuerte ebenfalls Südkurs, um in die Nähe der Canopus zu gelangen. Wegen der langsamen Otranto konnte Cradocks Verband lediglich 16 Knoten laufen. Ein Wind mit einer Stärke von 7 bis 8 aus südöstlicher Richtung erschwerte auf beiden Seiten den Einsatz der Kasemattengeschütze, da diese wegen ihrer geringen Höhe über der Wasserlinie oft von Spritzwasser oder hohen Wellen behindert wurden. Artilleristisch waren sich die Gegner nicht ebenbürtig. Es standen hier bei den schweren Geschützen auf britischer Seite zwei einzelne 23.4-cm-Geschütze auf der Good Hope gegen insgesamt zwölf 21-cm-Geschütze auf den beiden deutschen Panzerkreuzern. Die britische Monmouth verfügte über kein größeres Kaliber als 15 cm. Zudem verfügten die beiden deutschen Großen Kreuzer über eine gut ausgebildete, allerdings auch vor einem halben Jahr zur Hälfte ausgetauschte Besatzung und ein modernes Feuerleitsystem. Im Unterschied dazu standen bei dem britischen Verband alte Schiffe wie die Panzerkreuzer Good Hope und Monmouth, die beide erst nach Kriegsausbruch wieder reaktiviert worden waren, und die große Anzahl von schwierig zu benutzenden Kasemattgeschützen bei den Schiffen.[1][2]
Etwa zwei Stunden lang ließ Graf Spee seine Schiffe auf Parallelkurs hinter den Briten herlaufen, um den Sonnenuntergang im Westen abzuwarten – er bezweckte damit eine günstige artilleristische Stellung einzunehmen, bei der sich seine Schiffe vor dem dunklen östlichen Abendhimmel und der chilenischen Küste kaum noch abzeichneten während die Briten vor dem scharfen westlichen Abendrot deutlich zu erkennen waren.[3] Cradock versuchte kurz nach 18 Uhr vergeblich, die sich außer Schussweite haltenden Deutschen zu stellen, welche sich jedoch wegen der ungünstigen Situation – die deutschen Schiffe wären durch die untergehende Sonne bei einem Gefecht geblendet worden – diesem Versuch entzogen, und blieb dann weiter auf seinem südlichen Kurs.
Um 18:20 Uhr setzte die Dämmerung ein, wodurch sich die britischen Schiffe im Westen deutlich vom Abendhimmel abhoben, während die deutschen Kreuzer im Osten nahezu unsichtbar wurden. Cradock steuerte mit seinem Flaggschiff Good Hope ab 18:18 Uhr in südöstlicher Richtung. Spee wartete, bis die etwas zurückgebliebene Dresden herangekommen war.
Um 18:34 Uhr eröffneten die Deutschen auf 11 Kilometer das Feuer. Scharnhorst und Gneisenau feuerten auf die britischen Panzerkreuzer, Leipzig auf Glasgow und Dresden auf Otranto. Schon mit der dritten Salve erzielte die Scharnhorst auf der Good Hope einen Treffer, auch die Gneisenau lag bald bei der Monmouth im Ziel.[4] Innerhalb von fünf Minuten wurden der vordere Geschützturm der Monmouth und der Kommandostand der Good Hope zerstört. Die Briten beantworteten das deutsche Feuer zwar sofort, doch außer der für sie schlechten Sicht erwies sich auch die von Südosten anrollende schwere See als Behinderung für ihre 6"/152-mm-Kasemattgeschütze.
Schon gegen 18:50 Uhr scherte die Monmouth brennend aus der Schlachtlinie aus und versuchte zu entkommen. Die beiden deutschen Großen Kreuzer vereinigten ihr Feuer nun auf die Good Hope. Diese erhielt ähnlich viele Treffer wie die Monmouth und gab nur noch Einzelschüsse ab. Um 19:23 Uhr war eine heftige Explosion auf ihr zu beobachten, wenig später verschwand der auflodernde Feuerschein. Das britische Flaggschiff war gerade nach einer Explosion der Munitionskammern gesunken.
Die Leipzig traf die Glasgow je einmal am Heck und am Vorschiff, ein weiterer Treffer wurde ein Blindgänger. Der Hilfskreuzer Otranto ergriff nach der dritten Salve und einem Treffer der Dresden brennend die Flucht, so dass die Dresden Zielwechsel auf die Glasgow vornehmen konnte. Diese erhielt fünf Wasserlinientreffer, bis die nun herrschende Dunkelheit einen weiteren Beschuss verhinderte. Kurz nach 19:30 Uhr stellte die Glasgow das Feuer ein und verschwand.
Die beiden deutschen Spitzenschiffe hatten um 19:26 Uhr das Feuer eingestellt. Auf der Monmouth waren die Brände inzwischen erloschen. Sie drehte gegen 19:35 Uhr auf Westkurs und etwa eine Stunde später auf Nordkurs, um das Heck gegen die See zu legen. Glasgow und Otranto dagegen suchten nach der Canopus.
Die Leipzig hielt auf einen Feuerschein zu und fuhr dabei durch ein Trümmerfeld, bei dem es sich um die Überreste der Good Hope handelte. Inzwischen besserte der Mondschein die Sichtverhältnisse wieder. Um 20.05 Uhr sichtete die hinterherfahrende Nürnberg die Glasgow, die aber außer Sicht kam. Stattdessen traf sie auf die schwerbeschädigte Monmouth, und um 20:50 Uhr ließ Kapitän Karl von Schönberg das Feuer auf 1000 m Entfernung eröffnen. Die Entfernung sank auf 600 m, ein abgeschossener Torpedo traf dennoch nicht. Die Monmouth erwiderte das Feuer nicht, blieb aber beflaggt und drehte auf die Nürnberg zu. Die Nürnberg setzte sich mit hoher Fahrt hinter das Heck der Monmouth und beschoss das schief in der See liegende Wrack auf kürzeste Distanz mit 105 Granaten.[5] Um 20.15 Uhr meldete die Nürnberg dem Verbandschef die Versenkung per Funk. Dies erwies sich jedoch als voreilig; denn tatsächlich kenterte die Monmouth erst um 20.58 Uhr und sank.
Nach dem Gefecht
Um 21:50 Uhr ging Spee mit seinen Panzerkreuzern auf nördlichen Kurs und ließ um 22 Uhr die Kleinen Kreuzer eine Aufklärungslinie bilden. Ab 23 Uhr suchte das Geschwader entlang der chilenischen Küste nach den entkommenen britischen Schiffen. 1700 britische Seeleute waren gefallen, unter ihnen auch Admiral Cradock, während es auf deutscher Seite nur geringe Verluste und Gefechtsschäden gab. Die Scharnhorst hatte zwei, die Gneisenau vier Treffer[6] erhalten, die Kleinen Kreuzer blieben ohne Treffer. Die beiden Panzerkreuzer allein hatten 42 % ihrer 21-cm-Munition verschossen und keine Ersatzmöglichkeiten.[7]
Strategisches Ergebnis der Schlacht war, dass der östliche Pazifik und die Westküste Südamerikas zwischen Panama und Kap Hoorn in deutscher Hand waren. Es bestand die Gefahr, dass die Kaiserliche Marine in den Südatlantik durchbrechen und die englischen Handelsrouten stören würde.
Die Verantwortung für die erste Niederlage der Royal Navy nach der Schlacht bei Plattsburgh 1814 gegen die United States Navy wurde dem Ersten Seelord Prinz Ludwig Alexander von Battenberg zugeschoben. Churchill hatte ihn wegen seiner deutschen Wurzeln und wegen der fehlgeschlagenen Belagerung von Antwerpen (1914) durch die Royal Marines zur Unterstützung Belgiens bereits kurz zuvor zum Rücktritt gedrängt. Durch diese glückliche Fügung konnte sich Churchill seiner Mitverantwortung für das Fiasko entziehen und die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um das deutsche Geschwader doch noch zu vernichten.
Nach dem Gefecht entschloss sich Graf Spee aufgrund der schlechten Versorgungslage seiner Einheiten zum Durchbruch in den Atlantischen Ozean. Dort wurde das deutsche Geschwader am 8. Dezember 1914 durch britische Einheiten, inklusive zweier Schlachtkreuzer, im Seegefecht bei den Falklandinseln mit Ausnahme der SMS Dresden und der bereits Monate vor dem Gefecht entlassenen SMS Emden versenkt.
Bilder
- Maximilian Graf von Spee (1913)
- Das deutsche Flaggschiff SMS Scharnhorst
- SMS Gneisenau
- SMS Dresden
- SMS Leipzig
- SMS Nürnberg
- Sir Christopher Cradock
- Das britische Flaggschiff HMS Good Hope
- HMS Monmouth (Vorkriegsfoto)
- HMS Glasgow in Valparaiso vor der Schlacht
- Hilfskreuzer Otranto
Trivia
Einige Berge der Coast Mountains entlang der kanadischen Pazifikküste sind nach Namen aus dem Seegefecht bei Coronel benannt: Mount Good Hope, Mount Monmouth, Mount Cradock, Admiral Ridge, Canopus, Otranto und Glasgow Mountains, Mount Scharnhorst, Mount Leipzig und Mount Dresden.[8] Der letztere, 2656 m hohe Gipfel wurde im Jahre 2006 eigens zur 800-Jahr-Feier der Stadt wieder bestiegen.[9]
Literatur
- Geoffrey Bennet: Die Seeschlachten von Coronel und Falkland und der Untergang des deutschen Kreuzergeschwaders unter Admiral Graf Spee (= Heyne-Bücher. 5697). Übersetzt, mit Anmerkungen ergänzt und einem Nachwort versehen von Reinhard K. Lochner. Heyne, München 1980, ISBN 3-453-01141-4.
- François-Emmanuel Brézet: La bataille du cap Coronel et des Falklands. Croisière sans retour. L’escadre de croiseurs du vice-amiral Graf von Spee. Marines Éditions, Nantes 2002, ISBN 2-909675-87-4.
- Hans H. Hildebrand, Albert Röhr, Hans-Otto Steinmetz: Die deutschen Kriegsschiffe. Biographien. Ein Spiegel der Marinegeschichte von 1815 bis zur Gegenwart. 7 Bände (in 2 Bänden). Mundus, Ratingen 1985, ISBN 3-88385-028-4.
- Andreas Leipold: Die deutsche Seekriegsführung im Pazifik in den Jahren 1914 und 1915 (= Quellen und Forschungen zur Südsee. Reihe B: Forschungen. 4). Harrassowitz, Wiesbaden 2012, ISBN 978-3-447-06602-0.
- Robert K. Massie: Castles of Steel. Britain, Germany, and the Winning of the Great War at Sea. Jonathan Cape, London 2004, ISBN 0-224-04092-8.
- Michael McNally: Coronel and Falklands 1914. Duel in the South Atlantic (= Campaign. 248). Osprey Publishing, Oxford 2012, ISBN 978-1-84908-674-5.
- Maria Teresa Parker de Bassi: Kreuzer Dresden. Odyssee ohne Wiederkehr. Koehler, Herford 1993, ISBN 3-7822-0591-X.
- Elmar B. Potter, Chester W. Nimitz: Seemacht. Eine Seekriegsgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart. Bernard & Graefe, München 1974, ISBN 3-7637-5112-2.
- Erich Raeder: Der Kreuzerkrieg in den ausländischen Gewässern (= Der Krieg zur See 1914–1918.). 2 Bände. Mittler, Berlin 1922–1923.
- Gerhard Wiechmann (Hrsg.): Vom Auslandsdienst in Mexiko zur Seeschlacht von Coronel. Kapitän zur See Karl von Schönberg. Reisetagebuch 1913–1914 (= Kleine Schriftenreihe zur Militär- und Marinegeschichte. 9). Winkler, Bochum 2004, ISBN 3-89911-036-6.
Weblinks
Einzelnachweise
- welt.de vom 28. November 2014: Die große Weltkriegs-Niederlage der Royal Navy, abgerufen am 6. Juni 2016.
- bundesarchiv.de vom 2. Dezember 2014:Die Seeschlacht von Coronel 1914 (Memento vom 13. Mai 2016 im Internet Archive), abgerufen am 6. Juni 2014.
- Hermann von Fischel: Geschwindigkeit. Eine taktische Betrachtung. MDv (Marinedienstvorschrift) Nr. 352 Heft 5, Reichswehrministerium Berlin 1929, S. 36.
- Auszug aus einem Brief des Kapitänleutnants Busch (I. Artillerieoffizier S.M.S. Gneisenau) mit Schilderung des Feuerkampfs der Artillerie in der Seeschlacht von Coronel im Bundesarchiv, abgerufen am 29. August 2016. (Memento vom 8. März 2015 im Internet Archive)
- Bericht des Kommandanten der Nürnberg über die Versenkung des britischen Panzerkreuzers Monmouth (1. November 1914) im Bundesarchiv, abgerufen am 29. August 2016. (Memento vom 8. März 2015 im Internet Archive)
- Auszug aus einem Brief des Kapitänleutnants Busch (I. Artillerieoffizier S.M.S. Gneisenau) mit Angaben zu den Treffern und Verwundeten an Bord der Gneisenau in der Seeschlacht von Coronel im Bundesarchiv, abgerufen am 29. August 2016. (Memento vom 5. November 2016 im Internet Archive)
- Übersicht über den Munitionsverbrauch des Kreuzergeschwaders in der Seeschlacht von Coronel im Bundesarchiv, abgerufen am 29. August 2016. (Memento vom 5. März 2015 im Internet Archive)
- Good Hope Mountain. BC Geographical Names Office, abgerufen am 5. Mai 2021.
- Don Serl: Coast Mountains Roundup, 8. Dezember 2006, abgerufen am 15. September 2013.