Berlin-Tegel
Tegel ist ein Ortsteil im Berliner Bezirk Reinickendorf. Überregional bekannt ist der Ortsteil vor allem als Standort des ehemaligen Flughafens Berlin-Tegel und der Justizvollzugsanstalt Tegel. Tegel ist flächenmäßig nach Köpenick der zweitgrößte Ortsteil Berlins.
Bedeutende Bauten
Der Ortsteil ist aufgrund des Tegeler Sees und der dort befindlichen Greenwichpromenade (benannt nach Reinickendorfs Partnerbezirk in London: Greenwich) ein beliebtes Ausflugsziel im Berliner Norden. An der Greenwichpromenade unweit der Tegeler Hafenbrücke (Sechserbrücke) beginnen Schiffe ihre Rundfahrten durch die Berliner Gewässer. Darüber hinaus liegen in Tegel das Schloss Tegel (Humboldt-Schloss) mit dem dazugehörigen Schlosspark sowie die ehemaligen Borsigwerke, die in Teilen heute das Einkaufszentrum Hallen Am Borsigturm beherbergen. Anlässlich der Internationalen Bauausstellungen 1984 und 1987 wurde am ehemaligen Tegeler Industriehafen gegenüber der Wassermühle der neue Tegeler Hafen mit der Humboldt-Bibliothek und interessanten Wohnungsbauprojekten verschiedener internationaler Architekten geschaffen.
Die „Dicke Marie“ soll der älteste Baum Berlins und etwa 900 Jahre alt sein. Nicht weit entfernt steht im Tegeler Forst auch der höchste Baum Berlins.
Am Westufer des Tegeler Sees, der Halbinsel Reiherwerder, befinden sich mit der Villa Borsig auch das Gästehaus des Auswärtigen Amtes sowie angrenzend die Akademie Auswärtiger Dienst, die der Ausbildung deutscher und ausländischer Diplomaten dient.
Auf dem ursprünglichen Dorfanger, der unmittelbar oberhalb der Uferpromenade des Tegeler Sees liegt, steht die Dorfkirche Alt-Tegel. Die katholische St.-Bernhard-Kirche, in Tegel-Süd an der Bernauer Straße gelegen, wurde nach Plänen von Alfons Leitl erbaut und 1960 fertiggestellt. An der Wittestraße 37 befindet sich der einzige zivile russisch-orthodoxe Russische Friedhof mit der St.-Konstantin-und-Helena-Kirche.
In Tegel befindet sich mit der Alten Waldschänke die älteste Gaststätte Berlins (in seinen Grenzen von 1920).
Seen und Inseln im Ortsteil
Zentral in Tegel liegt der Tegeler See, dessen sieben Inseln sind (von Nord nach Süd):
Seine nördlichste Bucht hat den Namen Großer Malchsee. Westlich davon liegt die Halbinsel Reiherwerder. Östlich mündet das Tegeler Fließ. Dort wird der See durch den Tegeler Hafen erweitert, durch den zwei weitere Inseln, die Humboldtinsel und die Tegeler Insel, entstanden sind.
Im Süden des Sees befinden sich (im Uhrzeigersinn) die Ortslage Saatwinkel, die durch einen künstlichen Damm weitgehend abgetrennte südlichste Bucht Kleine Malche, die Wassergrenze zur Havel sowie auf der anderen Seeseite der Ortsteil Tegelort, der einzige Teil des Seeufers, der nicht zum Ortsteil Tegel gehört.
Ein weiterer See im Ortsteil ist der Flughafensee.
Geschichte
Tegel entstand als ein platzartiges Sackgassendorf, das am Tegeler See endet. Diese Lage würde es nahelegen, in Tegel ein ursprünglich slawisches Fischerdorf zu sehen. Es wurden aber bisher noch keine spätslawischen Siedlungsspuren gefunden. Da für Tegel schon früh vier Pfarrhufen nachgewiesen sind, liegt der Schluss nahe, dass Tegel bald nach Beendigung des Brandenburger Zehntstreits 1237 gegründet wurde, denn der Markgraf hatte sich verpflichtet, alle Dörfer mit vier abgabefreien Hufen zugunsten der örtlichen Kirche und ihres Pfarrers auszustatten. Tegel wird 1322 erstmals urkundlich erwähnt als Kirchdorf Tygel. Offenbar muss Tegel einen bemerkenswerten Ziegelbau besessen haben. Eine andere Erklärung sieht im Ortsnamen Tegel ein slawisches Wurzelwort, das „Anhängsel“ bedeutet. Dies würde sich auf den Tegeler See beziehen, der ein Ausläufer der Havel ist.
Im Jahr 1361 wird eine (Wasser-)Mühle (molendium) in Tegel erwähnt. Das Landbuch Karls IV. (1375) weist für Tegel 32 Hufe aus, davon vier Pfarrhufe. Im Dorf gibt es sechs Kossäten. Neben der erwähnten Mühle gibt es auch einen Krug (taberna). Das ganze Dorf gehörte seit 1361 den Nonnen von Spandau, die es vom Cöllner Bürger Johann Wolf gekauft hatten, unbeschadet der Abgabenrechte des Markgrafen. Von 1558 bis 1872 gehörte das Dorf dem Amt Spandau. Spätestens 1590 ist in Tegel ein Schulzengut mit vier Freihufen nachzuweisen. Darauf entstand 1737 das Schlösschen Tegel.
„Tegel, Kirchdorf, 1 1⁄2 M. nordwestlich von Berlin, am Tegelschen See, im Niederbarnimschen Kreis, 25 Häuser und 164 Einw. Die Familie von Humboldt hat bei Tegel ein sehenswertes Schloß, mit einem großen herrlichen Park.“
Seit 1893 besitzt Tegel einen Bahnhof, den heutigen S-Bahnhof Tegel an der Kremmener Bahn. In der Zeit West-Berlins, als der Bezirk Reinickendorf zum französischen Sektor gehörte, wurde südwestlich vom S-Bahnhof der sogenannte Franzosenbahnhof eingerichtet. Er war Ziel bzw. Ausgangspunkt aller französischen Truppentransporte per Bahn.
Am Tegeler Fließ wurde 1895 durch Gustav Lilienthal die gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft Freie Scholle gegründet.
Im Jahr 1920 sollte der später nach „Alt-Reinickendorf“ benannte nördlichste Berliner Bezirk zunächst den Namen des damals größten Dorfes im Norden Berlins „Bezirk Tegel“ erhalten. Die Entscheidung fiel jedoch zugunsten von „Bezirk Reinickendorf“.
Um die Wende zum 20. Jahrhundert erfuhr Tegel als Erholungsgebiet der Stadt Berlin einen enormen Aufschwung – unter anderem erfolgten Schiffsausflüge von hier, wozu der Hafen angelegt bzw. ausgebaut wurde und die Tegeler Hafenbrücke gebaut wurde.
Zwischen 1930 und 1934 führte der Verein für Raumschiffahrt auf dem Areal des einstigen Schießplatzes Tegel diverse Versuche mit Flüssigkeitsraketen durch. Trotz zahlreicher Explosionen gelangen Aufstiege in Höhen von bis zu drei Kilometern. Zahlreiche bekannte deutsche Raketenforscher, wie Wernher von Braun, waren Mitglieder des Vereins.
Tegel war von 1933 bis 1948 Standort des Senders Tegel. Als Antenne wurde ein in einem 165 Meter hohen Holzturm aufgehängter Draht verwendet. Der Turm, der 1940 aus statischen Gründen auf eine Höhe von 86 Metern zurückgebaut wurde, wurde im Zuge des Baus des Flughafens Tegel am 16. Dezember 1948 gesprengt.
Die Verlängerung der heutigen U-Bahn-Linie U6 vom Betriebsbahnhof Seestraße nach Tegel (heute: U-Bahnhof Alt-Tegel) war in den 1950er Jahren das erste Neubauprojekt des Berliner U-Bahn-Netzes nach dem Zweiten Weltkrieg. Die feierliche Einweihung der teilweise als Dammbahn geführten Trasse fand Anfang Juni 1958 im Beisein des Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt statt. Einhergehend wurden die ab 1881 durch den Ortsteil geführten Straßenbahnlinien eingestellt, darunter auch die 1913 eröffneten Linien nach Heiligensee und Tegelort. Auch der in der Schloßstraße gelegene Straßenbahnhof wurde geschlossen.
Auf dem Gelände des früheren Gaswerks Tegel entstanden in drei Bauabschnitten (um 1960, um 1970 und um 1990) Mehrfamilienhäuser. Dabei wurden in der Nähe des früheren Gaswerk-Hafens mehrere Hochhäuser errichtet, die den Bewohnern der oberen Stockwerke einen ungehinderten Blick auf den See, den Wald und den Ort Tegel gestatten. Diese Häuser bilden zusammen mit der Siedlung „Waldidyll“ die Ortslage Tegel-Süd.
Nördlich des damaligen Flughafens wurde bis 1978 Kies gewonnen. Hierdurch entstand der Flughafensee, dessen größter Teil zusammen mit angrenzenden Waldstücken ein Vogelreservat bildet. An der nördlichsten Stelle des Sees liegt eine Badestelle.
Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung von 1984 bis 1988 entstanden am Tegeler Hafen, um die Greenwichpromenade, imposante Wohnzeilen und Wohnschlangen mit insgesamt 350 Wohnungen, wobei zwischenzeitlich auch ein Terminal für Flusskreuzfahrten angelegt wurde. Im Jahr 2009 begannen die Bauarbeiten für die Bebauung der Insel Tegel. Der russische Investor, der das Eiland von einer Berliner Projektentwicklungsgesellschaft erworben hatte, musste allerdings im Rahmen der Finanzkrise Insolvenz anmelden.
Im Jahr 1999 wurde das Einkaufszentrum Hallen Am Borsigturm eröffnet, gebaut von der Herlitz Falkenhöh AG. Der Neubau bezieht alte denkmalgeschützte Gebäude der Borsigwerke mit ein.
Verkehr
Schienennetz
Tegel liegt an der Bahnstrecke Berlin-Schönholz–Kremmen und ist mit dem Bahnhof Berlin-Tegel daran angeschlossen. Alle 20 Minuten fährt die Linie S25 der Berliner S-Bahn ins Zentrum Berlins, sowie nach Hennigsdorf. Eine Anbindung des Regionalverkehrs durch die Linie RE6, die von Hennigsdorf parallel zur bestehenden S-Bahn-Trasse bis Gesundbrunnen verlaufen soll, wird im Zuge des Projektes i2030 untersucht. In dem Zusammenhang soll auch ein 10-Minuten-Takt der S25 bis Tegel eingerichtet werden, wodurch die Bahnstrecke mindestens zweigleisig ausgebaut werden muss.[2]
Öffentlicher Personennahverkehr
Durch Tegel verläuft die Linie U6 der Berliner U-Bahn, die im Ortsteil drei Stationen hat. Der Bahnhof Alt-Tegel bietet eine Umsteigemöglichkeit zur S-Bahn.
Da es keine Straßenbahnen in Tegel gibt, spielt der Busverkehr eine übergeordnete Rolle. Neben normalen Linien und einer Expresslinie verkehren auch Nachts zahlreiche Linien, die den Ortsteil gut vernetzen.
Es gibt Überlegungen das ehemalige Flughafen-Areal mittels einer Straßenbahn (von Jungfernheide/Virchow-Klinikum bzw. Rosenthal Nord) zu erschließen und auf dem Gelände einen Betriebshof anzulegen.
Individualverkehr
Tegel wird von der Bundesautobahn 111 mit mehreren Anschlussstellen durchzogen. Zwei Anschlussstellen liegen direkt im Ort, vier weitere in unmittelbarer Umgebung. Alle fünf Tunnelanlagen der Autobahn liegen in Tegel. Parallel zur Autobahn verläuft der Straßenzug Seidelstraße – Berliner Straße – Karolinenstraße als wichtige Nord-Süd-Verbindung und der Straßenzug Bernauer Straße – Holzhauser Straße als wichtige Ost-West-Verbindung.
Schiffsverkehr
An der Greenwichpromenade wurde Mitte der 2000er Jahre neben den Dampferanlegestellen auch ein Kreuzfahrtanleger eröffnet. Hier legen allerdings keine großen Kreuzfahrtschiffe in alle Welt ab, wie es die Schilder Kreuzfahrtterminal suggerieren, sondern kleinere Flusskreuzfahrtschiffe unter anderem nach Stralsund und Prag.[3] Hauptnutzer der Dampferanlegestelle in Tegel ist bereits seit Jahrzehnten die Stern und Kreisschiffahrt. Auch die kleine in Tegel ansässige Reederei Bethke legt hier zu Rundfahrten ab.
Ehemaliger Flughafen Tegel
Im Süden der Ortschaft, abgetrennt von den bewohnten Siedlungen und nur über Charlottenburg Nord erreichbar, liegt das Gebiet des früheren Flughafens Tegel, der über vier Buslinien sowie die A 111 erschlossen wurde. Im Zuge der Eröffnung des Flughafens Berlin Brandenburg wurde am 8. November 2020 der Flughafen Tegel geschlossen. Damit wurde die ursprünglich geplante Verlängerung der U-Bahn-Linie U5 zum Anschluss des Flughafens Tegel nicht mehr verwirklicht.
Persönlichkeiten
Söhne und Töchter von Tegel
- Johann Christoph von Goetze (1637–1703), preußischer Generalleutnant
- Bruno Hanuschke (1892–1922), Flugpionier
- Konrad Gericke (1904–1980), Schauspieler und Intendant
- Hans Tielecke (1909–1979), Biologe
- Fil (* 1966), Comiczeichner und Entertainer
Mit Tegel verbundene Persönlichkeiten
- Marie-Elisabeth von Humboldt (1741–1796), Mutter von Wilhelm und Alexander von Humboldt, lebte in Tegel
- Wilhelm von Humboldt (1767–1835), Gelehrter und Bildungsreformer, Schlossherr in Tegel
- Alexander von Humboldt (1769–1859), Forschungsreisender, lebte in Tegel
- Martin Stritte (1877–1963), Gemeindevorsteher in Tegel
- Franz Neumann (1904–1974), Politiker (SPD), lebte in Tegel
- Carsten Lekutat (* 1971), Arzt in Tegel
Klimatabelle
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Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Berlin-Tegel
Quelle: wetterkontor.de |
Siehe auch
Literatur
- Meinhard Schröder: Tegel. Zwischen Idylle und Metropole, be.bra verlag, Berlin 2015, ISBN 978-3-8148-0213-8.
- August Wietholz: Geschichte des Dorfes und Schlosses Tegel. Knüppel, Berlin 1998, ISBN 3-927611-07-7 (Faksimile der Ausgabe von 1922).
Einzelnachweise
- J.G.A. Ludwig Helling (Herausg.): Geschichtlich-statistisch-topographisches Taschenbuch von Berlin und seinen naechsten Umgebungen. H.A.W. Logier, Berlin 1830. Online bei google.com/books, abgerufen 24. Mai 2013
- Prignitz-Express / Velten. In: i2030. 6. Februar 2020, abgerufen am 10. Oktober 2020 (deutsch): „Der zweigleisige Ausbau zwischen Schönholz-Tegel mit einem Zusatzhalts Borsigwalde wird angestrebt. Die S-Bahn soll dann im 10-Minuten-Takt fahren.“
- Berliner Morgenpost - Berlin: Vom Tegeler Hafen nach Prag oder nach Breslau schippern. 26. Oktober 2017, abgerufen am 31. Dezember 2020 (deutsch).