Deutsches Jugendherbergswerk
Das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) ist ein gemeinnütziger eingetragener Verein. Über seine Landesverbände ist er Träger von 438 Jugendherbergen in Deutschland (Stand 2021) und damit größtes Mitglied des internationalen Jugendherbergsverbandes Hostelling International (HI).[1] Der Hauptverband mit Sitz in Detmold gliedert sich in 14 Landesverbände und 178 ehrenamtlich tätige Orts- und Kreisverbände. Er hat mehr als 2,38 Millionen Mitglieder.[2]
Deutsches Jugendherbergswerk – Hauptverband für Jugendwandern und Jugendherbergen e. V. | |
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Rechtsform | eingetragener Verein |
Gründung | 1909 |
Gründer | Richard Schirrmann, Wilhelm Münker und Julius Schult |
Sitz | Detmold |
Motto | Gemeinschaft erleben |
Schwerpunkt | Dachverband für Jugendherbergen |
Aktionsraum | national |
Mitglieder | 2,38 Millionen (2021) |
Website | www.jugendherberge.de |
Eine Mitgliedschaft beim Deutschen Jugendherbergswerk ist die Voraussetzung für eine Übernachtung in einer Jugendherberge in Deutschland. Im Ausland können DJH-Mitglieder in zu Hostelling International zusammengeschlossenen Jugendherbergen übernachten oder bekommen dort Preisnachlässe. Die DJH-Mitgliedschaft wird mit dem jeweils für den Wohnsitz zuständigen Landesverband abgeschlossen. Darüber hinaus können Körperschaften (beispielsweise Vereine oder Schulen) eine körperschaftliche Mitgliedschaft beantragen.[3]
Nach der Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk, dem Deutschen Roten Kreuz, dem Weißen Ring und den Johannitern belegt das DJH in der Studie GemeinwohlAtlas 2019 den 6. Platz von insgesamt 137 abgebildeten Organisationen. In der ersten Studie von 2015 rangierte das DJH auf Platz 8.[4]
Das Deutsche Jugendherbergswerk ist Mitglied im Netzwerk Europäische Bewegung.
Geschichte
Bereits 1903 war Richard Schirrmann dem Sauerländischen Gebirgsverein (SGV) beigetreten und übernahm 1907 die Leitung einer Schüler- und Studentenherberge in Altena. Nachdem er 1909 Kontakt zu einer Wandervogel-Gruppe hatte, die von Burkhart Schomburg geleitet wurde, gründete er in Altena eine eigene Wandervogelschar. Die Idee, Jugendherbergen einzurichten, reifte im gleichen Jahr.[5] Schirrmann selbst datierte die Geburt der Jugendherbergsidee auf den 26. August 1909. Damals war er mit seinen Schülern auf einer achttägigen Wanderung von Altena nach Aachen und kam mit ihnen bei Bröl im Rhein-Sieg-Kreis in ein Unwetter. Sie suchten eine Unterkunft bei einem Bauern in dessen Scheune. Als er dort abgewiesen wurde, wandte er sich an die gegenüberliegende Dorfschule, die wegen der Ferien gerade leer stand. Die Frau des Schulleiters gewährte der Gruppe Unterkunft; vom Bauern kam immerhin das Haferstroh. Diese Erfahrung brachte Schirrmann auf den Gedanken, dass Unterbringungen ähnlicher Art jedem Reisenden zur Verfügung gestellt werden sollten (in Erinnerung an die „geistige Geburt“ der Jugendherbergsidee wurde die noch heute als solche existierende Einrichtung Richard-Schirrmann-Schule genannt). Ein Jahr später schrieb Schirrmann einen Aufsatz über Volksschülerherbergen und rief zu Spenden auf. Von dem Erlös wurden in drei Schulen Ferienherbergen eingerichtet.[6]
Richard Schirrmann sowie die Mitbegründer Wilhelm Münker und Julius Schult waren hochrangige SGV-Vereinsfunktionäre, die das Jugendherbergswesen zunächst für ihre vereinsinterne Jugendarbeit ins Leben riefen. Die erste (Ferien-)Jugendherberge wurde 1912 in Altena eröffnet. Der Sauerländische Gebirgsverein gründete in dem Jahr einen „Ausschuß für Jugendherbergen“ mit Schirrmann als Vorsitzendem, Münker als Geschäftsführer und Schult als drittem Vorstandsmitglied. Schirrmann bezog 1912 mit seiner Familie eine Wohnung auf Burg Altena. Zusätzlich zu seinem Beruf als Lehrer wurde er Herbergsvater.[5] Die erste ständige Jugendherberge eröffnete 1914 in der Burg Altena.
Das Deutsche Jugendherbergswerk war zu seiner Gründungszeit personell und logistisch eng mit dem Sauerländischen Gebirgsverein (SGV) verknüpft. Die Verwaltung des Deutschen Jugendherbergswerks hatte ihren Sitz in der Anfangszeit daher auch in der Hauptgeschäftsstelle des SGV in Arnsberg.
1919 wurde der „Zentrale Hauptausschuß für Jugendherbergen“ ins Leben gerufen. 1932 gab es in Deutschland 2.123 Jugendherbergen mit mehr als 4,5 Millionen Übernachtungen. Die International Youth Hostel Federation wurde in diesem Jahr gegründet.
Richard Schirrmann wird als völkischer Nationalist charakterisiert.[7] Er wollte das Wandern der deutschen Jugend fördern, dies sollte zu mehr Heimat- und Vaterlandsliebe führen und körperliche und mentale Voraussetzungen schaffen, die deutsche Nation in einem Krieg zu verteidigen. Daneben flossen in das Konzept Ideen der Lebensreform, der Reformpädagogik und der Jugendbewegung ein. Aufgrund ihrer Orientierung profitierte die Bewegung von der Förderung durch Staat und Gesellschaft und konnte noch während des Ersten Weltkriegs die Grundlagen für den das ganze Reichsgebiet umfassenden Verband legen.[7]
Am 12. März 1933 unterzeichnete Schirmmann als Vorsitzender des Reichsverbandes für deutsche Jugendherbergen das Kösener Abkommen zur Zusammenarbeit von Jugendherbergsverband und Reichsjugendführung der NSDAP, das zur Integration des Verbandes in die Hitler-Jugend führte.[8] Durch dieses Abkommen und weitere Maßnahmen der Selbstgleichschaltung wie dem Entfernen der seit 1919 aufgenommenen sozialdemokratischen (und wenigen jüdischen) Funktionäre aus ihren Ämtern demonstrierten die Funktionäre ihre Kooperationsbereitschaft.[7]
Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete sich der Hauptverband 1949 auf der Burg Altena neu. 1990 traten ihm auch die Landesverbände der Neuen Bundesländer bei.
Zum 100-Jahr-Jubiläum 2009 erschienen eine 55-Ct-Sondermarke der Deutschen Post und eine Gedenkmünze im Wert von 10 Euro mit der Randschrift „BEGEGNUNG GEMEINSCHAFT TOLERANZ“.
Zum 111. Geburtstag der Jugendherbergen veröffentlichte die Ideale Band presented by Jonny vom Dahl den Song „Anders als du denkst“ auf Youtube. Mit dem Lied will sicher der Verband vor allem bei seinen rund 2,4 Millionen Mitgliedern für ihre Unterstützung bedanken.[9]
Das deutsche Jugendherbergswerk erhält jährliche Zuschüsse von Bund und Ländern in Höhe von 3 Millionen Euro; 2014 wurde der EU-Kommission eine Beschwerde des Hostel-Betreibers A&O Hotels and Hostels[10] gegen diese Subvention vorgelegt.[11] Im Oktober 2015 hatte die EU-Kommission bereits festgestellt, dass die Umsatzsteuer-Befreiung zulässig ist.[10] Hinsichtlich der Beihilfen hat die EU-Kommission Mitte 2017 das Verfahren eingestellt.[12]
Als Folge der im Zuge der Coronavirus-Pandemie beschlossenen Reisebeschränkungen und Beherbergungsverbote, mussten im Frühjahr 2020 alle DJH-Jugendherbergen ihren Betrieb einstellen. Ausgenommen waren lediglich die Häuser, die Gäste aus zwingend notwendigen Zwecken aufnehmen konnten oder für temporäre Sondernutzungen (Obdachlosenunterkunft, Fieberambulanz, Frauenhaus u. a.) umfunktioniert wurden. Trotz der zwischenzeitlich wieder erfolgten Öffnung von etwa zwei Drittel der Jugendherbergen (allerdings aufgrund entsprechender Beschlüsse mit verringerten Kapazitäten), verzeichnete das DJH im Jahr 2020 einen Rückgang der Übernachtungen von rund 63 Prozent. Stärkste Gästegruppen in der möglichen Reisezeit 2020 waren Familien (viele von ihnen haben zum ersten Mal die Jugendherbergen als Urlaubsorte entdeckt)[13] sowie Klassenfahrten und Kinderfreizeiten (dort, wo diese nach Beschlusslage erlaubt waren). Insgesamt verringerte sich die Gesamtanzahl der DJH-Häuser 2020 (438) im Vergleich zum Vorjahr (441) nur um insgesamt drei Jugendherbergen.
Landesverbände
Das Deutsche Jugendherbergswerk ist in 14 eigenständige Landesverbände aufgegliedert. Jeder Landesverband ist dabei rechtlich und organisatorisch selbstständig und ein unabhängiges Mitglied im DJH. Die Landesverbände sind:
- Landesverband Baden-Württemberg e. V.
- Landesverband Bayern e. V.
- Landesverband Berlin-Brandenburg e. V.
- Landesverband Hannover e. V.
- Landesverband Hessen e. V.
- Landesverband Mecklenburg-Vorpommern e. V.
- Landesverband Nordmark e. V. (Hamburg, Schleswig-Holstein und Nord-Niedersachsen)
- Landesverband Rheinland e. V.
- Landesverband Rheinland-Pfalz/Saarland e. V.
- Landesverband Sachsen e. V.
- Landesverband Sachsen-Anhalt e. V.
- Landesverband Thüringen e. V.
- Landesverband Unterweser-Ems e. V.
- Landesverband Westfalen-Lippe gGmbH
Den Landesverbänden sind 178 ehrenamtlich tätige Orts- und Kreisverbände und 442 Jugendherbergen untergeordnet.
Literatur
- Eva Kraus: Das Deutsche Jugendherbergswerk 1909–1933. Programm – Personen – Gleichschaltung. Pro Business, Berlin 2013, ISBN 978-3-86386-488-0 (Hier verwendete Fassung ist Online verfügbar bei der Universität Paderborn [PDF; abgerufen am 24. Mai 2013]).
- Jürgen Reulecke, Barbara Stambolis: 100 Jahre Jugendherbergen 1909–2009. Anfänge – Wandlungen – Rück- und Ausblicke. Klartext Verlag, Essen 2009, ISBN 978-3-89861-990-5.
Weblinks
Einzelnachweise
- DJH Jahresbericht
- DJH Verbandsstruktur
- Rahmenbedingungen der DJH Mitgliedschaft
- Gemeinwohlatlas 2019
- Kraus, S. 22
- Kraus, S. 32
- Kraus, 239ff.
- Kraus, S. 9
- DJH-Jubiläums-Song „Anders als du denkst“ auf YouTube
- Staatliche Beihilfe SA.33206 (2015/NN) – Deutschland. (PDF) Mutmaßliche rechtswidrige staatliche Beihilfe zugunsten des Deutschen Jugendherbergswerks – steuerliche Maßnahmen. Europäische Kommission, 26. Oktober 2015, abgerufen am 27. November 2017 (Schreiben an das Auswärtige Amt).
- Hostels vs. Herbergen. In: spiegel.de. 20. Oktober 2014, abgerufen am 27. November 2017.
- Förderung von Jugendherbergen mit EU-Recht vereinbar. (Nicht mehr online verfügbar.) Deutsches Jugendherbergswerk, 6. Juli 2017, ehemals im Original; abgerufen am 27. November 2017 (Pressemitteilung). (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Familien- und Ferienfreizeiten in Jugendherbergen Mit rund 42 Prozent der Gesamtübernachtungen stellten die Familien 2020 fast die Hälfte der Gäste in Jugendherbergen.