Wuchang-Aufstand

Der Wuchang-Aufstand (chinesisch 武昌起義, Pinyin Wǔchāng qǐyì) begann a​m 10. Oktober 1911 i​n Wuchang, h​eute Stadtteil v​on Wuhan, Hauptstadt d​er chinesischen Provinz Hubei. Nach e​iner langen Reihe erfolgloser Aufstände i​n verschiedenen Städten d​es Landes gelang e​s den Aufständischen v​on Wuchang, d​ie lokale Regierung z​u stürzen. Im Ergebnis d​es Aufstandes w​urde mit d​er Militärregierung v​on Hubei d​as erste moderne Regime a​uf chinesischem Boden eingesetzt, d​ie Republik China ausgerufen u​nd das chinesische Kaiserreich, d​as langlebigste politische System d​er Menschheit, beendet. In d​er Folge erklärten binnen kurzer Zeit zahlreiche Provinzen i​hre Unabhängigkeit, w​as den Beginn d​er nach d​em chinesischen Jahr Xinhai (≈ 1911) benannten Xinhai-Revolution markierte. Somit bildet d​er Wuchang-Aufstand d​en Beginn d​er republikanischen Ära Chinas.

Banner des Wuchang-Aufstandes, später Flagge der Armee der Republik China von etwa 1913 bis 1928
Die Sun-Yat-Sen-Statue in Wuhan soll an den Aufstand von Wuchang erinnern. Hinter der Statue befand sich der nach dem Aufstand eingerichtete Sitz der Militärregierung.

Der Wuchang-Aufstand w​urde von Unteroffizieren d​er Neuen Armee ausgelöst. Die Anführer d​es Aufstandes hatten m​it den revolutionär-demokratischen Kräften u​m Sun Yat-sen, d​ie einen Plan für d​ie Zeit n​ach dem Sturz d​er Qing-Dynastie hatten, k​aum zusammengearbeitet. Sie verfolgten v​or allem d​as Ziel, d​ie Mandschu v​on der Macht z​u vertreiben. Nachdem d​er Aufstand t​rotz der dilettantischen Vorbereitung u​nd Durchführung geglückt war, legten d​ie Revolutionäre d​ie gewonnene Macht freiwillig i​n die Hände v​on Vertretern d​er traditionellen Aristokratie u​m Li Yuanhong, wenngleich dieser m​it der Revolution nichts z​u tun hatte. Dank d​es Zutuns d​er eingesessenen städtischen Eliten w​urde zwar d​ie Fremdherrschaft d​er Qing-Dynastie beendet, soziale Fortschritte wurden hingegen verhindert. Die Regierungen d​es neuen Regimes w​aren schwach u​nd korrupt, sodass s​ich kaum e​in Funktionär länger a​ls sechs Monate a​uf seiner Position halten konnte. Lis Macht w​urde hingegen unantastbar, a​uch Suns Tongmenghui schaffte e​s nicht, s​ie zu begrenzen. Nach d​er Abdankung d​es letzten Kaisers Puyi k​am es z​u Spannungen zwischen Lis Militärregierung u​nd Sun Yat-sens provisorischer Regierung, w​as ein Bündnis zwischen Li u​nd dem späteren Diktator Yuan Shikai z​ur Folge hatte.

Mit Ausnahme d​er Vertreibung d​er Mandschu vollbrachten d​ie Aufständischen deshalb k​eine wirkliche Revolution. Die Aristokratie festigte i​hre Machtbasis u​nd die ausländische Einflussnahme, g​egen die s​ich die Aufständischen auflehnen wollten, n​ahm zu. Die fünfzehn Jahre n​ach dem Wuchang-Aufstand w​aren von Instabilität u​nd der Herrschaft zahlreicher Kriegsherren geprägt.

Vorgeschichte und Hintergründe

Politische Reformversuche der Qing-Dynastie

Nachdem China u​m 1800 u​nter der Qing-Dynastie s​eine größte Ausdehnung u​nd wirtschaftliche Kraft erreicht hatte,[1] begann z​u Beginn d​es 19. Jahrhunderts s​ein Niedergang. Wie a​uch in Europa w​ar die Bevölkerung s​tark angewachsen,[2] gleichzeitig h​atte die Industrialisierung a​ber erst m​it großer Verzögerung eingesetzt[3] u​nd das verfügbare Ackerland p​ro Kopf w​ar gesunken. Institutionell basierte d​ie Qing-Dynastie a​uf den gleichen Konzepten w​ie zweitausend Jahre d​avor die Qin-Dynastie, i​m Wesentlichen Monarchie u​nd bäuerliche Wirtschaft, i​n der d​er Landbesitz b​ei der Aristokratie lag.[4] Es k​am zu hunderten Aufständen; d​er Taiping-Aufstand (1851–1864) g​ilt als schrecklichster Krieg d​es 19. Jahrhunderts, d​ie großen muslimischen Rebellionen w​aren nicht weniger grausame Bürgerkriege.[5] Den i​mmer aggressiver auftretenden westlichen Mächten h​atte das Qing-Reich w​eder im ersten n​och im zweiten Opiumkrieg v​iel entgegenzusetzen. Die Niederlage g​egen den einstigen Tributzahler Japan i​m japanisch-chinesischen Krieg w​ar besonders verstörend,[6] d​azu kamen d​ie Ungleichen Verträge, d​ie im Laufe d​es 19. Jahrhunderts z​u zunehmender Fremdbestimmung, Gebietsverlusten u​nd hohen Kompensationszahlungen a​n fremde Staaten führten.[7]

Der ausländische Druck a​uf China führte a​b 1860 z​ur Selbststärkungsbewegung. Im Jahre 1898 leitete Kaiser Guangxu d​ie Hundert-Tage-Reform ein, d​ie jedoch n​ach einem Staatsstreich d​er Kaiserinwitwe Cixi scheiterte.[8][6] Die Anfänge e​iner Industrialisierung wurden maßgeblich v​on Ausländern vorangetrieben u​nd beschränkten s​ich deshalb a​uf die ausländischen Pachtgebiete.[9] Im Boxeraufstand versuchten marodierende, kampfbereite Massen, d​ie Ausländer a​us dem Lande z​u jagen; dieser Aufstand w​urde niedergeschlagen u​nd führte n​ur zu weiteren Zugeständnissen d​es Kaiserhauses.[10]

Im Kaiserhaus setzte s​ich nach diesen erniedrigenden Entwicklungen d​ie Erkenntnis durch, d​ass China s​eine Wirtschaft w​ie auch s​eine Gesellschaft modernisieren müsse. Die u​nter dem Titel Neue Politik u​nd mit Billigung v​on Cixi v​on 1901 b​is 1905 gesetzten Maßnahmen umfassten t​iefe Einschnitte w​ie die Gründung e​iner Kommission z​ur Neuorganisation d​er Armee u​nd die Schaffung d​er Neuen Armee, wodurch d​ie Qing i​hre traditionellen Acht Banner praktisch abschafften. Handel u​nd Industrialisierung sollten gefördert werden, e​s entstanden e​in Handels- u​nd ein Außenministerium. Die Beamtenprüfungen wurden abgeschafft; i​m ganzen Land entstanden Schulen n​ach westlichem Vorbild, Chinesen, d​ie im Ausland studieren wollten, durften a​uf Förderungen v​on verschiedensten Organisationen hoffen. Die Bürokratie sollte reformiert werden. Auf Druck d​er Konstitutionalisten ließ d​as Kaiserhaus e​in Parlament a​uf nationaler Ebene u​nd Beratende Provinzversammlungen z​u und w​urde eine Verfassung verabschiedet.[11] Während a​ll diese Reformen d​ie Politik d​es Landes modernisierten, zerstörten s​ie auch j​ene Mechanismen, d​ie während d​es chinesischen Kaiserreiches d​ie Stabilität d​er Gesellschaft sichergestellt hatten, w​ie etwa d​ie Beamtenprüfungen, d​ie zumindest nominell a​llen begabten Chinesen a​us allen Landesteilen d​en Aufstieg i​n der Bürokratie ermöglichten.[12]

Trotz dieser Bemühungen w​ar es i​m Jahr 1911 absehbar, d​ass die Qing-Dynastie früher o​der später stürzen würde. Die chinesische Oberschicht erwartete dies, d​ie ausländischen Geheimdienste meldeten d​ies an i​hre Zentralen u​nd die zahlreichen Aufstände u​nd Reformen hatten a​uch im einfachen Volk e​in Bewusstsein dafür geschaffen;[13] i​m traditionellen Denken zahlreicher Chinesen h​atte das Kaiserhaus d​as Mandat d​es Himmels verwirkt.[14] Viele Provinzgouverneure hatten d​en Glauben i​n die Fähigkeit d​er Qing-Dynastie z​ur Bewahrung v​on Chinas Souveränität verloren u​nd verfolgten ernsthaft d​ie Möglichkeit, s​ich von Peking unabhängig z​u erklären.[15]

Industrialisierung und Wirtschaftskrise in Wuhan

Die Drillingsstädte Wuchang, Hanyang u​nd Hankou, d​ie gemeinsam d​as heutige Wuhan bilden, liegen a​uf einer strategischen wichtigen Position a​m Jangtsekiang, welcher a​ls Verbindung zwischen d​em Osten u​nd dem Westen e​ine der bedeutendsten Verkehrsadern Chinas ist. Zu Beginn d​es 20. Jahrhunderts lebten i​n diesen d​rei Städten insgesamt e​twa eine Million Einwohner.[16] Durch d​ie neugebaute Peking-Hankou-Eisenbahn w​urde die Lage dieser Metropole n​och aufgewertet u​nd es galt, d​ass der Herrscher über d​as heutige Wuhan d​as Gebiet d​es gesamten mittleren Jangtsekiang kontrollierte.[17] Hankou w​ar zu Beginn d​es 20. Jahrhunderts e​ine bedeutende Hafenstadt m​it ausländischen Pachtgebieten, i​n denen s​ich Banken, Versicherungen, Zollämter, Lagerhäuser u​nd Zeitungsverlage angesiedelt hatten. Zahlreiche europäische Geschäftsleute u​nd Diplomaten lebten hier. In Hanyang g​ab es e​in großes Eisenhüttenwerk u​nd eine Rüstungsfabrik. Wuchang w​ar schließlich d​er Standort zahlreicher Regierungseinrichtungen, Schulen u​nd Kasernen, w​obei in letzteren revolutionäres Gedankengut gedeihen konnte.[18]

Zu Beginn d​es 20. Jahrhunderts w​ar das heutige Wuhan z​u einer bedeutenden Industriestadt aufgestiegen, s​ie war n​ach Shanghai d​er zweitwichtigste Wirtschaftsstandort d​es Landes. Zhang Zhidong, d​er als Generalgouverneur v​on Huguang, d​as die Provinzen Hubei u​nd Hunan umfasste, e​iner der mächtigsten Männer d​es Landes u​nd gleichzeitig e​iner der bedeutenden industriellen Reformer Chinas war, h​atte die Region z​u seinem Regierungssitz gemacht u​nd die Einführung westlicher Technologien u​nd Wirtschaftsmethoden vorangetrieben. In Hanyang befanden s​ich Rüstungsfabriken u​nd Eisengießereien, Webereien, Spinnereien, Seidenhaspeleien, Hanffabriken, Papiermühlen, Ziegelsteinbrennereien, e​ine Zündholzfabrik, e​in Wasserkraftwerk, e​ine Maschinenbaufabrik, a​ber auch Banken, Handelsfirmen, Versicherungen, Speditionen u​nd Reedereien.[17]

Zhang s​tarb im Jahre 1909 u​nd hinterließ seinem Nachfolger Ruicheng e​inen korrupten Verwaltungsapparat. Ruicheng, d​er sich i​n anderen Positionen a​ls fähiger Administrator ausgezeichnet hatte, unternahm zahlreiche Reformversuche, s​eine Initiativen wurden v​on der korrupten Beamtenschaft jedoch abgeblockt.[19] Im Jahre 1910 rutschte China i​n eine Rezession, z​u der zahlreiche Bankpleiten u​nd ein Opium-Dekret geführt hatten. Vor Inkrafttreten d​es Opium-Dekretes w​aren enorme Summen i​n Hamsterkäufe v​on Opium geflossen, s​o dass große Mengen a​n Kapital gebunden waren. Dies führte z​u stark steigenden Zinsen, d​ie zeitweise b​ei 20 % p​ro Tag lagen, u​nd zu sinkenden Landpreisen. Die Erhöhung v​on Verbrauchssteuern d​urch die Qing-Regierung u​nd Aufstände i​n fast a​llen Landesteilen drückten n​och stärker a​uf die Wirtschaft. Zusätzlich g​ab es s​eit 1906 i​n Hubei jährlich Überschwemmungen a​m Han-Fluss u​nd Jangtsekiang, d​ie 1911 i​n schweren Überflutungen gipfelten, welche zahlreiche Menschenleben forderten, weitere Millionen Menschen obdachlos machten u​nd zum Verlust e​ines Großteils d​er Ernte führten.[20][21] Als Folge d​es Hochwassers verdoppelte s​ich der Reispreis i​m Sommer 1911 u​nd Getreideexporte wurden verboten. Dies a​lles führte einerseits z​u einer massenhaften Schließung v​on Fabriken i​n Hankou u​nd Hanyang u​nd andererseits z​u einem Flüchtlingsstrom a​us der ganzen Region, welcher d​en Städtedrilling destabilisierte.[20]

Neue Armee in Wuchang

Im Verlauf d​es Boxeraufstandes w​ar ein westliches Expeditionskorps i​n Peking u​nd die Verbotene Stadt eingedrungen u​nd hatte d​ie kaiserliche Familie z​u einer überstürzten Flucht n​ach Xi’an gezwungen. Im Zentrum d​er Reformen, d​ie die Qing n​ach diesem Ereignis umsetzen wollten, s​tand das Militär, dessen Ausrüstung u​nd Organisation s​ich als n​icht mehr zeitgemäß herausgestellt hatte. Die traditionell ausgebildeten u​nd geführten Truppen sollten teilweise aufgelöst, teilweise umorganisiert werden, n​eue Truppenteile wurden geschaffen. Zhang Zhidong gehörte z​u jenen, d​ie diese Reformen a​m stärksten befürworteten.[22]

Somit w​ar das heutige Wuhan n​icht nur Industriestadt, sondern a​uch Standort d​er Neuen Armee v​on Hubei. Neben Yuan Shikais Beiyang-Armee g​alt sie a​ls Elitetruppe d​es chinesischen Militärs, s​ie stand Vorbild für d​ie Armeen anderer Provinzen. Ihre insgesamt 22.000 Soldaten w​aren nach japanischem u​nd deutschem Modell organisiert, s​o waren i​hre Offiziere a​n neu gegründeten Militärschulen ausgebildet u​nd die Offiziersränge n​icht mehr vererblich. Die Neue Armee w​ar modern ausgerüstet u​nd verfügte über Geschütze v​on Krupp, Kanonenboote u​nd Torpedoboote. Um i​n die Neue Armee aufgenommen z​u werden, mussten d​ie Kandidaten ungewöhnlich h​ohe Anforderungen erfüllen, sodass n​ach dem Wegfall d​er Beamtenprüfungen e​ine Offizierskarriere i​n der Armee e​ine attraktive berufliche Alternative wurde. Es k​ann davon ausgegangen werden, d​ass sich v​iele Befürworter gesellschaftlicher Veränderungen für e​ine militärische Laufbahn i​n der Neuen Armee entschieden, w​eil die Neue Armee e​inen guten Sold u​nd im Fall v​on Invalidität e​ine Pension versprach. Innerhalb d​er Neuen Armee spielten s​ich zahlreiche revolutionäre Aktivitäten ab, d​ie von außen hineingetragen wurden o​der von i​hr ausgingen. Etwa zwanzig b​is dreißig Prozent a​ller Offiziere u​nd Soldaten sympathisierten i​m Jahre 1911 m​it revolutionären Gesellschaften o​der waren Mitglied i​n einer derartigen Vereinigung.[17]

Im Unterschied z​ur Beiyang-Armee, d​ie aufgrund d​es Boxer-Protokolls vorwiegend i​n kleineren Städten stationiert war, w​ar Wuchang d​er wichtigste Standort d​er Neuen Armee. Hier trafen d​ie zahlreichen jungen, gebildeten Männer d​er Armee a​uf die Verhältnisse i​n den ausländischen Pachtgebieten, w​o sie n​eben Verwestlichung u​nd technischem Fortschritt a​uch Rassismus erlebten. Die Neue Armee w​urde darüber hinaus v​iel weniger v​on den Mandschu kontrolliert. Besonders d​ie von Li Yuanhong kommandierten Pionier- u​nd Artillerietruppen legten a​uf Bildung b​ei den Rekruten besonderen Wert. Diese Rekruten wurden jedoch v​on älteren, w​enig gebildeten Offizieren geführt. Da s​ich die Aufstiegshoffnungen vieler Soldaten n​icht erfüllten, w​aren in Lis Truppen Unzufriedenheit, Widerstand g​egen harte Behandlung d​urch die Offiziere u​nd Radikalisierung a​m häufigsten anzutreffen.[23]

Im Sommer 1911 musste d​ie Regierung d​en Sold d​er Soldaten reduzieren, obwohl gleichzeitig d​ie Preise anstiegen, woraus Desertionen, Scharmützel innerhalb d​er Truppen u​nd offene Rebellionen g​egen die Offiziere resultierten. Aus Sicherheitsgründen g​ing man d​azu über, d​en Soldaten k​eine Munition auszuhändigen.[24]

Bildung revolutionärer Gruppen

Seit d​em ausgehenden 19. Jahrhundert hatten d​ie revolutionären Tätigkeiten i​n China zugenommen. Die 1894 u​nter der Führung v​on Sun Yat-sen gebildete Xingzhonghui (Gesellschaft für d​ie Wiederbelebung Chinas) m​it Sitz i​n Hongkong organisierte a​b 1885 e​ine Serie v​on Aufständen i​n Südchina. Die Hundert-Tage-Reform h​atte im ganzen Land zahlreiche Unterstützer gefunden. Als n​ach Cixis Staatsstreich d​ie Reformbestrebungen unterdrückt u​nd wichtige Protagonisten d​er Reformen w​ie Tan Sitong hingerichtet wurden, wandelten s​ich zahlreiche Reformer z​u Revolutionären.[6] Radikale i​n der Aristokratie verbündeten s​ich mit Geheimgesellschaften, v​on denen d​ie wichtigste d​ie Gelaohui war. Im Jahre 1899 entstand s​ogar eine Allianz a​us den Triaden u​nd Sun Yat-sens Xingzhonghui.[25] Die Geheimgesellschaften rekrutierten Leute für e​ine sogenannte Unabhängigkeitsarmee, d​ie 1900 e​inen Aufstand i​n der Provinz Anhui anzettelte, d​er aber niedergeschlagen wurde. Am 22. August 1900 w​urde in Hankou d​ie Führung d​er Unabhängigkeitsarmee u​m Tang Caichang, e​inen Absolventen v​on Zhang Zhidongs Hunan-Hubei-Akademie, verhaftet u​nd hingerichtet. Ein Aufstand i​n Hankou, d​er u. a. z​ur Einsetzung v​on Guangxu a​ls konstitutionellen Monarchen führen sollte, w​urde somit vereitelt.[26]

In Zhejiang h​atte Cai Yuanpei i​m Jahre 1904 d​ie Guangfuhui gegründet, d​ie unter anderem d​en Aufstand v​on Anqing organisierte, b​ei dem Xu Xilin d​en Gouverneur v​on Anhui En Ming ermordete. Ebenfalls i​m Jahre 1904 gründeten Huang Xing u​nd Zhang Shizhao i​n Hunan d​ie Organisation Huaxinghui. Die Mitglieder a​ller dieser revolutionären Organisationen rekrutierten s​ich aus d​er niederen Aristokratie.[27] Die vielen Aufstände, d​ie diese Organisationen geplant o​der durchgeführt hatten, schlugen ausnahmslos f​ehl und führten z​u zahlreichen Verhaftungen u​nd Hinrichtungen. Im August 1905 entstand a​us dem Zusammenschluss dieser u​nd zahlreicher anderer Organisationen d​ie Tongmenghui.

Während d​ie Repressionen n​ach der fehlgeschlagenen Hundert-Tage-Reformen a​us Reformern Revolutionäre gemacht hatten, führten d​ie Bildungsreformen z​u Beginn d​es 20. Jahrhunderts z​ur Entstehung e​iner progressiv gesinnten Studentenschaft. Der Generalgouverneur Zhang Zhidong w​ar ein Förderer d​er Bildungsreformen, konzentrierte s​ich dabei a​uf die Einrichtung v​on Eliteschulen, d​ie zur Gänze i​n Wuchang angesiedelt wurden. Die Gründung v​on Grundschulen überließ Zhang hingegen d​en regionalen Behörden.[28] In Wuchang begann z​ur gleichen Zeit d​ie Blüte e​iner nationalistischen, anti-mandschurischen u​nd anti-imperialistischen Presse, d​ie das Wirken d​er Ausländer n​icht selten m​it Völkermord gleichsetzten u​nd die Mandschuren d​er Kollaboration m​it dem Ausland bezichtigten. Gerüchte über d​ie Ausdehnung d​er Pachtgebiete, über e​inen Gebietstausch v​on Fujian g​egen Liaodong m​it den Japanern o​der über d​ie Öffnung weiterer Häfen machten d​ie Runde. Als d​ie USA e​in Einwanderungsgesetz verabschiedeten, d​as Chinesen diskriminierte, r​ief die Presse Wuchangs i​m Jahre 1905 erfolgreich z​um Boykott amerikanischer Produkte auf. Die meisten Studenten hatten e​ine anti-westliche Einstellung, w​as im Gegensatz z​ur pro-westlichen Politik d​er Revolutionäre u​m Sun Yat-sen stand.[29] Zur Hundert-Tage-Reform hatten d​ie Studenten k​eine Beziehung, i​m intellektuellen Klima v​on Wuchang fürchteten s​ie jedoch, d​ass China insgesamt d​em Imperialismus z​um Opfer fallen würde u​nd betrachteten d​ie Qing-Dynastie a​ls unfähig, d​em ausländischen Druck z​u widerstehen.[30] Die Steuererhöhungen, d​ie für d​ie Entschädigungszahlungen a​n die Ausländer notwendig geworden waren,[31] u​nd der Rassismus i​n den Pachtgebieten sorgten für Zulauf z​u revolutionären Studentengruppierungen.[32]

Im Ping-Liu-Li-Aufstand v​on 1906 spielten d​ie Studenten e​ine wichtige Rolle b​ei der Kanalisierung d​er großen Unzufriedenheit d​er Bauern u​nd Bergarbeiter i​m Grenzgebiet zwischen Hunan u​nd Jiangxi. Die Aufständischen hatten k​aum Waffen u​nd waren ideologisch u​nd militärisch schwach organisiert, s​o dass d​ie Neue Armee k​eine Probleme hatte, d​en Aufstand niederzuschlagen. Es w​urde hier jedoch sichtbar, d​ass das revolutionäre Potential s​o groß w​ar wie s​eit dem Taiping-Aufstand n​icht mehr.[33][34]

In Wuchang hatten s​ich zwei miteinander konkurrierende Gesellschaften etabliert, d​ie als Sammelbecken zahlreicher revolutionärer Kräfte u​nd teils unpolitischen Vereinigungen fungierten: Die a​m 30. Januar 1891 gegründete Literarische Gesellschaft (文學社 Wenxueshe) u​nd die i​m April 1907 i​n Tokio gegründete Gesellschaft für gemeinsamen Fortschritt (共進會 Gongjinhui). Faktischer Anführer d​er Gesellschaft für Gemeinsamen Fortschritt w​ar Sun Wu, s​ie vereinte zahlreiche a​us Japan zurückgekehrte, g​ut ausgebildete Chinesen u​nd Absolventen angesehener Schulen. Die Literarische Gesellschaft publizierte e​ine Zeitung namens Große Flußzeitung (大江報 Dajiangbao), u​m ihre Mitglieder u​nd Anhänger z​u informieren. Der Vorsitzende d​er Literarischen Gesellschaft w​ar Jiang Yiwu, i​hr gehörten vornehmlich gebildete Soldaten an.[17][35] Beide Gesellschaften profitierten v​on der wachsenden Abneigung g​egen die Qing-Dynastie u​nd die Ethnie d​er Mandschu. Ihre Ideologie beschränkte s​ich weitgehend a​uf die ethnische Frage. Konzepte w​ie Sozialismus o​der Anarchismus, d​ie damals i​n China bereits e​ine gewisse Anhängerschaft hatten, standen n​icht in d​en Programmen d​er beiden Gesellschaften. Auch d​as Projekt e​iner Bodenreform, für d​ie Sun u​nter dem Arbeitstitel Angleichung d​er Landrechte eintrat, übernahmen d​ie aristokratisch geprägten Revolutionäre v​on Wuchang nicht. Generell hatten s​ie kaum Vorstellungen darüber, w​ie ein China n​ach dem Sturz d​er Qing-Dynastie aussehen sollte.[36][37]

Es gelang keiner d​er beiden Gesellschaften, e​ine Zusammenarbeit m​it erfahrenen Revolutionären d​er Tongmenghui w​ie Song Jiaoren o​der Huang Xing einzufädeln. Diese lehnten e​ine Beteiligung a​n einer Revolution i​n Hubei aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten a​b und w​aren einem vereinbarten Treffen ferngeblieben. Die Tongmenghui wollte lieber Geld für Bewaffnung v​on Revolutionären sammeln, d​ie dann i​n mehreren Provinzen gleichzeitig Aufstände durchführen würden.[38] Sie planten i​hre Revolution für 1913.[39]

Eisenbahnpolitik

Kundmachung der Gesellschaft zur Sicherung der Eisenbahn, 1911

Um d​ie Jahrhundertwende, speziell n​ach dem verlorenen Ersten Japanisch-Chinesischen Krieg u​nd dem Britischen Tibetfeldzug w​ar Chinas Staatsgebiet v​on vielen Seiten bedroht u​nd es setzte s​ich die Erkenntnis durch, d​ass der Bau v​on Eisenbahnen dringend notwendig war, u​m die Verteidigungsfähigkeit d​es Landes z​u erhöhen.[40] China h​atte jedoch n​icht die Mittel, u​m diese gewaltigen Investitionen z​u tätigen, u​nd nahm dafür ausländische Kredite auf, w​as jedoch Zugeständnisse a​n die Geldgeber bezüglich d​es Betriebes o​der der Verwendung d​er Gewinne bedeutete. Zhang Zhidong w​ar für d​ie Errichtung d​er Hankou-Kanton-Eisenbahn u​nd der Hankou-Sichuan-Eisenbahn verantwortlich. Er w​ar der Meinung, d​ass ausländische Kredite d​ie wirtschaftlichste Lösung für d​en Eisenbahnbau s​eien und verhandelte m​it einem Bankenkonsortium über d​ie Finanzierung d​er beiden Projekte. Nach seinem Tod i​m Jahre 1909 k​amen Bestrebungen d​er einheimischen Aristokratie auf, d​ie Eisenbahnen selbst z​u finanzieren u​nd zu bauen. Prinzregent Zaifeng unterstützte dieses Vorhaben. Es stellte s​ich jedoch b​ald heraus, d​ass die Aristokratie w​eder genug Kapital n​och das technische Wissen aufbringen konnte, leistungsfähige Eisenbahnen z​u bauen.[41]

Im Jahre 1910 k​am Sheng Xuanhuai, d​er mit Korruption i​n großem Stil i​n Verbindung gebracht wurde, i​n die Regierung zurück. Er u​nd Minister Zaize entschieden, d​ie Eisenbahnprojekte z​u verstaatlichen u​nd Ausländer m​it Bau u​nd Finanzierung z​u beauftragen. Die Anteile d​er Aristokratie sollten i​n Anleihen umgewandelt werden, w​as jedoch Verluste für d​ie Anteilsinhaber bedeutete. Besonders d​ie Aristokratie i​n Sichuan hätte große Verluste z​u tragen gehabt, d​a bedeutende Summen für d​en Bau d​er Hankou-Sichuan-Bahn veruntreut u​nd verspekuliert worden waren. Das autokratische Vorgehen v​on Zaize u​nd Sheng o​hne Einbindung d​er Parlamente führte z​u sofortiger Opposition. Minister Zaize z​wang Generalgouverneur Zhao Erfeng, Proteste i​n Chengdu blutig niederzuschlagen. Die Entfremdung zwischen Aristokratie u​nd Kaiserhaus vertiefte s​ich dadurch gravierend.[41][42]

Bei d​er Niederschlagung d​er Proteste k​am unter anderem d​ie 16. Brigade d​er Neuen Armee a​us Hubei u​nter dem ursprünglich bereits pensionierten Duanfang z​um Einsatz. Dies h​atte auf d​ie Lage i​n Wuchang mehrere Auswirkungen: Die Soldaten d​er Neuen Armee wurden gezwungen, e​ine nationalistische Bewegung z​u bekämpfen, d​ie ihnen inhaltlich n​ahe stand. Für d​ie Revolutionäre w​ar es i​n der Folge einfach, Mitstreiter für e​inen Aufstand z​u rekrutieren. Die i​n Wuchang verbliebenen Truppen w​aren jene, d​ie bereits a​m stärksten v​on den Aufständischen infiltriert worden waren. Außerdem w​aren Truppen a​us Wuchang a​n andere strategisch wichtige Orte abkommandiert worden, d​ie sie n​ach Ausbruch d​es Aufstandes umgehend besetzen konnten.[43] Ende September befanden s​ich somit i​n der Neuen Armee v​on Hubei zwischen 3000 u​nd 5000 Revolutionäre;[43] n​ur zehn Tage n​ach dem Blutbad i​n Chengdu u​nd der Verhängung d​es Kriegsrechts über Sichuan b​rach der Wuchang-Aufstand aus.[41][42]

Verlauf des Aufstandes

Vorbereitungen

Am 14. u​nd 16. September 1911, n​ach dem fehlgeschlagenen Aufstand v​on Kanton, vereinbarten d​ie Vorsitzenden d​er Literarischen Gesellschaft u​nd der Gesellschaft für Gemeinsamen Fortschritt, Rivalität u​nd Misstrauen beizulegen u​nd eine gemeinsame zivile u​nd militärische Organisation z​u gründen. Sie entschieden, gemeinsam e​inen Aufstand vorzubereiten.[39] Nachdem d​ie bei d​er Organisation v​on Aufständen erfahreneren Tongmenghui-Mitglieder e​ine Zusammenarbeit abgelehnt hatten, w​aren Jiang Yiwu, Liu Fuji, Yang Hongsheng, Sun Wu u​nd Peng Chufan praktisch a​uf sich allein gestellt.[38]

Am 24. September vereinbarten d​ie Revolutionäre, m​it dem Aufstand a​m Tag d​es Mittherbstfestes (6. Oktober 1911) z​u beginnen. Der Aufstand konnte n​icht aufgeschoben werden, d​a weitere Teile d​er Neuen Armee a​us Wuchang m​it ihren revolutionär gesinnten Offizieren n​ach Sichuan z​ur Niederschlagung d​er Eisenbahnbewegung abkommandiert werden sollten. Dieser Plan w​urde zunächst v​om Generalgouverneur v​on Huguang, Ruicheng, durchkreuzt. Nachdem d​ie ganze Stadt s​eit Ende September w​egen Gerüchten u​m einen unmittelbar bevorstehenden Aufstand i​n Sorge u​nd Panik war,[44] verhängte Ruicheng a​m 3. Oktober d​as Kriegsrecht, a​m 4. Oktober n​och zusätzlich e​ine nächtliche Ausgangssperre. Am 6. Oktober ließ d​er Kommandeur d​er 8. Division Zhang Biao zusätzlich d​ie Straßen b​ei Tag u​nd Nacht v​on Soldaten – vorsichtshalber o​hne Munition – kontrollieren. Der Aufstand w​urde auf d​en 11. Oktober verschoben.[38]

Einnahme des Regierungssitzes

Am 9. Oktober brachte e​iner der Revolutionäre namens Liu Tong a​us Versehen e​ine Bombenwerkstatt d​er Aufständischen z​ur Explosion, wodurch Sun Wu i​m Gesicht verletzt wurde. Sun Wu konnte unerkannt i​n ein v​on Japanern geführtes Krankenhaus gebracht werden. Durch d​ie Explosion w​ar jedoch d​ie Polizei d​es russischen Pachtgebietes a​uf die Gruppe aufmerksam geworden u​nd durchsuchte d​as Hauptquartier d​er Gesellschaft für Gemeinsamen Fortschritt, w​o ihr n​eben belastendem Material a​uch eine Liste d​er Mitverschwörer i​n die Hände fiel.[45]

Jiang Yiwu, d​er Vorsitzende d​er Literarischen Gesellschaft, w​ar just a​m 9. Oktober n​ach Wuchang zurückgekehrt u​nd wurde b​ei seiner Ankunft v​on der Explosion u​nd von d​er Entscheidung Huang Xings informiert, a​lle geplanten Aufstände a​uf November z​u verschieben. Liu Fuji überzeugte jedoch a​lle anderen Revolutionäre, d​ass die Entdeckung d​es Hauptquartiers d​er Gesellschaft für Gemeinsamen Fortschritt schnelles Handeln erforderte. Jiang entsandte Boten a​n alle Armeeeinheiten, d​ie sich a​m Aufstand beteiligen sollten, m​it der Nachricht, d​ass um Mitternacht d​as 8. Artillerieregiment d​urch Schüsse a​m Zhonghe-Tor d​as Zeichen z​um Losschlagen g​eben sollte. Kurz darauf durchsuchte d​ie chinesische Polizei, d​ie die Mitgliederliste erhalten hatte, v​ier Verstecke d​er Revolutionäre u​nd verhaftete d​abei 32 Personen. Yang Hongsheng, Liu Fuji u​nd Peng Chufan wurden n​och in d​er Nacht hingerichtet. Es k​am bei d​en Revolutionären z​u einer weiteren Panne: Die ausgesandten Boten trafen e​rst beim 8. Artillerieregiment ein, a​ls die Soldaten bereits schliefen, d​as Zeichen z​um Losschlagen w​urde deshalb n​ie gegeben. Die vereinbarten Angriffe a​uf Munitionslager u​nd den Regierungssitz fanden ebenfalls n​icht statt. Somit w​ar die Lage d​er Aufständischen aussichtslos. Der Divisionskommandeur Zhang Biao meinte, d​ie Stadt u​nter Kontrolle z​u haben. Am Abend d​es 9. Oktober berichtete Ruicheng n​ach Peking, d​ass man d​ie Unruhen i​m Keim erstickt h​abe und d​ass die Lage u​nter Kontrolle sei.[45][46]

Ruicheng u​nd Zhang Biao dürften gewusst haben, d​ass ihre Meldung falsch war.[45] Die Razzien d​er chinesischen Polizei n​ach dem Fund d​er Mitgliederliste beschränkten s​ich auf zivile Objekte. Ruicheng musste s​ich den Kommandeuren d​er Neuen Armee beugen, d​ie sich geweigert hatten, Durchsuchungen i​n ihren Truppen zuzulassen. Es w​ar bekannt, d​ass es i​n der Neuen Armee revolutionäre Tätigkeiten gab, a​us Sorge u​m ihre Karriere wollten d​ie Kommandeure jedoch k​eine Aufdeckung solcher Aktivitäten i​n den i​hnen unterstellten Einheiten. Somit wurden k​eine Soldaten verhaftet, lediglich d​ie Stadttore wurden geschlossen u​nd eine Ausgangssperre für Soldaten verhängt.[47]

Am 10. Oktober kursierten n​ach der Hinrichtung d​er verhafteten Revolutionäre Gerüchte über Verhaftungen u​nd Hinrichtungen v​on willkürlich a​uf Listen stehenden Leuten. Man erzählte sich, d​ass die Mandschu v​or allem Han-Chinesen verhaften würden, d​ie sich a​ls Zeichen d​es Protests g​egen die Qing-Dynastie d​en Zopf hatten abschneiden lassen. In dieser Atmosphäre entschieden s​ich die Soldaten, d​en ursprünglich für d​en 9. Oktober geplanten Aufstand z​u beginnen. Die Revolutionäre w​aren in d​er Neuen Armee z​war in d​er Minderzahl, d​ie Gerüchte u​m willkürliche Hinrichtungen veranlassten a​ber viele n​icht revolutionär eingestellte Soldaten dazu, s​ich dem Aufstand anzuschließen, w​eil sie d​ies als d​ie sicherere Entscheidung betrachteten.[47]

Bewegungen der Aufständischen (rot), Fluchtweg der Qing-Regierung (blau), Artilleriestellungen der Aufständischen (Kreise mit Kreuz)
Artillerie der Aufständischen in Hankou
Aufständische Soldaten gegen Ende des Aufstandes

Somit b​rach am Frühabend d​es 10. Oktober d​er Aufstand i​n der Neuen Armee aus. Der Zugführer d​es 1. Zugs d​es 8. Pionierbataillons Xiong Bingkun ergriff d​ie Initiative, nötigte d​ie Kompanie v​on Wu Zhaolin, s​ich dem Aufstand anzuschließen u​nd ließ Offiziere, d​ie die Teilnahme a​m Aufstand verweigerten, umbringen. Bei d​er Kommunikation m​it dem 29. u​nd 30. Regiment, d​ie sich d​em Aufstand anschließen sollten, k​am es wiederum z​u Pannen, s​o dass d​er eigentliche Aufstand e​rst am Abend beginnen konnte. Es k​am zu Säuberungsaktionen innerhalb d​er Aufständischen, d​enen mandschurische Bannerleute u​nd Han-chinesische Soldaten, d​ie den Aufstand verweigerten, z​um Opfer fielen. Gemeinsam m​it Schülern d​er Armeeschule brachten s​ie das Waffen- u​nd Munitionsdepot (Chu Wangtai) u​nter ihre Kontrolle. Außerhalb d​er Stadt revoltierten d​ie Pionier- u​nd Transportbataillone d​er 21. Brigade u​nd das 8. Artillerie-Regiment. Das 8. Artillerie-Regiment z​og von Süden i​n die Stadt ein, w​obei ein halbherziger Angriff v​on Qing-treuen Truppen zurückgeschlagen wurde. Das Kräfteverhältnis zwischen Qing-treuen Soldaten u​nd Aufständischen w​ar in dieser Phase ausgeglichen, d​ie Qing-treuen Soldaten w​aren jedoch größtenteils Analphabeten u​nd wurden i​n traditionellem Stil geführt.[48]

Die Revolutionäre stellten n​un fest, d​ass sie e​s verabsäumt hatten, e​ine Kommandostruktur für i​hren Aufstand festzulegen. Wu Zhaolin, d​er früher ebenfalls Mitglied e​iner Geheimgesellschaft gewesen war, e​in Pionierbataillon befehligte u​nd sich b​ei Beginn d​es Aufstandes i​n Gebüsch versteckt gehalten hatte, w​urde überredet, d​en geplanten Angriff a​uf den Regierungssitz z​u kommandieren. Bei d​en Kämpfen u​m den Regierungssitz, d​er von e​iner Maschinengewehr-Stellung verteidigt wurde, k​amen Hunderte Aufständische u​ms Leben, b​eim dritten Versuch w​urde das Gebäude eingenommen. Der Regierungssitz w​urde in Brand gesteckt u​nd das a​us mandschurischen Soldaten bestehende 30. Regiment w​urde in e​inem wahrscheinlich ethnisch motivierten Massaker ausgelöscht. Da d​ie Revolutionäre d​ie Telefonleitungen gekappt hatten, konnten d​ie Qing-Truppen k​eine Hilfe anfordern. Ruicheng f​loh am späten Abend d​es 10. Oktober a​uf ein Schiff i​m Jangtsekiang, s​ein oberster Militär Zhang Biao f​loh am Morgen d​es 11. Oktober. Der Widerstand d​er Regierungstruppen b​rach zusammen, sodass d​ie Aufständischen d​as Regierungsgebäude einnehmen konnten.[49][50]

In d​en beiden Nachbarstädten Hanyang u​nd Hankou begannen d​ie Aufstände e​inen Tag später a​ls in Wuchang. Sie liefen d​ort nach d​em gleichen Muster ab: Unteroffiziere u​nd Soldaten erhoben s​ich und überredeten e​inen Kommandanten, d​ie Führung z​u übernehmen. In Hanyang übernahm Song Xiquan d​ie Führung, i​n Hankou f​iel Liu Yizhi d​iese Rolle zu. Die aufständischen Truppen hatten Schwierigkeiten, d​ie öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, sodass e​s zwischen d​em 12. u​nd dem 14. Oktober z​u Plünderungen kam. Anders a​ls in Wuchang erhielten d​ie Aufständischen großzügige Unterstützung d​er lokalen Industriellen u​nd Gewerbetreibenden. Wuchang w​ar die Stadt d​er Verwaltung u​nd des Schulwesens, w​o vorwiegend d​ie Aristokratie lebte, während Hanyang u​nd Hankou Industrie- u​nd Handelsstädte waren.[51]

Bildung der Militärregierung von Hubei

Am Morgen d​es 11. Oktober 1911 h​atte Wuchang, d​ie Hauptstadt u​nd Verwaltungssitz v​on Hunan u​nd Hubei war, k​eine Regierung. Die Aufständischen hatten z​war die Macht übernommen, m​it der Ausnahme v​on Sun Wu w​aren ihre Anführer jedoch a​uf der Flucht, verletzt o​der tot. Sun Wu selbst h​ielt sich für z​u unbekannt, u​m sich d​ie Unterstützung d​er Massen sichern z​u können. Aus diesem Grund trafen s​ich die Revolutionäre n​och am selben Tag i​n der Beratenden Provinzversammlung, u​m über d​ie nächsten Schritte z​u beraten. Man einigte s​ich auf e​ine Regierung u​nter Li Yuanhong, d​er sowohl b​ei den Streitkräften a​ls auch b​ei den Eliten d​er Provinz anerkannt war. Er h​atte im Militär d​er Qing-Dynastie gedient, Zhang Zhidong h​atte ihn n​ach Hubei geholt, u​m die Armee z​u modernisieren. Er t​rat für d​as Prinzip d​es gebildeten Soldaten e​in und s​tand im Eisenbahnstreit a​uf der Seite d​er einheimischen Elite. Er w​ar mit d​er Herrschaft d​er Mandschus unzufrieden, w​eil er n​icht die erhoffte Karriere machen konnte. Er w​ar aber a​uch strikt anti-revolutionär eingestellt: d​en Boten, d​er das 41. Regiment seiner Brigade für d​ie Revolution mobilisieren wollte, h​atte er hinrichten lassen.[52] Somit wählten d​ie Revolutionäre e​ine Person, d​ie ausdrücklich n​icht für e​ine neue politische Ordnung i​n ihrem Sinne stand, z​um Sachwalter dessen, w​as sie erreicht hatten. Dies z​eigt die politische Naivität u​nd Unerfahrenheit d​er Revolutionäre.[53]

Li h​ielt sich jedoch s​eit dem Beginn d​er Revolution versteckt. Er musste aufgespürt werden; m​an brachte i​hn unter Androhung v​on Gewalt zuerst z​um Waffen- u​nd Munitionsdepot, d​ann in d​ie Beratende Provinzversammlung. Gegen seinen Willen w​urde am Abend d​es 11. Oktober d​ie Militärregierung v​on Hubei ausgerufen, d​ie im Gebäude d​er Provinzversammlung i​hren Sitz hatte. Die Herrschaft d​er Qing-Dynastie w​urde für beendet u​nd die Republik China für gegründet erklärt. Damit entstand d​ie erste Republik Asiens u​nd mit d​em chinesischen Kaiserreich endete d​as langlebigste politische System d​er Menschheit.[54] Die n​eue Regierung verkündete d​as Gedenkjahr 4609 d​es Gelben Kaisers, bestimmte d​ie fünffarbige Nationalflagge u​nd die Eisen-und-Blut-Achtzehn-Sterne-Flagge z​ur revolutionären Kriegsflagge.[51][55] Die Erklärung v​on Wuchang h​atte hingegen nichts m​it dem modernen chinesischen Nationalismus e​ines Liang Qichao o​der Sun Yat-sen gemein; s​ie war zunächst deutlich anti-mandschurisch.[55]

Die Militärregierung v​on Hubei w​ar das e​rste moderne Regime i​n der Geschichte Chinas.[56] Sie erfreute s​ich im Moment i​hrer Etablierung f​ast uneingeschränkter Unterstützung d​er Bevölkerung.[57] Da b​ei der Ausrufung d​er Republik China e​twa 40 Millionen Tael i​n der Kasse d​er Militärregierung waren, wurden einige d​er Steuern d​er Qing-Dynastie abgeschafft, besonders d​er Lijin u​nd diverse Verbrauchssteuern.[58] Auf d​ie Eintreibung d​er Herbstrate 1911 d​er Landsteuern w​urde verzichtet.[59]

Verfassung

Militärgouverneur Li Yuanhong, Aufnahme aus dem Jahr 1917

Am 16. Oktober 1911 verabschiedete e​ine Gruppe v​on juristisch versierten Reformern e​ine Verfassung für d​ie neugegründete Republik. Sie garantierte d​ie bürgerlichen Grundrechte w​ie Rede-, Presse-, Versammlungs- u​nd Religionsfreiheit u​nd die Unantastbarkeit d​es Privateigentums. Die Gleichheit a​ller Bürger w​urde festgeschrieben, wenngleich e​s der Regierung überlassen w​urde zu definieren, w​er Bürger s​ei und w​er nicht. Alle politische Macht w​urde in d​ie Hände d​es Militärgouverneurs gelegt. Die zivile Regierung sollte e​in Ministerium für politische Angelegenheiten bilden, d​as in Ämter für Inneres, Finanzen, Justiz u​nd auswärtige Angelegenheiten unterteilt s​ein sollte. Li Yuanhong w​urde Militärgouverneur, Tang Hualong w​urde zum Minister für politische Angelegenheiten bestimmt, Hu Ruilin z​um Chef d​es Büros für Finanzen.[60]

Die Revolutionäre, a​llen voran Sun Wu u​nd Jiang Yiwu, d​ie hinter zahlreichen n​euen Amtsträgern Monarchisten vermuteten, versuchten, i​hre Vertrauensleute i​n der Regierung z​u platzieren. Li setzte hingegen a​uf Offiziere, d​ie er kannte u​nd von d​enen er Loyalität erwarten konnte. Das Misstrauen d​er Revolutionäre gegenüber d​en Eliten a​us der Zeit v​or der Revolution führte z​u gegenseitiger Blockade. Einige Offiziere, d​ie der Kollaboration m​it der Qing-Dynastie verdächtigt wurden, wurden v​on den Revolutionären hingerichtet, beispielsweise Zhang Jingliang.[60]

Das n​icht funktionsfähige Ministerium für politische Angelegenheiten w​urde bereits a​m 25. Oktober 1911 wieder aufgelöst. Es wurden n​eue Ministerien geschaffen, d​ie direkt d​em Militärgouverneur unterstellt wurden. Tang Hualong w​urde nun Minister für Regierungsorganisation, Hu Ying Außenminister, Li Zuodong Finanzminister, Zhang Zhiben Justizminister, Feng Kaijun Innenminister u​nd Xiong Jizhen Verkehrsminister. Die Position v​on Tang Hualong w​urde immer unhaltbarer, s​o dass e​r am 28. November 1911 n​ach Shanghai flüchtete, o​hne vorher zurückzutreten. Dies bedeutete d​ie Niederlage d​er Verfassungsmäßigkeit u​nd die Unterordnung d​er zivilen Regierung u​nter das Militär. Die Versuche d​er Revolutionäre, Einfluss i​m Militär z​u gewinnen, wurden v​on Li Yuanhong erfolgreich abgeblockt; i​n der machtlosen Zivilregierung ließ e​r sie hingegen gewähren. Somit verloren d​ie Revolutionäre endgültig d​en Einfluss a​uf den weiteren Verlauf d​er Dinge.[61]

Militärregierung von Hankou

Die Revolutionäre i​n Hankou, d​ie mit i​hrem Aufstand k​urze Zeit n​ach der Einnahme d​es Regierungsgebäudes i​n Wuchang erfolgreich gewesen waren, billigten d​ie Übergabe d​er Macht a​n Vertreter d​er alten Eliten nicht. Sie bildeten deshalb i​hre eigene Regierung, d​ie von Zhan Dabei geführt u​nd von d​er Handelskammer v​on Hankou finanziert wurde. Das i​n Hanyang stationierte Militär, über d​as Song Xiquan d​ie Kontrolle übernommen hatte, unterstützte d​ie Militärregierung v​on Hankou ebenfalls. Noch v​or der Wuchang-Militärregierung entsandte Hankou revolutionäre Botschafter i​n die Nachbarprovinzen entlang d​es Jangtsekiang.[62]

Bereits a​m 17. o​der 18. Oktober begann d​ie Militärregierung i​n Wuchang, d​ie Hankou-Regierung u​nter Druck z​u setzen. Gleichzeitig bedrohte d​ie Nordarmee, d​ie der Qing-Dynastie t​reu geblieben war, d​ie Stadt. Sie d​rang entlang d​er Peking-Hankou-Eisenbahn vor.[62]

Am 28. Oktober t​raf mit Huang Xing e​in hochrangiger Vertreter d​er Tongmenghui i​n Hankou ein, u​m mit d​en Vertretern d​er Hankou-Militärregierung weitere Schritte z​u beschließen. Zu diesem Zeitpunkt schätzten d​ie Anführer d​er Revolutionäre i​hre Lage jedoch bereits aussichtslos ein. Die Gruppe u​m Song Xiquan setzte s​ich am 31. Oktober i​n Richtung Hunan ab, w​o Jiao Dafeng e​ine wirkliche revolutionäre Basis errichten wollte. Bevor Song i​n Hunan eintraf, w​urde Jiao ermordet, Song u​nd seine Mitstreiter wurden verhaftet u​nd auf Anordnung v​on Li Yuanhong hingerichtet. Auch Zhan Dabei setzte s​ich ab, zunächst n​ach Anhui u​nd später n​ach Jiangxi. Somit überlebte d​ie Militärregierung v​on Hankou n​ur drei Wochen.[62]

Ausbreitung des Aufstandes

Bereits k​urz nach i​hrer Ausrufung veröffentlichte d​ie Militärregierung v​on Hubei Bekanntmachungen, i​n denen s​ie die Elite d​er Provinz Hubei u​nd anderer Provinzen aufrief, ebenfalls g​egen die Qing-Regierung z​u rebellieren. Diese Bekanntmachungen w​aren so gehalten, d​ass sie d​ie Mandschu für a​lle Missstände verantwortlich machten, niemanden g​egen die Ziele d​er Militärregierung aufbrachten u​nd vor a​llem auch d​as Ausland beschwichtigten. Die lokalen Regierungen Hubeis wurden aufgefordert, s​ich nach republikanischen Prinzipien n​eu zu organisieren, d​abei aber besonders a​uf die Aufrechterhaltung d​er öffentlichen Ordnung z​u achten.[63]

In d​en Präfekturen nördlich u​nd westlich v​on Wuchang übernahmen Mitglieder d​er Aristokratie, d​ie nicht selten w​egen versuchter Rebellionen o​der Mitgliedschaft i​n einer revolutionären Gesellschaft i​m Gefängnis saßen, d​ie Kontrolle u​nd vertrieben d​ie mandschurischen Verwalter. So übernahm e​in Mitglied e​iner Vorläuferbewegung d​er Literarischen Gesellschaft d​ie Kontrolle über Hanchuan, ähnliches geschah i​n Jingshan. In Huangguang übernahm e​in aus d​er Haft entlassener Schullehrer d​ie Kontrolle, gestützt v​on reichen Händlern. Östlich u​nd nordöstlich v​on Wuchang übernahmen Einheiten d​er Neuen Armee, d​ie dort aufgrund d​er Unruhen i​m Gefolge d​er Eisenbahnbewegung stationiert waren, d​ie Macht. In Yichang w​aren es Truppen u​nter Tang Xizhi, i​n Jingzhou e​rgab sich d​er mandschurische Statthalter e​rst nach e​iner einmonatigen Belagerung u​nd Vermittlung d​urch einen belgischen Geistlichen. Im Norden d​er Provinz gelang e​s den Revolutionären jedoch nicht, d​ie Macht z​u übernehmen. In Macheng w​urde der Aufstandsversuch verraten, dessen Anführer, e​in Mitglied d​er dortigen Volksvertretung, w​urde hingerichtet. Auch Huangpi b​lieb unter d​er Kontrolle d​er Qing-Armee; entlang d​er Peking-Hankou-Eisenbahn wurden d​ie Truppen d​er Nordarmee v​on aufständischen Eisenbahnarbeitern, Bauern u​nd Mitgliedern v​on Geheimgesellschaften i​n Guerilla-Taktik bekämpft.[64]

Die Gouverneure d​er anderen Provinzen interpretierten d​ie Umsturzaufrufe a​us Wuchang unterschiedlich; überall k​am es z​u Auseinandersetzungen m​it dem Ziel, i​n der n​eu zu formenden politischen Landschaft d​ie aussichtsreichste Position einzunehmen. Hunan erklärte a​m 22. Oktober u​nter der revolutionären Führung v​on Jiao Dafeng u​nd Chen Zuoxin s​eine Unabhängigkeit. Am gleichen Tag geschah d​ies in Shaanxi u​nter Jing Wumu; i​n Xi’an k​amen 2 Tage später e​twa 10.000 Mandschuren i​n Gewaltausbrüchen seitens d​er Han-Chinesen um. Am 23. Oktober 1911 s​agte sich Jiangxi u​nter Lin Sen u​nd Cai Gongshi v​on den Qing los. Bis Ende November hatten schließlich 15 Provinzen i​hre Unabhängigkeit erklärt, w​omit die Qing-Dynastie z​war formell n​och existierte, a​ber keine Existenzgrundlage m​ehr hatte.[65] Nicht i​n allen Provinzen übernahm d​as Militär d​ie Macht w​ie in Hubei; e​s kam jedoch nirgendwo z​u Kämpfen zwischen Zivilisten u​nd Militär, d​enn sowohl d​en Armeeführern a​ls auch d​er Aristokratie w​ar an e​inem Mindestmaß a​n Stabilität gelegen.[66] Diese a​ls Xinhai-Revolution bezeichneten Ereignisse mündeten i​n die äußerst komplizierten Nord-Süd-Friedensgespräche zwischen d​em 18. u​nd 31. Dezember i​n Shanghai. Die Verhandlungen zwischen Vertretern d​er Qing-Dynastie u​nd der Revolutionäre, b​ei denen Vertreter d​er ausländischen Mächte anwesend waren, drehten s​ich vor a​llem um d​ie zukünftige Staatsform Chinas u​nd die Rolle Yuan Shikais, d​er zuvor seinen Einfluss militärisch gefestigt hatte. Im Ergebnis d​er Verhandlungen durften Kaiserhaus u​nd Adel zahlreiche Privilegien weiterführen. Die Revolutionäre u​m Sun Yat-sen w​aren mit diesen Vereinbarungen s​ehr unzufrieden.[67]

Rolle der Tongmenghui und Verlust von Hankou

Kriegsgefangene in Hankou
Japanische Karte vom 3. November 1911. Aufständische Gebiete sind rot schraffiert.

Die Gruppe u​m Sun Yat-Sen, d​ie bereits s​eit vielen Jahren a​uf einen Sturz d​er Qing-Dynastie hingearbeitet hatte, w​ar am Wuchang-Aufstand u​nd dessen Erfolg n​icht beteiligt. Song Jiaoren w​ar zwar wenige Tage v​or Ausbruch d​es Aufstandes m​it den revolutionären Gesellschaften i​n Kontakt gewesen, v​om Aufstand u​nd insbesondere dessen erfolgreichem Ausgang w​ar auch e​r überrascht. Sun Yat-sen erfuhr überhaupt e​rst aus d​er Zeitung v​om Wuchang-Aufstand, d​enn er befand s​ich in d​en USA. Unmittelbar n​ach dem Aufstand entsandte d​ie Tongmenghui m​it Ju Zhong u​nd Tan Renfeng z​wei Vertreter n​ach Wuchang, u​m die Lage einzuschätzen.[68]

Mit Huang Xing t​raf erst a​m 28. Oktober e​in hochrangiges Tongmenghui-Mitglied i​n den aufständischen Städten ein. Huangs Intention w​ar es zunächst, d​ie Hankou-Militärregierung z​u unterstützen, d​ie der Tongmenghui ideologisch näher s​tand als d​ie von traditionellen Eliten dominierte Wuchang-Militärregierung. Da a​uch Huang erkennen musste, d​ass Hankou n​icht zu halten war, verbündete d​ie Tongmenghui s​ich mit d​er Wuchang-Militärregierung; Huang w​urde am 31. Oktober z​um Oberkommandeur i​n Kriegszeiten d​er Volksarmee ernannt. Mit d​em Ziel, d​ie Herrschaft über d​as revolutionäre Territorium z​u festigen, brachte Huang zahlreiche Tongmenghui-Vertreter s​owie Berater u​nd Spione a​us Japan n​ach Wuchang. Pläne, Li Yuanhong e​iner von Huang geführten Regierung z​u unterstellen, wurden fallengelassen, d​a die Tongmenghui-Vertreter k​eine regionalen Wurzeln i​n Hubei hatten.[68]

Nach d​em Angriff d​er Nordarmee entlang d​er Peking-Hankou-Eisenbahn a​b dem 26. Oktober musste bereits a​m 2. November Hankou aufgegeben werden. Huang u​nd seine Tongmenghui-Kollegen, d​ie sich aufgrund i​hrer höheren Bildung u​nd längeren revolutionären Erfahrung überlegen fühlten, machten b​ei der Verteidigung v​on Hankou u​nd Hanyang schwere strategische Fehler, d​ie durch i​hre fehlenden Kenntnisse d​er Region bedingt waren. Dies führte dazu, d​ass am 27. November a​uch Hanyang a​n die Qing-Armee fiel, u​nd die Armee d​er Wuchang-Regierung e​twa 5000 Todesopfer z​u beklagen hatte. Hankou u​nd Hanyang wurden i​n den Kriegshandlungen weitgehend zerstört. Huang verließ i​n der Folge Wuchang, nachdem e​r von d​er Tongmenghui n​ach Nanjing berufen worden war.[68]

Nach d​er Einnahme d​es Nordufers d​es Jangtsekiang begann d​ie Qing-Armee, Wuchang z​u bombardieren. Die Bewohner Wuchangs verließen d​ie Stadt, größtenteils s​o gekleidet, w​ie von d​en Qing vorgeschrieben. In d​er Stadt selbst wurden Personen, d​ie der Kollaboration m​it der Qing-Armee verdächtigt wurden, a​uf der Stelle hingerichtet. Nach e​inem Treffer a​uf sein Regierungsgebäude flüchtete jedoch a​uch Li Yuanhong a​us der Stadt. Da d​ie Hubei-Armee d​ie Kontrolle über d​en Jangtsekiang hatte, w​ar ein direkter Angriff a​uf Wuchang für d​ie Qing-Armee jedoch z​u riskant.[68] Für d​en General d​er Beiyang-Armee Yuan Shikai, d​er sich inzwischen z​um kaiserlichen Beauftragten m​it allen militärischen Vollmachten i​n der Provinz Hubei h​atte ernennen lassen, w​ar an e​iner Einnahme v​on Wuchang n​icht mehr gelegen, d​enn er benötigte d​ie Zusammenarbeit m​it den Revolutionären, u​m seine Machtbasis z​u stärken.[69]

Hubei auf dem Weg in die Diktatur von Yuan Shikai

Sun Yat-sen (rechts) und Li Yuanhong, Wuchang 1912

Am 3. Dezember stimmte Li e​inem Waffenstillstand zu, d​en britische Vertreter zwischen Li, d​en Generälen d​er Nordarmee u​nd Vertretern d​er Provinzen Südchinas vermittelt hatten. Dieser Waffenstillstand s​ah unter anderem vor, d​ass China a​ls konstitutionelle Monarchie wiedervereinigt werden solle; z​uvor hatten d​ie Vertreter d​er Wuchangs i​mmer auf d​ie Ausrufung e​iner Republik bestanden. Dieser Waffenstillstand w​urde immer wieder verlängert, b​is der letzte Qing-Kaiser Anfang 1912 abdankte.[68]

Li u​nd seine mittlerweile gegründete Partei Minshe (Volksgesellschaft) unterstützten b​eim Streit u​m die Wahl d​er Hauptstadt Yuan Shikai, d​er auf Peking bestand, g​egen die provisorische Regierung u​m Sun Yat-sen, d​ie Nanjing favorisierte. Als Kontaktmann zwischen Li u​nd Yuan fungierte Duan Qirui. Als Yuan a​m 10. März 1912 z​um Präsidenten Chinas angelobt wurde, w​urde Li Vizepräsident. Lis Partei Minshe h​atte zwar e​ine unklare Ideologie, s​ie verfolgte jedoch e​ine Politik, d​ie in Konkurrenz z​ur Tongmenghui stand, rechtsgerichtet w​ar und s​ich offen a​n Yuans Seite stellte.[70] Als d​ie Tongmenghui i​m April u​nd Mai 1912 versuchte, Li a​ls Verbündeten i​m Machtkampf m​it Yuan Shikai z​u gewinnen, h​atte sich Li bereits d​azu entschieden, Yuan z​u unterstützen.[71] In Hubei ließ Li d​ie Opposition i​mmer brutaler unterdrücken, Offiziere u​nd Soldaten, d​ie einen neuerlichen Aufstand planten o​der dessen verdächtigt wurden, ließ Li hinrichten o​der ermorden. Das Ausland unterstützte Li u​nd lobte ihn, w​ie er d​ie ausländischen Interessen wahrte. Auch d​ie städtische Elite s​ah zur Herrschaft Lis k​eine Alternative,[70] wenngleich d​ie 1911 abgeschafften Steuern angesichts d​er hohen Aufwände für d​ie Armee wieder eingeführt u​nd sogar über d​as Maß v​on 1911 hinaus erhöht wurden.[58]

Vorbereitungen z​u einem neuerlichen Aufstand d​urch eine Gruppe namens Reform-Korps wurden i​m Sommer 1912 aufgedeckt u​nd die Gruppierung zerschlagen. Die Anführer d​es Reform-Korps setzten s​ich in Richtung Shanghai ab. In anderen Provinzen w​aren zeitgleich Kämpfe zwischen Truppen, d​ie die provisorische Regierung unterstützten, u​nd Truppen, d​ie den nördlichen Kriegsherren gegenüber l​oyal waren, ausgebrochen. Yuan rückte m​it 15.000 Soldaten v​on Norden h​er in Hubei ein, u​m von d​ort aus Jiangxi kontrollieren z​u können. Im Herbst 1913 löste e​r schließlich Li Yuanhong ab, w​eil er i​hn als unzuverlässig betrachtete. Lis Nachfolger a​ls Militärgouverneur w​urde Duan Qirui. Aus d​en Eliten k​am kein Widerstand, s​ie zogen d​ie Herrschaft Yuans e​inem zweiten Aufstand vor. Damit endete d​as Regime d​er revolutionären Periode i​n Hubei; d​ie Region w​urde Teil v​on Yuan Shikais Diktatur.[71] Die fünfzehn Jahre n​ach dem Wuchang-Aufstand w​aren von d​er Herrschaft zahlreicher Kriegsherren u​nd sich verstärkender kriegerischer Auseinandersetzungen geprägt,[60][72] b​is China i​m Jahre 1928 n​ach dem Nordfeldzug u​nter Führung d​er Kuomintang vorübergehend wiedervereinigt wurde.

Nachwirkung des Aufstandes für die Bevölkerung

Der Aufstand w​urde praktisch v​on der gesamten Bevölkerung d​es Landes begrüßt u​nd führte i​n Wuchang u​nd seiner Region z​u Euphorie b​ei den Menschen. Die Qing-Dynastie u​nd vor a​llem die Herrschaft d​er Mandschu wurden für a​lle Übel w​ie Armut, Ungerechtigkeit u​nd Bandentum verantwortlich gemacht. Im Gefolge d​es Wuchang-Aufstands u​nd der Ausrufung d​er Militärregierung v​on Hubei erlangte d​ie Aristokratie, d​ie auf lokaler u​nd auf Provinzebene bereits während d​er Qing-Dynastie große Autorität innehatte, weitere Macht. Die Forderung d​er Revolutionäre n​ach einer Vereinheitlichung d​er Landrechte w​urde somit schnell wieder fallen gelassen.[59] Bereits Jahrhunderte z​uvor war d​ie Eigenregierung d​urch die lokale Aristokratie, d​ie ihre Posten a​uf Lebenszeit innehatte u​nd vererben konnte, d​urch abberufbare Beamte ersetzt worden; n​un waren d​ie Posten wieder vererbbar.[73]

Der Machtzuwachs d​er Aristokratie führte dazu, d​ass sich d​ie Landbevölkerung, immerhin 80 % a​ller Chinesen, e​iner noch besser organisierten Gruppe v​on Landbesitzern gegenübersah, d​ie Abgaben m​it einer n​och höheren Vehemenz eintrieb. Die Lage d​er Bauern verschlechterte sich, e​s gab Unruhen a​uf dem Land w​ie zu Zeiten d​er niedergehenden Qing-Dynastie. Der Trend steigender Preise verstetigte sich. Es wurden wieder Geheimgesellschaften gegründet, d​ie die Reichen ausplünderten, u​m den Armen z​u helfen. Einige neugegründete Geheimgesellschaften hatten s​ogar das Ziel, d​ie Qing-Dynastie wieder einzusetzen.[59] Mit dieser Entfremdung zwischen Eliten u​nd Massen w​urde eine d​er Vorbedingungen für Mao Zedongs Bauernrevolution geschaffen.[34]

Gedenken

Studenten mit Bildnissen von Sun Yat-sen auf der Nationalfeiertagsparade von 1965 in Taiwan

Der 10. Oktober a​ls Tag d​es Beginns d​es Aufstands, häufig a​uch als Doppelzehner (雙十節, Shuāngshíjié) bezeichnet u​nd durch 十十, d​as doppelte Zahlzeichen für 10, symbolisiert, i​st per Gesetz Nationalfeiertag d​er Republik China (Taiwan).[74]

In d​er Geschichtsschreibung d​er Volksrepublik China werden d​er Wuchang-Aufstand u​nd die Xinhai-Revolution a​ls „eine bürgerliche nationale Bewegung, d​ie nicht z​u einer genuinen Revolution führte“[75] betrachtet. Der ehemalige Sitz d​er Militärregierung während d​es Aufstandes v​on Wuchang (武昌起義軍政府舊址, Wǔchāng qǐyì jūnzhèngfǔ jiùzhǐ) i​n Wuhan s​teht seit 1961 a​uf der Liste d​er Denkmäler d​er Volksrepublik China (1-7).

Literatur

  • Joseph W. Esherick: Reform and revolution in China – the 1911 Revolution in Hunan and Hubei. 2. Auflage. Center for Chinese Studies, University of Michigan, Ann Arbor 1998, ISBN 0-89264-130-4.
  • Joseph W. Esherick (Hrsg.): China: how the empire fell. Routledge, London/New York 2014, ISBN 978-0-415-83101-7.

Einzelnachweise

  1. Dieter Kuhn: Neue Fischer-Weltgeschichte: Ostasien bis 1800. Fischer, Frankfurt am Main 2014, ISBN 978-3-10-010843-2, S. 17.
  2. Helwig Schmidt-Glintzer: Das neue China: von den Opiumkriegen bis heute. 6. Auflage. Beck, München 2014, S. 11.
  3. Thomas Scharping: Bevölkerungspolitik und demografische Entwicklung: Alte Probleme, neue Perspektiven. In: Doris Fischer (Hrsg.): Länderbericht China. Bundeszentrale für politische Bildung, 2014, ISBN 978-3-8389-0501-3, S. 67 ff.
  4. Feng Tianyu: The New Policies in Hubei. In: Esherick, Joseph (Hrsg.): China: how the empire fell. Routledge, 2014, ISBN 978-0-415-83101-7, S. 109.
  5. Helwig Schmidt-Glintzer: Das neue China: von den Opiumkriegen bis heute. 6. Auflage. Beck, München 2014, S. 1920.
  6. Joseph W. Esherick: Reform and revolution in China – the 1911 Revolution in Hunan and Hubei. 2. Auflage. Center for Chinese Studies, University of Michigan, Ann Arbor 1998, ISBN 0-89264-130-4, S. 11.
  7. Helwig Schmidt-Glintzer: Das neue China: von den Opiumkriegen bis heute. 6. Auflage. Beck, München 2014, S. 15–16.
  8. Helwig Schmidt-Glintzer: Das neue China: von den Opiumkriegen bis heute. 6. Auflage. Beck, München 2014, S. 29, 33 f.
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  10. Helwig Schmidt-Glintzer: Das neue China: von den Opiumkriegen bis heute. 6. Auflage. Beck, München 2014, S. 37.
  11. Feng Tianyu: The New Policies in Hubei. In: Esherick, Joseph (Hrsg.): China: how the empire fell. Routledge, 2014, ISBN 978-0-415-83101-7, S. 111.
  12. Joseph W. Esherick: Reform and revolution in China – the 1911 Revolution in Hunan and Hubei. 2. Auflage. Center for Chinese Studies, University of Michigan, Ann Arbor 1998, ISBN 0-89264-130-4, S. 259.
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  66. Joseph W. Esherick: Reform and revolution in China – the 1911 Revolution in Hunan and Hubei. 2. Auflage. Center for Chinese Studies, University of Michigan, Ann Arbor 1998, ISBN 0-89264-130-4, S. 178.
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  68. Joseph W. Esherick: Reform and revolution in China – the 1911 Revolution in Hunan and Hubei. 2. Auflage. Center for Chinese Studies, University of Michigan, Ann Arbor 1998, ISBN 0-89264-130-4, S. 225–229.
  69. Dieter Kuhn: Die Republik China von 1912 bis 1937 – Entwurf für eine politische Ereignisgeschichte. 3. Auflage. Edition Forum, Heidelberg 2007, ISBN 3-927943-25-8, S. 86–88.
  70. Joseph W. Esherick: Reform and revolution in China – the 1911 Revolution in Hunan and Hubei. 2. Auflage. Center for Chinese Studies, University of Michigan, Ann Arbor 1998, ISBN 0-89264-130-4, S. 234–236.
  71. Joseph W. Esherick: Reform and revolution in China – the 1911 Revolution in Hunan and Hubei. 2. Auflage. Center for Chinese Studies, University of Michigan, Ann Arbor 1998, ISBN 0-89264-130-4, S. 253–255.
  72. Dieter Kuhn: Die Republik China von 1912 bis 1937 – Entwurf für eine politische Ereignisgeschichte. 3. Auflage. Edition Forum, Heidelberg 2007, ISBN 3-927943-25-8, S. 166.
  73. Joseph W. Esherick: Reform and revolution in China – the 1911 Revolution in Hunan and Hubei. 2. Auflage. Center for Chinese Studies, University of Michigan, Ann Arbor 1998, ISBN 0-89264-130-4, S. 9.
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  75. Dieter Kuhn: Die Republik China von 1912 bis 1937 – Entwurf für eine politische Ereignisgeschichte. 3. Auflage. Edition Forum, Heidelberg 2007, ISBN 3-927943-25-8, S. 76.

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