Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (englisch UN World Food Programme, WFP) ist eine gemeinsam von der Generalversammlung der Vereinten Nationen und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) getragene humanitäre Einrichtung und die wichtigste Institution der Vereinten Nationen im Kampf gegen den globalen Hunger. 2020 hat das WFP 100 Millionen Menschen mit Ernährungshilfe in 88 Ländern unterstützt.[1] Größtenteils handelt es sich dabei um die Versorgung von Menschen in Not mit Nahrungsmitteln oder Bargeldtransfers nach Naturkatastrophen, Dürren oder gewalttätigen Konflikten. Außerdem hilft das WFP auch Menschen in Gebieten mit dauerhaft schlechter Ernährungslage und führt dort Entwicklungsprojekte durch. Hierzu zählen Schulspeisungsprogramme[2] für etwa 17,5 Millionen Kinder pro Jahr in 59 Ländern oder so genannte Food-for-Work-Programme, bei denen Menschen Nahrungsmittel als Ausgleich für ihre verrichtete Arbeit erhalten, die der nachhaltigen Entwicklung dienen – etwa dem Bau von Brunnen oder Bewässerungskanälen.
Welternährungsprogramm World Food Programme | |
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Organisationsart | Nebenorgan der Vereinten Nationen |
Kürzel | WFP |
Leitung | David Beasley seit 2017 Vereinigte Staaten |
Gegründet | 1961 |
Hauptsitz | Rom Italien |
Oberorganisation | Vereinte Nationen |
www.wfp.org |
Neben 14 Verbindungsbüros in den wichtigsten Geberstaaten (u. a. in Berlin für den deutschsprachigen Raum) gibt es weltweit über 80 Länderbüros, in denen das WFP die Arbeit vor Ort koordiniert.[3]
2020 wurde der Organisation der Friedensnobelpreis für ihren Einsatz „im Kampf gegen Hunger und für bessere Friedensbedingungen in Konfliktregionen“ zuerkannt. Sie sei „eine treibende Kraft, um zu verhindern, dass Hunger als Waffe in Krieg und Konflikten eingesetzt werde“.[4][5] Trotz des weltweiten Reisebeschränkungen erreichte das WFP 2020 den größten Hilfseinsatz seiner Geschichte und unterstützte bis zu 138 Millionen Menschen weltweit.[6]
Organisation und Finanzierung
Das Hauptquartier des WFP liegt in der italienischen Hauptstadt Rom. Die Organisation beschäftigt circa 20.000 Mitarbeiter, wovon 90 % der Mitarbeiter in den Projektländern arbeiten.[7] Exekutivdirektor des WFP ist seit April 2017 der US-Amerikaner David Beasley. Der Leiter des Verbindungsbüros in Berlin für Deutschland, Österreich und Liechtenstein ist Heiko Knoch.[8][9]
Das WFP verfügt nur über einen sehr geringen festen Etat. Die Einrichtung finanziert sich überwiegend aus freiwilligen Zuwendungen von Geberstaaten, die in der Regel bestimmte Programme gezielt finanzieren. Außerdem sind Spenden von Unternehmen und Privatpersonen von Bedeutung. Noch im Jahr 2007 betrug der Etat knapp 3 Milliarden US-Dollar. Im Zuge der Welternährungskrise stieg es 2008 auf 5 Milliarden US-Dollar. Für 2010 wurde mit Ausgaben in Höhe von fast 6 Milliarden US-Dollar gerechnet, tatsächliche Spenden beliefen sich auf etwa 3,82 Milliarden US-Dollar.[10] 2020 beliefen sich die Gesamtzuwendungen auf die Rekordsumme von rund 8,5 Milliarden US-Dollar.[11] Die Zuwendungen erfolgen überwiegend in Barmitteln, teils auch in Sachspenden. Gesteuert wird das WFP vom so genannten „Exekutivrat“. Hier sind 36 Staaten abwechselnd vertreten, zurzeit auch Deutschland. 2011 war Deutschland der viertgrößte Geber des WFP.[12] 2015 und 2016 war Deutschland jeweils drittgrößtes Geberland – 2015 mit mehr als 296 Millionen Euro für über 45 WFP-Operationen[13] beziehungsweise 2016 mit mehr als 894 Millionen US$ für die WFP-Operationen.[14] 2017 war Deutschland zweitgrößter Geber nach den USA.[15] Auch 2020 war Deutschland zweitgrößter Geber nach den USA und stellte WFP die Rekordsumme von 1,06 Milliarden Euro zur Verfügung.[16]
Das WFP ist rechtlich nicht selbständig und damit auch keine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, sondern – wie z. B. UNICEF und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen auch – als Nebenorgan ein integraler Teil der Vereinten Nationen.
2013 kritisierte die Initiative Nachrichtenaufklärung die Intransparenz der Vergabe der Gelder des Welternährungsprogramms.[17]
Geschichte
Die Gründung des WFP wurde 1961 von der UN-Generalversammlung und der FAO beschlossen, um die Nahrungsmittelversorgung in Kriegs- und Katastrophengebieten zu sichern. 1963 nahm das WFP seine Arbeit offiziell auf. Neben dem WFP sitzen mit der FAO und dem Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) zwei UN-Sonderorganisationen in Rom, die sich mit dem Thema Ernährung befassen. Heute ist das WFP die weltweit größte Einrichtung zur Versorgung von hungernden Menschen. Im Laufe der Jahrzehnte entstand eine enge Zusammenarbeit zwischen dem WFP und zahlreichen internationalen Hilfsorganisationen und nichtstaatlichen Organisationen. Das WFP arbeitet im Schnitt jedes Jahr mit ca. 1.000 Nichtregierungsorganisationen zusammen.[18]
Das WFP ist auch für den Betrieb des Humanitären Flugdienstes der Vereinten Nationen (UNHAS) zuständig. UNHAS befördert Personal und Sachgüter von zahlreichen Hilfsorganisationen mit Flugzeugen in Krisengebiete wie etwa im Sudan, in Afghanistan oder in Westafrika.[19]
Programm
Das WFP besitzt einen humanitären und unpolitischen Auftrag. Es hilft dort, wo Menschen von Hunger betroffen sind und die jeweilige nationale Regierung um Hilfe bittet – unabhängig von den politischen Umständen. In den letzten Jahren sind integrative Ansätze, die Entwicklungszusammenarbeit und Ernährungshilfe vereinen, zunehmend wichtiger geworden. So kaufte das WFP 2019 weltweit 3,5 Millionen Tonnen Nahrungsmittel im Wert von 1,7 Milliarden US-Dollar ein, wobei 81 % davon in den Entwicklungsländern lokal beschafft und so in die dortige Landwirtschaft investiert wurde.[20][10] In diesen Kontext fällt auch die von WFP gestartete Initiative „Purchase for Progress“ (P4P). Dieses Pilotprojekt soll durch den lokalen Ankauf von Nahrungsmitteln bei Kleinbauern die lokalen und nationalen Märkte in den von Ernährungsunsicherheit betroffenen Ländern stärken, die Produktivität der Kleinbauern erhöhen und sie so von Hunger und Armut befreien.
Die Arbeit des WFP in Katastrophen- und Krisengebieten ist oftmals gefährlich. So wurden im Sudan 2008 über 80 Lastwagenfahrer des WFP überfallen und entführt, zwei Fahrer wurden ermordet.[21] Auch in Somalia wurden Anfang 2009 zwei einheimische WFP-Mitarbeiter ermordet.[22] Der dortige Einsatz erlangte auch im Zuge der Piraterie am Horn von Afrika und der internationalen Marinemissionen Atalanta, die auch die Schiffe des WFP schützen sollen, eine gewisse Bekanntheit. Am 5. Oktober 2009 verübte ein Selbstmordattentäter einen Bombenanschlag auf Büros des WFP in Islamabad und tötete fünf Menschen.[23]
ShareTheMeal
Um das Thema Hunger und entsprechende Spenden gegen den Hunger in das Alltagsleben jedes Einzelnen zu bringen, veröffentlichte das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen im Jahr 2015 die Smartphone-App ShareTheMeal für iOS (App Store) und Android (Google Play Store und Amazon Appstore). Mit dieser App kann der Nutzer direkt Geld an bedürftige Kinder spenden. Mit einem Betrag von 70 Cent kann jeweils ein Kind einen Tag mit Essen versorgt werden. Mit Stand Februar 2019 waren so nach eigenen Angaben mehr als 33 Millionen Mahlzeiten finanziert worden.[24][25] Im März 2021 wurde die 100 Millionen Mahlzeiten Marke erreicht.[26]
- Das WFP-Schiff Martin löscht seine Fracht in Liberia während des Zweiten Liberianischen Bürgerkriegs, 2003
- Gepanzerte Fahrzeuge des WFP eskortieren UN-Fahrzeuge mit den sterblichen Überresten von Opfern von Bombenanschlägen im Irak, 2003
- LKW mit Hilfsgütern in Umm Qasr (Irak), 2003
- Nahrungsmittel-Lieferung in Abu Shouk (Sudan), 2009
Ziele für nachhaltige Entwicklung
Hunger ist das größte Gesundheitsrisiko weltweit. Mehr Menschen sterben jährlich an Hunger als an AIDS, Malaria und Tuberkulose zusammen. Genau deshalb ist "Ernährung sichern – den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern" das zweite der Ziele für nachhaltige Entwicklung.[27]
Ein wichtiges Hauptziel des Welternährungsprogramms ist es daher, "Hunger zu beenden, Ernährung zu verbessern, den Zugang zu Nahrungsmitteln und deren Verfügbarkeit zu sichern und nachhaltige Landwirtschaft zu fördern".[28]
Hungernde weltweit
Die Zahl der Hungernden hat im Vergleich zu 1990 abgenommen. Seit einigen Jahren nimmt Hunger jedoch wieder zu.[29] Im Jahr 2016 litten nach Schätzungen der FAO 815 Millionen Menschen an Hunger. Das sind rund 200 Millionen Hungernde weniger im Vergleich zu 1990–1992, jedoch gegenüber dem absoluten Tiefstand 2013 und 2014 etwa 40 Millionen mehr. Auch in Relation zur Weltbevölkerung stieg 2016 der Anteil der Hungernden von 10,6 % auf 11,0 %. 2019 litten 690 Millionen Menschen Hunger.[30]
Zwei gegenläufige Bewegungen spielten 2013–2015 eine Rolle: In Asien nahm die Zahl der Hungernden ab, während sie in Subsahara-Afrika zunahm. Im Jahr 2016 nahm sie dann in den meisten Regionen der Welt zu. Ursachen waren vor allem Konflikte, hinzu kamen Einflüsse des El Niño und Klimawandels sowie Wirtschaftsschwäche in Ländern mit bedeutsamen Rohstoffexporten.[31]
Jahr | Anzahl der Hungernden in Mio. | Prozent |
---|---|---|
2000 | 900,0 | 14,7 |
2001 | 917,5 | 14,8 |
2002 | 936,3 | 14,9 |
2003 | 947,2 | 14,9 |
2004 | 941,7 | 14,6 |
2005 | 926,0 | 14,2 |
2006 | 890,9 | 13,5 |
2007 | 854,5 | 12,8 |
2008 | 831,8 | 12,3 |
2009 | 814,7 | 11,9 |
2010 | 794,6 | 11,5 |
2011 | 782,1 | 11,2 |
2012 | 779,3 | 11,0 |
2013 | 775,4 | 10,8 |
2014 | 775,4 | 10,7 |
2015 | 777,0 | 10,6 |
2016 | 815,0 | 11,0 |
2017[33] | 811,7 | 10,8 |
2018[34] | 821,6 | 10,8 |
2019[35] | 690,0 | 8,9 |
Welternährungskrise
2008 kam es bei Nahrungsmitteln zu drastischen Preissteigerungen, teils um mehrere hundert Prozent. In zahlreichen Ländern brachen deshalb sogar so genannte Hungerrevolten aus, in Haiti stürzte im April die Regierung. Im Zuge der Welternährungskrise wurde auch das WFP stark gefordert. Im Laufe des Jahres 2008 musste es seine Operationen massiv ausweiten und sein Budget nahezu verdoppeln. So unterstützte das WFP im Jahre 2008 102 Millionen Menschen in 78 Ländern mit Ernährungshilfe. 2012 musste das WFP über 90 Millionen Menschen in 75 Ländern mit Ernährungshilfe unterstützen.[36] Obwohl das extrem hohe Preisniveau mittlerweile gesunken ist, kostet Getreide immer noch deutlich mehr als vor der Nahrungsmittelkrise. Dies trifft Menschen in Armut, die schon vorher zwei Drittel bis drei Viertel ihres Einkommens für Essen ausgeben mussten, sehr hart.
Noch vor 30 Jahren hungerte mehr als jeder dritte Mensch auf der Erde, heute ist es noch jeder sechste.[37]
Siehe auch
- Fight Hunger: Walk the World (Aktion des WFP gegen den Welthunger)
- Flughafen Brindisi (United Nations Logistic Base, die größte ihrer Art)
- Sondernahrungsmittel für Ernährungshilfe
Weblinks
- Offizielle Website des WFP
- JAM (Joint Aid Management)
- Welternährungsbericht 2012
- Uwe Buse: Gerechtigkeit – Die Sachzwänge der Götter – Der Spiegel, 52/2010
Einzelnachweise
- WFP at a glance | World Food Programme. Abgerufen am 31. März 2021 (englisch).
- Schulspeisungprogramme, zusätzlicher Text.
- WFP 2021 Global Presence Map - English. Map of Country Offices, Regional Bureaux, Centres of Excellence, Humanitarian Response Depots and other WFP offices worldwide. Verfügbar auf https://multimedia.wfp.org/
- The Nobel Peace Prize 2020. In: nobelprize.org, 9. Oktober 2020.
- UN-Organisation: Welternährungsprogramm erhält den Friedensnobelpreis. In: Handelsblatt.com. 9. Oktober 2020, abgerufen am 9. Oktober 2020.
- "Ohne Frieden können wir eine Welt ohne Hunger nicht erreichen". Über das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen. In: Diplomatisches Magazin. Nr. 1/2021.
- Überblick | World Food Programme. Abgerufen am 31. März 2021.
- WFP Berlin | World Food Programme. Abgerufen am 31. März 2021.
- WFP Büro für Deutschland, Österreich und Liechtenstein
- Ausgaben (Memento vom 18. Oktober 2012 im Internet Archive), zusätzlicher Text.
- Contributions to WFP in 2020 | World Food Programme. Abgerufen am 31. März 2021.
- Rekordzahlungen der Deutschen Bundesregierung (Memento vom 5. Januar 2013 im Webarchiv archive.today), zusätzlicher Text.
- de.wfp.org/deutschland-und-wfp
- Contributions to WFP in 2016 | WFP | United Nations World Food Programme – Fighting Hunger Worldwide. Abgerufen am 1. Juni 2017 (englisch).
- Interview in der FAZ vom 4. Juli 2017, S. 4 (Memento vom 4. Juli 2017 im Internet Archive)
- Deutschland und WFP – Gemeinsam gegen den Hunger | World Food Programme. Abgerufen am 31. März 2021.
- 2013: Top 3 – UN-Welternährungsprogramm ist intransparent. In: Initiative Nachrichtenaufklärung. Abgerufen am 26. Oktober 2019.
- Nichtregierungsorganisationen | World Food Programme. Abgerufen am 31. März 2021.
- Humanitäre Dienstleistungen | World Food Programme. Abgerufen am 31. März 2021.
- World Food Programme (WFP): WFP Supply Chain Annual Report. 2019 in Review. Rom Juni 2020, S. 26 (wfp.org).
- Gunmen shot dead two workers for a French aid group
- „The World Food Programme has halted its food shipments to Somalia in a high-stakes attempt to press local warlords to rein in violence that has killed two of its employees this month.“
- WFP-Pressespiegel zu Pakistan
- Artikel zum Start von ShareTheMeal
- ShareTheMeal. Zählerstand bei Aufruf: 20.064.074. Abgerufen am 25. Februar 2019.
- We've reached 100 million shared meals 🙌 Thanks for being part of our incredible journey 💛. Abgerufen am 31. März 2021 (deutsch).
- Zero Hunger | World Food Programme. Abgerufen am 31. März 2021.
- Zero Hunger | World Food Programme. Abgerufen am 31. März 2021.
- THE STATE OF FOOD SECURITY AND NUTRITION IN THE WORLD 2020. Abgerufen am 31. März 2021.
- THE STATE OF FOOD SECURITY AND NUTRITION IN THE WORLD 2020. Abgerufen am 31. März 2021.
- FAO, IFAD, UNICEF, WFP und WHO (Hrsg.): The State of Food Security and Nutrition in the World 2017. Building resilience for peace and food security. Rom 2017, ISBN 978-92-5109888-2, S. 5–6,27 (fao.org [PDF; 4,4 MB]).
- How close are we to #ZeroHunger? The State of Food Security and Nutrition in the World. FIGURE 1 – The number of people undernourished in the world has been on the rise since 2014, reaching an estimated 815 million in 2016. FAO, 2017, abgerufen am 17. September 2017 (englisch).
- The state of food security and nutrition in the world - 2019 | FAO | Food and Agriculture Organization of the United Nations. Abgerufen am 31. März 2021.
- The state of food security and nutrition in the world - 2019 | FAO | Food and Agriculture Organization of the United Nations. Abgerufen am 31. März 2021.
- THE STATE OF FOOD SECURITY AND NUTRITION IN THE WORLD 2020. Abgerufen am 31. März 2021.
- Steigende Nahrungsmittelpreise: 10 Fragen und Antworten
- Die Zahl der Hungernden ist seit 1990 um 130 Millionen zurückgegangen, jedoch steigt die Hungerzahl seit 2008 wieder an. (Quelle: State of Food Insecurity in the World, FAO, 2012)