Stadtschreiber (Literaturpreis)
Stadtschreiber bezeichnet einen meist mit einem Stipendium verbundenen kommunalen Literaturpreis, den einige Städte seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vergeben. Der Preis ist in der Regel mit kostenloser Wohnung sowie meist einer zusätzlichen kulturellen Aufgabe in der entsprechenden Gemeinde verbunden (oft auf zwei Monate, ein halbes oder ganzes Jahr befristet). Varianten des Stadtschreibers sind der Münchner Turmschreiber oder der Seeschreiber (Wolfgangsee).
Deutschland
Das erste Stadtschreiberamt als literarische Auszeichnung seit 1974 geht auf den Autor der Gruppe 47, Franz Joseph Schneider zurück, der in seiner Heimatstadt Bergen-Enkheim Kommunalpolitiker für seine Idee des Stadtschreibers von Bergen begeistern konnte.
Im Renommee mit Bergen-Enkheim vergleichbar ist der Mainzer Stadtschreiber, der ein Preisgeld erhält und darüber hinaus ein Jahr in der Stadtschreiberwohnung im Renaissanceflügel des Gutenberg-Museums wohnen darf. Eine monatliche Zuwendung und kostenfreie Wohnung erhält auch der Dresdner Stadtschreiber, allerdings jeweils nur für sechs Monate.
Auch die Städte Beeskow, Bernburg (Saale), Bonn, Erfurt, Gotha (Kurd-Laßwitz-Stipendium)[1], Halle (Saale), Hausach[2], Magdeburg, Mannheim, Otterndorf, Ranis, Rheinsberg, Rottweil, Soltau, Stuttgart, Trier, Tübingen und Unna vergeben eine Stadtschreiber-Auszeichnung. 2013 hat Bayreuth erstmals ein Stadtschreiber-Stipendium ausgeschrieben.[3] Seit 2017 gibt es auch einen Stadtschreiber für das Ruhrgebiet.[4]
Zum Gastlandauftritt Indiens auf der Frankfurter Buchmesse 2006 reisten im Projekt „Akshar-Stadtschreiber“ sieben indische und sieben deutsche Autoren für vier Wochen in das jeweils andere Land und berichteten in Tagebuch-Notizen von ihren Impressionen. Das Wort Akshar stammt aus dem Sanskrit und bedeutet Buchstabe oder Alphabet, oder eine kleinste, unzerstörbare Einheit. Auf der Frankfurter Buchmesse berichteten alle vierzehn Autoren von ihren Erlebnissen.[5]
Auf Sylt gibt es mittlerweile einen Inselschreiber und in der Schwarzwald-Gemeinde Eisenbach (Hochschwarzwald) seit 2006 einen Dorfschreiber.[6]
Allerdings ist diese Form des Literaturpreises nicht frei von Konfliktstoff, so sagte der Schriftsteller Andreas Maier 2004 in Potsdam ab, nachdem die unerfahrene dortige Stadtverwaltung ein schlimmes Durcheinander angerichtet hatte.[7]
Einen genau genommen unechten, aber sehr attraktiven Stadtschreiber-Posten vergibt das Goethe-Institut. Der zweimonatige Stadtschreiber in Peking hat mit der Kommunalverwaltung der chinesischen Hauptstadt fast gar nichts zu tun, sondern ist eine PR-Aktivität der dortigen Red Gate Gallery in Kooperation mit dem Goethe-Institut.[8]
Österreich
- Stadtschreiber von Graz
- Stadtschreiber von Salzburg
- Kitzbüheler Stadtschreiber
- Stadtschreiber von Klagenfurt, automatisch gekoppelt an den BKS-Publikumspreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb
- Stadtschreiber von Schwaz[9]
Schweiz
- Die Stadt Zug kannte von 1991 bis 1994 die Institution des Stadtbeobachters. Diesen Preis erhielten Werner Söllner, Martin R. Dean und Zsuzsanna Gahse.[10][11][12]
- Zürich (ab 2010)[13][14]
In der Schweiz gibt es im Unterschied zum hier behandelten Preisträger heute noch den eine öffentliche Funktion erfüllenden Stadtschreiber, meistens als Gemeindeschreiber oder Staatsschreiber bezeichnet.
Niederlande & Belgien
Auch im niederländischen Sprachraum gibt es Stadtschreiber. Die erste Stadt mit einem Stadtschreiber war Venlo in der Provinz Limburg im Jahre 1993. Es folgten das südholländische Dordrecht und das nordholländische Beverwijk im Jahr 2001.
Inzwischen haben viele Städte einen sogenannten stadsdichter. In den Niederlanden sind dies: Groningen, Middelburg, Velsen, Gouda, Tilburg, Enschede, Rotterdam, Den Haag, Zütphen, Utrecht, Helmond, Zwolle, Alkmar, Deventer, Tiel, Nijmegen, Roermond, Haarlem, Vlaardingen, Leeuwarden, Hoorn, Den Helder, Valkenswaard, Westervoort, Zandvoort und Lelystad.
Eine besondere Einrichtung in den Niederlanden ist die Vergabe des Titels Dichter des Vaderlands, der seit dem Jahre 2000 vergeben wird und von dem englischen Poet Laureate abgeleitet ist.
Außerdem gibt es in folgenden flämischen Städten einen Stadt- oder Dorfschreiber: Antwerpen, Gent, Brüssel, Galmaarden, Damme, Deinze, Halle, Diest, Doel, Ninove und Opwijk.
Siehe auch
Weblinks
- Literaturpreis Bergen-Enkheim (Frankfurt) (Memento vom 2. November 2005 im Internet Archive)
- Zwischen Marketing und Mäzenatentum: Fördern Stadtschreiber-Stellen die Literatur?, Podcast einer 44-minütigen Debatte im SWR2 vom 4. Juli 2016
- Anant Kumar: Was ist eigentlich eine Stadtschreiber-Position?, Gotha.de vom 5. September 2015
Einzelnachweise
- Anant Kumar ist Kurd-Laßwitz-Stipendiat 2015
- Leselenz Hausach (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Stadtschreiber von Bayreuth: Volker Strübing, Juli 2013
- Gila Lustiger wird Stadtschreiberin Ruhr, deutschlandfunkkultur.de, 26. Juli 2017, abgerufen am 27. Juli 2017
- Goethe-Institut: Akshar-Stadtschreiber zur Frankfurter Buchmesse Gastland Indien 2006 (Memento vom 17. August 2007 im Internet Archive)
- Dorfschreiber-Stipendium in Eisenbach
- Literat gibt nach wochenlangem Hickhack Stipendium zurück, Berliner Zeitung vom 26. November 2004, abgerufen 3. Juli 2016
- Stadtschreiber in Peking, Goethe-Institut, abgerufen 3. Juli 2016
- Literaturforum Schwaz – Stadtschreiber (Memento des Originals vom 21. April 2009 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Stadt Zug: Bericht und Antrag zur Weiterführung, 28. Januar 1992 (pdf; 289 kB)
- Stadt Zug: Bericht und Antrag zur Weiterführung, 14. September 1993 (pdf; 289 kB)
- Protokoll des Grossen Gemeinderates von Zug, 8. März 1994 (pdf; 2,2 MB)
- «Da kommt unser Stadtschreiber!», Tages-Anzeiger vom 21. Dezember 2010
- Webseite Writers in Residence (Zürich)