Simmering-Graz-Pauker
Die Simmering-Graz-Pauker AG (SGP), ursprünglich gegründet als Simmering-Graz-Pauker Aktiengesellschaft für Maschinen-, Kessel- und Waggonbau, war eine der wichtigsten österreichischen Maschinen- und Motorenfabriken des 20. Jahrhunderts. Sie entstand 1941 durch Fusion der Simmeringer Maschinen- und Waggonbau-Aktiengesellschaft mit der Grazer Maschinen- und Waggonbau-Aktiengesellschaft und der Paukerwerk Aktiengesellschaft aus Wien. 1989 wurde das Unternehmen geteilt. Das Werk in Wien ist nun Hersteller von Straßenbahn- und U-Bahn-Zügen. Das Werk in Graz gehört heute zum Siemens-Konzern und stellt Teile für Triebfahrzeuge her.
Simmering-Graz-Pauker AG | |
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Rechtsform | Aktiengesellschaft |
Gründung | 1941 |
Auflösung | 1989 |
Auflösungsgrund | Teilung und spätere Übernahme durch Siemens |
Sitz | Wien, Österreich |
Branche | Maschinenbau (Schienenfahrzeuge Motoren) |
Geschichte
Im Jahre 1941 wurden die Simmeringer Waggonfabrik und die Grazer Waggonfabrik, welche bereits seit 1934 fusioniert waren, gemeinsam mit den Paukerwerken in Floridsdorf unter der Führung der Reichswerke Hermann Göring zur Simmering-Graz-Pauker Aktiengesellschaft für Maschinen-, Kessel- und Waggonbau zusammengeschlossen. Das Unternehmen war auch in der Rüstungsindustrie tätig, die Unternehmensstandorte mussten in Folge der Bombardements starke Kriegszerstörungen hinnehmen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Unternehmen mehrheitlich in Staatsbesitz und baute ein weit verzweigtes Netz von internationalen Büros und Filialen in Asien, Südamerika und Europa mit mehreren tausend Mitarbeitern auf. 1958 wurde die traditionsreiche Lokomotivfabrik Floridsdorf übernommen und bis 1969 als Zweigwerk für den Lokomotivbau geführt. Die Gesellschaft erlebte bis Mitte der 1980er Jahre ein rasantes Wachstum und war das führende Maschinenbauunternehmen in Österreich.
Im Zuge der Umstrukturierungen der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft (ÖIAG) erfolgte im Jahr 1989 die Teilung der Simmering-Graz-Pauker (SGP) in die SGP Verkehrstechnik GmbH und in die SGP-VA Energie- und Umwelttechnik GmbH, wobei zu der Letztgenannten Bereiche der VOEST-Alpine hinzukamen. Im Jahr 1992 beteiligte sich die Siemens AG Österreich mit 26 Prozent an der SGP Verkehrstechnik GmbH und kaufte 1993 weitere 48 Prozent. Die restlichen 26 Prozent blieben im Besitz der Austrian Industries, ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der ÖIAG. Durch den Einstieg von Siemens und einer Neuausrichtung wurde die ausschließliche Abhängigkeit von ÖBB-Aufträgen abgelegt. War beispielsweise die SGP im Jahr 1985 noch nahezu zu 100 Prozent von Aufträgen der ÖBB abhängig gewesen, so machte der ÖBB-Anteil am SGP-Umsatz 1994 nur noch 20 Prozent aus.[1]
Im Jahr 1996 erfolgte die Umbenennung in Siemens SGP Verkehrstechnik GmbH. Dieser Name wurde jedoch zum 1. April 2004 aufgegeben. Bis 30. September 2009 waren die ehemaligen Fabriken von SGP Teil der „Siemens Transportation Systems Österreich GmbH & Co KG“. Mit dem 1. Oktober 2009 wurde die Gesellschaft zur Aktiengesellschaft umgewandelt und firmiert seitdem als Siemens AG Österreich. Die Werke sind mittlerweile ein Teil von Siemens Mobility und wurden von Vollsortimentern in spezialisierte Kompetenzzentren umgewandelt.
Werke
Das Werk in Wien-Simmering feierte am 16. September 2006 sein 175-jähriges Bestehen, gebaut werden Metro- und Straßenbahn-Fahrzeuge.
Das Werk Graz ist heute auf die Konstruktion und Fertigung von Pantografen, Drehgestellen und anderen Fahrwerken spezialisiert, u. a. werden hier die Triebdrehgestelle für die neuen ICE-4-Triebzüge gefertigt. Im Werk Wien werden heute Metro-Fahrzeuge und Reisezugwagen gebaut. Außerdem werden an beiden Standorten Schienenfahrzeuge entwickelt, die in anderen Werken gefertigt werden.
Produkte
Schwerpunkte waren die Energietechnik mit dem Bau von Turbinen und Dampfkesseln bis hin zu kompletten Kraftwerken sowie die Verkehrstechnik mit dem Bau von Dieselmotoren, Waggons, Lokomotiven und Triebwagen für die ÖBB, Straßenbahn-Fahrzeugen für die Wiener und Grazer Verkehrsbetriebe sowie U-Bahn-Triebwagen („Silberpfeil“ und „V-Wagen“).
Ende der 1950er Jahre wurde mit der S-G-P M.222 Flamingo ein eigener Flugzeugtyp entwickelt, der am 15. Mai 1959 seinen Erstflug hatte.
Galerie
- Die ÖBB 1041 war die erste neu konstruierte E-Lok nach dem Krieg und wurde von SGP-Graz gebaut.
- Die Loks der Reihe 1141 sind die Weiterentwicklung der Reihe 1041 mit schnittigerem Wagenkasten und höherer Geschwindigkeit.
- Die Verschublokomotiven der Reihe 1062 waren von 1955 bis 1995 bei den ÖBB in Einsatz und führten auch Güterzüge.
- Die schweren sechsachsigen Elektroloks der Reihe ÖBB 1010 liefen vor allem im hochwertigen Schnellzugsdienst auf der Westbahn. Sie hatten eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h.
- Für den Einsatz auf Gebirgsstrecken und Linien mit schwächerem Oberbau beschafften die ÖBB die Weiterentwicklung ÖBB 1110 mit einer geringeren Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h. Einige Loks erhielten eine Gleichstrom-Widerstandsbremse, sie wurden als Reihe 1110.500 bezeichnet.
- Die ÖBB 1042 war die letzte im Werk Floridsdorf gebaute Lokomotivtype. Sie war eine der ersten Universallokomotiven der ÖBB und jahrzehntelang die Semmering-Lok. Die heutigen Loks der Reihe 1142 wurden jedoch bereits im Werk Graz gefertigt.
- Die ÖBB-Baureihe 1044 waren die ersten thyristorgesteuerten Loks in Österreich und sind nach wie vor unverzichtbar. Bis 2010 wurden alle Maschinen außer 1044 501 (ex 001) zur Reihe 1144 umgebaut. Wegen ihres lauten Lüftergeräusches werden die Maschinen auch "Alpenstaubsauger" genannt.
- Eine der modernsten Lokomotiven von SGP war die Baureihe 1012, die gleich viel Leistung wie ein Taurus aufbringt. Allerdings war sie sehr teuer, sodass sich die ÖBB für die günstigere Reihe 1016/1116 entschieden.
- Die ÖBB 2045 war die erste Dieselloktype für Normalspur der ÖBB. Sie wurde nach amerikanischem Muster mit Mittelführerstand gebaut und besaß zwei dieselelektrische Antriebsanlagen zu je 500 PS.
- Zur ab 1958 von Henschel und General Motors gebauten dieselelektrischen ÖBB 2050 lieferte das SGP-Werk Lokomotivfabrik Floridsdorf die Drehgestelle.
- Die 600 PS starken B’B’-Schmalspur-Dieselloks der ÖBB-Reihe 2095 (gebaut ab 1958) trugen wesentlich zur Verdieselung der österreichischen Schmalspurbahnen bei. Die 2095.01 wurde von den SLB auf der Pinzgaubahn wieder in den Urzustand mit SGP-Logos zurückversetzt.
- Ab 1959 wurden die Verschublokomotiven der Reihe 2067 in 111 Stück gebaut, die noch heute vereinzelt bei den ÖBB in Einsatz sind. Sie zählen zu den ältesten im Dienst stehenden Loks in Österreich und zu den letzten ÖBB-Lokomotiven mit Stangenantrieb.
- Die 1960 gebaute 2200 PS starke dieselhydraulische ÖBB 2020 blieb ein Einzelstück, da ihr vorgesehenes Einsatzgebiet elektrifiziert wurde.
- Die Lokomotiven der ÖBB-Reihe 2143 waren auf vielen nicht elektrifizierten Strecken vor allen Arten von Zügen anzutreffen. Sie war die Schwester-Baureihe der von Jenbacher gebauten ÖBB 2043.
- Der legendäre Blaue Blitz (ÖBB-Reihen 5045 und 5145) war einer der markantesten Triebwagen von SGP. Er fuhr auch als internationaler Schnelltriebwagen nach Venedig (TS Venezia) und Berlin (TS Vindobona). Mit seinen nur 500 PS galt er allerdings auf Steilrampen wie dem Semmering als untermotorisiert.
- Die Triebwagen der ÖBB-Reihe 5046 waren die Nebenbahn-Version der "Blauen Blitze". Auch sie fuhren eine Zeitlang im internationalen Verkehr als TS Venezia.
- Die Schienenbusse der Reihe 5081 waren Lizenzbauten der Uerdinger Schienenbusse.
- Die ab 1961 gebauten Triebwagen Reihe 4030 prägten mit ihrer markanten Farbgebung jahrzehntelang das Bild der Wiener Schnellbahn.
- Dreiteilige Schnellbahngarnitur ÖBB 4020, gebaut von SGP Graz 1978 bis 1987. 1200 kW Leistung, 120 km/h Höchstgeschwindigkeit, 184 Sitzplätze.
- Die Städteschnelltriebwagen der Reihe 4010 liefen auch im internationalen Verkehr, unter anderem als Transalpin. Sie galten lange als die bequemsten österreichischen Schienenfahrzeuge und nach wie vor als Höhepunkt des Fahrzeugbaues in Österreich.
- Die ab 1956 beschafften Gepäcktriebwagen der Reihe 4061 waren ursprünglich für einen Städteschnellverkehr vorgesehen, wurden aber von Anfang an als Lokomotiven eingesetzt und später in 1046 umbezeichnet.
- Die Schmalspur-Triebwagen ÖBB 4090 für die Mariazellerbahn erwiesen sich als teurer technischer Fehlschlag, der häufig untauglich in der Werkstatt stand.
- Die Wiener Type B/b waren die ersten nach dem Krieg (1951) neu gebauten Straßenbahnfahrzeuge. Wegen ihrer pneumatischen Türen wurden sie auch "Zischer" genannt.
- Die N1-Triebwagen der Wiener Stadtbahn entstanden durch Neubau unter Verwendung von Teilen von Altfahrzeugen.
- Die Nachkriegstype der Linzer Straßenbahn lieferte SGP ebenso…
- … wie die der Grazer Straßenbahnen der Reihe 200.
- Auch ältere Fahrzeuge wurden durch SGP modernisiert, wie dieser Triebwagen der Straßenbahn Klagenfurt.
- Die legendären Wiener Straßenbahn-Garnituren Typ C1 waren DÜWAG-Lizenzbauten, da ein eigener Prototyp von SGP technisch floppte.
- Zweiachsige Einrichtungs-Triebwagen der Type L4 der Wiener Straßenbahn aus den frühen 1960er Jahren.
- Die Typen E und E1 der Wiener Straßenbahn waren ebenso Lizenzbauten der DÜWAG-Gelenkwagen, besaßen aber ein anders geformtes Heck. Sie wurden ebenso von den Lohner-Werken gebaut.
- Die von SGP gebaute Reihe 260 der Straßenbahn Graz war bis ca. 2013 im Einsatz, TW 267 ist heute im Besitz des Tramway Museum Graz.
- Die eigenwilligen Gelenktriebwagen der Type F entstanden 1963 aus der Notwendigkeit Schaffner einzusparen, so wurde ein Vorderteil einer Type L4 mit dem Heck einer Type E kombiniert.
- Die Straßenbahnwagen der Type E2 der Wiener Straßenbahn basieren auf dem DÜWAG-Typ Mannheim, ebenso …
- … wie die Serie 500 der Grazer Straßenbahn aus dem Jahr 1978 …
- Die sechsachsigen Triebwagen der Serie 600 der Grazer Straßenbahn lieferte SGP Graz 1986/87. Sie wurden 1999 mit Niederflur-Mittelteilen zu Achtachsern erweitert.
- Vierachsige Lokalbahntriebwagen der SLB und Linzer Lokalbahn
- Triebwagen ET 47 der Salzburger Lokalbahn in Bürmoos, gebaut 1988 von SGP Wien.
- Die Niederflur-Straßenbahnwagen ULF (Type B1) in Wien waren eine der letzten Entwicklungen von SGP und sind bis heute die Straßenbahnen mit der niedrigsten Einstiegshöhe.
- U-Bahn-Wagen Typ V in Wien, eine der letzten Entwicklungen von SGP vor der Übernahme durch Siemens.
- Steuerwagen und Triebwagen der Schwabenbergbahn in Budapest, gebaut von SGP und BBC 1973.
- Die Zahnradtriebwagen (System Abt) der Reihe 5099 waren die ersten dieselhydraulisch angetriebenen Triebwagen für Zahnradbahnen.
- Für die Tannwalder Zahnradbahn und die Linie Podbrezová–Tisovec in der Tschechoslowakei baute SGP (Werk Wiener Lokomotivfabrik Floridsdorf) die dieselhydraulischen, 810 kW starken D-gekuppelten CSD T 426.0. Ähnliche Loks wurden auch für ein Stahlwerk in Ungarn und – als Eigeninitiative der SGP – für die Erzbergbahn (ÖBB 2085.01) gefertigt. Aufgrund ihrer Herkunft werden die tschechischen Maschinen von Eisenbahnfreunden Rakušanka (Österreicherin) genannt.
Weblinks
- Eintrag zu Simmering-Graz-Pauker AG im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
- Offizielle Homepage der Siemens Mobility