Schlacht am Wolchow
Die Wolchow-Schlacht (auch Ljubaner Operation, russisch Любанская операция) war eine Offensive der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg vom 7. Januar bis zum 30. April 1942.
1941: Białystok-Minsk – Dubno-Luzk-Riwne – Smolensk – Uman – Kiew – Odessa – Leningrader Blockade – Wjasma-Brjansk – Charkow – Rostow – Moskau – Tula
1942: Rschew – Charkow – Wolchow – Unternehmen Blau – Unternehmen Braunschweig – Unternehmen Edelweiß – Stalingrad – Operation Mars
1943: Woronesch-Charkow – Operation Iskra – Nordkaukasus – Charkow – Unternehmen Zitadelle – Orjol – Donez-Mius – Donbass – Belgorod-Charkow – Smolensk – Dnepr
1944: Dnepr-Karpaten – Leningrad-Nowgorod – Krim – Wyborg–Petrosawodsk – Operation Bagration – Lwiw-Sandomierz – Jassy–Kischinew – Belgrad – Petsamo-Kirkenes – Baltikum – Karpaten – Ungarn
1945: Kurland – Weichsel-Oder – Ostpreußen – Westkarpaten – Niederschlesien – Ostpommern – Plattensee – Oberschlesien – Wien – Oder – Berlin – Prag
Vorgeschichte
Nach der Einschließung Leningrads (Leningrader Blockade) war der Vormarsch der deutschen Heeresgruppe Nord in der Schlacht um Tichwin vom 16. Oktober bis 30. Dezember 1941 zum Stehen gekommen.
Ziele
Die Truppen der Wolchow-Front (4., 52. und 59. Armee sowie 2. Stoßarmee) unter Kirill Merezkow und die 54. Armee der Leningrader Front hatten zum Jahreswechsel 1941/42 den Wolchow und die Eisenbahnlinie Mga–Kirischi erreicht und sollten nun weiter in Richtung Ljuban gegen die Divisionen der 18. Armee der Heeresgruppe Nord vorrücken. Ihre Aufgabe war es, die deutschen Truppen, die starke Verteidigungsstellungen bei Kirischi und am linken Ufer des Flusses Wolchow bezogen hatten, einzuschließen und somit die Sprengung der Leningrader Blockade einzuleiten.
Verlauf
Am 7. Januar 1942 begann die sowjetische Offensive in einem schwierigen – weil teils bewaldeten – tief verschneiten Gelände. Die Angriffe richteten sich gegen die deutsche 126. und 215. Infanterie-Division. Erst zum 17. Januar gelang es, die erste Verteidigungslinie des deutschen XXXVIII. Armeekorps zu durchbrechen. Die Nordflanke der Hauptangriffsgruppe, welche die 2. Stoßarmee einnahm, wurde von der 4. und 59. Armee (Generalmajor Galanin, ab April General I. T. Korownikow) gedeckt, welche ihre Truppen am Wolchow-Abschnitt beidseitig von Tschudowo konzentrierte. Bis Ende Januar stießen die Truppen der 2. Stoßarmee unter General Nikolai Klykow fast 75 Kilometer tief vor und erreichten mit der Eisenbahnstrecke Nowgorod–Leningrad die Zugänge zur Stadt Ljuban.
Der 54. Armee (General Iwan Fedjuninski) der Leningrader Front gelang es erst Ende März, die Linien des deutschen XXVIII. Armeekorps bei Pogostje westlich von Kirischi zu durchbrechen und etwa 22 Kilometer tief, über den Tigoda-Abschnitt in den Raum nordöstlich von Ljuban vorzurücken. Etwa 20 Kilometer fehlten zur geplanten Verbindung mit der 2. Stoßarmee, welche durch Gegenangriffe des deutschen I. Armeekorps vereitelt wurde.
Inzwischen hatte die deutsche 18. Armee elf Divisionen und eine Brigade gegenüber der sowjetischen Wolchowfront konzentriert und ging am 15. März zur Gegenoffensive über. Am 19. März wurde die 2. Stoßarmee abgeschnitten. Am 27. März gelang es der 52. und 59. Armee unter hohen Verlusten, die Einkesselung wieder aufzubrechen; der Zugang zu den Stellungen der 2. Stoßarmee war jedoch nur drei bis fünf Kilometer breit.
Trotz dieser schwierigen Lage bestand die Stawka weiterhin auf einer Fortsetzung der Offensive, die faktisch bereits zum Erliegen gekommen war. Erst am 30. April 1942 wurde der 2. Stoßarmee, die jetzt unter dem Kommando von General Andrei Wlassow stand, der Befehl erteilt, auf den erreichten Positionen zur Verteidigung überzugehen, womit die Ljubaner Angriffsoperation abgeschlossen war. General Wlassow erhielt von der Stawka erst Ende Mai die Genehmigung zum nötig gewordenen Rückzug.
Die geöffneten Verbindungen zur 2. Stoßarmee wurden von den Deutschen neuerlich getrennt. Zwischen 22. und 27. Juni 1942 übernahm von Norden her General der Kavallerie Kleffel die Aufgabe, den Kessel zusammen mit dem von Süden her operierenden XXXVIII. Armeekorps (General der Infanterie Haenicke) einzuengen und die dortigen Kräfte zu zerschlagen. Bei den am 24. und 25. Juni erfolgten letzten sowjetischen Versuchen, aus den Kessel auszubrechen, wurde die Armee fast vollständig aufgerieben. Nur zwischen 6.000 und 16.000 Rotarmisten konnten die eigenen Linien erreichen, 14.000 bis 20.000 kamen allein bei diesem Ausbruchsversuch ums Leben.
Folgen
Die Rote Armee hatte zwar Geländegewinne erzielt, jedoch unter unverhältnismäßig hohen Verlusten (95.000 Tote und Gefangene, 213.000 Verwundete). Die Ziele der Operation wurden nicht erreicht; die 2. Stoßarmee war vollständig aufgerieben. General Wlassow verbarg sich zunächst hinter den deutschen Linien, geriet aber am 12. Juli in Gefangenschaft, wechselte die Seiten und wurde in Folge Kommandeur der mit Deutschland verbündeten Russischen Befreiungsarmee.
Um sich einen Eindruck von der Härte der Kämpfe zu machen, können exemplarisch die statistischen Zahlen der deutschen 215. Infanterie-Division herangezogen werden. Diese hatte im Zeitraum vom 23. November 1941 bis zum 18. Juli 1942 folgende Verluste zu beklagen:
- 961 Tote
- 3119 Verwundete
- 180 Vermisste
- 1633 Frosterkrankungen II. und III. Grades[1]
Im genannten Zeitraum verschossen im Rahmen der Kampfhandlungen allein die leichten Feldhaubitzen der Division 140.000 Granaten sowie die schweren Feldhaubitzen der Division 30.000 Granaten.[2]
Die Leningrader Blockade dauerte an. Die sowjetischen Truppen versuchten August 1942 in der Ersten Ladoga-Schlacht erneut, die Belagerung zu sprengen und kamen dem deutschen Unternehmen Nordlicht damit zuvor.
Literatur
Bei der Betrachtung sowjetischer Quellen mit Ausnahme von Samisdat- und Tamisdat-Literatur, die bis zum Jahr 1987 veröffentlicht wurden, muss die Tätigkeit der sowjetischen Zensurbehörden (Glawlit, Militärzensur) bei der Revision diverser Inhalte im Sinne der sowjetischen Ideologie berücksichtigt werden. (→Zensur in der Sowjetunion)
- Nikolai Nikolajewitsch Nikulin: ВОСПОМИНАНИЯ О ВОЙНЕ. (dt.: Erinnerungen an den Krieg); Verlag Staatliche Ermitage Sankt Petersburg 2008. (online)
- Ye. Klimchuk: The 2nd Strike Army and General Vlasov – Or Why Because of One Traitor the Blame Was Laid on the Whole Army. Zeitschrift Sovietsky Voin. Ausgabe 4 1990. (englisch)
- David M. Glantz: Soviet Military Deception in the Second World War. Verlag Frank Cass, New York 1989, ISBN 0-7146-3347-X, S. 68–71.
- M. Chosin: Об одной малоисследованной операции. (dt.: Über eine schlecht ausgewertete Militäroperation), Zeitschrift Военно-исторический журнал. Ausgabe 2, 1966. (online)
- Kirill Merezkow: На волховских рубежах. (dt.: An den Ufern des Wolchow), Zeitschrift Военно-исторический журнал. Ausgabe 1, 1965.
Weblinks
Einzelnachweise
- Walter Schelm, Hans Mehrle: Die Geschichte der 215. Infanterie-Division. Nebel Verlag, S. 123.
- Walter Schelm, Hans Mehrle: Die Geschichte der 215. Infanterie-Division. Nebel Verlag, S. 124.