Eisenbahntruppen
Eisenbahntruppen sind Militärabteilungen, die auch als Eisenbahnpioniere bezeichnet werden. Sie bauen, reparieren, betreiben oder zerstören militärisch relevante Eisenbahnstrecken und die dazugehörende Infrastruktur.
Geschichte
Die Aufstellung von Eisenbahntruppen wurde bei den meisten Großmächten mit dem Aufkommen, dem raschen Ausbau und der wachsenden Bedeutung des Eisenbahnnetzes veranlasst, als die Vorteile der Eisenbahn für den Transport von Truppen, schweren Waffen und Nachschub erkannt wurden. Ursprünglich geschah das im deutschsprachigen Raum unter der Bezeichnung „Feldeisenbahnwesen“. In vielen Staaten gab es im Frieden keine oder nur sehr kleine Einheiten dieser Art.
Sezessionskrieg
Im Sezessionskrieg wurde seitens der Nordstaaten sämtliche Eisenbahnstrecken General McClellan mit uneingeschränkter Vollmacht unterstellt. Anfangs formierte MacClellan ein Konstruktionskorps aus einfachen Soldaten, doch erkannte er bald, dass die mangelhafte Vorbildung der Truppen für technische Arbeiten ein militärisch organisiertes Korps mit technisch vorgebildeten Zivilingenieuren und Arbeitern erforderte. Im Laufe des Krieges wuchs diese Truppe auf etwa 25.000 Mann an. Sie war in Bauabteilungen mit Unterabteilungen für Strecken- und Brückenbau sowie in Betriebsabteilungen eingeteilt.
Die Bauabteilungen hatten die Aufgabe, neue Linien zu bauen, zerstörte Bahnanlagen zu reparieren oder gegebenenfalls auch zu zerstören. Die Betriebsabteilungen sorgten für die Beschaffung und richtigen Einsatz des Betriebsmaterials und den Betriebsdienst. Unter Umständen wurden für größere Bauten Zivilarbeiter herangezogen, so beispielsweise bis zu 1.400 Zimmerleute beim Bau der Etowah- und der Chattahoocheebrücke.
Der große und oft entscheidende Einfluss, den diese Eisenbahnabteilungen im Sezessionskrieg auf den Kriegsverlauf ausübten, veranlasste die europäischen Staaten, ähnliche Formationen zu bilden.
Preußen
Preußen schuf 1866 bei der Mobilmachung zum Deutschen Krieg drei Eisenbahnabteilungen, die aus je zwölf vom Handelsministerium zur Verfügung gestellten Eisenbahntechnikern und einem Militärdetachement von etwa 50 Mann bestanden. Das II. Eisenbahnregiment war dabei mit der Königlich Preußischen Militäreisenbahn bei Berlin verbunden. Diese dem Militärfiskus gehörende Bahn wurde von der Königlichen Direction der Militäreisenbahn verwaltet.
Die Tätigkeit der Eisenbahnregimenter war ähnlich derjenigen der amerikanischen Bauabteilungen, während besondere, vom Handelsministerium formierte Betriebskommissionen den Betriebsdienst auf den okkupierten Bahnen regelten.
Die Erfahrungen aus dem Deutschen Krieg führten zur Planung einer ständigen militärischen Organisation des Feldeisenbahnwesens, mit dem schon im Frieden ein Stamm von im Eisenbahnwesen ausgebildetem Personal bereitgehalten werden sollte, was aber bis zum Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870 nicht erreicht werden konnte
Bayern
In Bayern gab es bis zum Ersten Weltkrieg das Königlich Bayerische Eisenbahn-Bataillon. An die Bayerische Eisenbahntruppe erinnert heute ein Denkmal auf dem Gelände des Bundeswehrverwaltungszentrums in München, Dachauer Straße Ecke Hedwig-Dransfeld-Allee. Es ist öffentlich zugänglich.
Deutsches Reich
1870 wurden wieder Feldeisenbahnabteilungen formiert und zwar fünf preußische und eine bayerische. Diese waren jedoch wesentlich besser ausgestattet als 1866: Jeweils 20 Ziviltechniker, 4 Offiziere und etwa 200 Vorarbeiter und Soldaten standen pro Abteilung zur Verfügung. Außerdem wurden für größere Bauaufgaben zusätzlich Zivilarbeiter beschäftigt. Den Betrieb auf den okkupierten Bahnstrecken übernahmen wiederum Betriebskommissionen. Die Eisenbahnabteilungen wurden im Deutsch-Französischen Krieg vielfach eingesetzt, so bei der Reparatur zerstörter Brücken und beim Bau der Bahn zur Umgehung der Festung Metz.
In Preußen wurde am 1. Oktober 1871 ein Eisenbahnbataillon gebildet, der Stamm für das spätere Eisenbahnregiment und für die am 1. April 1890 aufgestellte Eisenbahnbrigade, die drei Regimenter zu je zwei Bataillonen mit je vier Kompanien zählte. Der Eisenbahnbrigade waren eine Depotverwaltung und eine Betriebsabteilung für den Betrieb der Königlich Preußischen Militär-Eisenbahn zugeteilt, deren Offiziere und Mannschaften abwechselnd von verschiedenen Einheiten der Brigade gestellt wurden.
Die Eisenbahntruppen gehörten seit dem 1. Oktober 1899 zu den Verkehrstruppen und waren damit der Inspektion der Verkehrstruppen unterstellt. Die Mannschaften wurden im Eisenbahnbau und Eisenbahnbetriebsdienst ausgebildet und waren dazu bestimmt, sowohl die früheren Feldeisenbahnabteilungen durch Eisenbahnkompanien, wie die Betriebskommissionen durch Eisenbahnbetriebskompanien und Militäreisenbahndirektionen zu ersetzen. Im Krieg wurden die Eisenbahntruppen durch Reserven und Landwehren verstärkt.
Zur Ausbildung der Eisenbahntruppen war dem Heer die Verwaltung der Bahnlinie Berlin – Zossen – Jüterbog (Königlich Preußische Militär-Eisenbahn) übertragen worden.[1] Die Wissensvermittlung fand auf dem Flugplatz Sperenberg statt, der über ein südlich des gleichnamigen Bahnhofes von der Militärbahn abzweigendes Anschlussgleis erreicht wurde.
Neben diesen Einrichtungen zum Bau und Betrieb von normalspurigen Eisenbahnen verwalteten die Eisenbahntruppen Material, um Feldbahnen zu errichten und zu betreiben. Im August und September 1909 wurde im Rahmen einer Heeresfeldbahnübung unter Mitwirkung preußischer und bayrischer Eisenbahnpioniere in Sachsen eine knapp 37 Kilometer lange Feldbahn errichtet.
Erster Weltkrieg
Die Eisenbahntruppen wurden im Ersten Weltkrieg in großem Umfang hinter der Front zum Transport von Truppen und Material eingesetzt. Die Feldbahnen unterstanden dem Chef des Feldeisenbahnwesens (FECH). In den besetzten Gebieten Frankreichs und im besetzten Belgien wurden zur Verwaltung und dem Betrieb der dort erbeuteten Eisenbahnanlagen drei Militär-Eisenbahndirektionen gebildet[2]:
- Militär-Eisenbahndirektion 1 in Lille
- Militär-Eisenbahndirektion 2 in Sedan
- Militär-Eisenbahndirektion 3 in Charleroi, ab September 1916 in Hirson[3]
Der deutsche Militärwissenschaftler George Soldan schrieb ein Jahrzehnt später:
„Große Aufgaben erwuchsen den Eisenbahntruppen bei Großangriffen im Stellungskrieg. Kurz vor dem Großangriff wurden Zuführungsgleise für schwerste Batterien, Gleiskurven und -Klauen für Eisenbahngeschütze und Kolonnenausladestellen gebaut. Geheimhaltung vor dem Feind war ein wichtiges Erfordernis für diese Arbeiten. Im Bewegungskrieg mußte die Eisenbahntruppe anstreben, den vormarschierenden Armeen so dicht zu folgen, daß der mit anderen Transportmitteln zu überbrückende Raum auf ein Mindestmaß beschränkt wurde.“[4]
Zweiter Weltkrieg
Auch im Zweiten Weltkrieg wurden auf deutscher Seite Eisenbahntruppen eingesetzt. (vgl. auch SS-Eisenbahnbaubrigaden)
Bundesrepublik Deutschland und DDR
Die Bundeswehr stellte kurz nach ihrer Gründung eine Eisenbahnpionierlehr- und Versuchskompanie auf, die 1961 als (Sp)PiLVsuKp 872 vom Spezialpionierlehr- und Versuchsbataillon 870 des Territorialheeres übernommen wurde. Die Kompanie wurde 1974 aufgelöst. Ihre Aufgaben übernahmen danach andere Pioniereinheiten.
In der NVA gab es hingegen weiterhin Eisenbahnpioniereinheiten. Somit endete erst mit der Auflösung der NVA 1990 die Geschichte der Eisenbahntruppen in Deutschland.
Schweiz
In der Schweizer Armee gab es bis 2003 den Dienstzweig Militäreisenbahndienst und darüber hinaus noch für einige Jahre die sogenannten Eisenbahnsappeurkompanien.[5][6] Er betrieb in Zürich die zehnstöckige unterirdische Kommandoanlage K85, welche durch den Hirschengrabentunnel zugänglich war. Heute dient die Anlage als Notausgang aus dem Tunnel und kann öffentlich nicht besichtigt werden.[7]
Eisenbahntruppen in der Gegenwart
Weblinks
Literatur
- Christian Kräuchi, Martin Wicki: Die Geschichte des Militäreisenbahndienstes MED. 134 Jahre Militäreisenbahndienst – ein bedeutender Dienstzweig der Schweizer Armee verabschiedet sich! = L’histoire du service militaire des chemins de fer SMC. Verkehrshaus der Schweiz, Luzern 2003, (Ausstellungskatalog).
- Paul Winter: Schweizer Bahnen unter Fahnen. Die Geschichte des Militäreisenbahndienstes. Durch Bilder erweiterte Neuausgabe. Minirex, Luzern 1988, ISBN 3-907014-02-2.
- Horst Rohde (Hrsg.): Das deutsche Feldeisenbahnwesen im Ersten Weltkrieg. Die Eisenbahnen zu Kriegsbeginn (Reprint 2009) u. Kriegsende (Bd. 2). E.S. Mittler & Sohn, Hamburg 2010, ISBN 978-3-8132-0884-9.
Einzelnachweise
- Das kleine Buch vom deutschen Heere. Lipsius & Tischer, Kiel und Leipzig 1901, S. 203.
- Eisenbahndirektion Mainz (Hg.): Amtsblatt der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirektion in Mainz vom 21. November 1914, Nr. 62. Nachrichten, S. 394.
- Eisenbahndirektion Mainz (Hg.): Amtsblatt der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirektion in Mainz vom 23. September 1916, Nr. 48. Nachrichten, S. 300.
- Soldan: ''Der Weltkrieg im Bild: Originalaufnahmen des Kriegs-Bild- und Filmamtes aus der modernen Materialschlacht.'' National-Archiv, Berlin 1930. S. 124
- Paul Winter: Die Geschichte des Militäreisenbahndienstes. Schilderung der Zusammenhänge der Verwendung der Eisenbahnen für Zwecke der Landesverteidigung von Beginn des Bundesstaates bis zum heutigen Tag. Kommando des Militäreisenbahndienstes, Bern 1985.
- Die Geschichte des Militäreisenbahndienstes MED. 134 Jahre Militäreisenbahndienst – ein bedeutender Dienstzweig der Schweizer Armee verabschiedet sich! Verkehrshaus der Schweiz, Luzern 2003.
- Das versteckte Hochhaus. NZZ, 25. Dezember 2012.
- Russische Truppenstärke in Südossetien und Abchasien bleibt unverändert – Vize-Verteidigungsminister. auf der Webseite der RiaNowosti. 4. Oktober 2010.