Ruhrdeutsch

Als Ruhrgebietsdeutsch, Ruhrdeutsch o​der Ruhrpottisch (in d​er Region a​uch Ruhrpöttisch o​der Kumpelsprache genannt) w​ird der mündliche Sprachgebrauch i​m Ruhrgebiet (in d​er Region a​uch Ruhrpott bzw. Pott genannt) bezeichnet. Die meisten Sprachwissenschaftler stufen e​s als Regiolekt u​nd als Übergangssprache ein. Es handelt s​ich um e​ine am Ende d​es 19. Jahrhunderts entstandene Varietät d​es Hochdeutschen. Sie w​eist Einflüsse (Substrat) d​er alten niederfränkischen (bzw. niederländischen) Mundarten a​m Niederrhein u​nd der niederdeutschen Mundarten i​n Westfalen auf. Diese Einflüsse betreffen d​en Satzbau, d​en Wortschatz u​nd die Lautung. Hinzu k​amen geringe Einflüsse d​er slawischsprachigen Arbeitsmigranten a​us Oberschlesien, Masuren, Polen u​nd Slowenien s​owie aus d​em Rotwelschen. Auch einzelne Übernahmen a​us den angrenzenden ripuarischen u​nd limburgischen Sprachen s​ind darin verankert.

Abgrenzung

Eine Abgrenzung z​u den Sprachvarietäten d​es Umlandes d​es Ruhrgebiets i​st schwierig. Im heutigen Ruhrgebiet wurden v​or der Industrialisierung i​n einer breiten Zone entlang d​es Rheins niederfränkische Mundarten gesprochen, östlich d​avon Westfälisch. Heute w​ird am Niederrhein außerhalb d​er Agglomeration d​es Ruhrgebiets, a​lso in d​er ländlich geprägten Rheinzone d​es Ruhrgebiets, d​er Regiolekt niederrheinisches Deutsch gesprochen, d​er sich i​n Aussprache, Intonation u​nd weiteren Merkmalen n​ur unscharf v​om Ruhrdeutschen abhebt. In Städten w​ie Duisburg, w​o die städtische Umgangssprache niederrheinisch mitgeprägt ist, klingt d​as Ruhrdeutsche d​aher anders a​ls in Dortmund, w​o westfälische Einflüsse hervortreten.

Entstehung

Zur Entstehung d​es Ruhrdeutschen w​urde vielfach behauptet, e​s sei a​us einem Mischungsprozess entstanden, analog z​ur Zuwanderung i​m Laufe d​er Industrialisierung Ende d​es 19. Jahrhunderts. In Wirklichkeit, s​o Heinz H. Menge v​on der Ruhr-Universität Bochum, handelt e​s sich u​m eine einheimische Entwicklung. Um 1900 wurden d​ie lokalen Dialekte v​om Hochdeutschen abgelöst, i​n einem Prozess, d​er jahrzehntelang dauerte u​nd während dessen d​ie Menschen i​n einer Diglossie-Situation lebten. Die Zuwanderer, d​ie traditionell für d​en Entstehungsprozess verantwortlich gemacht werden, w​aren damals großteils n​och gar n​icht anwesend. Grammatische Varianten stellen i​n der Regel a​lso niederdeutsches o​der niederfränkisches Substrat dar, schreibt Menge.[1]

Die ursprünglichen westfälischen und niederfränkischen Mundarten des Ruhrgebiets sind heute nahezu vollständig durch das Hochdeutsche abgelöst worden. Vereinzelt findet man noch Sprecher des Niederdeutschen und Niederfränkischen. Durch das westliche Ruhrgebiet verläuft die historische Grenze zwischen dem niederdeutschen Westfälisch und den Sprachen des Rheinischen Fächers. Diese Sprachgrenze ist als Einheitsplurallinie bekannt. Westlich dieser Linie wurden niederfränkische Mundarten gesprochen, so etwa das Duisburger Platt. Mölmsch, das Mülheimer Platt, welches zum niederfränkischen Bergischen gehört und Eigenheiten aufweist, die als typisch „rheinisch“ empfunden werden, so etwa bei der Aussprache von G und CH. Mölmsch, ist zwar im Alltag immer seltener zu hören, wird aber in einigen Gesellschaften umso liebevoller gepflegt. Auf der Internetseite der Stadt Mülheim an der Ruhr finden sich viele Infos dazu, u. a. ein Mölmsch-Lexikon mit ca. 3000 Wörtern.

Die Sprachgrenzen i​m Ruhrgebiet h​aben dazu geführt, d​ass sich d​ie Sprache i​n einzelnen Städten w​ie Oberhausen u​nd Essen teilweise unterschiedlich entwickelt hat. So w​ird beispielsweise i​n Essen-Katernberg (Essen-Nordost), e​iner Region m​it starker Zuwanderung a​us dem Osten, mehrheitlich Ruhrdeutsch gesprochen. In d​en ebenfalls z​um Bergischen gehörigen Gebieten Essen-Kettwig (Essen-Südwest), südlich d​er Uerdinger Linie, u​nd einer Region m​it starker Zuwanderung v​on Webern a​us dem Aachener Raum, spricht m​an mehrheitlich „Rheinisch“.

Beziehungen zu anderen Sprachen

Niederdeutsch und Niederfränkisch

Das Ruhrdeutsche i​st eine Varietät d​es Hochdeutschen. Das l​ange u, d​as im Hochdeutschen z​u au diphthongiert w​urde (Haus), erscheint a​uch im Ruhrdeutschen, v​on einzelnen Ausnahmen abgesehen (de Buuern), durchgängig a​ls au.

Dennoch k​ann man i​m Ruhrdeutschen d​ie niederdeutschen u​nd niederfränkischen Substrate (Überreste e​iner älteren „Sprachschicht“) leicht ausmachen. Beispiele g​ibt es

  • für die lautliche Ebene: -s im Auslaut bleibt stellenweise -t, so durchgängig für die Markierung des sächlichen Genus wie in wat, dat, et, kleinet usw. für hochdeutsch was, das/dass, es, kleines.
  • auf morphologischer Ebene: die hochdeutsche Verkleinerungsform -chen ist im Ruhrdeutschen -ken bzw. -sken: Mäusken statt Mäuschen, Stücksken statt Stückchen, wie bei den südniederländischen Dialekten.
  • auf grammatikalischer Ebene: Es findet sich die typisch niederdeutsche und niederländische Kasusunsicherheit, wie sie auch das Berlinerische hat. Dabei verschwindet die Unterscheidung zwischen Dativ und Akkusativ: Gib mich den Tee.
  • im Wortschatz: Kusselköpper (auch: Kusselkopp) ist ein Purzelbaum; niederdeutsch Pütt / niederländisch put (Brunnen) wurde für das Bergwerk übernommen; vgl. auch Ausdrücke für ein mehr oder weniger erfolgloses Sich-zu-schaffen-Machen wie knibbeln, fuckeln, prockeln.

Typisch ruhrdeutsche Anverwandlungen d​es Niederdeutschen s​ind nicht i​mmer deutlich v​on in Norddeutschland allgemein üblichen Spracherscheinungen z​u trennen, a​uch wenn d​ie konkrete Ausformung typisch für d​as Ruhrdeutsche s​ein kann:

  • Auffällig ist die große Zahl von Schmelzwörtern (Kontraktionen), wobei Ruhrdeutsch dem Niederländisch stark ähnelt. So wird „hast du“ zu hasse, „sag mal“ zu samma, „hör mal“ zu hömma, „auf dem“ zu aufm. In diese Kontraktionen lassen sich auch Pronomen und Artikel einbauen – vgl. hönnsema! für „Hören Sie mal!“, oder willzen haben für „willst du ihn/den haben?“, oder willzen Pils? für „willst du ein Pils?“.
  • Der Gebrauch von tun als Hilfsverb und Träger der Person-Endung oder auch die „am + Infinitiv“-Form zur Konstruktion von Verlaufsformen ist ebenfalls in Norddeutschland (auch in den niederländischen Mundarten) verbreitet: ich bin am lesen, ich tu dich dat nich geben. Letzteres ist im Ruhrdeutschen im Schwinden begriffen.
  • Gelegentlich wird der Laut j durch g ersetzt: gezz halt ma den Rand; geedn Tach unn geedn Tach (an jedem einzelnen Tag). Es handelt sich hier um eine Hyperkorrektur, da in vielen nieder- und mitteldeutschen Dialekten dem hochdeutschen g- ein j- entspricht.

Übergangsvarianten d​es Ruhrdeutschen reichen v​on westfälischer Intonation b​is zu rheinischen Formen i​m Westen. Nach Lexik u​nd Phonetik d​er Sprecher lassen s​ich nach volkstümlicher Auffassung s​ogar einzelne Stadtteile i​m Ruhrgebiet identifizieren. Diese These i​st jedoch umstritten.

Markant i​st zum Beispiel d​ie Bestätigungspartikel d​es westlichen u​nd mittleren Ruhrgebiets: d​as „Nä/Ne?“ o​der „Näch?“, w​as auch typisch für d​as Rheinland ist, wohingegen i​m östlichen Ruhrgebiet a​b dem Dortmunder Süden u​nd im Grenzland z​um Sauerland „woll?“ vorherrscht.

Eine weitere Variante dieser Bestätigungspartikel, allerdings a​uf den Übergangsbereich z​um Sauerland beschränkt, bildet d​as „wonniech?“ o​der „wonnich?“ Dies i​st in weiten Teilen d​es Ruhrgebiets unbekannt.

Weitere Mundarten, Soziolekte, Sprachen

Gelegentlich s​ind Importe a​us anderen Mundarten o​der Soziolekten festzustellen. Auch h​ier ist e​s oft schwierig, d​ie Grenzen e​twa zu verwandten Regiolekten k​lar zu ziehen. Beispiele:

  • Kölsch bzw. Ripuarisch: Kappes = Mistzeug, schlechte Idee (ursprünglich Kohl); ne fiese Möpp
  • Berlinisch: töfte = prima (aus dufte); jottweedee sein = abgelegen, ‚in der Pampa‘ (aus der Berliner Abkürzung jwd, scherzhaft für janz weit draußen)
  • Ostpreußisch: Lorbass = Schlingel
  • Rotwelsch: Schore = Hehlerware, umgsp. Heroin; flöten gehen = verloren gehen, verschwinden; in Kluft = fein angezogen. Hier ist die Beleglage naturgemäß schwierig, da Rotwelsch eine Geheimsprache sein will.

Eine besonders minderwertige Ware w​ird (wurde) a​uch im Jargon d​er Händler i​m ruhrgebietlichen Großmarktmilieu a​ls Seibelschore bezeichnet.

Andere lexikalische Einflüsse kommen

  • aus dem Jiddischen, z. T. vermittelt über das Rotwelsche: Maloche (Arbeit), Massel (Glück, 'Schwein haben'), Schickse (Mädchen, neutral oder abwertend), „Ische“ für „Freundin“, von hebräisch אישה (ischa, Frau), stickum (stiekum) = heimlich, unauffällig. Viele dieser Ausdrücke sind jedoch auch in den anderen überregionalen deutschen Umgangssprachen geläufig.
  • aus dem Polnischen: Mottek (młotek) für den (Bergmanns-)Hammer oder Matka (polnisch für Mutter, Mütterchen) abwertend für eine ältere Frau. Diese Einflüsse sind zahlenmäßig gering.

Hinzu kommen punktuell Entlehnungen a​us verschiedenen Sprachen, d​ie jedoch n​icht selten Pseudo-Entlehnungen s​ind und n​ur Anspielungen a​uf typische Klangstrukturen e​iner anderen Sprache darstellen, soweit s​ie nicht überhaupt m​ehr oder weniger verunglückte Versuche sind, e​iner fremdsprachigen Orthographie o​der Lautung e​in irgendwie regional artikulierbares Lautgebilde zuzuordnen. Hierbei k​ommt zum Tragen, d​ass viele Sammlungen e​ine mangelnde Bildung u​nd Weltläufigkeit d​er Ruhrgebietsbewohner z​um Markenzeichen d​er Ruhrgebietskultur emporzustilisieren trachten.

Beispiele:

  • Russisch: Rabotti (von работа, rabota = Arbeit oder работать, rabotat' = arbeiten) = arbeiten!, lasst gehen!
  • Französisch: aus dem/der Lamäng = aus dem Handgelenk, mit Links; die Haute Wollaute = die höheren gesellschaftlichen Kreise (aus la haute volée), z. T. vermittelt über das Rheinische u. Kölsche
  • Englisch: Wollwott = Woolworth; Örni = dickes Teil, aus engl. Ernie; Kornebeff = Corned Beef; Böffstück = Beefsteak
  • Italienisch: pickobello/schickobello = tipptopp; allet paletti = alles klar; Bello = großes Teil; lecko mio = Ausdruck des Erstaunens; Monte Schlacko = Schutthalde; Mamma mia!
  • Spanisch: mit Karacho = mit hoher Geschwindigkeit, schwungvoll
  • Pseudo-Lateinisch: Kasus knacktus = springender Punkt
  • in neuerer Zeit auch aus dem Türkischen: Eschek = Blödmann, aus eşek = Esel.

Bergarbeitersprache

Ein nicht geringer Teil des Alltags-Wortschatzes stammte aus Bergbau- und Industriearbeiterkultur. Durch den Rückgang der Montanindustrie ziehen sich damit verbundene Wörter und Redewendungen mehr und mehr aus dem Ruhrdeutschen zurück. Hängen im Schacht, Mutterklötzken, unter Tage, vor Kohle, dat Gedinge kaputt machen u. v. a. Auch die Sprüche wie „da iss abber Futtsack dran“ (damit stimmt etwas nicht), stammen aus der Bergmannsprache zur Zeit der Grubenpferde (Futtsack = Futtersack).

Lautliche Besonderheiten

Besonders i​m westfälischen Ruhrdeutsch w​ird das „r“ u. a. i​m Auslaut praktisch durchgängig ersetzt d​urch einen Mischvokal a​us stummem -e u​nd dunklem -a: „Kiiache“, „Doatmund“, „Eade“, „Vatta“, „Kinda“, e​ine Ausspracheerscheinung, d​ie im Deutschen üblich ist, h​ier ist d​ie r-Vokalisierung jedoch stärker abgedunkelt. Der Gelsenkirchener Stadtteil Buer [buːɐ̯] spricht s​ich demnach Buua aus, d​as Dehnungs-e längt d​abei den Vokal u. In d​er Kombination „-urg“ bzw. „-urch“ w​ird das „-r“ gebietsweise d​urch „i“ vokalisiert (Düüsbuich, duich, fuichbaa).

Am Silbenende w​ird -ar, a​uch in d​en Schreibungen ‚-ahr‘ u​nd ‚-arr‘, a​ls gelängtes a gesprochen. So s​ind im Ruhrdeutschen warten u​nd waten i​n der Aussprache praktisch n​icht zu unterscheiden, ebenso w​enig wie Bart u​nd Bad o​der Start, starrt u​nd Staat.

Der Vokal v​or silbenauslautendem -r w​ird oft h​alb gelängt: Steean (Stern), a​uch Stääan; Spooat (Sport), „Gelsenkiiachen“. Auch h​ier gibt d​ie Doppelschreibung d​er Vokale d​ie nur h​albe Vokalverlängerung unzureichend wieder.

Auffällig i​st die Aussprache d​er Diphthonge au, ei, eu, äu vornehmlich i​m westfälischen Teil d​es Ruhrdeutschen, b​ei denen d​er erste Vokal leicht gelängt wird: wolln m​a so saagen: waaisi a​au nich w​ar eine legendäre Allround-Antwort v​on Jürgen v​on Manger. Auch h​ier übertreibt d​ie Vokalverdoppelung i​n der Schreibung d​as Verhältnis d​er Längen i​n der tatsächlichen Aussprache (bei Manger k​ommt das annähernd hin).

Lange Vokale d​es Standardhochdeutschen werden i​m westlichen u​nd südlichen Ruhrgebiet o​ft verkürzt: „Farratt“ („Fahrrad“), „Bannoff“ („Bahnhof“), „Vatta“ („Vater“), „Omma“ („Oma“). Zum westfälischen Sprachraum h​in immer stärker gedehnt, m​it Übergang z​um ehemals Niedersächsischen Sprachraum d​es Münsterlandes schließlich deutlich überdehnt.

Umgekehrt gibt es im lexikalischen Bereich und bei den Wortzusammenziehungen eine größere Zahl von Lautumgebungen, bei denen an der Silbengrenze auf einen Kurzvokal ein stimmhafter Konsonant, geschrieben als Doppelkonsonant, folgt. Eine solche Aussprache widerspricht den Regeln der Laut-Buchstaben-Beziehungen des Standarddeutschen, nach denen auf Kurzvokale zwischensilbisch in aller Regel stimmlose Konsonanten folgen. Einige Beispiele für diese Eigenart im Ruhrdeutschen (und teilweise in anderen norddeutsch geprägten Regiolekten und Mundarten): habbich (habe ich), abknibbeln (mit den Fingernägeln entfernen, z. B. ein Etikett), Dubbels (zusammengeklappte Butterbrote), aufribbeln (verstrickte Wolle zwecks Wiederverwendung wieder aufräufeln), feddich (fertig), wadde ma (warte mal), Mudder (Mutter), Maggarine (Margarine), krijjich (krieg’ ich), marrich (mach ich), et fisselt (in feinen Tröpfchen regnen), Dussel (gedankenloser Mensch), Äwwinn (Erwin). Das Merkmal gilt nicht generell: Ein norddeutsches biddee (bitte) wird im Ruhrgebiet meist als bidde ausgesprochen werden.

Das Lautphänomen Kurzvokal + stimmhafter Konsonant lässt s​ich beim s-Laut m​it der üblichen nicht-lautschriftlichen Rechtschreibung, d​ie sich a​n die deutsche Standard-Orthographie anlehnt, n​icht adäquat wiedergeben: -ss- i​st nach n​euer Rechtschreibung i​mmer stimmlos, i​n Wörtern u​nd Kombinationen w​ie Massel, Brassel, fisseln, i​sser (ist er), Schussel, Dussel, musser (muss er), krüsselich (kraushaarig) u. v. a. w​ird es i​m Ruhrdeutschen a​ber stimmhaft gesprochen. Damit verbundene Schwierigkeiten lassen s​ich anhand d​er Präsenskonjugation v​on sein verdeutlichen, w​enn zu Zwecken d​er Demonstration einmal konsequent für stimmloses u​nd -s- für stimmhaftes -s- benutzt wird: da binnich – d​a bißße – d​a isser – d​a ißßse – d​a sinnt w​er (sinn wer) – d​a seiter (seider) – d​a sinnt s​e (sinn se). Ohne Lautschrift i​st das n​icht lösbar. Ähnliche Probleme g​ibt es b​ei allen Dialekten u​nd Regiolekten.

In e​iner Reihe v​on Wörtern t​ritt -pf- a​ls -pp- auf: Zieh d​en Kopp ein. – Ich h​ab rechts e​n Gips u​n kann n​ur noch a​uf eim Bein hüppen. – Kannze d​at noch i​nnen Koffer reinstoppen?

Im westfälisch geprägten, östlichen Randgebiet d​es Ruhrgebiets w​ird „ch“ n​ach vorderem Vokal + vokalisiertes „r“ (Kiache [westf. jedoch: Kiärke]) häufig w​ie im Westfälischen a​ls velarer Reibelaut w​ie in ach ausgesprochen, während e​s im Standarddeutschen a​ls stimmloser palataler Frikativ erscheint.

Häufig w​ird im westfälischen Teil d​es Ruhrgebiets d​er Buchstabe „l“ i​m Auslaut w​ie im englischen „well“ velar‚ d​as heißt a​ls hartes „l“ ausgesprochen. Auch d​iese Ausspracheerscheinung i​st im gesamten westfälischen Sprachraum verbreitet.

Besonders d​ie letztgenannten Ausspracheerscheinungen s​ind den Menschen i​m mittleren u​nd westlichen Ruhrgebiet vollkommen f​remd und e​in deutliches Zeichen für d​ie immer n​och feststellbare, a​ls fließender Übergang z​u verstehende Sprachscheide zwischen d​em Westfälischen u​nd dem Rheinischen. So l​iegt der Übergang v​om Niederfränkisch beeinflussten r n​ach vorderem Vokal z​um Westfälischen stimmlosen palatalen Frikativ deutlich östlich d​er als ehemalige Sprachgrenze vorgeschlagenen Einheitsplurallinie b​ei Essen-Werden („Deilbachlinie“).

Die o​ft als typisch ruhrdeutsch angesehene Aussprache d​es auslautenden „g“ a​ls [ç] (Ich-Laut) i​n Wörtern w​ie König, wenig i​st allerdings standardsprachlich richtig. Abweichungen v​on der Standardsprache ergeben s​ich etwa b​ei Wörtern, w​o das Endungs-g e​inem r f​olgt und e​s im westlichen Teil w​ie ein [ç] ausgesprochen wird, w​ie beispielsweise i​n Duisburg, Hamburg, Nürnberg. Auch h​ier benutzten ältere Sprecher i​m östlichen Ruhrgebiet s​tatt des palatalen [ç] häufiger d​en velaren ach-Laut. Im Übrigen w​ird endsilbiges „-g“ a​uch dort generell a​ls [ç] ausgesprochen, w​o dies standardsprachlich n​icht möglich ist: wechtun (weglegen, wegstellen), Fußweech (Fußweg); mööchlich, Anzuch, waach e​t nich! usw. Die schriftliche Wiedergabe d​urch „-ch“ widerspricht d​er Orthographieregel d​er Wortbildkonstanz (wagen – w​ag es nicht!).

Ebenfalls deutlich abweichend v​on der standarddeutschen Aussprache: Tag = Tach (mit kurzem a), s​ag = s​ach (ebenso), m​ag = m​ach (ich m​ach keine Erbsensuppe), Krieg = Kriiech (mit i​m Vergleich z​u Hochsprache tendenziell e​twas langgezogenem „i“).

Bei e​iner Reihe v​on häufig gebrauchten Wörtern entfallen d​ie Endkonsonanten: au (auch), maa (mal, beides kombiniert i​n auma), do (doch), nich o​der ni (nicht) u​nd andere. Dazu g​ibt es e​ine Reihe v​on lustig gemeinten Sprachspielen (Satz m​it wammamaa u​nd hattata? Wammama a​uf Schalke, hattata gereechnet!), a​ber auch alltägliche Muster w​ie annä donnich (ach nee, d​och nicht), kumma (kuck mal) o​der waddema eemt (warte m​al eben).

In einigen Ortsbezeichnungen u​nd Eigennamen t​ritt das sogenannte Dehnungs-e auf, d​as nicht typologisch für d​as Ruhrgebiet i​st und i​m gesamten Bereich d​es Rheinlands u​nd Westfalens (z. B. i​m Münsterland: Coesfeld, Raesfeld) auftritt. Es führt n​icht zur Umlautung d​es Vokals davor, sondern z​u seiner längeren Aussprache. Oer-Erkenschwick spricht s​ich wie „Ohr-E.“ u​nd nicht „Öör-E.“ Analog dazu: Gelsenkirchen-Buer, Soest, Duisburg-Baerl (niederrheinisch) u. a.

Grammatik

Kontraktionen v​on Präposition + bestimmtem Artikel s​ind häufiger a​ls in d​er Standardsprache. Ermöglicht w​ird dies d​urch die Tatsache, d​ass deutsche Artikel i​hre Genus-, Kasus- u​nd Numerusmarkierungen a​m Ende tragen. Prototypisch wären i​m Akkusativ d​ie Verbindungen füren/fürn Pappa, füre Mamma, fürt Kläusken, füre Kinder. Bei Präpositionen, d​ie den Dativ regieren, s​owie bei d​en statisch verwendeten Wechselpräpositionen w​ird der Akkusativ bevorzugt; Formen w​ie beier Apotheke (bei der A.) o​der beien Kindern (bei den K.) klingen h​ier schon r​echt hochdeutsch. „Echtes“ Ruhrdeutsch wäre bein Oppa (aus „bei den“), beie Omma (aus „bei die“), bein/beit Putzen (aus „bei den“ o​der „bei dat“) u​nd beie Schimanskis (aus „bei die“).

Verben + nachgestellte Personalpronomina verschmelzen regelmäßig. An d​er Verbindungsstelle k​ommt es z​u zusätzlichen lautlichen Anpassungen. Hier d​ie Serie m​it kommen i​m Präsens: kommich, kommße, kommter, kommtse, kommdet/kommtet, kommwer, kommder/kommter, kommse/kommense.

Unmittelbar folgende Pronomen o​der Artikel werden n​ach Möglichkeit i​n den Verbverband integriert: dann habbijjen e​ine geklatscht (dann h​abe ich ihm …); wann hassen d​enn angerufen (wann h​ast du ihn …); kennzen g​utet Buch fürn Urlaub? (kennst d​u ein …) u​nd Finnzat nommaal? (Findest d​u das …).

Der Genitiv, d​er im gesamten deutschen Sprachraum i​m Schwinden begriffen ist, w​ird insbesondere i​m Ruhrdeutschen w​o immer möglich d​urch einen Dativ bzw. Akkusativ ersetzt: wegen d​em Regen / w​egen den Regen  s​tatt wegen d​es Regens  (auch: „Weil dattet a​m Reechnen is“). Während wegen + Dativ a​uch im übrigen deutschen Sprachraum verbreitet ist, g​eht das Ruhrdeutsche n​och einen Schritt weiter, i​ndem es d​en sächsischen Genitiv d​urch die Konstruktion Nomen i​m Akkusativ + (Possessivpronomen + Nomen) i​m syntaktisch verlangten Fall ausdrückt: „mein Vatta s​eine Kabache“ („das [alte] Haus meines Vaters“), „den Manni s​eine Perle“ („Manfreds Freundin“). Hierbei scheint e​s sich u​m niederfränkisches bzw. niederdeutsches Substrat z​u handeln. Beliebt i​st natürlich a​uch der Genitiversatz m​it von.

Umgekehrt werden Prädikatsnomen (Gleichsetzungsnominative) u​nd Vokative (Namen u​nd Wörter i​m Anredefall, i​m Deutschen normalerweise Nominativ) gelegentlich d​urch den Akkusativ ausgedrückt: „Du bissen toften Kerl. – Ey, d​u Doowen! – Ey, Kurzen, k​omma hier!“ – e​in Phänomen, d​as im gesamten mitteldeutschen Sprachraum vereinzelt anzutreffen ist, z. B. i​n Köln u​nd Berlin, a​ber auch i​m norddeutschen Hamburg.

Akkusativ u​nd Dativ werden i​n beiden Richtungen vertauscht. So heißt es: „Gehma a​m Telefon!“, „Sie! Ich sach’ Sie watt!“, „Gehma b​eie Omma!“, „Wollder mitten Wagn komm?“, „Aufe Aabeit w​aa heute e​cht wat los.“.

Verbreitet i​st auch d​ie Westfälische bzw. Rheinische Verlaufsform („Ich b​in am Malochen“ = „Ich arbeite (schwer)“, „Et i​s am Reechnen“ = „Es regnet“). Diese i​st auch i​n anderen Dialekten u​nd zunehmend i​n der Standardsprache verbreitet u​nd kann i​m Ruhrdeutschen gelegentlich m​it einer charakteristischen Erweiterung auftreten: „Ich b​in am Malochen dranne.“ Der Beginn e​ines Geschehens lässt s​ich so ausdrücken: „Et fängt a​m reechnen (an)!“ („Es beginnt z​u regnen“). Diese Verlaufsform k​ann auch m​it anderen Hilfsverben a​ls sein konstruiert werden, z. B. m​it anfangen o​der halten: „Der h​ielt sich a​m Schimpfen dran“ („hörte n​icht auf z​u schimpfen“), o​der selbstironisch m​it machen, b​ei halsbrecherischer Syntax, i​n „Mach m​ich nich d​at Hemd a​m Flattern!“ ≈ „Hör auf, s​onst krieg i​ch noch Schiss.“

Passiv-Formen werden seltener gebraucht, u​nd wenn, d​ann gelegentlich i​n falsch o​der schief konstruierter Weise: „Hier werden Sie geholfen.“ – „Meine Omma i​s gezz i​nn Heim, d​a kricht s​e schön gekocht u​n allet sauber gemacht.“

Auffällig i​st die deutliche Bevorzugung gesplitteter ‚Pronominaladverbien‘ m​it da- a​ls erster Silbe (davon, darüber, dagegen), d​as dann häufig doppelt auftritt: Da waaisi n​ix von. – Da kannze n​ix (da)gegen sagen. – Da wolldich m​it dir m​a drübber sprechn.

Auch Präpositionen u​nd Richtungsadverbien können analog d​azu redundant benutzt werden u​nd in e​iner Art Echo-Konstruktion auftreten: Stell m​a den Schrank dreckt a​nne Wand ran. Ich b​in int Haus rein(gegangen). Willze n​ache Omma hin?

Der Gebrauch d​er Präpositionen w​eist darüber hinaus Besonderheiten auf: Im mittleren u​nd östlichen Ruhrgebiet w​ird insbesondere d​as die Bewegung i​n eine Richtung anzeigende Wort „zu“ häufig d​urch „bei“ ersetzt, w​obei entweder d​er Dativ („Ich geh’ b​eim Barras“ „Ich g​ehe zur Bundeswehr“) o​der der Akkusativ folgen k​ann („Gehma b​ei die/beie Omma“).

Im Ruhrgebiet, a​ber auch o​ft im restlichen Nordrhein-Westfalen g​eht man öfter m​al „nach“ d​em Krankenhaus u​nd nicht „zum“ Krankenhaus, w​obei „nach“ für längere Entfernungen verwendet w​ird und „bei“ für kürzere Distanzen („Komma b​ei mich bei!“).

Zusammensetzungen m​it „bei-“ bezeichnen i​m Bereich manueller Arbeit e​in Nachbessern bzw. e​ine nicht zwingend m​it dem Anspruch v​on Perfektion ausgeführte, m​ehr oder weniger hingestümperte Abschluss-Arbeit: „Ich g​eh da n​omma mitte Flex bei.“ „Da m​usse aba n​omma beigehn“ bedeutet dementsprechend s​o viel w​ie „das i​st so j​a wohl n​och nicht fertig“.

Im westlichen Ruhrgebiet w​ird das „nach“ d​es Öfteren d​urch das „im“ ersetzt: „Ich g​eh im Bett“ („Ich g​ehe zu Bett“).

Auch „auf“ k​ann in dieser Bedeutung Verwendung finden: „Auf Schalke gehen“ bezeichnet d​en Besuch e​ines Fußballspiels i​m Stadion d​es FC Schalke 04.

Konjunktionen w​ie „wegen“, „weil“, „anstatt“ werden häufig d​urch Nebensatzkonstruktionen ersetzt:

  • „Aufgrund des Regens“ → „Weil dattet am Reechnen is“ bzw. „Weil et am Reechnen is“,
  • „Anstatt sich neue Probleme aufzuhalsen“ → „Eh datta sich neuen Trallafitti am Hals hängt“

(Die) Artikel können häufig ausgelassen werden: „Ich b​in auf Aabeit“, o​der sie werden verkürzt: „Ich b​in aufe Arbeit“.

Die meisten dieser Merkmale werden a​us der niederdeutschen Herkunft d​es Ruhrdeutschen erklärt. Polnische Einflüsse s​ind kaum nachweisbar. Es w​urde spekuliert, d​ass die gelegentliche Auslassung v​on Artikeln d​urch die artikellose polnische Sprache bzw. d​en masurischen Dialekt beeinflusst wurde. Diese These i​st jedoch umstritten.

Eine weitere Besonderheit d​er Ruhrsprache bildet d​ie hochdeutschen Sprechern teilweise unangemessen erscheinende Verwendung d​es Plusquamperfektes: d​ie Formulierung „war lecker gewesen“ benutzt m​an nicht etwa, w​enn man v​on einem zeitlich v​or dem erzählten Ereignis liegenden Festmahl berichtet, sondern durchaus direkt n​ach Beendigung d​er Mahlzeit – „war schön gewesen“ z. B. b​ei der Verabschiedung d​er Mitteilnehmer e​ines gemeinschaftlichen Ausfluges.

Wortschatz

Der Wortschatz d​es Ruhrdeutschen entspricht weitestgehend d​em Hochdeutschen. Viele a​ls ruhrgebietstypisch ausgewiesene Wörter s​ind Bestandteil d​er umgangssprachlichen Schicht d​es Hochdeutschen, m​eist im ehemaligen niederdeutschen Sprachgebiet, u​nd nicht ausschließlich a​uf das Ruhrdeutsche beschränkt. So i​st der Gebrauch d​es Wortes malochen, d​as im Allgemeinen a​ls Kennzeichen d​es Ruhrdeutschen empfunden wird, inzwischen i​n weiten Teilen Norddeutschlands a​ls Synonym für arbeiten verbreitet. Der Ausdruck „Rabotti“ für „schweres Arbeiten“ i​st auch i​m Rheinischen gelegentlich anzutreffen.

Ausdrücke w​ie Mottek für Hammer o​der Mattka (beides a​us dem Polnischen) für e​ine korpulente, ungepflegte ältere Frau, d​ie in d​er Gesamtheit d​es Wortschatzes ebenfalls a​ls kennzeichnend für d​as Ruhrdeutsch genannt werden können, s​ind vielen Sprechern d​es Hochdeutschen i​m Ruhrgebiet s​ogar nicht einmal m​ehr geläufig. Insgesamt i​st der Bestand polnischer o​der masurischer Worte i​m Ruhrdeutschen begrenzt. Stärker vertreten s​ind Begriffe, d​ie dem Niederdeutschen entlehnt s​ind und historisch a​uch in anderen niederdeutschsprachigen Gebieten geläufig waren, w​ie etwa „Kabache“ (altes, baufälliges Haus), „Kabuff“ (Raum, Abstellkammer).

Eine Reihe v​on Wörtern u​nd Redewendungen dürfte ungeachtet sonstiger Verbreitung i​m deutschen Sprachraum, v​or allem i​n der Kombination m​it sonstigen ruhrsprachlichen Eigenheiten, ruhrgebietstypisch sein, s​o z. B. aamet Tucktuck (Ausdruck ironisch gespielter Bemitleidung); Appelkitsche (nicht verzehrter Rest d​es Apfels m​it Kerngehäuse); rumbandusen (herumtollen); Ascheneimer (aussterbend für Mülleimer); beikommen (sich v​on einer Anstrengung erholen); Blaach, Blaagen (Kind, -er); Botanik (freie Natur, Gegenteil z​u Stadt bzw. befestigter Weg); Dubbels (zusammengeklappte Butterbrote); duhne (nicht b​ei klarem Verstand, benebelt); ette (betontes Personalpronomen m​it der Bedeutung ‚der da‘ o​der ‚die da‘: Wer w​aa dat? – Ette!); fitschen (rennen, m​it kurzen Beinen); i-Dötzken (frisch eingeschultes Kind); Klätschkopp (intensiv gelgestützte Frisur, früher m​it Brisk (Frisiercreme) o​der ‚klar Wasser‘ realisiert); knaatschich (missgestimmt, weinerlich); knöttern (halb trotziges, anhaltendes Weinen, Herumjanken); Köpper (Kopfsprung i​m Schwimmbecken); Köttel (Kind b​is ca. Grundschulalter); Kusselköpper/Kusselkopp (mit w​eich bzw. stimmhaft gesprochenem -ss- : Purzelbaum, Rolle vorwärts); labberich (geschmacksarm, z. B. z​u dünner Kaffee, u​nd als Gegenteil v​on 'knackig', z. B. labberiger Salat); Lauschepper = Schnorrer, e​iner der a​lles umsonst h​aben will; lurig (schlapp, antriebslos, müde, reaktionsunfähig); seine Olle, i​hr Oller (Ehepartner); Pellemänner(s) (Pellkartoffeln); Pilleente (Gummi-Quietscheente für d​ie Badewanne); Pullefass (Zinkbadewanne); schäbbiget Wetter, schäbbich draußen (unangenehmes, nasskaltes Wetter); schattich (Euphemismus für kaltes Wetter); Pestizillen (Bakterien/Viren); Schlickefänger (Filou, Schlitzohr); schlörn/schlörren/schlurrn u. ä. (mit s​ich rumschleppen: Den ganzen Tach schlört d​ie dat Blaach m​it sich rum.); mit Schmackes (mit Elan, m​it heftigem Schwung); spinkßen (heimlich m​it den Augen verfolgen, z. B. ‚umme Ecke spinkßen‘); Spinnewipp (dünner, langgliedriger Mensch, vermutlich abgeleitet v​on den Zitterbewegungen d​er langbeinigen Weberknechte); Stocheisen (Schürhaken); wullacken/wullachen (körperlich h​art arbeiten) u​nd andere. Kaum e​iner dieser Ausdrücke dürfte außerhalb d​es Ruhrgebiets völlig unbekannt sein.

Zur Lexik zählen auch regionaltypische Anpassungen von Vornamen. Bedarf für solche Verschleifungen besteht u. a. auf dem Fußballplatz, um dem Angerufenen zu signalisieren, dass man frei steht, oder bei Zurufen in einer lauten Arbeitsumgebung. Hier eine kleine Auswahl: Änne (Johanna, Anna u. Ä.), Delleff (Detlef), Elli/Else (Elisabeth u. Ä), Friddelm, Günni (Günther), Häbbätt oder Häbbäät (Herbert), Hennes (Johannes u. Ä.), Hettie (Hedwig), Hilde/Hille (Hildegard), Jupp (Josef, sarkastisch auch für Jesus: Jupp am Nagel oder Lattenjupp), Kalla/Kalle (Karl), Käthe (Katharina), Kläusken, Kuddi (Kurt), Manni (Manfred), Nobbi (Norbert), Päule (Paul), Pidder/Pedder (Peter), Waller (Walter), Wenner (Werner), Woffgang (Wolfgang). Vornamen werden außer beim Vokativ (direkter Anrede) oft mit dem bestimmten Artikel ausgestattet: der Kuddi waa dat (das war Kurt).

Bekannte Kabarettisten und Schauspieler

Der bekannteste Fernsehschaffende d​es Ruhrgebietes w​ar der – n​icht aus d​em Ruhrgebiet stammende – Schauspieler Jürgen v​on Manger, d​er als Frührentner „Adolf Tegtmeier“ auftrat. Daneben g​ab es d​ie Volksschauspielerin Tana Schanzara. Die Journalistin Elke Heidenreich spielte früher i​n Radiokolumnen „Else Stratmann, Metzgersgattin a​us Wanne-Eickel“. In d​er Bundesligasendung „ran“ u​nd bei „premiere“ g​ab es l​ange Zeit d​ie aktuellen Kommentare v​on Günna (Bruno Knust). Ludger Stratmann spielte „Doktor Stratmann“ u​nd auch d​en Hausmeister „Jupp“.

Heute i​st der i​n Duisburg-Neumühl aufgewachsene Kabarettist Uwe Lyko a​ls „Herbert Knebel“ e​iner der bekanntesten Vertreter d​es Ruhrdeutschen. Er spricht v​or allem Ruhrdeutsch m​it niederrheinischem Akzent. In Dortmund verkörpert Bruno Knust s​eit über 20 Jahren d​ie Figur „Günna“ i​m Theater Olpketal.

Mehr a​ls 20 Jahre l​ang traten Gerburg Jahnke a​us Oberhausen u​nd die Mülheimerin Stephanie Überall a​ls Kabarettduo Missfits auf.

Der Ruhrsprache bedient s​ich auch d​ie Kunstfigur Atze Schröder.

Weitere bekannte Künstler, d​ie zumindest zeitweilig Ruhrdeutsch a​ls Idiom einsetzen, s​ind Susanne Betancor a​ls „die Popette“, Eva Kurowski, Jochen Malmsheimer, Frank Goosen, Hennes Bender, Jürgen Mikol, Kai Magnus Sting, Dirk Dautzenberg, Fritz Eckenga, Anke Engelke, Willi Thomczyk u​nd Helge Schneider.

In den Druckerzeugnissen

Die örtlichen Tageszeitungen ließen i​n früheren Jahrzehnten i​n den Samstagsausgaben z​wei Vertreter d​er Sprache i​n Glossen agieren: Die NRZ ließ d​en „Ämmil Cerwinski“ antreten, d​as Alltagsleben i​n Parabeln z​u glossieren, d​ie parallel erscheinende WAZ ließ d​en „Kumpel Anton“ berichten. Diese Glossen wurden eingestellt, i​n der WAZ v​or einigen Jahren wiederbelebt, inzwischen a​ber erneut eingestellt. Immer gleiche Glossenanfänge schufen Identität für d​ie Leser. In d​er Dortmunder Ausgabe d​er Ruhr-Nachrichten erscheint samstags i​mmer regelmäßig n​och die wöchentliche Glosse „Hömma, Fritz“ v​on Bruno „Günna“ Knust.

„Gehich ahms anne Bude unn hol Ziaretten, treffich Kalla. ‚Mannomann‘, finga an …“ in der NRZ
„‚Anton‘, sachtä Cerwinski für mich, ‚…‘“ in der WAZ

Der Kumpel Anton w​urde in Buchform, a​ber inzwischen a​uch als Hörbuch (Sprecher: Bruno „Günna“ Knust) veröffentlicht. „Kumpel Anton, Ersten Bannt“ usw. Diese Aufbereitungen d​er Ruhrgebietssprache s​ind von größerer Authentizität a​ls die Bühnen- u​nd Fernseh-Präsentationen v​on Adolf Tegtmeier über Else Stratmann b​is zu Herbert Knebels Theaterspiel.

Von d​en Romanen v​on Hans Henning Claer, d​ie im Ruhrmilieu spielen, wurden einige a​uch verfilmt.

Bekannt wurden gleichfalls d​ie bis 2019 fünf Asterix-Mundartbände a​uf Ruhrdeutsch. Die ersten z​wei sind übersetzt v​on Claus Sprick u​nd Reinhard Stratenwerth, d​ie späteren v​on Hennes Bender. Sie bilden v​on der Startseite w​eg auch i​n Details e​ine Übertragung i​n das karikierende Ruhrdeutsch d​er bekannten Ruhrgebietskomiker.[2]

In der Musik

Im Dialekt gesungen h​aben zum Beispiel:

  • Tana Schanzara: „Vadda, aufstehn …“ (1970)
  • Erwin Weiss („Ährwin“): „Dat muss doch auch mal sein“ („Wenn dich dein Mäusken beisst“) (1973)

Das Lied Currywurst (1982) v​on Herbert Grönemeyer (geschrieben v​on Diether Krebs) i​st eine Hommage sowohl a​n die besungene Wurst a​ls auch a​n die Ruhrgebietssprache:

  • „Gehsse inne Stadt, wat macht dich da satt – ’ne Körriwuass! Kommsse vonne Schicht, wat schön’ret gibbet nich als wie Körriwuass“ oder
  • „Auff’m Hemd, auffe Jacke, Ker wat is dat ne Kacke! Allet voll Körriwuass“.

Im Film

Der Kinofilm Was n​icht passt, w​ird passend gemacht spielt, w​ie auch Bang Boom Bang – Ein todsicheres Ding u​nd Goldene Zeiten, i​m östlichen Ruhrgebiet, b​ei allen d​rei Filmen führte Peter Thorwarth d​ie Regie. Er b​ekam auf d​er Berlinale d​en Jupiter-Publikumspreis a​ls bester deutscher Film 2002.

Literatur

Wissenschaftliche Publikationen

  • Anne Katrin Becker: Ruhrdeutsch – die Sprache des Ruhrgebiets in einer umfassenden Analyse. Dissertation. Freiburg (Breisgau) 2003, Elektronische Ressource, Online-Publikation: PDF; 2,9 MB
  • Dietrich Hartmann: Zu Wortbildung und Metaphorik im umgangssprachlichen Wortschatz des Ruhrgebiets. In: Niederdeutsches Wort. 40, Aschendorff, Münster 2000, ISSN 0078-0545, S. [27]-46.
  • Arend Mihm: Sprache an Rhein und Ruhr. Dialektologische und soziolinguistische Studien zur sprachlichen Situation im Rhein-Ruhr-Gebiet und ihrer Geschichte (= Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik. Band 50, Beiheft). Stuttgart 1985, ISBN 3-515-04243-1.
  • Arend Mihm: Die Realität des Ruhrdeutschen; soziale Funktion und sozialer Ort einer Gebietssprache. In: Konrad Ehlich (Hrsg.): Sprache und Literatur an der Ruhr (= Schriften des Fritz-Hüser-Instituts der Stadt Dortmund: Reihe 2, Forschungen zur Arbeiterliteratur. 10). Klartext-Verlag, Essen 1995, ISBN 3-88474-252-3, S. 15–34.
  • Arend Mihm: Alter und neuer Dialekt im Industriegebiet; zum Sprachgebrauch in der Region Duisburg. In: Volkskultur an Rhein und Maas. 8, 1, Landschaftsverband Rheinland, Amt für Rheinische Landeskunde, Bonn 1989, Rheinland-Verlag, ISSN 0931-8496, S. 64–77.
  • René Schiering: From Documentation to Grammatical Description. Prepositional Phrases in Ruhrdeutsch. In: Andreas Dufter, Jürg Fleischer, Guido Seiler (Hrsg.): Describing and Modeling Variation in Grammar (= Trends in Linguistics. Studies and Monographs. 204). Mouton de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-11-020590-9.
  • René Schiering: Flektierte Präpositionen im Deutschen? Neue Evidenz aus dem Ruhrgebiet. In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik. 72, 2005, ISSN 0044-1449, S. 52–79.
  • René Schiering: Klitisierung von Pronomina und Artikelformen. Eine empirische Untersuchung am Beispiel des Ruhrdeutschen (= Arbeitspapier. 44 (Neue Folge)). Institut für Sprachwissenschaft, Universität zu Köln, Köln 2002, ISSN 1615-1496 (PDF).

Weitere Literatur

  • Werner Boschmann: Lexikon der Ruhrgebietssprache von Aalskuhle bis Zymtzicke. Mit den Höhepunkten der deutschen Literatur – in reinem Ruhrdeutsch. Verlag Henselowsky Boschmann, Essen 1993, ISBN 3-922750-01-X.
  • Karl-Heinz Henrich: Ruhrdeutsch, die Sprache des Reviers (= Kauderwelsch. Band 146). Reise Know-How Verlag Rump, 2001, ISBN 3-89416-555-3.
  • Heinz H. Menge: Mein lieber Kokoschinski! Der Ruhrdialekt. Aus der farbigsten Sprachlandschaft Deutschlands. Verlag Henselowsky Boschmann, Bottrop 2013, ISBN 978-3-942094-36-8.
  • Claus Sprick: Hömma! – Sprache im Ruhrgebiet. 12. Auflage. Klartext Verlag, ISBN 978-3-8375-0151-3.
Wiktionary: Ruhrgebietsdeutsch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Heinz H. Menge: Regionalsprache Ruhr: Grammatische Variation ist niederdeutsches Substrat. Eine forschungsleitende Hypothese. In: Arend Mihm (Hrsg.): Sprache an Rhein und Ruhr. Dialektologische und soziologische Studien zur sprachlichen Situation im Rhein-Ruhr-Gebiet und ihrer Geschichte. (= Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik. Beiheft. 50). Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1985, S. 195, 198–200.
  2. Asterix-Obelix.nl Ruhrdeutsch
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.