Reichenbachit
Reichenbachit ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“. Es kristallisiert im monoklinen Kristallsystem mit der Zusammensetzung Cu5[(OH)4|(PO4)2][1], ist also chemisch gesehen ein Kupfer-Phosphat mit zusätzlichen Hydroxidionen.
Reichenbachit | |
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Allgemeines und Klassifikation | |
Chemische Formel | Cu5[(OH)4|(PO4)2][1] |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Phosphate, Arsenate und Vanadate |
System-Nr. nach Strunz und nach Dana |
8.BD.05. (8. Auflage: VII/B.11) 41.4.3.1 |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | monoklin |
Kristallklasse; Symbol | monoklin-prismatisch; 2/m |
Raumgruppe | P21/c (Nr. 14) |
Gitterparameter | a = 4,48 Å; b = 10,69 Å; c = 9,19 Å β = 92,3°[1] |
Formeleinheiten | Z = 2[1] |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | ≈ 3,5[2] |
Dichte (g/cm3) | 4,370 (berechnet)[2] |
Spaltbarkeit | keine beobachtet[2] |
Bruch; Tenazität | unregelmäßig[2] |
Farbe | dunkelgrün[2] bis blassblau[3] |
Strichfarbe | hellgrün[2] |
Transparenz | durchscheinend[2] |
Glanz | Glasglanz[2] |
Kristalloptik | |
Brechungsindizes | nα = 1,782[2] nβ = 1,833[2] nγ = 1,867[2] |
Doppelbrechung | δ = 0,085 |
Optischer Charakter | zweiachsig negativ[2] |
Achsenwinkel | 2V = 76,3[2] |
Pleochroismus | sehr schwach von X = hell smaragdgrün nach Z = smaragdgrün[2] |
Weitere Eigenschaften | |
Chemisches Verhalten | löslich in Säuren, in basischen Lösungen potentiell instabil[4] |
Die nur selten auftretenden, bis 0,3 mm großen, lanzettförmigen Kristalle des Reichenbachits sind durchscheinend und zeigen verschiedene Grüntöne.[3] Viel häufiger sind kugelige Aggregate und traubig-nierige Krusten.[3]
Etymologie und Geschichte
Erstmals entdeckt wurde Reichenbachit im Odenwald, Hessen, Deutschland. Der Sammler Klaus Petitjean fand das Mineral 1984 am Punkt 8.0, einem nicht mehr in Betrieb stehenden Steinbruch in einem verkieselten Barytgang, ca. 250 m südwestlich der Borsteinklippe bei Reichenbach, einem Ortsteil von Lautertal (Odenwald). Die Erstbeschreibung erfolgte 1987 durch Norbert H. W. Sieber, Ekkehart Tillmanns und Olaf Medenbach, die das Mineral nach seinem Erstfundort benannten.[2][5] Das Typmaterial des Minerals (Holotyp) wird im Mineralogischen Museum der Julius-Maximilians-Universität Würzburg unter der Katalog-Nr. M 2098 am Standort V38 R2 aufbewahrt.
Klassifikation
In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Reichenbachit zur Abteilung der „Wasserfreien Phosphate, mit fremden Anionen F, Cl, O, OH“, wo er zusammen mit Arsenoklasit, Cornubit, Gatehouseit, Ludjibait, Cornwallit, Pseudomalachit, Reppiait und Turanit die unbenannte Gruppe VII/B.11 bildet.
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Reichenbachit ebenfalls in die Abteilung der „Phosphate usw. mit zusätzlichen Anionen; ohne H2O“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen und dem Stoffmengenverhältnis der zusätzlichen Anionen zum Phosphat-, Arsenat bzw. Vanadatkomplex (RO4), so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit ausschließlich mittelgroßen Kationen; (OH usw.) : RO4 = 2 : 1“ zu finden ist, wo es nur noch zusammen mit Cornwallit und Pseudomalachit die „Pseudomalachitgruppe“ mit der System-Nr. 8.BD.05 bildet.
Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Reichenbachit in die Klasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ und dort in die Abteilung der „Wasserfreien Phosphate etc., mit Hydroxyl oder Halogen“ ein. Hier ist er zusammen mit Pseudomalachit und Ludjibait in der unbenannten Gruppe 41.04.03 innerhalb der Unterabteilung „Wasserfreie Phosphate etc., mit Hydroxyl oder Halogen mit (AB)5(XO4)2Zq“ zu finden.
Kristallstruktur
Reichenbachit kristallisiert im monoklinen Kristallsystem in der Raumgruppe P21/c (Raumgruppen-Nr. 14) mit den Gitterparametern a = 4,48 Å; b = 10,69 Å; c = 9,19 Å und β = 92,3° sowie zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle.[1]
Die Kristallstruktur von Reichenbachit ähnelt stark derjenigen von Pseudomalachit. Der Unterschied zwischen beiden besteht in den polyedrischen Verknüpfungen zwischen den Schichten. Während die Struktur von Pseudomalachit auf einem 3er-verbundenen zweidimensionalen Netz beruht, besteht die Struktur von Reichenbachit aus einem 4er-verbundenem Netz.[6]
Eigenschaften
Morphologie
Reichenbachit kommt nur sehr selten in deutlichen Kristallen vor. Sie sind lanzettförmig und erreichen Größen bis 0,3 × 0,3 × 0,06 mm.[2][3] Wesentlich häufiger ist sein Auftreten in Form von traubigen Krusten, oder halbkugeligen bis kugeligen Aggregaten aus mikroskopisch kleinen Kristallen. So bildet das Mineral in Ľubietová kugelige Aggregate bis zu 0,5 mm Größe, die sich aus winzigen, tafeligen, lanzettförmigen Kristallen zusammensetzen und ältere Pseudomalachit-Kristalle überziehen.[7]
Physikalische und chemische Eigenschaften
Die Farbe des Reichenbachits ist dunkelgrün bis blassblau, seine Strichfarbe ist hell- bis blassgrün. Kristalle weisen reinen Glasglanz auf. Mit einer Mohshärte von ≈ 3,5 ist Pseudomalachit etwas härter als Calcit und etwas weicher als Fluorit.[2][3] Reichenbachit ist in Säuren wie HCl und HNO3 löslich. In basischen Lösungen ist er potentiell instabil.[4]
Modifikationen und Varietäten
Die Verbindung Cu5[(OH)4|(PO4)2] ist trimorph und kommt in der Natur neben dem monoklin kristallisierenden Reichenbachit noch als monoklin kristallisierender Pseudomalachit sowie als triklin kristallisierender Ludjibait vor.[1]
Bildung und Fundorte
Reichenbachit bildet sich sekundär in der Oxidationszone von hydrothermalen sulfidischen Kupfer-Lagerstätten. Als Begleitminerale können weitere Kupferphosphate bzw. -arsenate sowie Chrysokoll, Quarz, Chalcedon und Eisenoxihydroxide auftreten. An der Typlokalität wird Reichenbachit von Pseudomalachit, Malachit, Duftit, Bayldonit, Mimetesit und Quarz begleitet. Als seltene Mineralbildung kann Ludjibait an verschiedenen Fundorten zum Teil zwar etwas häufiger vorhanden sein, ist insgesamt aber sehr wenig verbreitet. Bisher (Stand 2016) sind rund 10 Fundorte[8] bekannt. Neben seiner Typlokalität, dem Punkt 8.0 an der Borsteinklippe bei Reichenbach, Ortsteil von Lautertal (Odenwald) im Odenwald (Hessen), trat das Mineral im gleichen verkieselten Barytgang noch an acht weiteren Punkten in der Umgebung des Borsteins, des Hohensteins und des Teufelssteins sowie am Bergweg bei Gadernheim auf.
Als weitere Fundorte in Deutschland sind die Grube „Silberbrünnle“ im Haigerach-Tal bei Gengenbach im Schwarzwald, die Grube „Silbergaut“ bei Emmershausen im Taunus, die Grube „Käusersteimel“ bei Kausen im Siegerland und der Steinbruch am Streuberg bei Bergen, Vogtland, Sachsen, bekannt. Aus der Slowakei kennt man Reichenbachit aus dem „Reiner-Stollen“, Podlipa bei Ľubietová (Libethen) unweit Banská Bystrica (Neusohl), aus Portugal aus der „Miguel Vacas Mine“ bei Conceição, Vila Viçosa, Distrikt Évora. Ferner aus der Tita Mine bei Salamanca, Kastilien und León, und der El Novillero Minebei Badajoz, Extremadura, beide Spanien, aus der Old Gunnislake Mine bei Calstock in Cornwall, Vereinigtes Königreich, sowie aus dem Steinbruch Beauvoir und der Les Montmins Mine bei Échassières in der Auvergne, Frankreich.
Aus der Zn-Pb-Cu-Lagerstätte der „Kipushi Mine“ bei Kipushi, Provinz Katanga, Demokratischen Republik Kongo, und der Blue Mine bei Springbok, Namakwa, Nordkap (Provinz), Südafrika. In den Vereinigten Staaten aus der Binghampton Mine bei Mayer, Yavapai County, Arizona. Aus dem Brown's Prospect, Rum Jungle, Northern Territory, Australien. Fundorte in der Schweiz und Österreich sind nicht bekannt.[9]
Verwendung
Mit CuO-Gehalten von 68–69 Gew.-%[3] wäre Reichenbachit ein reiches und leicht verhüttbares Kupfererz, ist dafür allerdings viel zu selten.
Siehe auch
Literatur
- N. H. W. Sieber, E. Tillmanns, O. Medenbach (1987): Hentschelite, CuFe2(PO4)2(OH)4, a new member of the lazulite group, and reichenbachite, Cu5(PO4)2(OH)4, a polymorph of pseudomalachite, two new copper phosphate minerals from Reichenbach, Germany, In: American Mineralogist, Band 72, S. 404–408.
Weblinks
Einzelnachweise
- Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 448.
- N. H. W. Sieber, E. Tillmanns, O. Medenbach (1987): Hentschelite, CuFe2(PO4)2(OH)4, a new member of the lazulite group, and reichenbachite, Cu5(PO4)2(OH)4, a polymorph of pseudomalachite, two new copper phosphate minerals from Reichenbach, Germany, In: American Mineralogist, Band 72, S. 404–408 (PDF, 555 kB).
- Reichenbachite, In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America, 2001 (PDF, 65,2 kB).
- Rudolf Duthaler, Stefan Weiß: Mineralien reinigen, präparieren und aufbewahren. Das Arbeitsbuch für den Sammler. 1. Auflage. Christian Weise Verlag, München 2008, ISBN 978-3-921656-70-9, S. 145, 156.
- http://www.mindat.org/min-3385.html Mindat - Reichenbachit
- J. B. Anderson, G. L. Shoemaker, E. Kostiner, F. A. Ruszala (1987): The crystal structure of synthetic Cu5(PO4)2(OH)4, a polymorph of pseudomalachite, In: American Mineralogist, Band 62, S. 115–121 (PDF, 727 kB).
- Jaroslav Hyršl (1991): Three polymorphs of Cu5(PO4)2(OH)4 from Lubietová, Czechoslovakia, In: Neues Jahrbuch Mineralogie Monatshefte, Band 91, S. 281–287.
- Mindat - Anzahl der Fundorte für Reichenbachit
- Fundortliste für Reichenbachit beim Mineralienatlas und bei Mindat