Projekt 1164
Projekt 1164 Atlant (nach der mythologischen Figur „Atlas“), von der NATO als Slawa-Klasse bezeichnet, ist eine Klasse von Lenkwaffenkreuzern der sowjetischen und später der russischen Marine. Die Schiffe sind in der Lage, Flugzeugträger-Verbände und andere große Schiffsziele aus Entfernungen von bis zu 550 Kilometern mit Marschflugkörpern zu bekämpfen.
Projekt-1164-Kreuzer Moskwa, 2009 | ||||||||||||||
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Geschichte
Mit dem Erscheinen der Slawa-Klasse mit einer Raketenbatterie aus 16 Seezielflugkörpern des Typ P-500 Basalt in festen, nach vorn geneigten Startern, erhielt die Sowjetunion Schiffe, die in ihrer Fähigkeit zur Bekämpfung von Seezielen den westlichen Kräften an Feuerkraft überlegen waren. Bis heute wird diese Klasse in der russischen Marine lediglich von der Kirow-Klasse an Feuerkraft übertroffen.
Die Slawa-Klasse wurde entwickelt, um gegnerische Flottenverbände anzugreifen. Das Typschiff Slawa wurde 1982 bei der Schwarzmeerflotte in Dienst gestellt. 1986 folgte die Marschall Ustinow (Маршал Устинов), die zur Nordflotte kam, und 1990 die Tscherwona Ukraina (Червона Украйна, „rote Ukraine“), die ihren Dienst bei der Pazifikflotte antrat. Ein viertes Schiff, die Admiral Flota Lobow („Flottenadmiral Lobow“), sollte 1995 folgen, liegt aber immer noch unfertig in Nikolajew. Die Slawa wurde 1995 in Moskwa (Москва, „Moskau“) umbenannt, die Tscherwona Ukraina in Warjag (Варяг, „Waräger“). Die Marschall Ustinow lief 1989 den Hafen von Norfolk an und war damit das erste Schiff der sowjetischen Flotte, das einen amerikanischen Marinestützpunkt besuchte.
Die unter russischer Flagge fahrenden Lenkwaffenkreuzer des Projektes 1164 haben den Zusammenbruch der Sowjetunion überstanden, wurden alle vier Jahre überholt und häufig bei Manövern beobachtet. 2003 nahm die Moskwa an einer Übung mit der indischen Marine teil. Die Marschall Ustinow nahm 2000 bis 2004 an allen großen Manövern der Nordflotte teil und die Warjag an einer Übung im Pazifik. Die Schiffe wurden als Sicherheit gegen einen möglichen Fehlschlag der Kirow-Klasse entwickelt und ihre Zukunft ist aufgrund ihres im Vergleich zur Kirow-Klasse kostengünstigeren Unterhalts gesichert. Bei entsprechender Instandhaltung und einer möglichen Umbewaffnung können die Schiffe bis 2030 im Dienst der russischen Marine bleiben.
Konstruktion
Bewaffnung
Die Hauptbewaffnung der Slawa-Klasse bilden 16 Anti-Schiff-Lenkwaffen des Typs P-1000 (NATO-Codename: SS-N-12 „Sandbox“). Die Lenkwaffen sind in acht Doppelstartern beidseits der vorderen Schiffsaufbauten untergebracht. Sie erreichen eine Reichweite von bis zu 700 km, auf der „Marschall Ustinow“ durch neue Startbehälter bis 1.000 km, und können wahlweise mit einem konventionellen 1000-kg-Sprengkopf oder einem 350-kt-Nuklearsprengkopf bestückt werden.
Zur Langstrecken-Luftabwehr sind acht Achtfachstarter des Systems S-300F (NATO-Codename: SA-N-6) installiert. Die Raketen haben eine Reichweite von 90 km und können Ziele bis in eine Höhe von 25 km bekämpfen. Das System kann gegen Flugzeuge, Drohnen sowie Seezielflugkörper eingesetzt werden. Die Schiffe der Slawa-Klasse sind mit Startrohren für 64 dieser Raketen ausgestattet.
Die Luftabwehr im Kurzstreckenbereich erfolgt durch zwei Doppelstarter des Systems 4K33 Osa-M. Die Raketen können Ziele in einer Entfernung von bis zu 10 km und einer Höhe von 5 km bekämpfen. Es können sowohl Flugzeuge als auch Helikopter bekämpft werden.
Am Bug des Schiffes befindet sich ein Zwillingsgeschütz des Typs AK-130. Es hat eine Maximalreichweite von etwa 23 km und kann gegen Schiffe, Landziele, Flugzeuge sowie auch gegen anfliegende Seezielflugkörper eingesetzt werden. Die Kadenz beträgt 10–40 Schuss/min pro Lauf.
Als Nahbereichsverteidigungssystem sind sechs sechsläufige Gatlingkanonen des Typs AK-630 installiert. Sie erreichen eine effektive Reichweite von etwa 3000 m und eine theoretische Kadenz von 3000 Schuss/min.
Zur U-Boot-Abwehr sind zwei zwölfrohrige Wasserbombenwerfer des Typs RBU-6000 und zwei Fünffachtorpedostarter installiert. Die RBU-6000 hat ein Kaliber von 213 mm. Das Geschossgewicht beträgt 110 kg, wovon der Sprengkopf 25 kg ausmacht. U-Boote können damit in einer Entfernung von bis zu 6000 m und einer Tiefe von ca. 500 m bekämpft werden. Die Torpedorohre sind in der Lage, neben normalen Torpedos auch die Waffen des U-Boot-Abwehrkomplexes RPK-6 Wodopad-NK sowie des universellen Raketen-Komplexes Kalibr einzusetzen.
Rumpf und Antrieb
Die Schiffe der Slawa-Klasse sind 186 m lang, 20,8 m breit und haben einen Tiefgang von 7,6–9,3 m. Standardmäßig verdrängt ein Schiff um die 10.000 Tonnen, voll beladen etwa 12.500 Tonnen. Die Schiffe werden mit einem COGOG-System angetrieben. Sie verfügen über vier Hauptturbinen mit einer Gesamtleistung von 90.000 PS und über zwei Hilfsturbinen mit einer Gesamtleistung von 20.000 PS. Die Schiffe erreichen damit eine Höchstgeschwindigkeit von rund 32 Knoten. Mit 30 Knoten Fahrt beträgt die Reichweite etwa 2500 Seemeilen, mit 18 Knoten Fahrt etwa 6800 Seemeilen.
Einheiten
Name | ehemalige Namen | Indienststellung | Sonstiges |
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Moskwa (Москва) | Slawa | 1981 | Schwarzmeerflotte |
Marschall Ustinow (Маршал Устинов) | 1986 | Nordflotte | |
Warjag (Варяг) | Tscherwona Ukraina | 1990 | Pazifikflotte |
1164 | Komsomolez; Admiral Flota Lobow; Ukraina | – | unvollendet |
Die Marschall Ustinow wurde seit 2011 in der Werft „Swjesdotschka“ in Sewerodwinsk überholt und modernisiert. So wurde das Fregat-M Radar durch das modernere und für tieffliegende Ziele optimierte EASA-Radar Fregat-M2M und das Überwachungsradar ebenfalls durch das neuere Podberjosowik ersetzt. Im vierten Quartal 2016 unternahm die Marschall Ustinow Testfahrten und soll Anfang 2017 wieder in Dienst gestellt werden.[3][4] Einige Quellen vermuten, dass auch die Raketenbewaffnung durch die modernen Kalibr oder P-800 Oniks ersetzt wurden.
Die Admiral Flota Lobow ging beim Zusammenbruch der Sowjetunion 1992 in das Eigentum der Ukraine über und wurde in Ukraina (Україна) umbenannt. Die Arbeiten an der Ukraina wurden 1996 gestoppt, 1999 wieder aufgenommen und 2001 erneut gestoppt. In den 2000er-Jahren war das Schiff zu 95 Prozent fertiggestellt und die Ukraine suchte einen Käufer dafür. Russland hatte großes Interesse an der Ukraina, doch bis heute kam ein Verkauf nicht zustande. 2010 wurde das Schiff in 1164 umbenannt, was als Möglichkeit eines baldigen Verkaufs nach Russland gedeutet wurde. Jedoch wurde im März 2017 bekannt, dass der nunmehr 30 Jahre alte unvollendete Torso abgewrackt werden soll.[6] Die – inzwischen in „Nördliche Mykolajiwer Werft“ umbenannte und zum staatlichen ukrainischen Rüstungskonzern UkrObronProm gehörende Werft – versucht, die Verschrottung zu verhindern und Finanzmittel für die Fertigstellung sowie die Zahlung der seit 2015 ausstehenden Gehälter zu bekommen.[7] Die Fertigstellungskosten werden 2018 mit 30 Millionen US-$ angenommen. Ein potentieller Käufer könnte Indien sein.[8]
Literatur
- А. С. Павлов: Убийцы авианосцев – SLAVA CLASS. (etwa: A. S. Pawlow: Flugzeugträger-Jäger – SLAWA KLASSE.) Jakutsk 1998.
- С. С. Бережной: Советский ВМФ 1945–1995 Крейсера – большие противолодочные корабли, эсминцы. (etwa: S. S. Bereschnoi: Sowjetische Marine 1945–1995. Kreuzer, große U-Jagdschiffe, Zerstörer.) Moskau 1995.
Weblinks
- Die Slawa-Klasse auf aeronautics.ru (englisch)
- Krasina / Slava Class – Project 1164. In: globalsecurity.org. Abgerufen am 10. August 2018 (englisch).
- Slava Class Guided Missile Cruiser. In: naval-technology.com. Abgerufen am 10. August 2018 (englisch).
- Comparison: Russian Navy Slava-class and US Navy Ticonderoga-class Cruisers in Combat. In: navyrecognition.com. Abgerufen am 10. August 2018 (englisch).
Einzelnachweise
- А. С. Павлов: Убийцы авианосцев – SLAVA CLASS. (etwa: A. S. Pawlow: Flugzeugträger-Jäger – SLAWA KLASSE.) Jakutsk 1998, S. 10
- С. С. Бережной: Советский ВМФ 1945–1995 Крейсера – большие противолодочные корабли, эсминцы, S. 7
- sputniknews.com: Russische Nordflotte bekommt kräftig Verstärkung: „Genau rechtzeitig“, abgerufen am 1. November 2016
- LatestNewsResource: Missile cruiser „Marshal Ustinov“ first went to sea after modernization (Memento vom 1. November 2016 im Internet Archive), abgerufen am 1. November 2016
- http://ukraine-nachrichten.com/ukraine-verschrottet-ihr-groesstes-kriegsschiff-6490/, abgerufen am 27. März 2017
- Ukrainian Government and Ukroboronprom Deadlocked Over Debt and Production Problems at Mykolaiv Shipyard. In: jamestown.org. Abgerufen am 10. August 2018 (englisch).
- Should India Buy Ukrainian Cruiser Ukrayina. In: idrw.org. Abgerufen am 10. August 2018 (englisch).