Orneta
Orneta [ɔrˈnɛta] (deutsch Wormditt) ist eine Kleinstadt im Powiat Lidzbarski der polnischen Woiwodschaft Ermland-Masuren. Sie ist Sitz der gleichnamigen Stadt-und-Land-Gemeinde mit etwas mehr als 12.000 Einwohnern. Bis 1945 gehörte Wormditt zur preußischen Provinz Ostpreußen.
Orneta | |||
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Basisdaten | |||
Staat: | Polen | ||
Woiwodschaft: | Ermland-Masuren | ||
Powiat: | Lidzbarski | ||
Gmina: | Orneta | ||
Fläche: | 9,63 km² | ||
Geographische Lage: | 54° 6′ N, 20° 8′ O | ||
Einwohner: | 8921 (31. Dez. 2016) | ||
Postleitzahl: | 14-510 | ||
Telefonvorwahl: | (+48) 55 | ||
Kfz-Kennzeichen: | NLI | ||
Wirtschaft und Verkehr | |||
Straße: | DW 507: Braniewo ↔ Dobre Miasto | ||
DW 513: Pasłęk ↔ Wozławki | |||
DW 528: Morąg – Miłakowo – Orneta | |||
Eisenbahn: | PKP-Linie 221: Braniewo ↔ Gutkowo (-Olsztyn) | ||
Nächster int. Flughafen: | Danzig | ||
Kaliningrad | |||
Geographische Lage
Die Stadt liegt im historischen Ermland an der Drwęca (Drewenz), einem Nebenfluss der Pasłęka (Passarge), etwa 47 Kilometer östlich von Elbląg (Elbing) und 70 Kilometer südwestlich von Kaliningrad (Königsberg).
Die Höhe der Stadt gegenüber dem Meeresspiegel der Ostsee beträgt 69,5 Meter.
Geschichte
Prußische Siedlung und Etymologie des Ortsnamens
Die Wurzeln der Stadt gehen auf eine pogesanische Burg namens Orneta zurück, zu deren Füßen sich die prußische Siedlung Wurmedythin befand.[2]:2 Die erste schriftliche Erwähnung stammt aus einer Urkunde vom 12. August 1308. Der Name geht auf prußisch „wors – median“: alte Siedlung im Wald zurück. Bei den polnischen Bezeichnungen des 17. Jahrhunderts „Horneta/Orneta“ ging das anlautende W verloren.[3] Der Name „Wurmedythin“ ist auch Grundlage für die Sage vom Lindwurm, daher wurde dieser auch in das spätere Stadtwappen aufgenommen. In nachfolgenden Urkunden wurden bis 1343 auch die Ortsnamen „Wormenyt“, „Wormditen“, „Warmediten“ und „Wormendith“ verwendet.
Gründung der Stadt und Blüte im Mittelalter
Nach der Eroberung des Ermlandes durch den Deutschen Orden entstand auf Veranlassung des ermländischen Bischofs Eberhard von Neiße anstelle der Prußensiedlung ein neuer Ort, der mit schlesischen Zuwanderern besiedelt wurde. Zwischen 1312 und 1313 verlieh Bischof Eberhard dem Ort die Handfeste nach Kulmischen Recht.[2]:5 Er überließ der Neugründung 121 Hufen Acker und über 100 Hufen Wald. Lokator wurde ein aus Neiße stammender vermutlicher Verwandter des Bischofs namens Willus oder Wilhelm.[2]:4 Durch den Zuzug deutschsprachiger Siedler entstand die Ortsbezeichnung Wormditt.
Um 1320 errichtete der Orden als Ersatz für die ehemalige Pogesamenfestung eine neue steinerne Burg.[2]:37 Bischof Hermann von Prag machte sie 1341 anstelle von Braunsberg zur Bischofsresidenz des Ermlandes.[2]:6 Sein Nachfolger Bischof Johann I. von Meißen bestimmte jedoch schon 1351 Heilsberg zum ermländischen Bischofssitz. Wormditt wurde jedoch zum Kammeramt erhoben und erlebte dank seiner Lage am Schnittpunkt zweier Handelsstraßen und umgeben von fruchtbaren Böden einen wirtschaftlichen Aufschwung. Von der frühen Wirtschaftskraft zeugen das 1373 vollendete gotische Rathaus und die zwischen 1338 und 1349 errichtete Pfarrkirche St. Johann. Während des Dreizehnjährigen Krieges (1454–1466) schloss sich die Stadt zeitweise dem Preußischen Bund an.[2]:145
Im autonomen Preußen Königlichen Anteils
Nach dem Zweiten Frieden von Thorn kam Wormditt 1466 mit dem weitgehend autonomen Ermland als Teil von Preußen Königlichen Anteils unter polnische Oberhoheit.[2]:149 Die Bevölkerung der Stadt blieb jedoch überwiegend deutsch. 1565 wurde erstmals eine Schule in Wormditt erwähnt. Während des Polnisch-Schwedischen Krieges besetzten die Schweden unter Gustav Adolf 1627 vorübergehend die Stadt.[2]:163–166 Im Juli 1676 zerstörte ein Großbrand in der Stadt 34 Gebäude.
Im Königreich Preußen
Im Zuge der ersten polnischen Teilung 1772 kam die Stadt, die zu diesem Zeitpunkt 1978 Einwohner hatte, zum Königreich Preußen.[2]:172 Von 1773 bis 1819 gehörte sie zum Kreis Heilsberg. Während der napoleonischen Kriege erlitt Wormditt schwere Schäden. Allein 1807 starben 643 Menschen, ein Viertel der Stadtbevölkerung. 78 Häuser wurden zerstört, der Gesamtschaden betrug mehr als 270.000 Taler. Nach der 1810 abgeschlossenen Säkularisation des Fürstbistums und der preußischen Verwaltungsreform von 1815 wurde Wormditt 1819 in den neu gebildeten Kreis Braunsberg eingegliedert. Mit dem Beginn der Industrialisierung begann die Stadt sich stetig fortzuentwickeln. Im Handwerk dominierten die Tuchmacher und Orgelbauer. Der Wormditter Orgelbauer Johann Wulff schuf bereits 1788 in der damaligen Klosterkirche von Oliva die berühmte große Orgel, die internationalen Bekanntheitsgrad erlangte. Nachdem 1884 als erste Eisenbahnlinie die Strecke von Guttstadt nach Allenstein durch Wormditt führte,[4] wurde die Stadt zu einem wichtigen Bahnknotenpunkt, wo sich 1926 schließlich fünf Bahnlinien trafen.[2]:195 1868 erfolgte der Anschluss an das Telegrafennetz, und ebenfalls 1884 ließ sich der ermländische Bauernverein in Wormditt nieder. Bis 1911 waren die Elektrifizierung und die zentrale Wasserversorgung abgeschlossen. Am Anfang des 20. Jahrhunderts hatte Wormditt eine katholische Kirche, eine evangelische Kirche, eine Synagoge und ein Amtsgericht.[1]
20. Jahrhundert
Der Erste Weltkrieg verschonte die Stadt weitgehend, obwohl die russische Njemenarmee im September 1914 nahe an die Stadt herangerückt war, sich aber nach der verlorenen Schlacht an den Masurischen Seen wieder zurückzog. Die Einwohnerzahl stieg von 5.559 im Jahr 1910 auf 7.816 im Jahr 1939, wobei die Katholiken eindeutig in der Mehrheit waren. Vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs waren in Wormditt eine Tuchfabrik, eine Schnupftabakfabrik, eine Zeugweberei, eine Zeugdruckerei, eine Dampfsägemühle und eine Bierbrauerei angesiedelt. Von 1940 bis 1945 befand sich nordwestlich von Wormditt der Fliegerhorst Wormditt.
Wormditt gehörte 1945 zum Landkreis Braunsberg im Regierungsbezirk Königsberg der Provinz Ostpreußen des Deutschen Reichs.
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Wormditt am 11. Februar 1945 von der Roten Armee eingenommen. Im Vergleich zu anderen ostpreußischen Städten wurde die Stadt geringfügiger zerstört, das Stadtbild blieb fast unversehrt. Am 23. Mai 1945, also schon vor dem Potsdamer Abkommen, wurde die Stadt vom sowjetischen Kommandanten einem improvisierten kommunistischen Gremium der Volksrepublik Polen zur Verwaltung angedient. In der Folgezeit erhielt der Ort den Namen der einstigen pogesanischen Burg. Die verbliebenen deutschen Bewohner wurden im Anschluss von der örtlichen polnischen Verwaltungsbehörde vertrieben.
Gegenwärtig zählt die Stadt etwa 8900 Einwohner.
Ortsteile bis 1945
Die Stadt gliederte sich in die Altstadt und die drei Vorstädte Pilla, Krickhäuser Gasse und Wagtsches Eng (letztere später, nach dem Bau des Bahnhofs, auch als Bahnhofsviertel bezeichnet).[5]
Demographie
Jahr | Anzahl Einwohner | Anmerkungen |
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1802 | 2251 | [6] |
1810 | 1793 | [6] |
1816 | 2016 | davon 1904 Katholiken, 88 Evangelische und 24 Juden[6] |
1821 | 2372 | [6] |
1852 | 3800 | [7] nach anderen Angaben am Jahresende 3796 Einwohner[8] |
1858 | 4314 | davon 3748 Katholiken, 452 Evangelische, 110 Juden und vier Mennoniten[9] |
1875 | 4637 | [10] |
1880 | 4720 | [10] |
1890 | 5118 | davon 4404 Katholiken, 551 Evangelische und 159 Juden[10] |
1905 | 5593 | davon 690 Evangelische und 87 Juden[1] |
1933 | 6813 | [10] |
1939 | 7816 | [10] |
Religionen
Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es in Wormditt ein katholisches und ein evangelisches Kirchspiel.
Die Geschichte des katholischen Kirchspiels, das sich aus einer Stadt- und Landgemeinde zusammensetzte, geht auf den Anfang des 14. Jahrhunderts zurück. Einem Kirchenbuch zufolge war 1312 ein Henricus Pfarrherr in Wormditt, 1406 wird ein Pfarrer namens Katti erwähnt. Von 1715 bis zum Frühjahr 1738 wirkte Erzpriester Johann Michael Braun als Seelsorger, der der Gemeinde ein bedeutendes Vermögen hinterließ, um 1823 hatte Erzpriester Sigmanski das Amt inne.[11]
Das evangelische Kirchspiel in Wormditt verfügte seit Ende 1830 über ein neues Kirchengebäude.[12]
Sehenswürdigkeiten
- Johanniskirche, 14. Jahrhundert, nach dem Frauenburger Dom die älteste Kirche Ermlands, chorlose dreischiffige Backsteinbasilika, architekturgeschichtlich bedeutsam, wertvolle Ausstattung
- Rathaus, gotisch, mit Treppengiebel, teilweise von Hakenbuden (Markthäusern) umgeben
- Marktplatz mit zahlreichen Laubenhäusern
- Jerusalemskapelle, 19. Jahrhundert, mit wertvoller Ausstattung
- Speicher aus dem 18. Jahrhundert in der ulica Browarna
- Reste der Stadtmauer
- Fundamente und Keller der Bischofsburg unter den Bauten der städtischen Volksschule.
- Evangelische Kirche aus dem Umkreis von Karl Friedrich Schinkel, Mitte des 19. Jahrhunderts, heute orthodox.
- Neue Synagoge
Gmina
Die Stadt-und-Land-Gemeinde Orneta hat insgesamt 11.816 Einwohner (31. Dezember 2020).
Partnerschaften
Im Jahr 2001 wurde ein Städtepartnerschaftsvertrag mit der thüringischen Stadt Bleicherode im Südharz unterzeichnet. Seit 2006 besteht eine Partnerschaft mit der Samtgemeinde Herzlake.
Persönlichkeiten
Söhne und Töchter der Stadt
- Petrus Zwicker († 1403), Cölestiner und Inquisitor
- Hugo Liedmann (1879–1963), Theologe, 1921–1960 Oberpfarrer an St. Quirin in Neuss
- Toni Koy (1896–1990), deutsche Goldschmiedin und Bernsteinbearbeiterin
- Jochen Schmauch (1924–1984), deutscher Pädagoge, Entwicklungshelfer und Sachbuchautor
- Hans Joachim Albrecht (* 1938), deutscher Bildhauer, Kunsthistoriker und Hochschullehrer
- Anatol Feid (1942–2002), Dominikaner und Schriftsteller
- Adrian Kasnitz (* 1974), deutscher Schriftsteller
Mit der Stadt verbunden
- Ferdinand von Schau (1768–1840), Offizier und Landrat, auf dem Rittergut Korbsdorf bei Wormditt geboren
- Carl Gotthilf Büttner (1848–1893), deutscher Missionar und Sprachwissenschaftler, von 1880 bis 1886 Pastor in Wormditt
- Hans Schmauch (1887–1966), deutscher Historiker und Lehrer am Progymnasium in Wormditt
Literatur
- August Eduard Preuß: Preußische Landes- und Volkskunde oder Beschreibung von Preußen. Ein Handbuch für die Volksschullehrer der Provinz Preußen, so wie für alle Freunde des Vaterlandes. Gebrüder Bornträger, Königsberg 1835, Nr. 82.
- Franz Buchholz: Aus sechs Jahrhunderten. Bilder aus Wormditts Vergangenheit. Kommissionsverlag von Arnold Dargel Nachfolger, Wormditt 1912. Zweite, vermehrte und verbesserte Auflage unter dem Titel: Bilder aus Wormditts Vergangenheit. Verlag Bruno Kraft, Wormditt 1931.
- Georg Hermanowski, Heinz Georg Podehl: Ostpreußen-Lexikon. Geographie, Geschichte, Kultur. Lizenzausgabe. Bechtermünz, Augsburg 1996, ISBN 3-86047-186-4.
- Paul Plieth: Wormditt. Eine ermländische Kleinstadt in Ostpreußen. Meerbusch 1994.
- Gerhard Reifferscheid: Die St. Johannis-Basilika in Wormditt, 1379–1979. Kirchspiel, Stadt und Dekanat. Luthe, Köln 1979.
- Hans Schmauch: Zur Geschichte der St. Johannispfarrkirche zu Wormditt. Zum 550jährigen Jubiläum. Verlag F. Majewski, A. Dargel Nachf., Wormditt 1929.
- Erich Weise (Hrsg.): Handbuch der historischen Stätten. Band: Ost- und Westpreußen (= Kröners Taschenausgabe. Band 317). Unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1966. Kröner, Stuttgart 1981, ISBN 3-520-31701-X.
Weblinks
Fußnoten
- Wormditt, Lexikoneintrag in: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage, band 20, Leipzig und Wien 1909, S. 750
- Franz Buchholz: Bilder aus Wormditts Vergangenheit. Verlag Bruno Kraft, Wormditt 1931.
- Rozalia Przybytek: Ortsnamen baltischer Herkunft im südlichen Teil Ostpreußens (= Hydronymia Europaea, Sonderband 1). Steiner, Stuttgart 1993, ISBN 3-515-06449-4, S. 198.
- Neueste Mittheilungen vom 9. Oktober 1884.
- Gerhard Reifferscheid: Die St. Johannis-Basilika in Wormditt, 1379–1979. Kirchspiel, Stadt und Dekanat (Ostpreußische Kirchen: Ermland, Bd. 1). Luthe, Köln 1979, S. 9.
- Alexander August Mützell und Leopold Krug: Neues topographisch-statistisch-geographisches Wörterbuch des preussischen Staats. Band 5: T–Z, Halle 1823, S. 410–411, Ziffer 826.
- Leopold Kraatz: Topographisch-statistisches Handbuch des Preußischen Staats. Berlin 1856, S. 692.
- Uebersicht des Flächenraums und der Einwohnerzahl des Preussisches Staates, und Alphabetisches Verzeichniss der Städte in demselben, mit Angabe der Civil-Einwohnerzahl am Schlusse des Jahres 1852, Decker, Berlin 1854, S. 28.
- Adolf Schlott: Topographisch-statistische Uebersicht des Regierungs-Bezirks Königsberg, nach amtlichen Quellen. Hartung, Königsberg 1861, S. 46, Ziffer 194.
- Michael Rademacher: Braunsberg. Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006 .
- Sigmanski: Verzeichnis der im katholische Kirchspiel Wormditt Geborenen, Getrauten und Gestorbenen in den nachstehenden Jahren. In: Preußische Provinzial-Blätter, Band 14, Königsberg 1835, S. 68–70.
- Nachricht von der Einweihungs-Feierlichkeit der neuen Kirche zu Wormditt am 19. Dezember 1830. In: Preussische Provinzial-Blätter, 5. Band, Königsberg 1831, S. 143–146.