Olanzapin
Olanzapin ist ein zu den atypischen Neuroleptika zählender Arzneistoff, der in der Psychiatrie hauptsächlich zur Behandlung schizophrener Psychosen eingesetzt wird. Er wurde 1996 unter dem Namen Zyprexa in Deutschland eingeführt.[4]
Strukturformel | |||||||||||||||||||
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Allgemeines | |||||||||||||||||||
Freiname | Olanzapin | ||||||||||||||||||
Andere Namen | |||||||||||||||||||
Summenformel | C17H20N4S | ||||||||||||||||||
Kurzbeschreibung |
gelbes, kristallines Pulver[1] | ||||||||||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | |||||||||||||||||||
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Arzneistoffangaben | |||||||||||||||||||
ATC-Code |
N05AH03 | ||||||||||||||||||
Wirkstoffklasse | |||||||||||||||||||
Wirkmechanismus | |||||||||||||||||||
Eigenschaften | |||||||||||||||||||
Molare Masse | 312,43 g·mol−1 | ||||||||||||||||||
Aggregatzustand |
fest | ||||||||||||||||||
Schmelzpunkt | |||||||||||||||||||
pKS-Wert |
4,69; 7,37[1] | ||||||||||||||||||
Löslichkeit |
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Sicherheitshinweise | |||||||||||||||||||
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Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. |
Eigenschaften
Die Substanz ist strukturchemisch eng mit Clozapin verwandt. Im Gegensatz zu diesem kann es – besonders in hoher Dosierung – extrapyramidal-motorische Störungen (EPS) verursachen. Das Risiko einer Agranulozytose ist unter Olanzapin jedoch geringer als unter Clozapin. Insgesamt löst Olanzapin wesentlich seltener bzw. in geringerer Ausprägung EPS aus als ältere Neuroleptika wie z. B. Haloperidol.
Die Compliance wird bei Olanzapin-Behandlung oft durch eine starke Gewichtszunahme sowie Schläfrigkeit beeinträchtigt. Als Ursache der Gewichtszunahme, die bei Clozapin und Olanzapin häufiger vorkommt als bei anderen Neuroleptika, wird ein Eingriff in die Insulin-Wirkung vermutet, so dass der Kohlenhydrat-Stoffwechsel beeinträchtigt wird. Dies könnte auch das bei Olanzapin-Behandlung erhöhte Risiko einer Diabetes-Manifestation erklären.
Pharmakodynamik
Olanzapin blockiert muskarinische Acetylcholinrezeptoren (mACH), Serotoninrezeptoren (5-HT2) und Dopamin-Rezeptoren (D1–D5), zusätzlich werden noch Alpha1-Adrenozeptoren und Histamin1-Rezeptoren gehemmt.[5]
Pharmakokinetik
Die Halbwertszeit beträgt 23–43 Stunden (bei älteren Patienten verlängert)[6], die Bioverfügbarkeit 80 %. Olanzapin wird in der Leber abgebaut.[7]
Indikationen
Olanzapin ist zur Behandlung der Schizophrenie sowie für die Therapie bipolarer Störungen zugelassen, sofern eine manische Phase auf die Behandlung angesprochen hat. Es wird außerdem bei Zwangserkrankungen eingesetzt.[8] Des Weiteren kann man Olanzapin zusammen mit einem Antidepressivum anwenden, um Depressionen und Angststörungen zu behandeln, wenn die Behandlung mit einem Antidepressivum allein nicht ausreichend wirksam war. Zudem hat Olanzapin auch eine beruhigende und entspannende Wirkung, die aggressives Verhalten reduzieren kann.
Studien lassen vermuten, dass Olanzapin bei schweren und therapieresistenten Formen der posttraumatischen Belastungsstörung eingesetzt werden kann. Es scheint hilfreich gegen Albträume und Schlaflosigkeit zu sein.[9]
Der Arzneistoff verbessert auch die Wirkung antiemetischer Medikamente bei einer Chemotherapie.[10]
Augmentation
Gemäß einer placebokontrollierten Studie und der klinischen Erfahrung kann die Zugabe von Olanzapin zu einer nicht erfolgreichen antidepressiven Behandlung (Therapieresistenz) zur früheren Beendigung der Therapie führen. Die Olanzapinzugabe weist den Vorteil ihrer einfachen Durchführung auf, bezüglich Wechselwirkungen sind jedoch die weiter unten angeführten Punkte zu beachten. Der Metabolismus von Antidepressiva wird durch die Augmentation (Kombination von mehreren Medikamenten zur Steigerung der Wirksamkeit) nicht beeinflusst.[11]
Kontraindikationen
Bei Engwinkelglaukom, psychotischen Zuständen bei älteren demenzkranken Patienten sowie dann, wenn ein Malignes Neuroleptisches Syndrom (MNS) vorausging, soll Olanzapin nicht angewendet werden.
Nebenwirkungen
Bekannte Nebenwirkungen von Olanzapin sind unter anderem folgende:[12]
- Gewichtszunahme
- Schläfrigkeit
- Kreislaufstörungen aufgrund niedrigen Blutdrucks
- erhöhter Plasmaprolaktinspiegel
- erhöhte Anzahl an bestimmten weißen Blutkörperchen
- Verminderung der Anzahl der weißen Blutkörperchen
- Verminderung der Anzahl bestimmter weißer Blutkörperchen
- erhöhter Cholesterinspiegel
- erhöhter Blutzuckerspiegel
- erhöhte Blutfettwerte
- erhöhte Zuckerwerte im Urin
- Zunahme des Appetits
- Schwindel
- motorische Unruhe
- Symptome der Parkinsonschen Krankheit
- Bewegungsstörungen
- Verstopfung
- Mundtrockenheit
- Erhöhung von Leberenzymen, insbesondere bei Behandlungsbeginn
- Ausschlag
- Gelenkschmerzen
- erektile Dysfunktion
- erniedrigte Libido
- allgemeine Schwäche
- Müdigkeit
- Wassereinlagerungen
- Fieber
- Veränderung der Blutwerte
- immunologische Überempfindlichkeit
- Entwicklung oder Verschlechterung einer Zuckerkrankheit
- Krampfanfälle
- Blickkrämpfe
- Gedächtnisstörungen
- Sprachstörungen
- Pulserniedrigung
- Abweichungen im EKG
- Thromboembolie
- Lungenembolie
- Venenthrombose
- Nasenbluten
- Blähungen
- Lichtüberempfindlichkeitsreaktionen
- Haarausfall
- Blasenschwäche
- Harnverhalt
- Schwierigkeiten beim Wasserlassen
- Menstruationsstörungen
- Brustvergrößerungen
- Milchabsonderung aus der Brust
- Brustbildung beim Mann
Ketoazidose
Ein Team von Forensikern untersuchte den Zusammenhang von Tod durch ketoazidotische (diabetische) Stoffwechselentgleisung im Zusammenhang mit verschiedenen Antipsychotika und veröffentlichte, dass hier im Zusammenhang mit diesen Toden die häufigsten Medikamente Quetiapin und Olanzapin gefolgt von Risperidon waren. Bei 16 von 17 untersuchten Todesfällen wurde die Medikation als primärer oder wenigstens beitragender Faktor des Todes durch Ketoazidose definiert.[13] Das Risiko, eine Ketoazidose zu erleiden, stieg bei Olanzapin in einer anderen Studie mit der Behandlungsdauer weiter an, während es bei Risperidon zu sistieren schien.[14]
Diese und andere Berichte führten dazu, dass die Empfehlung ausgesprochen wurde, die Blutglukose bei der Therapie mit atypischen Antipsychotika regelmäßig zu kontrollieren.[15][16]
Intramuskuläre Anwendung
Derzeit untersucht die FDA zwei Todesfälle, die sich drei bzw. vier Tage nach intramuskulärer Injektion von Olanzapin ereigneten. Auch wenn die Todesursache noch nicht feststeht, konnten erhöhte Serumkonzentrationen von Zypadhera gefunden werden, eine vermehrte Freisetzung aus dem Depot gilt als wahrscheinlich.[17]
Bereits in der Fachinformation wird auf die Möglichkeit der Überdosis durch versehentliche Injektion in der Nähe von Blutgefäßen hingewiesen. Für die intravenöse Anwendung gibt es aufgrund der starken Komplikationen eine strenge Kontraindikation. Durch Überdosierung kann es zu einem PDSS (postinjection delirium sedation syndrome), kardialen Arrhythmien und dem plötzlichen Herzstillstand kommen.
Kritik
Die Firma Eli Lilly, die als erste Olanzapin unter dem Handelsnamen Zyprexa auf den Markt brachte und patentieren ließ, kam 2006 in die Schlagzeilen („Zyprexa-Skandal“), da sie bewusst bestimmte Nebenwirkungen des Medikaments wie beispielsweise die drastische Gewichtszunahme und die mögliche Manifestation einer Diabetes-Erkrankung verschwiegen hatte. Seit dem Jahr 2005 wurden deshalb in 28.500 Fällen insgesamt 1,2 Milliarden Dollar außergerichtliche Entschädigungszahlungen geleistet (Stand Februar 2007). Um die durch diesen Skandal in den USA zurückgehenden Einnahmen auszugleichen, verteuerte die Firma ihr Produkt Zyprexa in Deutschland.[18]
Wechselwirkungen
Da Olanzapin durch CYP 1A2 metabolisiert wird, ist bei Substanzen, die spezifisch dieses Isoenzym induzieren oder hemmen, Vorsicht geboten. So wurde für Fluvoxamin, einen spezifischen CYP 1A2 Hemmstoff, eine signifikante Hemmung des Olanzapin-Metabolismus gezeigt. Die durchschnittliche Zunahme der Olanzapin AUC betrug 52 % bzw. 108 %. Eine niedrigere Anfangsdosis von Olanzapin muss hier in Betracht gezogen werden. Gleiches gilt für die gleichzeitige Einnahme mit Ciprofloxacin.
Auch Rauchen und Carbamazepin beeinflussen die Olanzapin-Spiegel, wobei es zu niedrigeren Olanzapin-Konzentrationen kommen kann.
Die gleichzeitige Verabreichung von Olanzapin und anderen Arzneimitteln, die das QT-Intervall im EKG verlängern (z. B. Ziprasidon), hat zu unterbleiben. Die Krampfschwelle senkende Medikamente sollen nicht oder nur mit größter Vorsicht zeitgleich verwendet werden, da Olanzapin ebenfalls epileptische Anfälle begünstigt.
Handelsnamen und Darreichungsformen
Der Handelsname des Olanzapin-Originalpräparats ist Zyprexa®, hergestellt und vertrieben durch Eli Lilly. In Deutschland, Österreich und der Schweiz stehen Filmtabletten und Schmelztabletten zur oralen Anwendung zur Verfügung. Eine parenterale Zubereitung als intramuskuläre Depotform (Olanzapin-Pamoat-Monohydrat) wird unter dem Handelsnamen ZypAdhera® vertrieben. Des Weiteren wird eine schnellwirksame intramuskuläre Zubereitung vertrieben. Da von Ende 2007 bis Dezember 2008 der Patentschutz für Zyprexa® in Deutschland aufgrund eines (nicht rechtskräftigen) Urteils des Bundespatentgerichts stark in Zweifel stand, waren zu dieser Zeit zahlreiche Generika auf dem deutschen Markt erhältlich. Am 17. Dezember 2008 entschied jedoch der Bundesgerichtshof zu Gunsten des Originalherstellers Eli Lilly, dass das Patent Gültigkeit besitzt.[19] Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist rechtskräftig. Zahlreiche Generikahersteller gaben daraufhin bekannt, den Vertrieb ihrer Olanzapin-Präparate vorerst einzustellen. Nach dem Ablauf des Patents sind in Deutschland seit dem 1. Oktober 2011 Generika verfügbar. Generika sind ebenfalls in Österreich erhältlich.
Herstellung
Bei der mehrstufigen Synthese von Olanzapin geht aus von 2-Nitrochlorbenzol und 2-Amino-3-cyano-5-methylthiophen, die unter Einwirkung von Lithiumhydroxid zu dem Zwischenprodukt 2-(2-Nitroanilino)-5-methylthiophen-3-carbonitril umgesetzt werden. Die Reduktion der Nitrogruppe erfolgt mit Zinn(II)-chlorid und Salzsäure. Dabei tritt direkt folgend die Cyclisierung zum siebengliedrigen Ring ein. Durch Erhitzen mit N-Methylpiperazin in einem Gemisch aus Toluol und DMSO entsteht dann Olanzapin.[20]
Handelsnamen
Zypadhera (Depotform in D, A), Zyprexa (D, A, CH), und zahlreiche Generika.
Siehe auch
Weblinks
- Europäischer öffentlicher Beurteilungsbericht (EPAR) und Produktinformation zu Zalasta auf der Website der Europäischen Arzneimittelagentur
- Bewertung
- Olanzapin. In: Erowid. (englisch)
Einzelnachweise
- Eintrag zu Olanzapin. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 20. Juli 2019.
- The Merck Index. An Encyclopaedia of Chemicals, Drugs and Biologicals. 14. Auflage, 2006, ISBN 978-0-911910-00-1, S. 1175.
- Datenblatt Olanzapin bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 8. April 2019 (PDF).
- ePsy.de: Psychopharmaka Zeittafel.
- R. M. Navari: Olanzapine for the prevention and treatment of chronic nausea and chemotherapy-induced nausea and vomiting. In: European journal of pharmacology. Band 722, Januar 2014, S. 180–186, doi:10.1016/j.ejphar.2013.08.048. PMID 24157985.
- O. Benkert, Hanns Hippius: Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie. 12., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Berlin/Heidelberg 2019, ISBN 978-3-662-57334-1.
- M. M. Söderberg, M. L. Dahl: Pharmacogenetics of olanzapine metabolism. In: Pharmacogenomics. Band 14, Nummer 11, August 2013, S. 1319–1336, doi:10.2217/pgs.13.120. PMID 23930678.
- Schweizerische Gesellschaft für Zwangserkrankungen: Medikamentöse Behandlung von Zwangsstörungen.
- M. Jakovljević, M. Sagud, A. Mihaljević-Peles: Olanzapine in the treatment-resistant, combat-related PTSD--a series of case reports. Acta Psychiatrica Scandinavica 26 (1): S. 45–49, 2006, PMID 12752037.
- rme/aerzteblatt.de: Chemotherapie: Olanzapin verbessert Wirkung von Antiemetika. In: aerzteblatt.de. 15. Juli 2016, abgerufen am 19. Juli 2016.
- J. Schöpf: Moderne Antidepressiva – Wechseln, Kombinieren, Augmentieren. Steinkopff, Darmstadt 2003, ISBN 3-7985-1426-7.
- OLANZAPIN-1A Pharma 5 mg Filmtabletten, Apotheken Umschau
- Susan F. Ely, Amber R. Neitzel, James R. Gill: Fatal Diabetic Ketoacidosis and Antipsychotic Medication. In: Journal of forensic sciences. 27. Dezember 2012. doi:10.1111/1556-4029.12044.
- Krishnan Ramaswamy, Chris M Kozma, Henry Nasrallah: Risk of diabetic ketoacidosis after exposure to risperidone or olanzapine. In: Drug Safety. 30, Nr. 7, 2007, S. 589–599.
- Melanie D. Guenette, Margaret Hahn, Tony A. Cohn, Celine Teo, Gary J. Remington: Atypical antipsychotics and diabetic ketoacidosis: a review. In: Psychopharmacology. 226, Nr. 1, März 2013, S. 1–12. doi:10.1007/s00213-013-2982-3.
- Cristian Palmiere, Daniel Bardy, Patrice Mangin, Dominique Werner: Postmortem diagnosis of unsuspected diabetes mellitus. In: Forensic Science International. März. doi:10.1016/j.forsciint.2013.01.004.
- FDA Drug Safety Communication: FDA is investigating two deaths following injection of long-acting antipsychotic Zyprexa Relprevv (olanzapine pamoate)
- Ärzteblatt: USA: Lilly zahlt 500 Mio US-Dollar für Nebenwirkungen von Zyprexa® (Memento vom 2. April 2018 im Internet Archive), 5. Januar 2007.
- Presseinformation von Eli Lilly vom 18. Dezember 2008: Bundesgerichtshof erkennt Lilly Zyprexa-Patent wieder zu.
- A. Kleemann, J. Engel, B. Kutscher, D. Reichert: Pharmaceutical Substances. 4. Auflage, 2 Bände erschienen im Thieme-Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 978-1-58890-031-9; seit 2003 online mit halbjährlichen Ergänzungen und Aktualisierungen.