Nacht und Nebel (Film)
Nacht und Nebel (Originaltitel: Nuit et brouillard), ein französischer Film, ist ein Dokumentarfilm über die deutschen Konzentrationslager, insbesondere das KZ Auschwitz-Birkenau, und den Holocaust in der Zeit des NS-Regimes. Der Film wurde 1955 von Anatole Dauman auf Initiative der Historiker Olga Wormser und Henri Michel produziert. Regie führte Alain Resnais. Die Filmmusik komponierte Hanns Eisler.
Film | |
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Titel | Nacht und Nebel |
Originaltitel | Nuit et brouillard |
Produktionsland | Frankreich |
Originalsprache | Französisch |
Erscheinungsjahr | 1956 |
Länge | 32 Minuten |
Stab | |
Regie | Alain Resnais |
Drehbuch | Alain Resnais, Kommentar von Jean Cayrol |
Produktion | Anatole Dauman Samy Halfon Philippe Lifchitz |
Musik | Hanns Eisler |
Kamera | Ghislain Cloquet Sacha Vierny |
Schnitt | Alain Resnais |
Besetzung | |
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Entstehung
Die Initiative für den Dokumentarfilm geht auf den Réseau de Souvenir zurück, einem 1952 gegründeten Zusammenschluss ehemaliger Deportierter aus der französischen Résistance, der sich dem Wachhalten der Erinnerung an die Deportationen verschrieben hatte. Der Réseau de Souvenir setzte sich in den 1950er-Jahren für einen Gedenktag an die Deportationen, den „Journée du Souvenir de la Déportation“, und für die Errichtung eines Denkmals, des „Memorial des Martyrs de la Deportation in Paris“, ein. Die Historiker Henri Michel und Olga Wormser gaben mit Tragédie de la Déportation im Auftrag des Réseau de Souvenir eine Anthologie mit Augenzeugenberichten Deportierter heraus. Um junge Menschen zu erreichen, sollte schließlich ein Dokumentarfilm mit dem Arbeitstitel Résistance et Déportation gedreht werden. Im November 1954 gaben Wormser und Michel anlässlich der Eröffnung der Ausstellung Résistance, Libération, Déportation den Plan bekannt. Michel kontaktierte dazu den Produzenten Anatole Dauman, der zunächst an Nicole Vedrès und dann an Alain Resnais herantrat.[1]
Bei dem Film sollten Archivmaterial, Dokumente und Schaubilder einerseits mit Filmaufnahmen vor Ort in Struthof, Mauthausen, Auschwitz-Birkenau und Majdanek kombiniert werden. Letztlich wurde mit erheblicher finanzieller Unterstützung der polnischen Regierung nur in Auschwitz-Birkenau und Majdanek gedreht. Die historischen Aufnahmen wurden hauptsächlich von polnischen Archiven und aus den Sammlungen des Centre de documentation juive contemporaine gestellt. Aufnahmen von der Befreiung des KZ Bergen-Belsen stammten aus niederländischen Archiven. Wormser und Michel fungierten als historische Berater. Sie schrieben auch das erste Exposé, das auf der Konzeption ihrer Anthologie beruhte. Resnais schrieb in enger Abstimmung mit Wormser ein Drehbuch.[2]
Alain Resnais hatte von Anfang an darauf bestanden, den Film mit dem Schriftsteller, Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und ehemaligen Häftling des KZ Mauthausen-Gusen Jean Cayrol zu drehen. Dieser hatte 1945 eine Gedichtsammlung unter dem Titel Poèmes de la Nuit et du Brouillard[3] (ins Deutsche übersetzt: Gedichte der Nacht und des Nebels) herausgegeben, in denen er seine Zeit in der Résistance und im KZ verarbeitete. Cayrol schrieb den Kommentar. In der deutschen Fassung war Paul Celan für die Texte verantwortlich. Im Film verwandte Resnais Wochenschaudokumente der Alliierten von der Befreiung von Auschwitz und anderer KZ. Zusätzlich unternahm er eine Reise nach Auschwitz und drehte mit seinem Kameramann Sacha Vierny Aufnahmen in Farbe, um sie mit den Schwarzweißaufnahmen der Wochenschauen zu kontrastieren. Sie nahmen den verfallenden Zaun und die maroden Gebäude auf. „Sie filmten das Gras, das nun zwischen den Gleisen wuchs, den verrosteten Stacheldraht der Elektrozäune, die Risse in den Betonmauern der Gaskammern und vor allem die zu regelrechten Bergen aufgehäuften Schuhe und Brillen der Ermordeten – darunter auch die Berge der Haare, die man ihnen abgeschnitten hatte, um Filzdecken daraus zu fertigen. Diese Bilder machten möglich, was keiner Einbildungskraft vorher gelungen war: sich den Tod von Millionen Menschen vorzustellen. Die Bilder der Leichenberge hatten die Zuschauer sprach- und fassungslos gemacht, die Bilder der Berge von Brillengestellen dagegen berührten sie.“[4]
Künstlerische Form
Nuit et brouillard dauert 32 Minuten und kombiniert Dokumentaraufnahmen und Archivmaterial in Schwarzweiß mit farbigen Sequenzen, die die zerfallenden Vernichtungslager KZ Auschwitz-Birkenau von 1955 zeigen. Beide Darstellungsebenen sind filmtechnisch genau und kontrapunktisch aufeinander bezogen.
Die Filmmusik von Hanns Eisler ist eindringlich und jeweils auf die Bildsequenzen in Schwarzweiß und Farbe abgestimmt. Eislers Inspiration zur Musik war der Monolog von Horatio aus Hamlet, den er in Karl Kraus Weltgericht aus dem Jahr 1919 gelesen hatte.[5]
Die farbigen Bildsequenzen sind mit einem Text des französischen Schriftstellers Jean Cayrol unterlegt. Dieser hatte sich 1940 der französischen Widerstandsbewegung angeschlossen, war 1943 inhaftiert und in das KZ Mauthausen deportiert worden. Sein poetischer Monolog erinnert an die Alltagswelt der Konzentrationslager, die dort erlebte Quälerei, Demütigung, an Terror und Vernichtung. Die deutsche Übersetzung stammt von Paul Celan; sie weicht aus poetischen Gründen manchmal vom Original ab und blieb für Jahrzehnte die einzige gedruckte Version. Gesprochen wurde der Text von Kurt Glass.[6] Daneben gab es eine DDR-Fassung des Films, deren Übersetzung von Henryk Keisch[7] stammte, gesprochen von Raimund Schelcher.[8] Erst 1997 wurde der französische Filmtext gedruckt.
Die französische Regierung hatte durchgesetzt, dass originales Bildmaterial aus dem Lager Pithiviers manipuliert werden musste. Ein französischer Polizist, der die jüdischen, zur Deportation nach Auschwitz bestimmten Gefangenen bewachte und an seiner Uniform deutlich erkennbar war, musste daher am Bildrand geschwärzt werden. Das entsprach der französischen Regierungslinie bis in die 1990er Jahre, eine unter der deutschen Besatzung erfolgte aktive Kollaboration der Beteiligung am Holocaust zu leugnen.[9]
Aufführungsgeschichte
Mehr als 10 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs – mitten im Kalten Krieg – war der Film im Dezember 1955 fertiggestellt. Vertreter der deutschen Botschaft sahen ihn vorab bei einer Privataufführung in Paris. Der Produzent empfand ihre Reaktion auf den Film als „eisig“. Im Januar 1956 erhielt dieser den französischen Jean-Vigo-Preis und wurde im März einstimmig als französischer Beitrag für die Filmfestspiele von Cannes im April nominiert.
Daraufhin verlangte die Bundesregierung mit einem Brief des deutschen Botschafters von Maltzahn in Paris an den französischen Außenminister Christian Pineau die Absetzung der Kandidatur: Man habe im Prinzip nichts gegen die filmische Darstellung von NS-Verbrechen einzuwenden; aber nach den Bestimmungen der Festspiele sollten die Filme in Cannes zur Freundschaft zwischen den Völkern beitragen und nicht das Nationalgefühl eines Landes verletzen. Dieser Film werde die Atmosphäre zwischen Franzosen und Deutschen vergiften und dem Ansehen der Bundesrepublik schaden. Das Filmfestival von Cannes sei daher nicht das geeignete Forum für einen solchen Film.[10] Denn gewöhnliche Zuschauer seien nicht fähig, zwischen den verbrecherischen Führern des NS-Regimes und dem heutigen Deutschland zu unterscheiden.
Daraufhin strich das französische Auswahlkomitee für die Filmfestspiele den Film am 7. April 1956 von seiner Vorschlagsliste. Dies löste anhaltende Proteste in Frankreich ebenso wie in der Bundesrepublik aus. Es kam zu einer monatelangen leidenschaftlichen öffentlichen Debatte. In Frankreich nahmen Organisationen der Widerstandskämpfer und Deportierten und Persönlichkeiten des kulturellen Lebens wie Jean Cayrol kritisch Stellung; Bernard Blier verlangte vom zuständigen Handelsminister Maurice Lemaire Aufschluss über die deutsche Einmischung, dieser erlaubte darauf die Vorführung außerhalb des Programms am 29. April in Cannes, am Vorabend des „Nationalen Gedenktages für die Deportierten“. In der Bundesrepublik protestierten prominente Autoren gegen das Vorgehen der Bundesregierung, darunter Alfred Andersch, Heinrich Böll, Hans Georg Brenner, Walter Dirks, Wolfgang Hildesheimer, Eugen Kogon, Ernst Kreuder, Erich Kuby, Hans Werner Richter und Paul Schallück. Der NDR sendete ihre Stellungnahme während der Festspiele am 16. April.
Im Deutschen Bundestag verlangte die SPD eine aktuelle Fragestunde zu dem Vorgang. Befragt nach den Gründen der Intervention, antwortete Staatssekretär Hans Ritter von Lex am 18. April, Cannes sei nicht „der rechte Ort… um einen Film zu zeigen, der nur allzuleicht dazu beitragen kann, den durch die nationalsozialistischen Verbrechen erzeugten Hass gegen das deutsche Volk in seiner Gesamtheit wieder zu beleben.“
In ausländischen wie bundesdeutschen Medien wurde das Verhalten der Bundesregierung und des französischen Auswahlkomitees fast einhellig abgelehnt. Die Londoner Times schrieb am 2. Juni 1956:
„Es ist schwer, etwas anderes als Zorn denjenigen gegenüber zu empfinden, die diese feierliche und schreckliche Elegie zurückzogen.“
Am 29. Juni wurde der Film in Bonn vor 700 eingeladenen in- und ausländischen Pressevertretern, Bundestagsabgeordneten, Beamten und Angestellten einiger Ministerien und Studenten gezeigt. Die Initiative dazu ergriff die Europäische Zeitung, das Organ der deutschen Jugend für Europa in der Europäischen Bewegung. Die Besucher erhielten Fragebögen mit Bewertungsmöglichkeiten:
- ob der Film als objektiv, tendenziös und antideutsch empfunden werde
- ob die Erinnerung an die Naziverbrechen dringend notwendig, überflüssig oder schädlich sei
- ob der Film einen heilsamen Schock auslöse, die Zuschauer gleichgültig lasse oder abstoße
- ob er möglichst vielen, nur ausgewählten Kreisen oder überhaupt nicht zugänglich gemacht werden solle.
Als deutsche Erstaufführung gilt der 1. Juli 1956 im Capitol Cinema in West-Berlin,[11] zur gleichen Zeit wurde er im Rahmen des 8. Internationalen Filmtreffens in Bad Ems gezeigt.[12]
Am 4. Juli schrieb der Kölner Stadt-Anzeiger zu den von seinem Korrespondenten beobachteten Publikumsreaktionen, darunter vielen ehemaligen KZ-Häftlingen:
„Wenn irgendwo, so hätte es hier zu einer antideutschen Demonstration kommen müssen. Man hätte es sogar kaum übelnehmen können. Aber nichts dergleichen geschah. Die französischen Besucher machten nicht den Fehler, den ihnen die Bundesrepublik Deutschland eigentlich empfohlen hatte, als sie durch den Protest die Darstellung der Greueltaten des Dritten Reiches als aktuellen Vorwurf gegen Deutschland überhaupt betrachtete.“
Am 1. August berichtete die Zeitung Le Monde ausführlich über den Brief der deutschen Botschaft und das Ergebnis der Umfrage von der Bonner Vorführung:
- 376 der 412 Zuschauer hielten den Film für objektiv und gerecht; 14 empfanden ihn als tendenziös und sieben als antideutsch.
- 347 Zuschauer hielten es für dringlich, ihn in Deutschland zu zeigen, 40 für unnütz und neun für schädlich.
- 222 glaubten, dass er in Deutschland begrüßt würde, 41 an eine zurückhaltende, 38 an eine gleichgültige Aufnahme, 37 an Ablehnung.
- 263 Zuschauer sprachen sich für eine weite Verbreitung des Films aus, 106 für eine eingeschränkte; lediglich elf waren gegen jede Vorführung.
Die Neue Zürcher Zeitung kommentierte die Gründe der Bundesregierung am 8. August als Ausdruck einer „überängstlichen und jedenfalls schwer verständlichen Sorge“. Daraufhin wurde der Film in weiteren deutschen Städten, darunter Berlin-West, Hamburg, München, Düsseldorf und Hannover, vor geladenem Publikum gezeigt.
Überall waren die Aufführungssäle überfüllt, und der Film löste tiefe Bewegung aus. Die Rhein-Neckar-Zeitung schrieb dazu am 12. Februar 1957: „Man wird diesen Film nie vergessen. Jeder sollte ihn sich ansehen.“ Im Herbst 1956 führten die Voraufführungen und Umfragen dazu, dass sich das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung und die Bundeszentrale für Heimatdienst die Rechte für die nichtgewerbliche Nutzung sicherten und über 100 Kopien kostenlos zur Verfügung stellten. Seit Dezember 1956 wurde der Film auch kommerziell verliehen und u. a. in über 60 Theatern Berlins sowie ungezählten Matinee- und Sonderveranstaltungen gezeigt.
Anfang Mai 1957 beschloss die Landesbildstelle Baden-Württemberg, den vom Kultusministerium zur Vorführung an höheren Schulen empfohlenen Film abzulehnen. Die Süddeutsche Zeitung berichtete darüber am 3. Mai:
„Das Gremium war der Auffassung, dass der Film aus pädagogischen Gründen den Jugendlichen, die den Krieg selbst nur in vager Erinnerung haben, nicht zugemutet werden könne.“
Die Allgemeine Wochenzeitung der Juden in Deutschland schrieb dazu am 17. Mai:[13]
„Gerade weil die eigenen Erinnerungen so ‚vage‘ sind wie der Stuttgarter Gutachterausschuß betonte, muß konkretes Wissen vermittelt werden – nicht um die Sünden der Väter zu enthüllen, sondern um die Kinder davor zu bewahren, den gleichen Weg des Unrechts und der Menschenverachtung zu gehen.“
Zum 40. Jahrestag der Reichspogromnacht strahlte das ZDF den Film am 9. November 1978 erstmals im deutschen Fernsehen aus.[14]
- Israel
Auch in Israel durfte der Film auf Betreiben der Filmzensurbehörde und des Gewerkschaftsbundes Histadrut nicht gezeigt werden.[15]
Kritiken
„Resnais Dokumentarfilm ist eines der wichtigsten filmischen Werke über die deutschen Konzentrationslager. Mit größter stilistischer Zurückhaltung und einer äußerst sensiblen deutschen Fassung durch Paul Celan wird eine Darstellung des Grauens erarbeitet, in der die zeitgenössische Wirklichkeit von Auschwitz/Birkenau mit den Dokumenten der Alliierten Wochenschau-Bilder konterkariert wird. Ein Film aus der Erinnerung des Nichtschilderbaren heraus: Er antizipiert die Unmöglichkeit, den Holocaust zu dramatisieren und desavouiert alle wohlfeilen Versuche, die Geschichte dieser Monstrosität ‚zu erzählen‘.“
Es gab an dem Film auch Kritik, die dessen Intentionen vollkommen unterstützte, die gewählten Mittel (z. B. die Bilder der Bulldozer, die die leblosen Körper in eine Grube schieben) aber ablehnte, da den Opfern auch in ihnen keine Individualität zugesprochen werde. Beispielhaft für diese Kritik die Sicht von Armand Gatti:
„Mich stört nicht nur, daß es sich um ein fälschlich typisiertes Bild von der Vernichtung handelt, weil […] die Wahrheit der Vernichtung gerade in der Nicht-Existenz solcher Bilder besteht. In der Logik des nationalsozialistischen Vernichtungsprozesses mußten alle Spuren verwischt werden. Alles verlief ordentlich und streng geregelt. Die Bilder … drücken einen, wenn auch realen, Aspekt der Grausamkeit des Lagers aus, einen Aspekt, der jedoch nicht im Zentrum des Vernichtungsprozesses steht. Das eigentlich Inakzeptable an diesen Bulldozern ist, daß sie allen Opfern genau das verweigern, was ihnen auch die Nazis nicht gewähren wollten, nämlich eine Bestattung. Sie sind nur noch Körper, ›Figuren‹. Welche Erinnerung kann es für die Nachkommen jener so übereinander geschichteten Männer und Frauen geben? Alles verliert sich in der Uniformität und Anonymität des Grauens.“
Rezeption
- Uwe Johnson: Jahrestage (1970). Die aus Deutschland nach Amerika emigrierte Hauptfigur sieht in einem New Yorker Filmclub den Film.[18]
- Margarethe von Trotta: Die bleierne Zeit (1981). In einer Szene, die ihre Jugendzeit schildert, sieht das spätere Mitglied der RAF (reales Vorbild: Gudrun Ensslin) in einem Jugendheim Nacht und Nebel. Sie verlässt den Raum und muss sich übergeben.[19]
- Christian Petzold: Die innere Sicherheit (2000). Hier ist es die Tochter eines Terroristenpaares, die in den 1990er Jahren die letzte Szene des Films Nacht und Nebel sieht. Das Mädchen wird scheinbar von dem Film weit weniger berührt als das Mädchen in von Trottas Film.[20]
Der Regisseur Volker Schlöndorff, der den Film als Schüler während eines Gastaufenthalts in einem Internat in der Bretagne sah, erinnert sich an dieses erste Sehen von Nacht und Nebel: „Natürlich hatte ich von den Lagern gehört, an eine konkrete Beschreibung, an Bilder oder Zahlen über den Holocaust kann ich mich aus dem Geschichtsunterricht in Wiesbaden nicht erinnern. Dieses Thema war im Adenauer-Deutschland tabu, an den Schulen, wie in der Gesellschaft. Deshalb war ich dem Schrecken der Bilder, die ich nun sah, weder geistig noch sonst wie gewachsen. Die damalige Wirkung von Nacht und Nebel ist heute unvorstellbar. Inzwischen werden diese Bilder ja tatsächlich inflationär, würdelos und wahllos zu Illustrationszwecken benutzt, sogar in Spielfilmen.“[21]
Preise und Auszeichnungen
- 1956: Prix Jean-Vigo, Kategorie Kurzfilm
- 1956: Prix Jean-Vigo für Hanns Eisler, Filmmusik[22]
- 1956: Grand prix du cinéma français
- 1961: Nominiert für den United Nations Award der British Film Academy Awards
Titelherkunft
Der Titel erschien im Deutschen erstmals auf einem Buch von 1946:
- Arnold Weiss-Rüthel: Nacht und Nebel. 1. & 2. Aufl. mit Untertitel: Aufzeichnungen aus fünf Jahren Schutzhaft. (157 S.) Kluger, München 1946; 3. Aufl. mit Untertitel: Ein Sachsenhausen-Buch (195 S.) VVN, Potsdam, 1949
Vertriebsformen
- Nacht und Nebel. 31 Min., Absolut Medien, 2015 ISBN 978-3-8488-4045-8 (Ton: Mono, mit englischen Untertiteln)
Literatur
- Anne-Berenike Binder: "Mon ombre est restée là-bas." Literarische und mediale Formen des Erinnerns in Raum und Zeit. Reihe: Romania Judaica. Studien zur jüdischen Kultur in den romanischen Ländern. ISSN 1435-098X Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2008, ISBN 978-3-484-57008-5, S. 231–277
- Pia Bowinkelmann: Schattenwelt. Die Vernichtung der Juden, dargestellt im französischen Dokumentarfilm. Offizin, Hannover 2008, ISBN 978-3-930345-62-5, S. 85–96, 167–173, 225–234, 352–357
- Catrin Corell: Der Holocaust als Herausforderung für den Film. Formen des filmischen Umgangs mit der Shoah seit 1945. Eine Wirkungstypologie. Transcript, Bielefeld 2009, ISBN 978-3-89942-719-6. – Online verfügbar auf der Website von transcript-verlag.de, ISBN 978-3-8394-0719-6
- Walter Euchner: Unterdrückte Vergangenheitsbewältigung. Motive der Filmpolitik in der Ära Adenauer. S. 347f: "Der Fall 'Nacht und Nebel'". in: Rainer Eisfeld & Ingo Müller (Hrsg.): Gegen Barbarei. Essays Robert M. W. Kempner zu Ehren. Athenäum Verlag, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-610-08537-1
- Sylvia Lakämper: Alain Resnais/Paul Celan:Nacht und Nebel. In: Torben Fischer, Matthias N. Lorenz (Hrsg.): Lexikon der „Vergangenheitsbewältigung“ in Deutschland. Debatten- und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Transcript, Bielefeld 2015, ISBN 978-3-8376-2366-6, S. 123f.
- Sylvie Lindeperg: »Nacht und Nebel«: Ein Film in der Geschichte. Aus dem Französischen von Stefan Barmann. Vorwerk 8, Berlin 2010, ISBN 978-3940384249
- Richard Raskin: "Nuit et Brouillard". On the Making, Reception and Functions of a Major Documentary Film, mit einem Vorwort von Sacha Vierny und einem Interview mit Alain Resnais. Aarhus University Press, Aarhus 1987, ISBN 87-7288-100-3
- Hélène Raymond: Poétique du témoignage: Autour du film Nuit et brouillard d'Alain Resnais. L'Harmattan, Paris 2008, ISBN 978-2296054431
- Bastian Reinert: Translating Memory: Acts of Testimony in Resnais, Cayrol, and Celan. In: Peter Arnds (Hrsg.): Translating Holocaust Literature, V & R unipress, Göttingen, ISBN 978-3-8471-0501-5, S. 139–152
- Volker Schlöndorff: Nacht und Nebel. In: Alfred Holighaus (Hrsg.): Der Filmkanon. Bertz + Fischer, Berlin 2005, ISBN 978-3865051608, S. 107–112. – Online verfügbar auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung sowie im „online-Booklet“ zur DVD von Absolut Medien / Arte Edition
- Mirjam Schmid: Darstellbarkeit der Shoah in Roman und Film. Kulturgeschichtliche Reihe, 12. Sonnenberg, Annweiler 2012, ISBN 978-3-933264-70-1[23]
- Martina Thiele: Publizistische Kontroversen über den Holocaust im Film. 2. überarbeitete Auflage. Lit Verlag, Münster 2017, ISBN 978-3825858070. – Dissertation; online verfügbar auf der Website ediss.uni-goettingen.de; S. 166–206
- Ewout van der Knaap (Hrsg.): Uncovering the Holocaust. The International Reception of "Night and Fog". Wallflower Press, New York 2006, ISBN 978-1904764649. Mit Beiträgen von Cora Kaplan, Sidney Perkowitz & Kirsten Moana-Thompson
- Ewout van der Knaap: »Nacht und Nebel«. Gedächtnis des Holocaust und internationale Wirkungsgeschichte. Wallstein Verlag, Göttingen 2008, ISBN 978-3-8353-0359-1
Weblinks
- Nacht und Nebel in der Internet Movie Database (englisch)
- Nacht und Nebel Trailer bei YouTube
- Paul Celan: Text des Kommentars als PDF bei Bundeszentrale für politische Bildung.
- Jan-Frederik Bandel: Mit Moos bewachsen. Eine kleine Rezeptionsgeschichte von Alain Resnais’ Film "Nacht und Nebel"
- Reaktionen, Zusammenstellung Bundesverband Jugend und Film
- Über Nacht und Nebel auf Cine-Holocaust.de (Memento vom 11. März 2014 im Internet Archive).
Einzelnachweise
- Sylvie Lindeperg: Night and Fog. A History of Gazes. In: Griselda Pollock u. Max Silverman (Hrsg.): Concentrationary Cinema. Aestethics as Political Resistance in Alain Resnais's Night and Fog (1955). Berghahn, New York 2011, S. 57 f.
- Sylvie Lindeperg: Night and Fog. A History of Gazes. In: Griselda Pollock u. Max Silverman (Hrsg.): Concentrationary Cinema. Aestethics as Political Resistance in Alain Resnais's Night and Fog (1955). Berghahn, New York 2011, S. 58 f.
- Jean Cayrol: Poèmes de la Nuit et du Brouillard. Suivi de: Larmes publiques, Littérature Française, abgerufen am 5. November 2019
- Volker Schlöndorff Analyse des Films vom 15. April 2010 mit dem Titel „Nacht und Nebel – 1955 dreht Alain Resnais einen Film über die Lager der Nationalsozialisten. Sein bis dato ungewöhnlicher Einsatz der filmischen Mittel erzeugt Distanz, die erst ein Begreifen möglich macht.“
- Ewout van der Knaap: Nacht und Nebel. Gedächtnis des Holocaust und internationale Wirkungsgeschichte. S. 24
- Ewout van der Knaap: Nacht und Nebel. Gedächtnis des Holocaust und internationale Wirkungsgeschichte. S. 83
- Über den Film aus Die Welt, 25. Januar 2011. Keisch verschrieben zu "Kelsch"
- Fritz Bauer Institut, Cinematographie des Holocaust (Memento vom 11. März 2014 im Internet Archive), sowie Sylvie Lindeperg, siehe Lit. Die DDR-Fassung wurde demnach in diesem Land nur in geschlossenen Aufführungen gezeigt
- Lindeperg, siehe Lit.
- Walter Euchner: Unterdrückte Vergangenheitsbewältigung. Motive der Filmpolitik in der Ära Adenauer. S. 347f: "Der Fall 'Nacht und Nebel'". in: Rainer Eisfeld & Ingo Müller (Hrsg.): Gegen Barbarei. Essays Robert W. Kempner zu Ehren. Athenäum, Frankfurt 1989 ISBN 3-610-08537-1
- Release dates, IMDb
- Anne Paech: Die Schule der Zuschauer. Zur Geschichte der deutschen Filmclub-Bewegung. In: Hilmar Hoffmann, Walter Schobert (Hrsg.): Zwischen Gestern und Morgen. Westdeutscher Nachkriegsfilm 1946–1962. Kommunales Kino, Frankfurt 1989. PDF, S. 17.
- Eine endgültige Klärung, von wie weit oben der deutsche Kampf gegen den Film geführt wurde, ist dadurch erschwert, dass die Botschaft Paris 1988 gegenüber Euchner behauptete, alle Akten bis 1965 vernichtet zu haben. Vermutlich steckte Adenauer dahinter, der bei Filmen mit politischem Bezug ausschließlich Staatsfilme wünschte.
- Frankfurter Rundschau: „Kulenkampffs Schuhe“, Das Erste: Zwischentöne im Amüsierbetrieb. In: Frankfurter Rundschau. (fr.de [abgerufen am 8. August 2018]).
- Nitzan Lebovic: Eine Absenz die Spuren hinterlässt, in: Ewout van der Knaap (Hrsg.): "Nacht und Nebel": Gedächtnis des Holocaust und internationale Wirkungsgeschichte, Wallstein Verlag, 2008, S. 141–162. ISBN 978-3-8353-0359-1.
- Nacht und Nebel. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 20. August 2017.
- Hier zitiert nach Catrin Corell: Der Holocaust als Herausforderung für den Film, S. 16/18, Fußnote 15 (s. Literatur).
- Uwe Johnson. Jahrestage. Aus dem Leben der Gesine Cresspahl. Suhrkamp, 1996. Bd. 1.2, S. 852
- Ewout van der Knaap (Hrsg.): »Nacht und Nebel«. Gedächtnis des Holocaust und internationale Wirkungsgeschichte, S. 61ff.
- Ewout van der Knaap (Hrsg.): »Nacht und Nebel«. Gedächtnis des Holocaust und internationale Wirkungsgeschichte, S. 65.
- Vollständiger Text, aus November 2008, im „online-Booklet“ der DVD von Absolut Medien / Arte Edition (s. Literatur).
- Nacht und Nebel. Musik zum Dokumentarfilm 'Nuit et Brouillard' von Alain Resnais, hrsg. Oliver Dahin (Orch.) 1955, Dauer: 30', Breitkopf & Härtel, abgerufen am 5. November 2019
- Schwerpunkte: "Nacht und Nebel" und André Schwarz-Bart, Der Letzte der Gerechten, Roman