Meinersen (Adelsgeschlecht)
Meinersen war ein niedersächsisches uradeliges reichsfreies Edelherrengeschlecht und wurde im Jahre 1142 erstmals erwähnt. Nach Herkunft, Abstammung, Verwandtschaft und Besitz gehörten die Edelherren von Meinersen zur obersten Schicht des Adels nördlich des Harzes. In der VIII. Generation erlosch das Geschlecht, als der letzte männliche Familienangehörige 1374 gestorben war.
Herkunft
Die Anfänge des sächsischen Geschlechts beginnen urkundlich mit Rudolfus de Mandere (ca. 1100–1135), genannt nach dem Ort Mahner, in dem die Adelsfamilie beträchtlichen Besitz besaß. Die Ehegattin Rudolfs I. von Mahner war vermutlich eine Schwester oder Tochter der Markgräfin Irmgard von Plötzkau.
Geschichte
Rudolfs ältester Sohn Luthard I. († nach 1169) wurde zum ersten Mal urkundlich 1142 erwähnt. Er nannte sich wohl erst von Mahner, danach von Emden, wo die Familie bedeutende Besitzungen hatte, ab dem Jahr 1150 aber nach seinem Stammsitz, dem Ort Meinersen. Edelherr Luthard I. von Meinersen war zu dieser Zeit bereits ein bedeutender Mann in der adeligen Gefolgschaft Herzog Heinrichs des Löwen. Seit dem Herrschaftsantritt Heinrichs befand sich Luthard I. an dessen Hof und war Anhänger der herzoglichen Politik. Dass er neben Personen aus gräflichen Geschlechtern sogleich in eine solch hervorragende Stellung gelangen konnte, verdankte er wohl, dass er dem weitläufigen Verwandtenkreis des jungen Herzogs angehörte. Am 18. Oktober 1161 zog Luthard I. mit dem Herzog an die Elbe nach Artlenburg, wo dieser einen Vergleich zwischen Deutschen und Gotländern stiftete (Artlenburger Privileg). Anfang 1162 war er mit ihm in Corvey an der Weser. Im Sommer 1163 begleitete er Herzog Heinrich nach Verden, der dort für das Lübecker Domkapitel urkundete. Am 20. April 1169 testierte Luthard I. in Gittelde eine Schenkungsurkunde Herzog Heinrichs für das Kloster Lamspringe. Hierbei wurde er besonders ausgezeichnet und seine Stellung als Getreuer des Herzogs dadurch hervorgehoben, dass er mit seinen Söhnen, vor den anwesenden Grafen, die Zeugenliste anführte.[1] Kurz darauf starb Luthard I., seine Frau Hedwig und die Söhne Unico und Anselm waren schon vor dem 18. Oktober 1147 gestorben. Luthards Söhne und Erben Dietrich I. und Rudolf II. wurden zwischen 1147 und 1182 urkundlich erwähnt. Die Brüder nahmen im Jahr 1182 an einer Landesversammlung (magnum placitum) Bischof Adelogs von Hildesheim in Bodenburg teil.
Luthard II. von Meinersen, Sohn Dietrichs I., erwähnt 1203 bis 1232, befand sich in der Gefolgschaft Herzog Heinrichs von Sachsen und Pfalzgraf bei Rhein. Er folgte dem Herzog 1204 in das Gebiet von Stade und Bremen. Später begleitete er König Otto IV. zu seiner Kaiserkrönung nach Italien und feierte dort mit dem Kaiser das Weihnachtsfest des Jahres 1209 in Terni. Am 19. Mai 1218 war Luthard II. auf der Harzburg anwesend, als Kaiser Otto IV. starb. Ein Tag vorher, am 18. Mai, bezeugte er das Testament des Kaisers[2] und war einige Tage später in Braunschweig bei den Begräbnisfeierlichkeiten dabei. Nach dem Tod Ottos IV. hielt sich Luthard II. von 1220 bis April 1227 ständig im Gefolge Herzog Heinrichs auf, vorzugsweise an seinem Hof in Braunschweig. Um 1218 bis 1220 erstellte Luthard II. ein umfangreiches Lehnsverzeichnis, das sowohl seine an verschiedenen Orten verlehnten Besitzungen als auch die Namen der damit belehnten Vasallen aufführte. Die Söhne Luthard III. senior und Luthard IV. iunior († 1269) übernahmen das Lehnsregister und setzten es später fort.[3] Seit 1254 gehörte Luthard III. wie sein gleichnamiger jüngerer Bruder, zum Kreis der Räte (consiliarius) Herzog Albrechts I. von Braunschweig, und hielt sich bis zu seinem Tod im Jahre 1278 ständig am Hof des Herzogs auf.
Die folgenden Generationen verwalteten vorwiegend den umfangreichen Besitz, befehligten als Burghauptleute ihre Burgen oder standen oft an vorderster Stelle als Siegelzeugen in unzähligen Urkunden.
Zahlreiche Familienmitglieder traten aber auch als geistliche Würdenträger in Stifte und Konvente ein, wie in die Domstifte Halberstadt, Hildesheim und Magdeburg, Stift Dorstadt, Stift St. Cyriakus Gernrode, Kollegiatstifte St. Blasius in Braunschweig und St. Peter und Paul in Magdeburg-Neustadt, Kloster Marienberg, Stiftspropstei St. Wipert in Nienburg/Saale oder in das Reichsstift St. Servatius in Quedlinburg.[4] Oda von Meinersen war 1249 Äbtissin im Stift Gernrode.
Bernhard II. von Meinersen (1305–1374), Domherr zu Hildesheim, Magdeburg und Paderborn, Sohn Konrads I. von Meinersen und der Gertrud von Dorstadt, war das letzte männliche Familienmitglied der Edelherren von Meinersen. Da Bernhard als Geistlicher nicht lehnsfähig war, hatte er schon am 11. November 1353 dem Bischof und Hochstift von Hildesheim, deren Lehen an seine Familie, die Burg und Herrschaft Meinersen übertragen und das Eigengut der Edelherren, besonders die Burg Oelber, überlassen.[5] Dieser Vorgang löste massive Proteste der Welfen aus. Im Juli 1365 schenkte Bernhard II. zur Seelgerätstiftung für seine Eltern und Vorfahren dem Kloster Althaldensleben das Patronat und Eigentum der Pfarrkirche in Emden. In seiner geistlichen Laufbahn war Bernhard II. Kanoniker, Archidiakon von Sarstedt, Stöckheim und Mildensee, Domdekan, Domkämmerer, Domkellner, Propst, Senior des Domkapitels, erzbischöflicher Offiziale und Mitglied der Regierungskommission während der Sedisvakanz. Bernhard II. starb am 15. November 1374 und wurde im Magdeburger Dom begraben. Bernhards Schwester Gertrud von Meinersen (erw. 1374–1390), Priorin des Stifts Dorstadt, ist als die letzte lebende Angehörige des Edelherrengeschlechts anzusehen. Mit ihrem Tod erlosch die Familie endgültig.
Besitzungen
Die Edelherren von Meinersen waren eine der bedeutendsten und einflussreichsten Familien des 12. bis 14. Jahrhunderts im nördlichen Harzvorraum und außerordentlich reich begütert. Ihre Besitzungen erstreckten sich im Raum zwischen Leine und Elbe, südlich der Aller und Ohre und nördlich des Harzgebirges, dazu am Westharz und im Leinetal im Gebiet von Einbeck bis weiter südlich nach Göttingen. Der gesamte Raum hat eine Ausdehnung von ca. 125 km in westöstlicher und von ca. 120 km in nordöstlicher Richtung. Dazu kam Streubesitz, der westlich der Leine und vor allem nördlich der Aller in der Gegend von Uelzen und Lüneburg lag und bis in die Nähe von Bremen reichte. Die Besitzungen umfassten von 1147–1366 etwa 920 Hufen Land, in mehr als 263 Ortschaften, zum größten Teil an Angehörige von 175 Geschlechtern verlehnt. Sie besaßen sieben Burgen, oder hatten Anteile daran, 15½ Wälder (davon 2 „Königswälder“), 13½ Dörfer, 77 Höfe, 82 Hofstellen, 14 Kotten, 19½ Mühlen, 10 Vorwerke, 110 Zehnten, 15 Vogteien, 8 Kirchenvogteien, 12 Patronate, 4 Fischereien, Salzrechte u.v.m. Allein in einem Lehnsobjekt wurde die Zahl von 50 Hörige genannt. Die tatsächliche Menge aller Höriger ist aber nicht bekannt, da sie nur selten, und wenn dann allgemein ohne Zahlenangabe bei Höfen und Hufen in den Quellen erwähnt werden.[6][7]
Die Burgen der Edelherren von Meinersen waren die Burg Meinersen (vor 1150–1353), eine Niederungsburg mit Wall und Wassergraben am östlichen Okerufer südlich der Kirche von Meinersen. Die Reichsburg Harzburg hatten sie und die Grafen von Wohldenberg 1180 als Lehen von Kaiser Friedrich I. erhalten. Bestätigt wurde dieses Reichslehen im Testament Kaiser Ottos IV. im Mai 1218. Als Burghauptleute hatten beide dort im Jahr 1223 den jungen Dänenkönig Waldemar und seinen Vater Waldemar II. als Gefangene des Reichs zu halten und zu bewachen. Im Jahr 1269 kam die Harzburg an die Grafen von Wernigerode. Die Wasserburg Oelber war seit Mitte des 12. Jahrhunderts Eigenbesitz der Edelherren, bis Bernhard II. die Burg mit Zubehör 1353 dem Stift Hildesheim übertrug. Danach kam Burg Oelber als Lehen an die Herren von Cramm, die auch schon vorher auf der Burg saßen. An der um 1321 erbauten Burg Neubrück besaßen die Edelherren offenbar keine Rechte. Aber Grund und Boden, die Okerinsel auf der die Burg stand, gehörte ihnen. Die Burg Alvensleben belehnten im Jahr 1271 die Markgrafen von Brandenburg zur Hälfte an Luthard III. von Meinersen. Nach seinem Tod im Jahr 1278 übernahmen die Söhne Luthard V. und Konrad I. Burg Alvensleben. Konrad I. residierte über 30 Jahre auf ihr. Am 29. Juni 1321 verkauften Konrad I. von Meinersen, Burchard von Berwinkel u. a. ihre Anteile an der Burg Alvensleben dem Erzbischof von Magdeburg für 1000 Stendaler Silbermark.[8] Die Burg Lutter erhielten die von Meinersen um 1293 von ihren Verwandten, den Edlen von Dorstadt. Im Jahr 1305 überließen sie diese Burg aus politischen Gründen Herzog Heinrich I. von Braunschweig. Als Gegenleistung für Lutter gab ihnen der Herzog 1305 die Burg Grubenhagen bei Einbeck, die bis 1317 in Besitz der Edelherren war. Während dieser Zeit führte Luthard V. von Meinersen das Kommando über die Burgmannschaft.
Wappen
Eine Abbildung oder Beschreibung des Wappens derer von Meinersen fehlt in den historischen Aufzeichnungen, vielleicht weil das Geschlecht so früh erloschen ist.
Das Wappensiegel des Luthard V. von Meinersen, benutzt vor 1291 bis vermutlich 1326, zeigt wie das Wappen des Geschlechts ausgesehen hat. Schildförmiges Siegel, zwischen zwei Stegen, in einer Mischmajuskel ein leicht erhaben gearbeiteter, ungewölbter Schild: geschacht in sieben Reihen, siebenundzwanzigmal durch wechselnd erhabene und eingetiefte Felder. Umschrift: „+ S(IGILLUM) · LUTHARDI · IUNIORIs · FILII · LUT(HARDI) · SENIORIs · D(E) · MEINERSEM“. Da er denselben Rufnamen trug wie sein Vater, nannte er sich zur besseren Unterscheidung in der Umschrift seines Siegels: „Luthard der Jüngere, Sohn Luthards des Älteren von Meinersen“.[9]
Die Blasonierung des Wappens ist geschacht; die Tinkturen sind unbekannt. Vermutlich war die Schachtung des Schildes aber blau-silber. So wie es das heutige Wappen der Gemeinde Meinersen im oberen Teil zeigt, dass Wappen der Samtgemeinde Meinersen im unteren Teil und das Wappen der Gemeinde Hillerse im rechten Teil.
Persönlichkeiten
- Luthard I. von Emden (1145), von Meinersen seit 1150 (erwähnt 1142–1169), Gefolgsmann Heinrichs des Löwen, ∞ Hedwig ? († 1147)
- Dietrich I. von Meinersen (erwähnt 1147–1182) ∞ Edle von Harbke
- Luthard II. von Meinersen (erwähnt 1203–† 1232), Gefolgsmann Kaiser Ottos IV., ∞ Gerburg Gräfin von Roden
- Burchard I. von Meinersen (erwähnt 1220–1269), Vicedominus Domstift Halberstadt, Archidiakon von Wittingen, Atzum, Stadt Halberstadt, Gatersleben und Meine
- Oda von Meinersen (erwähnt 1246–1259), 1249 Äbtissin im Stift Gernrode
- Irmgard von Meinersen (erwähnt 1233–1258) ∞ Hermann III. Edler von Hodenberg (erw. 1202–1262)
- Luthard III. senior von Meinersen (erwähnt 1234–† 1278), herzoglicher Rat, ∞ 1234 (I) Irmgard Gräfin von Osterburg (erw. 1213–1242), ∞ um 1253 (II) Edle von Warberg
- Luthard IV. iunior von Meinersen (erwähnt 1240–1270), herzoglicher Rat, ∞ um 1240 Bia Edle von Dorstadt († 1266)
- Burchard II. von Meinersen (erwähnt 1267–1318), herzoglicher Rat, ∞ vor 1288 Elisabeth Gräfin von Dannenberg (erw. 1288–1316)
- Bia von Meinersen (erwähnt 1270–† 1302) ∞ Hermann II. Edler von Plesse (erw. 1266–1290)
- Luthard V. von Meinersen (erwähnt 1270–† 1325), Burghauptmann, ∞ 1296 Jutta Gräfin von Wohldenberg (erw. 1283–1326)
- Konrad I. von Meinersen (erwähnt 1270–1327), Burghauptmann, ∞ 1298 Gertrud Edle von Dorstadt (erw. 1298–1323)
- Bernhard II. von Meinersen (um 1305–† 1374), Domherr zu Hildesheim, Magdeburg und Paderborn
- Gertrud von Meinersen (erwähnt 1374–1390), 1374 Küsterin 1388 Priorin im Stift Dorstadt
Literatur
- Peter Przybilla: Die Edelherren von Meinersen, Hrsg.: Uwe Ohainski und Gerhard Streich, Hahnsche Buchhandlung Hannover 2007, ISBN 978-3-7752-6036-7
Weblinks
Einzelnachweise
- Die Urkunden Heinrichs des Löwen Herzogs von Sachsen und Bayern /bearb. von Karl Jordan, Leipzig 1941, Urk 48 S. 68–70, Urk 51 S. 72/73, Urk 60 S. 87–90, Urk 80 S. 117/18
- J. Graf von Bocholtz-Asseburg (Hrsg.): Asseburger Urkundenbuch, Band 1 bis 1300, Hannover 1876, Urk 95 Abschrift Testament Ottos IV., S. 66–68
- Hermann Sudendorf (Hrsg.): Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg und ihrer Lande, Teile 1–2 bis 1356, Hannover 1859 (Meinersen 30 Seiten)
- Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Germania Sacra Online, Digitales Personenregister (Meinersen)
- Hermann Hoogeweg (Hrsg.): Urkundenbuch des Hochstifts Hildesheim und seiner Bischöfe, 5. Band 1341–1370, Hannover 1908, Urk 521, S. 301/02
- Peter Przybilla: Die Edelherren von Meinersen, Hrsg.: Uwe Ohainski und Gerhard Streich, Hahnsche Buchhandlung Hannover 2007, S. 15, 16, 47, 94, 167–180, 208, 215–218, 269, 375, 432–445
- Otto Titan von Hefner: Stammbuch des blühenden und abgestorbenen Adels in Deutschland, 3. Band, Regensburg 1865, S. 33
- Karl Friedrich von Klöden: Diplomatische Geschichte des Markgrafen von Brandenburg, Zweiter Teil von 1295–1323, Berlin 1844, S. 417
- Beatrice Marnetté-Kühl: Mittelalterliche Siegel der Urkundenfonds Marienberg und Mariental, Hrsg.: Braunschweigischer Geschichtsverein, Band 42, Braunschweig 2006, S. 355