Liborius
Liborius (4./5. Jahrhundert) war Bischof von Le Mans in der Spätantike und Heiliger (Gedenktag: 23. Juli, Translation: 28. April, Ankunft der Reliquien in Paderborn: 28. Mai).
Leben und Legende
Über die historische Gestalt des Liborius (4./5. Jahrhundert) ist wenig bekannt. Er soll den mittelalterlichen Heiligenlegenden zufolge 47 Jahre lang Bischof der gallo-römischen civitas Le Mans gewesen sein und war mit dem Bischof (und Heiligen) Martin von Tours befreundet. Unter Kaiser Ludwig dem Frommen kamen Gebeine des Liborius, der in Le Mans schon frühzeitig als Heiliger verehrt wurde, im Rahmen der damals üblichen Reliquientranslationen von [west]fränkischen Kirchen und Klöstern nach Sachsen auch in die Bischofsstadt Paderborn. Ein Paderborner Anonymus, wahrscheinlich ein Kleriker des Domkapitels, berichtet am Ende des 9. Jahrhunderts über die Translation des Liborius, des „Brückenbauers Europas“, in seine Heimatstadt. Der unter dem Paderborner Bischof Biso (887–909) geschriebene Translationsbericht führt aus, wie eine Gruppe von Paderborner Geistlichen nach Le Mans kam und vom dortigen Bischof Aldrich Reliquien erlangte (der linke Arm des Liborius blieb in Le Mans und ist verschollen). Letztere wurden über Chartres und Paris über den Rhein nach Sachsen verbracht und erreichten „unter großer Teilnahme des Volkes“ am 28. Mai 836, dem Pfingstsonntag, Paderborn. Dort wurden die Reliquien von Bischof Badurad (815–862) im Dom untergebracht. Der Legende nach soll bei der Übertragung des hl. Liborius ein Pfau als Wegweiser bis in die Bischofsstadt vorangeschritten sein.
Besonders von Paderborn aus verbreitete sich in den nachfolgenden Jahrhunderten des Mittelalters der Heiligenkult um Liborius. Der besagte Translationsbericht und Liborius' Rolle als Patron der Paderborner Domkirche zeigen an, dass die Bischofsstadt schon früh das Zentrum der Liboriusverehrung in Deutschland war. Der westfälische Raum wurde somit früh vom Liboriuskult erfasst; ebenso finden wir den Heiligen im 11. Jahrhundert im bayerischen Kloster Tegernsee oder in Quedlinburg. Die Niederlande, Niedersachsen, Thüringen und der Niederrhein folgen ab dem 12. Jahrhundert, wenn wir die Liborius-Einträge in Memorienkalendern und Nekrologen berücksichtigen. Im späten Mittelalter wurde aus Liborius der Helfer gegen Leibesnöte und insbesondere für Stein- und Nierenkranke. Vom Mainzer Erzbischof Werner von Eppstein († 1284) wurde erzählt, er sei am Grab des Heiligen von seinem Steinleiden geheilt worden. Kleine Steine auf einem aufgeschlagenen Buch wurden, neben Bischofsornat und Pfau, zu Liborius’ Heiligenattribut.
Reformation und Gegenreformation brachten dann auch innerhalb der katholischen Kirche und im katholischen Paderborn einen gewissen Wandel zu einer moderateren Heiligenverehrung allgemein und im Kult um Liborius speziell.
Durch den Reliquientransfer von Le Mans nach Paderborn ist die älteste nachweisliche Städtefreundschaft der Welt entstanden. Noch heute wird alljährlich zum Gedenken an die Translation in Paderborn das Fest Libori begangen, bei dem der Schrein mit den Liborius-Reliquien über den Domplatz und durch den inneren Stadtbereich getragen wird.
Liborius-Medaille
1977 stiftete der damalige Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt anlässlich der ersten direkten Wahlen zum Europäischen Parlament die St.-Liborius-Medaille für Einheit und Frieden. Sie wird alle fünf Jahre an bedeutende Persönlichkeiten verliehen, die sich auf christlicher Grundlage um die friedliche Einheit Europas verdient gemacht haben.
Deutsch-französische St. Liborius-Fraternität
Sie ist 1960 von deutschen und französischen Priestern gegründet worden, um die Verbindung der Bistümer Le Mans und Paderborn auf der Ebene der Priesterschaft zu verlebendigen. Mittlerweile steht sie Gläubigen beiderlei Geschlechts offen. Sie umfasst auf deutscher Seite 200 Priester und 20 Laien, in Frankreich sind es 80 Mitglieder.
Liborius-Verehrung weltweit
EuropaDeutschlandLibori-Verehrung: Libori-Reliquien:
Im Bistum Magdeburg: Im Bistum Osnabrück:
Im Bistum Essen:
Im Bistum Trier:
NiederlandeLibori-Verehrung: BelgienLibori-Reliquien: FrankreichLibori-Reliquien: ÖsterreichLibori-Verehrung:
ItalienLibori-Verehrung:
Libori-Reliquien:
KroatienLibori-Verehrung: BulgarienLibori-Reliquien: TschechienLibori-Verehrung: |
UngarnLibori-Reliquien:
LitauenLibori-Reliquien: RusslandLibori-Verehrung: Libori-Reliquien: MaltaLibori-Reliquien: AustralienLibori-Reliquien:
AfrikaSüdafrikaLibori-Verehrung: TansaniaLibori-Reliquien: AsienPapua-NeuguineaLibori-Verehrung: IndienLibori-Verehrung:
NordamerikaUSALibori-Verehrung:
LateinamerikaEcuadorLibori-Verehrung: Libori-Reliquien: GuatemalaLibori-Verehrung:
Libori-Reliquien: NicaraguaLibori-Reliquien: PanamaLibori-Reliquien:
ArgentinienLibori-Reliquien: ChileLibori-Verehrung: |
Literatur
- Volker De Vry: Liborius, Brückenbauer Europas. Die mittelalterlichen Viten und Translationsberichte. Mit einem Anhang der Manuscripta Liboriana, Paderborn-München-Wien-Zürich 1997
- Jürgen Klötgen: Étonnantes reliques cénomanes en Pays d'Auvergne – saint Pavace, saint Liboire, saint Calais, saint Lubin, saint Lomer, saint Evroult, saint Rigomer et saint Siviard. In: Revue Historique et Archéologique du Maine, Le Mans 1995, t.CXLVI de la Collection, S. 299–304 (Libori-Darstellung/ Schrein von Moissat Bas).
- Barbara Stambolis: Libori, das Kirchen- und Volksfest in Paderborn. Eine Studie zu Entwicklung und Wandel historischer Festkultur. Waxmann, Münster / New York 1996, ISBN 3-89325-433-1 (Google Bücher).
- Conrad Mertens: Der heilige Liborius. Sein Leben, seine Verehrung und seine Reliquien ; nach gedruckten und ungedruckten Quellen. Paderborn 1873 (ULB Münster)
- Hermann-Joseph Rick: Liborius. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 5, Bautz, Herzberg 1993, ISBN 3-88309-043-3, Sp. 17–20.
Siehe auch
Weblinks
- Literatur von und über Liborius im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- liborius-paderborn.de Webseite der Liboriuspfarrei Paderborn
- libori.de Webseite der Stadt Paderborn zum Libori-Fest
- Erzbistum Paderborn: Das Leben des hl. Liborius, erzählt von Professor Hans-Walter Stork auf YouTube, 28. Juli 2020, abgerufen am 20. September 2020.