Kampfschwimmer (Bundeswehr)
Die Kampfschwimmer der Deutschen Marine bilden die maritime Komponente der Spezialkräfte der Bundeswehr. Ihr Aufgabengebiet ist weit gefächert und umfasst vor allem Kommandoeinsätze im Zuge küstennaher Kriegführung. Das bedeutet, dass sie in allen Elementen eingesetzt werden: zur See, an Land und luftlandefähig aus der Luft, sowohl durch Anlandung mit Hubschraubern als auch im Freifallsprung.
Kampfschwimmer | |
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Tätigkeitsabzeichen der Kampfschwimmer | |
Aufstellung | 1. August 1958 |
Staat | Deutschland |
Streitkräfte | Bundeswehr |
Teilstreitkraft | Deutsche Marine |
Typ | Maritime Spezialkräfte |
Stärke | Soll: 93 |
Unterstellung | Kommando Spezialkräfte der Marine (KSM) |
Standort | Eckernförde, Marinestützpunkt |
Motto | Lerne leiden ohne zu klagen |
Ausrüstung | Infanterist der Zukunft |
Insignien | |
Tätigkeitsabzeichen | |
Geschichte
Bereits bei der Aufstellung der Bundesmarine 1956 wurde geplant, eine Kampfschwimmereinheit aufzustellen, um amphibische Landungsoperationen im Rücken angreifender Verbände des Ostblocks vorzubereiten. Am 1. August 1958 wurde mit der Ausbildung der ersten Kampfschwimmer begonnen. Dies waren Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg in den Kleinkampfverbänden und den Marine-Einsatzkommandos gedient hatten. Zuständig für den Aufbau und erster Kommandeur war Korvettenkapitän Günter Heyden, ein ehemaliger Meereskämpfer der Kriegsmarine und hochdekorierter Chef der Einsatzgruppe Heyden.[1]
Sie wurden zunächst bei den Nageurs de combat in Frankreich geschult. Die Franzosen hatten im Indochinakrieg die Rolle des Kampfschwimmers zum modernen Einzelkämpfer weiterentwickelt. Die erste Kampfschwimmergruppe wurde im Dezember 1959 dem Seebataillon in Wilhelmshaven unterstellt.[2]
Die Kampfschwimmer sollten sowohl im Wasser als auch an Land Aufgaben erfüllen, wie schon die deutschen Kampfschwimmer im Zweiten Weltkrieg. Neu war der Einsatz aus der Luft als Fallschirmspringer. Dieses triphibische Konzept der Franzosen wurde zur Grundlage der Kampfschwimmer der Deutschen Marine. Seit 1972 besteht ein Personalaustauschprogramm zwischen den Kampfschwimmern und den United States Navy SEALs, um Ausrüstung, Einsatzverfahren und Ausbildung weiterzuentwickeln.[3]
Am 1. April 1964 wurden die Kampfschwimmer in einer selbstständigen Kompanie zusammengefasst, die der Amphibischen Gruppe unterstand. Die Kampfschwimmer sind seit 1974 im Marinestützpunkt Eckernförde bei Kiel stationiert. Im Oktober 1991 wurden sie der Flottille der Minenstreitkräfte unterstellt und in die Waffentauchergruppe eingegliedert.[4] Infolge einer 2001 begonnenen Reorganisation der Marine unterstand die Kampfschwimmerkompanie seit Juli 2003 den Spezialisierten Einsatzkräften Marine (SEK M).[5] Seit April 2014 bilden die Kampfschwimmer das Kommando Spezialkräfte der Marine (KSM).
Seit der Aufstellung des KSK im Jahr 1996 gibt es in der Bundeswehr weitere Kräfte, die mit den Kampfschwimmern bezüglich der Ausbildung und Ausrüstung vergleichbar sind. Beide Spezialeinheiten ergänzen sich und betreiben Personalaustausch, um gegenseitig Kompetenz und Erfahrung zu fördern.
Auftrag
- Terrorismusbekämpfung und Geiselbefreiung
- Asymmetrische Kriegführung
- Verdeckte Operationen
- Gewinnen von Schlüsselinformationen in Kriegs- und Krisengebieten
- Fernaufklärung
- Kampf hinter feindlichen Linien gegen Schleusen, Schiffe und Brücken
- Kampf gegen Einzelziele an Land (vor allem im gegnerischen Küstengebiet), gegen Hauptquartiere und Fernmeldeeinrichtungen
- Evakuierungs-, Rettungs- und Bergungseinsätze
- Abwehr gegen Anschläge auf hoher See
Einsätze und Ausbildungsmissionen
Anders als bei den Kampfschwimmer-Einheiten anderer Länder sind wegen der Geheimhaltung bisher kaum Einsätze öffentlich geworden.
- Im Golfkrieg 1991 wurde die gesamte Kompanie im Rahmen der Operation Südflanke im Persischen Golf für Sicherungsaufgaben an Bord deutscher Schiffe eingesetzt.[6]
- Als Durchsuchungskommando waren sie an der Embargo-Kontrolle gegen Restjugoslawien in den Gewässern der Adria beteiligt (Operation Sharp Guard).[6]
- Teilnahme am Kosovo-Einsatz als Teil von KFOR.[7]
- Der Spiegel berichtete,[8] dass Kampfschwimmer verstärkt im Libanon-Einsatz verwendet worden seien.
- Nach verschiedenen Veröffentlichungen waren Kampfschwimmer gemeinsam mit Soldaten des KSK in Afghanistan nicht nur zum Schutz des deutschen ISAF-Kontingents im Einsatz[9], sondern wurden bereits 2005 zusammen mit dem KSK in Ostafghanistan eingesetzt[10].
- Im Rahmen des G8-Gipfels in Heiligendamm 2007 stellten Kampfschwimmer den Schutz deutscher und ausländischer Politiker gegen Angriffe von See her sicher.[11]
- Anfang März 2012 wurde der Einsatz von Kampfschwimmern zur Pirateriebekämpfung im Zuge der Operation Atalanta durch das Bundesministerium der Verteidigung offiziell bekanntgegeben. Sie wurden vom Einsatzgruppenversorger Berlin aus eingesetzt mit dem Ziel, sich mit Unterwasser-Scootern unbemerkt Piratenmutterschiffen zu nähern und ihren Antrieb zu blockieren.[12]
Nicht als Kampfeinsätze definierte Ausbildungsmissionen und Übungen
Organisation und Führung
Die Kampfschwimmerkompanie verfügt nach Stärke- und Ausrüstungsnachweis über geschätzte drei Züge mit je 16 Mann, die als Kampfschwimmereinsatzteam (KSET) bezeichnet werden. Sie werden unterstützt durch eine zur Kampfschwimmerkompanie gehörende Einsatzgruppe See. Diese verfügt über bewaffnete Festrumpfschlauchboote und andere Fahrzeuge, um Kampfschwimmereinsatzteams an ihren Einsatzort zu transportieren.[3]
Selbständige Einsätze der Kampfschwimmer wurden von 2005 bis 2012 vom Kommando Führung Operationen von Spezialkräften (KdoFOSK) und seitdem vom Einsatzführungskommando der Bundeswehr, geführt und sind geheim. Außerdem können Kampfschwimmer zur Unterstützung von Marineoperationen eingesetzt werden; sie werden in diesem Fall innerhalb dieser Organisation geführt.
Personal
Die Laufbahn der Kampfschwimmer wird in der Marine als Verwendungsgruppe 3402 bezeichnet und gehört zusammen mit den Minentauchern zur Verwendungsreihe 34 Waffentaucher. In der Einsatzgruppe See dienen außerdem Soldaten des seemännischen und des technischen Dienstes mit besonderer Ausbildung für den gemeinsamen Einsatz mit den Kampfschwimmern einschließlich einer Fallschirmspringer- und einer Einzelkämpferausbildung.[3]
Voraussetzung ist es, Deutscher im Sinne des Artikels 116 Grundgesetz zu sein; zudem bestehen folgende Bedingungen:
- mindestens 17, höchstens 29 Jahre alt[15][16]
- mindestens Realschulabschluss oder Hauptschulabschluss und eine abgeschlossene Berufsausbildung für die Laufbahn der Bootsleute[15][16]
- mindestens die Fachhochschulreife für die Laufbahn der Offiziere[15][16]
- Verpflichtung für 12 Jahre als Bootsmann und 13 Jahre als Offizier[15][16]
- erfüllter Basic Fitness Test[15][16]
- die Tauglichkeitsstufe T2
- eine beidseitige unkorrigierte Mindestsehschärfe von 0,5
Ausbildung
Basisausbildung
Bevor ein angehender Kampfschwimmer seine Ausbildung beginnen kann, muss er
- seine allgemeine militärische Ausbildung absolviert haben,
- seine Unteroffizier- bzw. Offizierausbildung abgeschlossen haben,
- den achtwöchigen Schwimmtaucherlehrgang in Neustadt/Holstein abgelegt haben und
- noch mindestens sechs Jahre Dienstzeit vor sich haben.
In der Basisausbildung werden die Grundzüge des militärischen Tauchens gelehrt und folgende Ausbildungsschritte absolviert, die je nach Jahreszeit variieren können:
- Halle
- Die Zeit der Hallenausbildung dient dazu, die angehenden Kampfschwimmer sowohl psychisch als auch physisch an ihre Grenzen zu führen und ist daher nicht als Ausbildung zu verstehen, sondern eher als ein weiteres Auswahlverfahren, während dessen die meisten der Bewerber scheitern. Das Programm umfasst Ausdauerläufe, Mutproben, Langstreckenschwimmen, Zeit- und Streckentauchen in Apnoetauchtechnik sowie 50er Serien von Liegestützen, Sit-Ups und Kniebeugen. Die Hallenausbildung findet zu großen Teilen in der Taucherübungshalle statt.
- Einsatz und Freiwasser
- Nach dem erfolgreichen Abschluss der Hallenausbildung kommt die Kampfschwimmereinsatzausbildung. Sie findet im offenen Wasser statt. In ihr wird hauptsächlich das Tauchen und das Langstreckenschwimmen in der Ostsee geübt, das sich wegen anderer Sicht- und Temperaturverhältnisse deutlich schwerer gestaltet als in der Schwimmhalle. Den Abschluss der Einsatzausbildung bildet das 30-km-Schwimmen durch die Ostsee.
- Taktik
- In der Kampfschwimmertaktikausbildung wird den angehenden Kampfschwimmern der infanteristische Kampf beigebracht, sowie das Seekajakfahren.
Weiterführende Ausbildung
Ausbildungseinrichtung | Schein/Lehrgang |
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Luftlande- und Lufttransportschule, Altenstadt |
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Ausbildungszentrum Spezielle Operationen in Pfullendorf |
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Gebirgs- und Winterkampfschule |
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weitere Ausbildungseinheiten (darauf aufbauend) für Bootsleute und Offiziere | |
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Interne Ausbildung | |
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Bei der GSG 9 der Bundespolizei lernen die Kampfschwimmer Schießtechniken für die Geiselbefreiung. Nahkampf und Psychologie dienen der Antiterror-Taktik.
Anschließend folgt die Verwendung in der Kampfschwimmerkompanie.
Ausrüstung
Während Kampfschwimmer küstennah, unentdeckt und in geringer Tiefe operieren, werden andere Waffentaucher auch auf offener See und zum Teil in größeren Tiefen eingesetzt. Das ausschließliche Tauchgerät der Kampfschwimmer ist deshalb ein Sauerstoff-Kreislaufgerät, ein sog. Rebreather, das die ausgeatmete Luft aufbereitet und nur geringste Gasmengen an die Umgebung abgibt, sodass der Kampfschwimmer nicht durch aufsteigende Blasen entdeckt werden kann. Entsprechend sind Kampfschwimmer in jeder Situation getarnt und verfügen über ein breites Spektrum an Waffen, z. B. die für den Unterwasserkampf entwickelte Pistole HK P11.
Zur Tauchausrüstung gehören vor allem solche des Unternehmens Poseidon mit
- Tauchanzug Poseidon oder Beluga
- Nasstauch- und Trockentauchanzug Modell Unisuit mit amagnetischem Reißverschluss (längere Tauchgänge, Extremtemperaturen, Minentaucher)
- Nasstauchanzüge dreiteilig (Hose, Oberteil und Haube), ohne Reißverschluss genauso Handschuhe und Füßlinge, damit keine Stelle am Anzug scheuern kann oder der Reißverschluss im defekten Zustand nicht mehr schließt
- Tauchmaske Poseidon Technica
- Tauchflossen Barakuda Gigant oder Poseidon Pro Fin
- Tarierjacket Poseidon Luigi
- Tauchmesser Poseidon
- Unidive Titan Tauchgerät u. a.
- Dräger Sauerstoff-Kreislaufgerät LAR VI (amagnetisch), Sauerstoffflasche 200 bar, nur bis zu einer Wassertiefe von 12 m mit bis zu 4 Stunden Tauchzeit;
- Lungenautomat Poseidon Cyclone 5000
- Taucheruhren von Poseidon oder IWC Ocean 2000
- wasserdichter Tauchrucksack MFC Survival Waterproof Large Backpacks und
- Navigationsboard.
Ähnliche Einheiten in weiteren Streitkräften
Literatur
- Wilhelm Probst: Kampfschwimmer der Bundesmarine. Innenansichten einer Elitetruppe. Motorbuchverlag, Stuttgart 2001, ISBN 3-613-02148-X.
- Christin-Désirée Rudolph: Die Kampfschwimmer der Bundeswehr. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-613-03647-5.
- Sören Sünkler: Die Spezialverbände der Bundeswehr. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-613-02592-9.
- Sören Sünkler: Elite- und Spezialeinheiten Europas. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-613-02853-1.
Weblinks
- Berichte der Kampfschwimmer auf der Website der Deutschen Marine
- Fernsehberichterstattung zur Ausbildung der Kampfschwimmer (Die Seals von der Förde)
- Kampfschwimmer bei Sondereinheiten.de (Memento vom 15. Februar 2013 im Internet Archive)
- Kampfschwimmer bei Kampfschwimmer.de
Einzelnachweise
- Kampfschwimmer: Frosch im Sand. In: Der Spiegel. Nr. 14, 1966, S. 77 (online – 28. März 1966).
- Wilhelmshavener Zeitung vom 2. Dezember 2009, S. 6.
- Ingo Mathe: Einsatzgruppe See der Kampfschwimmerkompanie – Unbekannte Fähigkeiten der Deutsche Marine. In: Marineforum. 11-2011, S. 18 f.
- Bundesarchiv/Militärarchiv Bestand BM 17
- Bundesarchiv/Militärarchiv Bestand BM 14
- Kaj Sievert: Die Kampfschwimmer der deutschen Bundesmarine: Lerne leiden, ohne zu klagen. In: Schweizer Soldat + MFD : unabhängige Monatszeitschrift für Armee und Kader mit MFD-Zeitung. Band 71, Nr. 9, 1996, doi:10.5169/seals-716069 (e-periodica.ch).
- Knochenhart, willensstark und durchtrainiert. Spezialkräfte der Marine mit Nachwuchssorgen. In: Personalführung. Nr. 5, 2012, ISSN 0723-3868, S. 23 (dgfp.de [PDF]).
- Friedrich Kuhn: Froschmänner sollen die deutschen Marineschiffe beschützen. Spiegel Online, 8. Oktober 2006, abgerufen am 8. März 2009.
- Susanne Koelbl: One Couldn't Help but Feel like Lousy Comrade. Spiegel Online International, 27. November 2006, abgerufen am 8. März 2009 (englisch).
- Timo Noetzel, Benjamin Schreer: Spezialkräfte der Bundeswehr – Strukturerfordernisse für den Auslandseinsatz. Stiftung Wissenschaft und Politik – Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, September 2007, S. 26, abgerufen am 8. März 2009.
- Michael Schnack: Der Heiligendamm-Prozess. ISBN 3-86805-306-9, S. 149.
- Kampfschwimmer der Bundeswehr sollen Piratenschiffe lahmlegen. In: Spiegel Online. 4. März 2012, eingesehen am 11. März 2012.
- Waldemar Geiger: Spezialkräfte-Ausbildung im Niger. In: ESUT - Europäische Sicherheit & Technik. 9. März 2020, abgerufen am 27. Juni 2020 (deutsch).
- Bundeswehr im Sahel: Wahrscheinlich länger, vielleicht auch anders? – Augen geradeaus! Abgerufen am 27. Juni 2020.
- Kampfschwimmer (m/w) - Bootsmann. Abgerufen am 24. Juli 2018.
- Kampfschwimmer (m/w) - Offizier. Abgerufen am 24. Juli 2018.