Haardt an der Weinstraße
Haardt an der Weinstraße ist ein pfälzisches Winzerdorf. Es wurde am 7. Juni 1969 als Ortsbezirk in die 1 km südlich gelegene kreisfreie Stadt Neustadt an der Weinstraße (Rheinland-Pfalz) eingemeindet,[2] deren alter Name Neustadt an der Haardt oder Neustadt (Haardt)[3] nicht mit der heutigen Ortsteilsbezeichnung verwechselt werden darf.
Haardt an der Weinstraße | |
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Höhe: | 202 m ü. NHN |
Fläche: | 4,49 km²[1] |
Einwohner: | 2656 (12. Jan. 2012)[1] |
Bevölkerungsdichte: | 591 Einwohner/km² |
Eingemeindung: | 7. Juni 1969 |
Postleitzahl: | 67433 |
Vorwahl: | 06321 |
Haardt (rot) innerhalb des Stadtgebiets von Neustadt | |
Straßenzug innerhalb von Haardt |
Geographie
Lage
Der Ort liegt am Ostabhang der Haardt zur Rheinebene hin auf einer mittleren Höhe von etwa 150 m ü. NHN. Diese Lage ermöglicht einen ausgezeichneten Fernblick über die sich 50 m tiefer erstreckende Ebene. Außerdem hält das im Westen vorgelagerte Mittelgebirge einen Großteil der Niederschläge ab, so dass die Sommer von warmen und trockenen Wetterlagen geprägt sind. Dank des milden Klimas gibt es im westlich angrenzenden Wald große Bestände an Edelkastanien, die auf die Römerzeit zurückgehen. Westlich des Siedlungsgebiets befindet sich außerdem das Meisental. Benachbart sind im Süden die Kernstadt von Neustadt und im Nordosten die weiteren Ortsteile Gimmeldingen sowie Mußbach.
Erhebungen und Gewässer
Überragt wird der Ort vom 554 m hohen Weinbiet; dessen Ostläufer Nebelberg erstreckt sich unmittelbar nordwestlich des Siedlungsgebiets. Den südöstlichen Ausläufer des Weinbiets stellt der 230 m hohe Schlossberg dar, westlich von diesem verläuft der Wolfsberg. Durch den Ort fließt in Nordwest-Südost-Richtung der Sulzwiesengraben, ein linker Zufluss des Speyerbachs.
Geschichte
Ortsname
Der Name bedeutet „Wald“ und entstand vermutlich wegen der unmittelbaren Nähe des gleichnamigen bewaldeten Gebirgszugs der Haardt, die den Ostrand des Mittleren Pfälzerwalds bildet.
Chronik
Die erste urkundliche Erwähnung der Siedlung datiert aus dem Jahr 1256, als die Klöster Heilsbruck und St. Lambrecht Besitz in Haardt geschenkt bekamen. Entstanden sein dürfte die Ansiedlung bereits 50 bis 100 Jahre zuvor, als sich nach der Erbauung der Burg Winzingen in deren Umgebung Menschen niederließen.
Von Beginn seiner Geschichte an war der Ort Teil der Kurpfalz und blieb es bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.
Von 1798 bis 1814, als die Pfalz Teil der Französischen Republik (bis 1804) und anschließend Teil des Napoleonischen Kaiserreichs war, war Haardt in den Kanton Neustadt (Donnersberg) eingegliedert und besaß eine eigene Mairie. 1815 wurde der Ort Österreich zugeschlagen und wechselte bereits ein Jahr später wie die gesamte Pfalz in das Königreich Bayern. Von 1817 bis 1862 gehörte die Gemeinde dem Landkommissariat Neustadt an; aus diesem ging das Bezirksamt Neustadt hervor.
Ab 1939 war Haardt Bestandteil des Landkreises Neustadt an der Weinstraße. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Ort innerhalb der französischen Besatzungszone Teil des Regierungsbezirks Pfalz im damals neu gebildeten Land Rheinland-Pfalz. Im Zuge der ersten rheinland-pfälzischen Verwaltungsreform wurde Haardt am 7. Juni 1969 in die kreisfreie Stadt Neustadt an der Weinstraße eingemeindet.
Bevölkerung
Einwohnerentwicklung
Einwohnerentwicklung von Haardt ab 1584 | ||||||||||||||||
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Jahr | Einwohner | Jahr | Einwohner | Jahr | Einwohner | Jahr | Einwohner | Jahr | Einwohner | Jahr | Einwohner | |||||
1584 | ~330 | 1766 | ~700 | 1817 | 1.068 | 1861 | 1.243 | 1938 | 1.533 | 2012 | 2.656[1] | |||||
1617 | ~400 | 1784 | 841 | 1825 | 1.125 | 1871 | 1.290 | 1954 | 2.050 | |||||||
1655 | ~180–220 | 1791 | 820 | 1840 | 1.187 | 1891 | 1.358 | 1970 | ~2.150 | |||||||
1713 | 414 | 1803 | 809 | 1852 | 1.306 | 1905 | ~1.400 | 2009 | 2.777[4] |
Der Bevölkerungsschwund zwischen 1617 und 1655 ist mit dem Dreißigjährigen Krieg zu erklären, dessen hauptsächliche Auseinandersetzungen Anfang der 1620er Jahre auf pfälzischem Gebiet stattfanden; die Bevölkerung fiel dem Krieg oder Seuchen zum Opfer oder entschloss sich wegen der Verwüstungen zur Auswanderung.
Religion
Seit 1570 ist Haardt größtenteils evangelisch-reformiert. Durch Eigenleistungen und Baumaterialgeschenken umliegender Gemeinden wurde 1781/82 eine Kirche mit einem Dachreiter als Notturm für zwei Glocken errichtet. 1806 wurde das Dorf durch ein Dekret Napoleons zu einer eigenen Pfarrei. Der Dachreiter der Kirche wurde 1867 abgetragen, und die Kirche erhielt einen echten Turm, der 36 m hoch ist und Raum bietet für eine Uhr und vier Glocken (drei Hamm-Glocken von 1949, eine Bachert-Glocke von 1963).
Politik
Ehemaliges Gemeindewappen
Blasonierung: „Von Schwarz und Silber gespalten, rechts ein linksgewendeter rotbewehrter und -bezungter goldener Löwe, links ein blaues Sesel (Rebmesser) mit goldenem Griff.“ | |
Wappenbegründung: Das ehemalige Gemeindewappen zeigt auf der rechten Seite einen linksgewendeten Pfälzer Löwen und auf der linken Seite ein nach rechts gerichtetes Sesel. Der Löwe weist auf die Kurpfälzer Herrschaft hin, das Winzermesser auf den hauptsächlichen Erwerbszweig der Einwohner. Das Wappen geht auf das älteste Siegel des Haardter Gerichts aus dem Jahr 1568 zurück und wurde am 15. Mai 1845 von König Ludwig I. von Bayern als Gemeindewappen verliehen. |
Ortsbeirat
Für den Stadtteil Haardt wurde ein Ortsbezirk gebildet. Dem Ortsbeirat gehören 13 Beiratsmitglieder an, den Vorsitz im Ortsbeirat führt die direkt gewählte Ortsvorsteherin.[5]
Zur Zusammensetzung des Ortsbeirats siehe die Ergebnisse der Kommunalwahlen in Neustadt an der Weinstraße.
Ortsvorsteher
Ortsvorsteherin ist Silvia Kerbeck (CDU). Bei der Direktwahl am 26. Mai 2019 wurde sie mit einem Stimmenanteil von 51,33 % gewählt und ist damit Nachfolgerin von Richard Racs (Bündnis 90/Die Grünen), der nicht mehr angetreten war.[6]
Sehenswürdigkeiten und Kultur
Kulturdenkmäler
- Denkmalzonen
Das Haardter Schloss sowie die Ortskerne von Mittelhaardt, Unterhaardt und Vorderhaardt sind jeweils als Denkmalzonen ausgewiesen. Bei ersterem handelt es sich um ein 1875 errichtetes Herrenhaus am Hang des Schlossbergs. Es entstand auf dem nordöstlichen Geländer der Ruine der aus dem 11. Jahrhundert stammenden Burg Winzingen
- Protestantische Kirche
Obwohl die protestantische Kirche im barocken Stil gebaut wurde, ist der Innenraum schlicht gehalten. Die Stumm-Orgel aus dem Jahr 1785 gehört zu ihren wertvollsten Ausstattungsstücken; sie wird sogar zu den historisch bedeutsamen Instrumenten der Pfälzischen Landeskirche gezählt. Trotz mancherlei Veränderungen erklingt sie seit über 200 Jahren bei Gottesdiensten und Konzerten.[7]
Die Orgel wurde im Jahr 1785 von den Gebrüdern Stumm zum Preis von 1000 Gulden geliefert und innerhalb von vier Wochen eingebaut. Im Jahr 1867 und besonders in den 1950er Jahren erfolgten Umbauten, die sich allerdings nicht an denkmalpflegerischen Grundsätzen orientierten. 1985, im Jubiläumsjahr der Orgel, wurde sie von der Firma Steinmeyer aus Oettingen restauriert mit dem Ziel, das Original möglichst weitgehend wiederherzustellen.
Die Orgel ist ein großes einmanualiges Instrument, das einige Besonderheiten aufweist. Ursprünglich hatte das Pedal nur 15, jetzt hat es 27 Töne, aber nur drei klingende Stimmen. Im Manual sind 13 klingende Stimmen vorhanden. Einige Stimmen sind in Bass und Diskant geteilt, so dass die Orgel über insgesamt 22 Registerzüge und die Pedalkoppel verfügt.
Das Gehäuse der Orgel ist eine Zierde des Kirchenraums, zumal die originalen Prospektpfeifen erhalten geblieben sind. Zusammen mit den Windladen und dem teilweise erhaltenen Pfeifenwerk sind etwa 70 bis 75 % der Orgel noch aus der Erbauungszeit vorhanden.[8]
- Weitere Kulturdenkmäler
Im Pfälzerwald, jedoch unweit des Siedlungsgebiets, liegt der Wilhelmsplatz, der als Waldfestplatz fungiert. Auf dem Wolfsberg befindet sich außerdem der sogenannte Steinerne Hirsch, ein im 19. Jahrhundert kreiertes Hochrelief.
- Burg Winzingen
- Schule
- Rehaklinik
- C. G. Jung-Haus
- Rebkanzel
Natur und Parks
Innerhalb des Siedlungsgebiets stehen mehrere Bäume, die als Naturdenkmale ausgewiesen sind. Vor Ort existiert das Naturschutzgebiet Haardtrand - Schloßberg.
Im Süden der Haardt liegt die etwa 12.000 m² große mediterrane Parkanlage Dr.-Welsch-Terrasse. Hier und auf dem nahegelegenen Leopold-Reitz-Weg (Sonnenweg) bietet sich ein attraktiver Blick auf Neustadt und seine Umgebung. Die Anlage verfügt unter anderem über einen Goldfischteich, einen Kakteengarten, einen Trinkwasser-Brunnen und auf dem höchsten Punkt ein Kriegerdenkmal, das einen nackten Krieger (des ehemaligen K. B. Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 5) zeigt. Das Gelände war einst im Privatbesitz von Theodor Welsch (1842–1909), einem früheren protestantischen Pfarrer der Gemeinde Haardt, und damals als Garten angelegt. Im Jahre seines Todes vermachte Welsch die Anlage der Stadt, um sicherzustellen, dass die Aussicht (bei guter Sicht Richtung Ostnordosten) bis zum etwa 45 km entfernten Odenwald bei Heidelberg dauerhaft erhalten bleibe.
Brauchtum
Jährlich am zweiten Maiwochenende wird das Haardter Weinfest auf der Straße mit dem publikumswirksamen „Schubkarrenrennen“[9] veranstaltet. Am ersten Septemberwochenende findet die Haardter Quetschekuche-Kerwe statt, bei dem Stücke eines überdimensionierten Zwetschgenkuchens verkauft werden und das „Quetschekern-Zielspucken“[10] angeboten wird.
Wirtschaft und Infrastruktur
Wirtschaft
Früher war Haardt überwiegend durch den Weinbau geprägt. Die Hanglage bewirkt, dass Kaltluft zur Ebene hin abfließt, so dass im zeitigen Frühjahr Frostschäden in den Weinbergen unterbleiben. In Haardt hat das Weingut Müller-Catoir seinen Sitz. Vor Ort existierte einst die Haardter Winzergenossenschaft, die 2002 in der Weinbiet Manufaktur aufging. In den 1970er Jahren entstand auf Haardter Gemarkung ein Wohnstift, das etwa 400 Appartements enthält und von der Gesellschaft für Dienste im Alter (GDA) betrieben wird. Außerdem gibt es ein Krankenpflegeheim (etwa 150 Plätze) und eine orthopädische Fachklinik.
In Haardt befindet sich am Südhang des Nebelbergs der einzige noch in Betrieb befindliche Steinbruch im Pfälzerwald, der gelb-weißen Haardt-Sandstein[11] abbaut, mindestens seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Hier gebrochene Steine wurden auch bei der Renovierung historischer Großbauten, z. B. Schloss und Wasserturm in Mannheim, Schloss und Universität in Heidelberg sowie Speyerer Kaiserdom, verwendet.
Während der 1920er Jahre wurde vor Ort Der Eisenhammer, eine regionale Zeitung der NSDAP herausgegeben.
Tourismus
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewann der Tourismus immer mehr an Bedeutung; mittlerweile ist Haardt staatlich anerkannter Erholungsort. Durch den Ort verläuft der Radweg Deutsche Weinstraße.
Verkehr
Örtliche Verbindungsstraßen führen in die Kernstadt sowie nach Gimmeldingen und Mußbach. Hierüber sind auch die überregionalen Anbindungen zu erreichen.
Bildung
In Haardt gibt es einen Kindergarten mit vier Gruppen und die Michael-Ende-Grundschule mit je einer Klasse pro Jahrgang.
Persönlichkeiten
Söhne und Töchter des Ortes
- Elk Eber (1892–1941), Maler und Grafiker
Personen, die vor Ort gewirkt haben
- August von Clemm (1837–1910) war Erbauer des Haardter Schlosses und starb vor Ort.
- Annemarie Müller war 1955/56 Pfälzische Weinkönigin.
Weblinks
- Haardt als Winzerdorf auf neustadt.eu
- Literatur über Haardt an der Weinstraße in der Rheinland-Pfälzischen Landesbibliographie
Einzelnachweise
- Website der Stadt Neustadt.
- Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz – Amtliches Gemeindeverzeichnis 2006 (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive), Seite 189 (PDF; 2,6 MB).
- Namensherkunft.
- Einwohnerzahl 2009. Stadt Neustadt an der Weinstraße, abgerufen am 21. Dezember 2009.
- Stadt Neustadt an der Weinstraße: Hauptsatzung. (PDF, 134 kB) § 3 bis 5. 30. August 2019, abgerufen am 19. Oktober 2019.
- Stadt Neustadt an der Weinstraße: Ortsvorsteher/in Haardt 2019. Abgerufen am 19. Oktober 2019.
- Neustadt an der Weinstrasse / Haardt – Protestantische Kirche – Orgel Verzeichnis – Orgelarchiv Schmidt. Abgerufen am 14. Februar 2022 (deutsch).
- Evangelische Kirche der Pfalz.
- Schubkarrenrennen (Memento vom 8. September 2012 im Webarchiv archive.today).
- Kurioses in Neustadt (Memento vom 6. April 2012 im Internet Archive).
- Faltblatt Neustadter Hausberge: Das Weinbiet (mit Beschreibungen besonderer Plätze an diesem Berg) (Memento vom 20. Dezember 2013 im Internet Archive), abgerufen am 10. April 2012.