Branchweiler
Branchweiler ist ein Stadtviertel der pfälzischen Stadt Neustadt an der Weinstraße (Rheinland-Pfalz). Sein historischer Kernbereich mit dem Branchweilerhof ist als Denkmalzone eingestuft.[1]
Branchweiler | ||
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Denkmalzone Branchweilerhof | ||
Daten | ||
Ort | Neustadt an der Weinstraße | |
Bauherr | Albert von Mußbach | |
Baujahr | ab 1275 | |
Koordinaten | 49° 20′ 58,6″ N, 8° 9′ 47″ O | |
Bebauung der Kernzone Branchweilerhof (2014) |
Geographische Lage
Das Stadtviertel liegt – mit seinem Zentrum auf etwa 129 m ü. NHN[2] – südöstlich des Stadtkerns und südlich, also rechts des ostwärts zum Rhein fließenden Speyerbachs. Der Name geht auf die Kernzone zurück, einen ehemaligen Gutshof, der dort Jahrhunderte hindurch betrieben wurde und mit umliegenden Gebäuden einen Weiler bildete. Diese Kernzone wird heute eingeschlossen von der Branchweilerhofstraße im Norden, der Adolf-Kolping-Straße im Osten sowie der Stettiner Straße im Süden und Westen. Die Straße, die von der Adolf-Kolping-Straße aus die Kernzone erschließt, heißt wie diese Branchweilerhof.
Nordöstlich von Branchweiler beginnt der Ordenswald, der sich zwischen Speyerbach und Rehbach nach Osten ausbreitet. An der östlichen Grenze der Wohnbebauung sammelt sich Oberflächenwasser, bei hohem Stand auch Grundwasser, auf 127 m Höhe im Bürgergraben, der nach etwa 1,5 km auf 122 m Höhe von rechts in den Speyerbach mündet.
Geschichte
Anfänge
Der erste urkundliche Nachweis Branchweilers, damals „Brunchwilre“ genannt, geht auf das Jahr 1190 zurück; in einer Urkunde aus dem Jahre 1225 ist das Gehöft als „Branchvillare“ verzeichnet. Aus der Bezeichnung „Weiler“ lässt sich schließen, das schon damals der eigentliche Hof von weiteren Gebäuden umgeben war.[3] In der Neuzeit, bis in die 1980er Jahre, wurde der Name der Kernzone Branchweilerhof als Synonym für das gesamte Stadtviertel verwendet; erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts setzte vor Ort die Rückbesinnung auf die ursprüngliche Bezeichnung ein, die auch in der Zeit der bayerischen Verwaltung der Pfalz in Gebrauch war.[4]
Spital
Mit Zustimmung von Pfalzgraf Ludwig dem Strengen ließ der Speyerer Domdekan Albert von Mußbach, der 1277 ermordet wurde, ab 1275 auf seinem Allod beim heutigen Branchweilerhof ein Spital für das noch junge Neustadt erbauen.[5] In jener durch Seuchen gefährdeten Zeit war man bemüht, solche Häuser möglichst abseits von größeren Ansiedlungen zu errichten. Pfalzgraf Johann Casimir überließ 1578 den Nießbrauch des Branchweilerhofs der Neustadter Universität Casimirianum; aus dem Hofertrag waren dem Casimirianum jährlich 11 Fuder Wein und 300 Malter Getreide zu zollen.[3]
Im Jahre 1597 wurde der große Mittelbau mit dem Turm auf den alten Fundamenten des Hofes neu erbaut. Der Treppenturm von 1598 mit dem Renaissanceportal,[1] das eine Höhe von 2,5 m und eine Breite von 1 m aufweist, ist mit Rundstäben profiliert, die sich an den Ecken überschneiden. Das Portal hat einen Aufsatz mit großer Muschel und Rosetten. Darüber eingemauert ist eine ebenfalls aus der Renaissancezeit stammende Ädikula mit zwei Säulchen aus rotem Sandstein, die stark beschädigt sind.[3] Folgende lateinische Inschrift befand sich hier, die den Kurfürsten Friedrich IV. (1574–1610) betraf:[3]
“Fridericus IIII D. G. com. pal. reni utri. Bavar. dux sac. rom. imp. archidapifer elect. sept.”
„Friedrich IV., von Gottes Gnaden Pfalzgraf beiderseits des Rheins, Herzog von Bayern, des Heiligen Römischen Reiches siebter Erztruchsess und Kurfürst“
Mennoniten
1671 ließen sich aus der Schweiz vertriebene Mennoniten als „Temporalbeständer“, also als Pächter, hier nieder und bildeten eine mennonitische Gemeinde. Es waren zunächst drei Familien mit ihren Kindern: Fritz Dester und seine Frau Elisabetha, Jakob Weber und seine Frau Barbara sowie Daniel Stauffer und seine Frau Anna. Sie bearbeiteten die umliegenden Ländereien, die teilweise noch vom Dreißigjährigen Krieg her verödet waren. Nach elf Jahren war es den Siedlern möglich, den Branchweilerhof als „Erbbeständer“, also in Erbpacht, zu übernehmen. Der Erbbestandsbrief vom 28. September 1682 wurde von Kurfürst Karl II. ausgestellt. Im Jahre 1732 war die Gemeinde auf 25 Familien angewachsen.[3]
Erstmals 1740 und auch später gelegentlich beschuldigte man die Mennoniten, „heimliche Zusammenkünfte“ abzuhalten. Die Jesuiten in Neustadt, von 1700 bis 1773 Eigentümer des Hofguts, stellten ihnen jedoch positive Zeugnisse aus, die vor allem ihren landwirtschaftlichen Eifer lobten und sich nur milde von ihren religiösen Gebräuchen distanzierten.[3]
Die Mennonitengemeinde im Branchweilerhof, der die aus dem Jahr 1275 stammende und gleichfalls denkmalgeschützte[6] Kapelle St. Maria im Osten der Kernzone gehört, besteht nach mehr als drei Jahrhunderten weiterhin.[7] Die Nachkommen der Siedlerfamilie Lichti pflegen eine genealogische Datenbank, die mehr als 20.000 Personen enthält.[8]
Eingemeindung
Branchweiler, das mit dem benachbarten Winzerdorf Winzingen im 19. Jahrhundert eine politische Gemeinde bildete, wurde 1892 zusammen mit Winzingen nach Neustadt eingemeindet.[4] Anschließend wuchs auch Branchweiler mit der Stadt zusammen. Später wurde das Stadtviertel im Amtsdeutsch vorübergehend „Neustadt-Ost“ genannt; der volkstümliche Name hat diese Bezeichnung jedoch überdauert.
Projekt „Soziale Stadt“
In den 1970er Jahren wurden in der Neusatz- und Allensteiner Straße Häuserblocks errichtet, die als Wohnquartiere für mittlere bis einfache Bürgerschichten dienten. Der Druck, deren Wohnqualität zu verbessern, verstärkte sich in der Folgezeit, insbesondere als – nach dem Fall der Berliner Mauer – gegen Ende des 20. Jahrhunderts vermehrt Einwanderer aus den osteuropäischen Staaten zuzogen. Deshalb wurde Neustadt 2006 mit dem Programmgebiet Neustadt-Branchweiler in das auf längere Dauer angelegte Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ aufgenommen; Ziel des lokalen Projekts ist die Aufwertung des Stadtviertels.
Sehenswürdigkeiten
Als Kulturdenkmal geschützt sind außer der Kernzone mit Hofanlage, Spitalgebäude und Kapelle noch zwei Fabrikanlagen, die 1894 und 1911 errichtet wurden.[1] Unter Denkmalschutz[9] steht ebenfalls die Haidmühle (auch Heidmühle geschrieben), die direkt nordöstlich des Stadtviertels jenseits des Speyerbachs, mit dessen Wasser sie ursprünglich betrieben wurde, auf 127 m Höhe[2] liegt. Der Mühlenbetrieb wurde Anfang der 1970er Jahre eingestellt.
Weblinks
Einzelnachweise
- Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (Hrsg.): Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler – Kreisfreie Stadt Neustadt an der Weinstraße. Mainz 2021, S. 4 (PDF; 4,8 MB).
- Lage des Branchweilerhof-Hauptgebäudes auf: Kartendienst des Landschaftsinformationssystems der Naturschutzverwaltung Rheinland-Pfalz (LANIS-Karte) (Hinweise), abgerufen am 25. Dezember 2020.
- Der Branchweilerhof. lichti.com, abgerufen am 26. November 2014 (Menüleiste links).
- Verzeichniss der Gemeinden des Rheinkreises 1824: mit Angabe der zu denselben gehörigen einzeln stehenden Häusern, Höfen und Mühlen. bavarica.digitale-sammlungen.de, abgerufen am 29. Juni 2014.
- Konrad von Busch und Franz Xaver Glasschröder: Chorregel und jüngeres Seelbuch des alten Speyerer Domkapitels. Hrsg.: Historischer Verein der Pfalz. Speyer 1923, S. 263, Fußnote 4.
- Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (Hrsg.): Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler – Kreisfreie Stadt Neustadt an der Weinstraße. Mainz 2021, S. 3 (PDF; 4,8 MB).
- Mennonitengemeinde Branchweilerhof. Verband deutscher Mennonitengemeinden, archiviert vom Original am 13. Juli 2015; abgerufen am 12. Juli 2015.
- Genealogische Datenbank. lichti.com, abgerufen am 26. November 2014.
- Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (Hrsg.): Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler – Kreisfreie Stadt Neustadt an der Weinstraße. Mainz 2021, S. 6 (PDF; 4,8 MB).