HS 30
Der „Schützenpanzer (lang) HS 30“ war ein gepanzertes Kettenfahrzeug mit 20-mm-Maschinenkanone, von dem die Bundeswehr 2.176 Stück erhielt. Daneben gab es im deutschen Heer den „Schützenpanzer kurz“ (Hotchkiss) mit der gleichen Bewaffnung.
Schützenpanzer (lang) HS 30 | |
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HS 30 im Panzermuseum Thun | |
Allgemeine Eigenschaften | |
Besatzung | 3 (Kommandant, Fahrer, Richtschütze) + weiteres Personal je nach Version |
Länge | 5,56 m |
Breite | 2,54 m |
Höhe | 1,85 m |
Masse | 14,37 t |
Panzerung und Bewaffnung | |
Hauptbewaffnung | 20-mm-Maschinenkanone HS 820 L/85 |
Sekundärbewaffnung | keine |
Beweglichkeit | |
Antrieb | Achtzylinder-V-Motor, Ottomotor Typ Rolls-Royce B81 Mk. 80 F 164 kW (198 PS) |
Federung | Schraubenfedern mit Gummifederteller[1] |
Geschwindigkeit | 58 km/h |
Leistung/Gewicht | 15,3 PS/t |
Reichweite | ca. 270 km |
Die Umstände der Beschaffung des „Schützenpanzers (lang)“ führten in den 1960er-Jahren zum HS-30-Skandal.
Geschichte
In Auswertung von Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg wurde für die neu aufgestellte Bundeswehr beschlossen, die Mehrzahl der Panzergrenadierbataillone mit vollmechanisierten Kampffahrzeugen auszurüsten. Hierzu sollte ein Schützenpanzer eingeführt werden, der den Kampf vom Fahrzeug aus ermöglichte und zudem mit einer schwenkbaren Kanone über eine gewisse Feuerkraft verfügte. Vorläufer und erste Ausstattung beim Panzergrenadierlehrbataillon war der M39 (Panzer), der das Nachfolgemodell HS-30 beeinflusste.
Konstrukteur war André Fürst Poniatowski, ein ehemaliger französischer Offizier polnischer Herkunft, der in Paris ein kleines Konstruktionsbüro betrieb. Nach dem Erstellen eines entsprechenden Lastenheftes ging der Auftrag zur Entwicklung des Fahrzeugs an den Genfer Konzern Hispano Suiza (Suisse) S.A., der zwar eine lange Tradition in der Herstellung von Maschinenkanonen hatte, aber keinerlei Erfahrung im Bau von Panzerfahrzeugen besaß. Er produzierte kleinere Waffensysteme sowie Werkzeuge und stellte damals in Genf u. a. auch Mofas vom Typ Vélosolex her. Der Bundesgrenzschutz hatte 1953 von den Schweizern 20-mm-Flugabwehrkanonen erworben. Poniatowski, der kein Ingenieursstudium absolviert hatte, hatte in den 1930er-Jahren einen Truppentransporter konstruiert, der jedoch nie in Serie ging.
Am 28. März 1956 präsentierte Hispano Suiza (Suisse) dem Verteidigungsausschuss des Bundestages ein aus Holz und Pappe bestehendes verkleinertes Modell des Panzers.
Der HS-30-Entwurf hatte folgende Merkmale:
- Niedriger Aufzug mit allseits abgeschrägten Wänden.
- Kettenlaufwerk mit Lauf- und Stützrollen.
- Triebwerksblock im Heck des Fahrzeugs, dadurch musste die Besatzung im hinteren Kampfraum im Gefecht über die Seitenwände absitzen.
- Im Bug links war der Fahrerplatz, rechts daneben befand sich der gleiche Drehturm wie im Schützenpanzer kurz mit einer Hispano-Suiza-20-mm-Kanone L/85.
Der Schweizer Hispano-Suiza-Konzern beauftragte als Generalunternehmer die deutschen Unternehmen Hanomag in Hannover, Henschel in Kassel und die British Manufacture and Research Company (BMARC) mit dem Bau der Panzer. Die BMARC mit Sitz in Grantham (Lincolnshire) war eine Hispano-Suiza-Tochter und für den Fahrzeugbau überhaupt nicht ausgerüstet. Sie gab den Auftrag ohne Wissen und Zustimmung Bonns an Leyland Motors weiter, die bis dahin nach einer Aussage des Magazins Der Spiegel nur Autobusse hergestellt hatte[2] – tatsächlich hatte Leyland während des 2. Weltkriegs Panzer vom Typ Cromwell für die britische Armee gebaut
Am 5. Juli 1956 beschlossen der Verteidigungs- und der Haushaltsausschuss in gemeinsamer Sitzung eine Bindungsermächtigung für die Beschaffung von 10.680 Stück des HS 30 in Höhe von 2,78 Milliarden DM. Inflationsbereinigt entspricht dies in heutiger Währung 7 Mrd. Euro.[3]
Um die Jahreswende 1957/1958 fanden Probefahrten mit den ersten HS 30 statt, bei denen sich erhebliche technische Mängel zeigten. Es kam zu langen Verzögerungen bei den Auslieferungen, die Bundeswehr erhielt schließlich 2.176 Panzer für 517 Millionen DM zwischen September 1959 und Februar 1962.
Mängel und Ablösung durch den Marder
Da der Panzer übereilt in den Serienbau gegeben wurde, waren schnell zahlreiche Mängel zu erkennen. Der Achtzylinder-Ottomotor von Rolls-Royce war zu schwach, weil er von der Leistung her ursprünglich nur für ein Gewicht von 9 t ausgelegt war, nach Änderungen der Konstruktion erreichte der Panzer jedoch ein Gesamtgewicht von 14,5 t. Im Truppenbetrieb kamen weitere Mängel hinzu, die ständige Reparaturarbeiten nach sich zogen. Besondere Schwachstellen waren der unzuverlässige Rolls-Royce-Motor, das Schalt- und Lenkgetriebe sowie vor allem die Laufwerksfederung und -dämpfung. Da das Fahrzeug insgesamt den Anforderungen an einen echten Schützenpanzer nicht gerecht wurde – zum Beispiel Kampf vom Fahrzeug aus unter Panzerschutz – und auch sehr wenig Platz bot, wurde es nach gut zehnjähriger Truppenverwendung ab 1971 durch den Schützenpanzer Marder abgelöst. Die letzten Exemplare schieden Anfang der 1980er-Jahre aus dem Truppendienst aus.
Ende der 1960er-Jahre wurden Schmiergeldzahlungen an mehrere Personen im Zusammenhang mit der Beschaffung des HS 30 bekannt. Mit dem HS-30-Skandal, dem bis dahin größten deutschen Rüstungsskandal, beschäftigte sich in den Jahren 1967 bis 1969 ein Untersuchungsausschuss des Bundestages.[4]
Versionen
Neben der Grundversion HS 30 Typ 12-3 gab es eine Version mit einem rückstoßfreien 106-mm-Leichtgeschütz, das auf dem Deck des Schützenpanzers aufgebaut war, sowie folgende Varianten:
Name | Beschreibung | Bild |
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Typ 21-3 | Führungs- und Funkfahrzeug für Bataillons- und Brigadestäbe | |
Typ 51-3 | mit 81-mm-Mörser, später umgebaut in Typ 52-3 | |
Typ 52-3 | mit 120-mm-Mörser | |
Typ 3-3 | Raketenjagdpanzer 1 (RakJPz 1) mit der drahtgelenkten Panzerabwehrlenkrakete SS 11 | |
Typ 81-3 | Feuerleitpanzer für die Artillerie und Panzermörserzüge bzw. -kompanien |
Literatur
- Dieter H. Kollmer: Rüstungsgüterbeschaffung in der Aufbauphase der Bundeswehr. Der Schützenpanzer HS 30 als Fallbeispiel (1953–1961). Steiner, Stuttgart 2002 (= Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 93), ISBN 3-515-08077-5
- Peter Blume: Schützenpanzer kurz, Hotchkiss – lang, HS 30. Tankograd Publishing, Erlangen, 2008.
Weblinks
Einzelnachweise
- Hans-Peter Lohmann: Schützenpanzer Marder Die technische Dokumentation des Waffensystems. 1. Auflage. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-613-03295-8, S. 21.
- Rudolf Augstein: HS 30 – oder wie man einen Staat ruiniert. In: Der Spiegel. Nr. 44, 1966, S. 8–24 (online – 24. Oktober 1966).
- bundesregierung: SGB VI Anlage 1.
- HS 30: Die Unvollendete. In: Der Spiegel. Nr. 47, 1967, S. 60–82 (online – 13. November 1967).