Gunnar Lindemann
Gunnar Norbert Lindemann (* 25. August 1970 in Wuppertal) ist ein deutscher Politiker (AfD) und ist seit 2016 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses.
Leben
Lindemann ist gelernter Bankkaufmann sowie Sicherheitskraft[1] und war als Personalbetriebsplaner bei einem privaten[2] Bahnunternehmen tätig.[3]
Im September 2016 gewann er bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin mit 30,6 % den Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf 1 als Direktkandidat der AfD.[4][5] Bei der folgenden Wahl im September 2021 gelang es ihm, mit 22,7 % erneut als Direktkandidat ins Abgeordnetenhaus von Berlin einzuziehen.[6][7]
Positionen
Lindemann behauptet, es gäbe eine „Islamisierung“ Deutschlands und er wendet sich gegen das, was er als „Asyl-Irrsinn“ bezeichnet und gegen die in seinen Augen „gesetzlose Merkel-Administration“. Im Wahlkampf forderte er bezogen auf die Planung einer Flüchtlingsunterkunft „Wohnraum für Berliner“.[1] Lokale Projekte „für die eigene Bevölkerung“ wie bessere Sitzbänke, Video-Technik in den S-Bahnhöfen und den Erhalt einer Jugendverkehrsschule will Lindemann über die Streichung von Geldern an Initiativen gegen Rechtsextremismus sowie über die Abschiebung abgelehnter Asylsuchender finanzieren.[3]
Der Tagesspiegel berichtete von fremdenfeindlichen Äußerungen Lindemanns in sozialen Netzwerken und seinen Mitgliedschaften in Gruppen, in denen nationalistische und antisemitische Inhalte geteilt würden.[8] Der taz zufolge hat Lindemann nachgewiesene Verbindungen ins rechtsextremistische Spektrum.[9]
Lindemann unterhält laut eigener Aussage nach wie vor persönliche Kontakte in die selbsternannten „Volksrepubliken“ in Donezk und in Luhansk. Im Rahmen des aufkommenden Kriegs zwischen Russland und der Ukraine nahm Lindemann zu dem sich zum damaligen Zeitpunkt zuspitzendem Konflikt in einem YouTube-Video und beteuerte unter anderem, dass Russland die Ukraine unter gar keinen Umständen angreifen würde.[10]
Kontroversen
Aussagen zum Bürgerkrieg in Syrien
Die Rückeroberung Aleppos durch syrische und russische Truppen bezeichnete Lindemann als „Befreiung“ und äußerte die Meinung, dass syrische Flüchtlinge nun zurückkehren und beim Wiederaufbau der Stadt helfen könnten. Die Berliner Zeitung wertete dies als Verhöhnung der syrischen Bürgerkriegsopfer. Später löschte Lindemann den Tweet und erklärte, seine Äußerungen seien unbedacht gewesen und er nehme die „spontane Einschätzung“ mit Bedauern zurück.[11]
Kommentare zum Tötungsdelikt an einer 14-Jährigen in Berlin
Im März 2018 wurde in Berlin ein 14-jähriges Mädchen von einem Mitschüler in seiner Wohnung erstochen. Nachdem die Polizei bekannt gegeben hatte, dass es sich bei dem festgenommenen Tatverdächtigen um einen 15-jährigen Deutschen handelt, forderte Lindemann die Polizei auf, den Namen des Täters zu nennen,[12] was jedoch aufgrund des Pressekodex zunächst unterblieb. Später wurde der Name Edgar H. mitgeteilt.[13]
Äußerungen zu Luftangriffen auf Städte im Dritten Reich
Nachdem im Juli 2019 eine Bahnreisende die Durchsage eines Deutsche-Bahn-Mitarbeiters („Liebe Fahrgäste. Unser Zug hat wegen der Entschärfung einer Bombe, die die Westalliierten auf die unschuldige Bevölkerung Frankfurts abgeworfen haben, zur Zeit 45 Minuten Verspätung.“) auf Facebook bekanntgemacht hatte und daraufhin Opfer eines Shitstorms inklusive Gewaltandrohungen geworden war, beteiligte sich auch Lindemann und erklärte, dass der „alliierte Bombenterror gegen die deutsche Zivilbevölkerung ... eine historische Tatsache“ sei. Außerdem unterstellte er der Frau, sie habe es auf mediale Aufmerksamkeit abgesehen.[14]
Reise mit Sohn nach Russland und in die Ukraine 2019
Lindemann reiste im Herbst 2019 gemeinsam mit seinem 16-jährigen Sohn und dem Siegerländer AfD-Politiker Henning Zoz nach Russland und in die Donbass-Gebiete um Donezk und Luhansk. Dabei besuchten sie unter anderem die Basis der „Nachtwölfe“, einem russisch-nationalistischen Motorradclub. Vom Sohn auf Instagram veröffentlichte, später wieder gelöschte Fotos zeigen Lindemann, dessen Sohn und zwei weitere Personen vor einem Eingangsschild dieser Basis. Ein anderes Foto zeigt Lindemanns Sohn salutierend vor einem Feld; unterschrieben ist das Foto mit dem Text „5km vor der Frontlinie“. Ein weiteres Bild zeigt den Sohn mit einem angelegten Sturmgewehr (Modell der Reihe Kalaschnikow AK-47) und dem Kommentar „In Deutschland verboten aber naja bin ja in Donetsk“. Ebenfalls hochgeladen wurden zahlreiche Fotos von Reliquien aus der Zeit des Nationalsozialismus, abfotografiert aus dem Zentralmuseum der russischen Streitkräfte in Moskau. Laut Lindemann war die Reise geprägt von „humanitärer Hilfe“.[15] Auf dieser Reise nahm er einen „Orden für internationale Zusammenarbeit“ des „Außenministeriums“ der international nicht anerkannten Volksrepublik Donezk entgegen und vereinbarte mit dem „Außenministerium“ die Eröffnung einer Repräsentanz der „Volksrepublik Donezk“ in Berlin. Kurz nach der Reise wurde dem Sohn von Mitschülern per Messenger mitgeteilt, dass man ihn „abstechen“ wolle. Die Schulleitung schaltete daraufhin die Polizei ein; der Staatsschutz übernahm die Ermittlungen.[16][17] Laut einem der Tageszeitung Der Tagesspiegel vorliegenden Chatverlauf gab es allerdings Bedrohungen seitens Lindemanns Sohn, so habe dieser den Mitschülern unter anderem mit den „Nachtwölfen“ gedroht.[15]
Beleidigung der Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg
Im Dezember 2019 bezeichnete Lindemann Greta Thunberg abfällig als „geistig krankes, behindertes Mädchen“.[18] Der VW-Manager Herbert Diess äußerte zuvor, dass Greta Thunberg das Vorbild für den ganzen Automobilhersteller VW sein sollte.[19] Daraufhin sagte Lindemann: „Ein Manager, für den ein geistig krankes, behindertes Mädchen ein Vorbild ist, kann nichts taugen.“[20]
CSD in Marzahn
Lindemann bezeichnete die Parade zum Christopher Street Day 2020 in Berlin-Marzahn als „antirussischen Rassismus“, „Propaganda“, „Umerziehung“ und „Krawall“.[21]
Äußerungen zu „Gendergaga“ wegen des Wortes „Fahrspurende“
Lindemann erregte Aufsehen, als er in einem Bericht der B.Z. das Wort „Fahrspurende“ als einen gendergerechten Neologismus für „Fahrspur“ missverstand und auf Twitter als „Genderwahnsinn“ bezeichnete.[22][23]
Äußerungen zum Fall Nawalny
Mit Bezug auf die Vergiftung des russischen Regimekritikers Alexei Nawalny schrieb Lindemann auf seinem Facebook-Account von „Beziehungen und Geldströmen zwischen Nawalny, Soros und dem Clinton-Obama Clan“. Eine Vergiftung Nawalnys sei für ihn nur „Propaganda gegen die russische Regierung“.[24]
Weblinks
- Biografie auf der Website des Berliner Abgeordnetenhauses für die 18. Wahlperiode
Einzelnachweise
- Kristof Botka: AfD in Berlin-Marzahn: Wo Berlin schon blau ist. In: taz.de. 26. Oktober 2016, abgerufen am 15. Februar 2017.
- Biografie auf der Website des Berliner Abgeordnetenhauses
- Berlin-Wahl, Diese fünf AfD-Politiker ziehen direkt ins Abgeordnetenhaus ein (Memento vom 24. September 2016 im Internet Archive), 19. September 2016, Berliner Zeitung
- Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen 2016 / Marzahn-Hellersdorf
- Märkische Allgemeine Zeitung: AfD gewinnt politische Gestaltungsmacht, 19. September 2016, Märkische Allgemeine
- Marzahn-Hellersdorf Wahlkreis 1. Abgerufen am 13. Dezember 2021.
- Ergebnisse. Abgerufen am 13. Dezember 2021.
- Nach der Berlin-Wahl: Zu rechts für die AfD. In: tagesspiegel.de. 22. September 2016, abgerufen am 18. Mai 2017.
- Wahlergebnisse der AfD in Berlin: Rechtsradikaler holt Direktmandat taz vom 18. September 2016.
- #Russland wird nicht in die #Ukraine einmarschieren. Hier die Hintergründe kurz dargestellt. Abgerufen am 24. Februar 2022.
- Gunnar Lindemann: Berliner AfD-Politiker verhöhnt Aleppo-Opfer. In: berliner-zeitung.de. 18. Mai 2017, abgerufen am 18. Mai 2017.
- Tod von 14-jähriger Keira wühlt Berlin auf, auf n-tv.de, abgerufen am 12. März 2018.
- Keira G. (14) wurde von Edgar (15) erstochen! *Updates*, auf berliner-woche.de, abgerufen am 12. März 2018.
- DerWesten.de: Deutsche Bahn. Entsetzen über Durchsage im ICE; eingesehen am 28. Juli 2020.
- Die skurrilen Urlaubsbilder des AfD-Politikers Gunnar Lindemann, auf tagesspiegel.de
- Sohn von Berliner Politiker erhält Morddrohungen. t-online.de, 9. November 2019.
- Kind eines Berliner AfD-Politikers mit dem Tod bedroht. In: Tagesspiegel. 9. November 2019.
- „Geistig krankes, behindertes Mädchen“: AfD-Mann poltert heftig gegen Greta Thunberg. 30. Dezember 2019, abgerufen am 6. September 2020.
- FOCUS Online: Greta als Vorbild für ganzen Konzern: So will VW-Boss Diess den CO2-Ausstoß senken - Video. Abgerufen am 6. September 2020.
- https://twitter.com/afdlindemann/status/1210284045504040962. Abgerufen am 6. September 2020.
- queer.de: AfD-Politiker hetzt gegen CSD in Marzahn; eingesehen am 4. August 2020.
- bz-berlin.de
- Fall Nawalny: Gregor Gysi verdächtigt Nord-Stream-2-Gegner – und nicht Putin. www.welt.de, 4. September 2020.