Katharina Schratt
Katharina Schratt (* 11. September 1853 in Baden bei Wien, Kaisertum Österreich; † 17. April 1940 in Wien, Deutsches Reich) war eine österreichische Schauspielerin, die wegen ihrer langjährigen privaten Beziehung zu Kaiser Franz Joseph I. zum Thema von Literatur und Tratsch wurde.
Leben
Lebenslauf
Katharina Schratt war die Tochter des Papier- und Bürowarenhändlers Anton Schratt (1804–1883). Sie hatte zwei Brüder. Bereits im Alter von sechs Jahren entdeckte sie ihre Liebe zum Theater. Die Eltern versuchten alles, um ihre Tochter von der Schauspielerei fernzuhalten. So schickten sie die Tochter nach Köln in ein Internat. Sie arbeitete wiederum hartnäckig an der Realisierung ihres Vorhabens. Mit 15 Jahren trat sie das erste Mal in Leobersdorf auf. Das Stück hieß zufällig Eigensinn. Anschließend durfte sie doch die Kierschnersche Schauspielschule in Wien besuchen.[1]
Ihr Debüt gab die Siebzehnjährige als Gast der Wiener Theater-Akademie in ihrer Heimatstadt Baden. Ihr erstes fixes Engagement führte sie 1872 an das Hoftheater in Berlin, an dem sie bereits nach kurzer Zeit nennenswerte Erfolge verbuchen konnte. Katharina Schratt blieb allerdings nur wenige Monate in Berlin, um dann dem Ruf an das Wiener Stadttheater zu folgen. Nach einem Engagement am Deutschen Hoftheater in Sankt Petersburg folgte eine selbstgewählte Pause.
Im Frühjahr 1879 heiratete sie den ungarischen Konsularbeamten Miklos Baron Kiss de Ittebe (auch: Nikolaus Baron Kiß von Ittebe;[2] 1852–1909). Von ihrem Ehemann, der als Lebemann galt, trennte sie sich schon 1880 wieder, jedoch ohne sich scheiden zu lassen. Im selben Jahr wurde ihr Sohn Anton geboren (1880–1970).[3]
Nach einem Gastspiel in New York kehrte sie 1883 wieder an ein Theater in Wien zurück, an das Hofburgtheater. Wiederum feierte „die Schratt“ einen Erfolg nach dem anderen und wurde zu einer der beliebtesten Schauspielerinnen ihrer Zeit in Österreich. 1887 erfolgte die Ernennung zur Hofschauspielerin. Nach Meinungsverschiedenheiten mit dem neuen Burgtheaterdirektor Paul Schlenther kündigte Katharina Schratt im Oktober 1900 ihren Vertrag und ging, erst 47-jährig, in Pension.
Für den größten Theaterskandal in der Monarchie sorgte Katharina Schratt, als sie – als Freundin des Kaisers – in Franz von Schönthans Lustspiel Maria Theresia 1903 am Deutschen Volkstheater in Wien eine Kaiserin spielte. Der Journalist Karl Kraus prangerte in seiner Zeitschrift Die Fackel den Umstand, dass Schratt als Kaiserin zu sehen war, als „Gipfel der Geschmacklosigkeit“ an. Kraus sprach von „Schäbigkeit der Gesinnung, Schwindel und widerlichster Anzüglichkeit, um vor einem nach Klatsch geilen Publikum die leeren Kassen eines Geschäftstheaters füllen zu helfen“. Während der Kaiser und die Schauspielerin bis dahin immer darauf geachtet hatten, ihre Beziehung nicht in die Öffentlichkeit zu tragen, habe die Schauspielerin nun die Grenzen des guten Geschmacks verlassen. Selbst der Kaiser konnte es nicht glauben: „In der Zeitung habe ich gelesen, dass Sie die Maria Theresia spielen werden. Ist das wahr?“ Katharina Schratt betrat nach dem Skandal nie wieder eine Bühne.[4]
Beziehungen
Als prominentes Mitglied des Hofburgtheaters war die Schauspielerin zu allen großen Festen Wiens geladen. So auch zum „Ball der Industriellen“ des Jahres 1885, wo sie erstmals – abgesehen von einer Audienz 1883 – ein längeres Gespräch mit Kaiser Franz Joseph I. führte. Nach einer Theateraufführung im mährischen Schloss Kremsier für den russischen Zaren Alexander III. wurden die anwesenden Künstler zum Souper mit den Monarchen gebeten. Dort traf Katharina Schratt erstmals auf Kaiserin Elisabeth, die von nun an den Kontakt zwischen der Schauspielerin und dem Kaiser förderte. Die Freundschaft zwischen Katharina Schratt und Kaiser Franz Joseph währte mit einer Unterbrechung 1900/01 (nach Meinungsverschiedenheiten mit dem Kaiser) bis zu seinem Tod im November 1916, wenngleich sie sich schon nach dem Tod von Kaiserin Elisabeth 1898 ein wenig abgekühlt hatte.
Vom Kaiser erhielt die Schauspielerin, die einen großzügigen Lebensstil pflegte und außerdem auch eine leidenschaftliche Spielerin war, immer wieder finanzielle Zuwendungen, um ihre enormen Schulden zu tilgen. Außerdem überhäufte der Kaiser sie mit wertvollem Schmuck und schenkte ihr eine Villa in der Gloriettegasse 9 in Wien, nahe dem Schloss Schönbrunn. Er stellte ihr auch in Bad Ischl die Villa Felicitas auf der Straße nach Pfandl zur Verfügung, die bald allgemein nur mehr „Schratt-Villa“ genannt wurde.[5] Der Kaiser widersetzte sich jedoch allen Versuchen Katharina Schratts, über seine Person Einfluss auf die Leitung des Hoftheaters zu gewinnen. 1909 starb ihr Ehemann und hinterließ ihr das von ihr seit 1890 bewohnte und von ihm im Jahr 1907 erworbene Palais Königswarter auf dem Kärntner Ring 4,[2][6] schräg gegenüber der Wiener Staatsoper.
Georg Markus, der 1982 eine Schratt-Biografie publizierte, kam in seinem 2013 veröffentlichten Buch Es war ganz anders auf sie zurück und wies anhand historischer Briefe nach, dass Katharina Schratt neben Franz Joseph mit anderen Männern eng befreundet war: mit Hans Graf Wilczek, der ihr Liebesbriefe widmete, ihrem Schauspielerkollegen Viktor Kutschera, mit dem sie im damaligen Deutschen Volkstheater in Wien als Maria Theresia und Franz Stephan von Lothringen auftrat, und mit Ferdinand von Sachsen-Coburg-Koháry, dem späteren König von Bulgarien.[7]
Lebensabend
Nach dem Tod Kaiser Franz Josephs lebte die ehemalige Schauspielerin fast[6] völlig zurückgezogen in ihrer 500 m² großen Wohnung im dritten Stock ihres Palais.[2] Nur hin und wieder trat die engagierte Tierliebhaberin (sie selbst besaß zeitweise einen Affen, drei Papageien und sieben Hunde) an die Öffentlichkeit, etwa für Lesungen zugunsten wohltätiger Organisationen. Ansonsten wurde das Legen von Puzzles zu einer ihrer Hauptbeschäftigungen.
In ihren späten Jahren wurde Katharina Schratt zu einer tief religiösen Frau, die täglich die Kirche besuchte und mehrmals in der Woche zur Grabstätte des verstorbenen Kaisers pilgerte. Über ihre Beziehung zum Kaiser wahrte sie strengste Diskretion. Am 17. April 1940 starb Katharina Schratt im Alter von 86 Jahren an Altersschwäche. Sie wurde auf dem Friedhof Hietzing (Gruppe 19, Nummer 108) in Wien beigesetzt.
Familie
Der Großvater Chrysostomus Schratt (1773–1851) stammte aus Konstanz, studierte in Wien Medizin und kam als Wundarzt nach Baden, wo er zuerst in einem Lazarett Franzosen und später Russlandheimkehrer behandelte. Seine Ehefrau war Rosalia geb. Binz (1781–1856), Tochter des Wiener Buchhändlers und Antiquars Johann Georg Binz, der aus Gündlingen im Breisgau stammte. Schratt tat sich bei der unentgeltlichen Behandlung der Insassen des Wohltätigkeitshauses hervor. Durch seine Veterinärkenntnisse bekämpfte er auch Tierseuchen.[8]
Der ältere Bruder war Heinrich Schratt (1851–1940). Er war in der Landwirtschaft tätig, war einige Jahre in den Vereinigten Staaten, von wo er 1876 zurückkehrte, als der Vater schwer erkrankte. Er betrieb im Schratthaus in Baden einen Milchausschank der Pinzgauer Molkerei sowie eine kleine Landwirtschaft mit Rindern. 1890 verließ er aber mit seiner Frau Baden und ging nach Kärnten an den Längsee.[1] Er verstarb mit fast 90 Jahren am 5. September 1940 im Landeskrankenhaus in Sankt Veit an der Glan und wurde am Ortsfriedhof von Sankt Georgen am Längsee beigesetzt.[9]
Der jüngste unter den drei Geschwistern war Rudolf Schratt (1860–1952). Er hatte wie seine Schwester ebenso Interesse am Theater, wo er sich auch in jüngeren Jahren versuchte, studierte aber schließlich in Mittweida in Sachsen Maschinenbau und arbeitete anschließend wieder in Österreich. Mit zunehmendem Alter widmete er sich wieder dem öffentlichen Leben in Baden und damit auch dem Theater. So stammten von ihm die Entwürfe und Ideen der Sommerarena Baden mit ihrem verschiebbaren Glasdach.[1]
Literatur
- Hans-Joachim Böttcher: Ferdinand von Sachsen-Coburg und Gotha 1861–1948: ein Kosmopolit auf dem bulgarischen Thron. Osteuropazentrum Berlin-Verlag (Anthea Verlagsgruppe), Berlin 2019, ISBN 978-3-89998-296-1, S. 86–88.
- Brigitte Hamann: Elisabeth – Kaiserin wider Willen. Amalthea, Wien 1981, ISBN 3-85002-147-5.
- Brigitte Hamann: Schratt (Maria) Katharina. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 11, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1999, ISBN 3-7001-2803-7, S. 179 f. (Direktlinks auf S. 179, S. 180).
- Brigitte Hamann (Hrsg.): Meine liebe, gute Freundin! Die Briefe Kaiser Franz Josephs an Katharina Schratt. Aus dem Besitz der Österreichischen Nationalbibliothek. Ueberreuter, Wien 1992, ISBN 3-8000-3371-2.
- Hannelore Holub: Katharina Schratt. [Illustr.] Ungedruckte Dissertation, Wien 1967.
- Georg Markus: Katharina Schratt. Die heimliche Frau des Kaisers. Amalthea, Wien 1982 (später mit dem Untertitel Die zweite Frau des Kaisers. 4. Auflage. Amalthea, Wien 1998, ISBN 3-85002-417-2)
- Ralph-Günther Patocka: Schratt, Katharina. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 519 f. (Digitalisat).
- Constantin von Wurzbach: Schratt, Katharina. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 31. Theil. Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1876, S. 263 (Digitalisat).
Filmografie
- 1920: Der Ochsenkrieg
Weblinks
- Literatur von und über Katharina Schratt im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Katharina Schratt in der Internet Movie Database (englisch)
- Eintrag zu Katharina Schratt im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
Bestand in den Katalogen der Österreichischen Nationalbibliothek:
Einzelnachweise
- Henriette Povse: Das Kochbuch der Familie Schratt: Kulinarische Geschichten aus Baden, 2012, S. 25, ISBN 978-3-86680-969-7, online auffindbar.
- Palais Königswarter. In: burgen-austria.com. Private Webseite von Martin Hammerl, abgerufen am 5. März 2022.
- Ralph-Günther Patocka: Schratt, Katharina. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 519 f. (Digitalisat).
- Die großen Theaterskandale kurier.at, 16. März 2014.
- Villa Schratt (Memento des Originals vom 1. September 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. .
- Selbstmord der Gräfin Gina Apponyi. In: Wiener Sonntags-Zeitung / Wiener Sonn- und Montags-Zeitung, 20. April 1931, S. 3 (online bei ANNO). („Frau Schratt stellte Gräfin Apponyi ihre eigene Wohnung zur Verfügung. Hieher brachte sie Gräfin Apponyi, die in dem vornehmen Palais der Frau Schratt, Kärntner Ring 4, zwei bescheidene Zimmer bewohnte.“)
- Georg Markus: Frau Schratt geht fremd, Teil 1 der Serie Es war ganz anders in der Tageszeitung Kurier, Wien, 13. Oktober 2013, S. 20, Auszug aus dem Buch Es war ganz anders, Amalthea-Verlag, Wien 2013.
- H. Feigl: Schratt Johann Chrysostomus. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 11, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1999, ISBN 3-7001-2803-7, S. 179.
- Mittel- und Unterkärnten - St. Georgen a. L. - Ein Bruder der Hofburgschauspielerin Schratt gestorben. In: Alpenländische Rundschau. Unpolitische Wochenschrift für die gesamten Alpenländer / Alpenländische Rundschau, 14. September 1940, S. 7 (online bei ANNO).