Ernst von Heydebrand und der Lasa (Richter)

Ernst (E. Wilhelm Georg) v​on Heydebrand u​nd der Lasa (* 26. Mai 1884 i​n Breslau; † 25. Juli 1963 i​n Steinheim a​m Albuch) w​ar ein deutscher Jurist u​nd Richter a​m Reichsgericht i​n Leipzig.[1]

Leben

Familie und Ausbildung

Ernst v​on Heydebrand u​nd der Lasa a​us dem schlesischen Adelsgeschlecht Heydebrand w​ar Sohn d​es Georg v​on Heydebrand u​nd der Lasa u​nd der Elisabeth v​on Prittwitz. Sein Onkel w​ar Ernst v​on Heydebrand u​nd der Lasa (1851–1924), Politiker d​er Deutschkonservativen Partei u​nd Mitglied d​es deutschen Reichstages.[2]

Ernst v. H. u. d.L. absolvierte s​eine schulische Ausbildung a​n der Privatschule für Knaben v​on Karl Mittelhaus u​nd am Gymnasium i​n Breslau. Ab 1903 folgte d​as Jurastudium i​n Freiburg, Leipzig, Kiel u​nd Breslau. 1907 wirkte e​r nach d​em Ersten Juristischen Examen a​ls Gerichtsreferendar i​n Militsch u​nd Oppeln, n​avh dem Zweiten Staatsexamen 1910 a​ls Gerichtsassessor a​m Landgericht Hörde. 1912 w​urde er beurlaubt z​ur Vorbereitung a​uf den Kolonialdienst, zunäst a​n das Kolonialinstitut i​n Hamburg, d​ann an d​as Reichskolonialamt i​n Berlin m​it Wohnung i​n Eichwalde.

Ernst v. H. u. d. L. w​ar viermal verheiratet: 1909 m​it Adele v​on Mutius (1879–1959; Ehe 1924 geschieden), 1925 m​it Erna v​on Lekow (1892–1926. erschossen m​it dem Revolver i​hres Ehemannes), 1928 m​it Anna Luise Funbk (1884–1939, verstorben a​n Krebs), 1953 m​it Raymonde Lemoine (geb. 1903 i​n Valenciennes).[3]

Sein Sohn Ernst (geb. Berlin-Pankow 30. November 1912, 1940 Promotion z​um Dr. rer. nat.) heiratete a​m 17. Juni 1939 e​ine Tochter d​es DVP-Politikers Fritz David v​on Hansemann, d​er 1933 v​on den Nationalsozialisten a​us seinem Amt a​ls Oberbürgermeister d​er Stadt Flensburg vertrieben worden war. Sein zweiter Sohn (geb. Eichwalde 7. Mai 1914), Hauptmann u​nd Staffelführer e​ines Stuka-Geschwders, w​ird am 9. Oktober 1943 n​ach einem Luftkampf i​n der Nähe v​on Rhodos vermisst.[4]

Tätigkeit als Verwaltungsbeamter

Nach seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg 1914–1918. [5] wurde er Leiter der Zivilabteilung des Industriebezirks beim Grenzschutz in Oberschlesien. Ab 1920 war er als Regierungsrat in Stettin (ab 1920), Breslau (ab 1925) und Frankfurt (Oder) (ab 10. Dezember 1927) beschäftigt. Am Ende des Jahres 1930 wurde er aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzt. Nach dreijähriger Tätigkeit in der NSDAP wurde er kurz nach der "Machtergreifung" bereits am 8. Mai 1933 zum Regierungsvizepräsident in Merseburg ernannt. 1936 amtierte er von Februar bis Oktober vertretungsweise als Regierungspräsident im Regierungsbezirk Koblenz. Im Anschluss wechselte er als Oberverwaltungsgerichtsrat an das Preußische Oberverwaltungsgericht (PrOVG) in Berlin-Charlottenburg. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde er am 1. Oktober 1940 zum "Major z. V." (zur Verfügung) ernannt und der Oberfeldkommandantur (OFK) in Lille zugewiesen, die für die Militärverwaltung der vom "besetzten Frankreich" abgetrennten nordfranzösischen Departements Nord-Pas-de-Calais zuständig war. [6] Dort wirkte er vermutlich als Richter im Rahmen der Militärgerichtsbarkeit. Im Januar 1942 wurde er zum Reichsrichter am Reichsverwaltungsgericht und am Reichsgericht in Leipzig mit einem Jahresgehalt von 16.000 Reichsmark ernannt. [7] [8] [9]

Beziehung zum Nationalsozialismus

Ernst v. H. u. d. L. trat am 1. April 1931 der Ortsgruppe Lebus der NSDAP bei und erhielt die Mitgliedsnummer 489676; [10] damit gehörte er im Dritten Reich zu den sogenannten Alten Kämpfern. Seine Nähe zur Ideologie des Nationalsozialismus kam aber bereits seit 1928 durch Aufsätze im NS-Parteiorgan Völkischer Beobachter zum Ausdruck. Seit Mitte Mai 1931 war Heydebrand nach eigenen Angaben "in der Organisationsleitung II der Reichsleitung der NSDAP beschäftigt." Im Sommer des gleichen Jahres erschien im ersten Heft des ersten Jahrgangs der Monatsschrift des nationalsozialistischen Juristenbundes BNSDJ sein Artikel "Sind in Deutschland allgemeine Maßnahmen gegen die Juden ohne Änderung der Reichsverfassung auf dem Wege der Gesetzgebung möglich?" Als Stellvertreter des Leiters der innenpolitischen Abteilung der NSDAP-Reichsleitung Helmut Nicolai entstanden teilweise mit diesem gemeinsam weitere Schriften zu möglichen Veränderungen der Gesellschaft im Sinne des Nationalsozialismus.[11]

Im November 1931 z​og Heydebrand v​on Berlin n​ach München, w​o er i​m dortigen Braunen Haus i​m April 1932 d​ie Stelle Nicolais a​ls Leiter d​er Abteilung II d​er Organisationsleitung i​n der NSDAP-Reichsleitung übernahm. Seine Schrift "Deutsche Rechtserneuerung a​us dem Geiste d​es Nationalsozialismus" erschien i​m Mai 1933, a​ls er bereits Regierungsvizepräsident i​n Merseburg war.[12]

Tätigkeit im Geheimdienst

Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Nordfrankreich im Juni 1940 wurde dort u. a. eine Dienststelle des deutschen Geheimdienstes eingerichtet, die Abwehr-Nebenstelle Lille, die in mehrere Referate aufgeteilt war. Das Referat III C1, zuständig für die Gegenspionage in Behörden, unterstand bis zum Abzug der deutschen Truppen Anfang September 1944 Major z.V. Ernst von Heydebrand und der Lasa. In deutlichem Gegensatz zu den Aktivitäten der Referate III C1 und III F ist über die des Referats III C1 fast nichts bekannt. [13] 1941 lernte Heydebrand die aus Valenciennes stammende Raymonde Lemoine kennen, mit der er angeblich "recht erfolgreich" zusammenarbeitete. Sie verließ 1944 Lille, als ihre Verbindung zu Heydebrand bekannt wurde, und wurde Mitarbeiterin der Abwehrstelle Breslau. Da sie Heydebrand 1953 heiratete, ist davon auszugehen, dass Lemoine in Lille nicht nur seine Mitarbeiterin in der Spionageabwehr, sondern auch seine Geliebte war. [14]

Schriften

  • Deutsche Rechtserneuerung aus dem Geiste des Nationalsozialismus, Berlin 1933

Literatur

  • Ernst v. Heydebrand u. d. Lasa; in: Franz Josef Burghardt, Spione der Vergeltung. Die deutsche Abwehr in Nordfrankreich und die geheimdienstliche Sicherung der Abschussgebiete für V-Waffen im Zweiten Weltkrieg. Eine sozialbiografische Studie. Schönau 2018. ISBN 978-3-947009-02-2, S. 93–102.
  • Ulrich v. Heydebrand u. der Lasa: Chronik des schlesischen Uradelsgeschlechts v. Heydebrand u. der Lsa, Limburg a. d. Lahn 1964.

Einzelnachweise

  1. Rainer Bookhagen: Die evangelische Kinderpflege und die Innere Mission in der Zeit des Nationalsozialismus. Mobilmachung der Gemeinden, Band 1: 1933 bis 1937. 1998, S. 561. (eingeschränkte Vorschau bei Google Book Search).
  2. Burghardt, Spione der Vergeltung, S. 93. Ulrich v. Heydebrand u. der Lasa, Chronik, S. 44–45. Friedrich Spiegel-Schmidt, Loránt Tilkovsky, Gerhard Seewann, Norbert Spannenberger: Akten des Volksgerichtsprozesses gegen Franz A. Basch, Volksgruppenführer der Deutschen in Ungarn, Budapest 1945/46, Oldenbourg, 1999, S. 161. (eingeschränkte Vorschau bei Google Book Search).
  3. Burghardt, Spione der Vergeltung, S. 93 u. 96.
  4. Burghardt, Spione der Vergeltung, S. 93–94 und 96.
  5. In dieser Zeit gehörte er als Reserveoffizier dem 1. Garde-Feldartillerie-Regiment an, zunächst als Leutnant, 1916 als Oberleutnant und ab Mai 1918 als Hauptmann. Als solcher nahm er an den Feldzügen der Reichswehr in Russland und Polen teil, dann an der Somme und in Flandern. Burghardt, Spione der Vergeltung, S. 94.
  6. Zur besonderen Bedeutung der OFK Lille vgl. Burghardt, Spione der Vergeltung, S. 9–11.
  7. Horst Romeyk: Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816–1945, Düsseldorf 1994, S. 281, Fn 4.
  8. Acta Borussica – Neue Folge. 1. Reihe: Jürgen Kocka, Wolfgang Neugebauer (Hrsg.): Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums 1817–1934/38.: Reinhold Zilch, Bärbel Holtz: Band 12/II: 4. April 1925 bis 10. Mai 1938. Hildesheim u. a. 2004, S. 591. (PDF).
  9. Burghardt, Spione der Vergeltung, S. 995-97. Dort wird eine Tätigkeit als Richter bei der OFK Lille und am Reichsgericht in Leipzig nicht erwähnt.
  10. Sein im Bundesarchiv erhaltener Mitgliederausweis enthält ein leicht verschwommenes Passfoto; Burghardt, Spione der Vergeltung, S. 93, auch abgebildet in: Franz Josef Burghardt - Daniela Topp-Burghardt, Amours sous les Armes Secrètes d'Hitler. Les agents du contre-espionnage allemand pour la sécurité des armes-V et leurs amies françaises dans le Nord de la France 1943/44. Paris 2021. ISBN 9782322379668, S. 20.
  11. Eine Liste mit seinen vor Ende März 1933 verfassten Schriften sandte Heydebrand zwei Monate nach der Machtergreifung an den Staatssekretär in der Reichskanzlei Hans Heinrich Lammers; abgedruckt in: Burghardt, Spione der Vergeltunhg, S. 97–98.
  12. Burghardt, Spione der Vergeltung, S. 94–95. Auszug aus seiner Schrift von 1933 mit rassehygienischem Gedankengut ebd. S. 99–102.
  13. Zur organisatoriwschen Gliederung des deutschen Geheimdienstes in Nordfrankreich ausführlich: Burghardt, Spione der Vergeltung, S. 14–24, eine schematische Übersicht in: Burghardt - Topp-Burghardt, Amours sous les armes secrètes d'Hitler, S. 21.
  14. Burghardt, Spione der Vergeltung, S. 34–35 u. 96.
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