Desfluran

Desfluran (ursprünglich I-653) ist ein als Inhalationsanästhetikum benutzter, ausschließlich mit Fluor halogenierter Äthylmethyläther[6] aus der Gruppe der Flurane. Das Desfluran hat eine gute hypnotische, jedoch nur schwache analgetische und muskelrelaxierende Wirkung. Es zeichnet sich durch schnelles An- und Abfluten und damit gute Steuerbarkeit sowie eine bei Anwendung gute Kreislaufstabilität aus. Desfluran wurde 1991 in den USA und 1995 in Deutschland in die Klinik eingeführt.[7] In Deutschland, Österreich und der Schweiz wird es von Baxter unter dem Handelsnamen Suprane vertrieben.[8][9][10] Verabreicht wird Desfluran über einen Verdampfer wie den von der Lübecker Firma Dräger hergestellten Devapor.

Strukturformel
Allgemeines
Freiname Desfluran
Andere Namen
  • 2-(Difluormethoxy)-1,1,1,2-tetrafluorethan
  • (RS)-2-(Difluormethoxy)-1,1,1,2-tetrafluorethan
Summenformel C3H2F6O
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 57041-67-5
EG-Nummer 688-023-8
ECHA-InfoCard 100.214.382
PubChem 42113
DrugBank DB01189
Wikidata Q419383
Arzneistoffangaben
ATC-Code

N01AB07

Wirkstoffklasse

Inhalationsanästhetikum

Eigenschaften
Molare Masse 168,04 g·mol−1
Dichte
  • 1,4540 g·cm−3 (20 °C)[1]
  • 1,4768 g·cm−3 (15 °C)[2]
Siedepunkt
Dampfdruck

885 hPa (20 °C)[2]

Löslichkeit

praktisch unlöslich in Wasser[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar[4]
Treibhauspotential

2540[5]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Chemie

Eigenschaften

Die Dichte von Desfluran ist als Flüssigkeit 1,48 g/ml.[2] Angaben zum Siedepunkt variieren zwischen 22,8 °C[3] und 23,5 °C[2]. Der Dampfdruck beträgt bei 20 °C 885 hPa.[2] Aufgrund dieses niedrigen Siedepunktes ist eine spezielle Verdampfertechnologie erforderlich.[3]

Stereochemie

Desfluran ist ein Racemat, also ein 1:1-Gemisch aus folgenden zwei Enantiomeren:[11]

Enantiomere von Desfluran

(R)-Enantiomer

(S)-Enantiomer

Pharmakologie

Der äußerst niedrige Blut-Gas-Verteilungskoeffizient von Desfluran beträgt 0,42,[12] das heißt bei einer Konzentration von 1 Volumenprozent (Vol-%) in den Lungenbläschen beträgt die Konzentration im Blut 0,42 Vol-%. Die geringe Löslichkeit bewirkt ein schnelles Erwachen[13] in der Aufwachphase. Die minimale alveoläre Konzentration ist 6 %, Desfluran ist damit weniger potent (und damit zunächst teurer) als die im Wesentlichen ähnlich wirkenden[14] Inhalationsanästhetika Isofluran oder Sevofluran. Da Desfluran schleimhautreizend ist, eignet es sich nicht für die inhalative Narkoseeinleitung. Durch die Reizung der Atemwege kann ein Bronchospasmus oder Laryngospasmus ausgelöst werden.[3]

Die Metabolisierungsrate (Biotransformation) von Desfluran ist minimal und mit unter 0,1 % sogar geringer als die aller anderen halogenierten Anästhetika, wodurch die Wahrscheinlichkeit einer Leberschädigung sehr gering ist. Daher kann es auch bei Patienten mit vorbestehender Lebererkrankung eingesetzt werden.[15] Wie die anderen Inhalationsanästhetika erhöht Desfluran den Hirndruck und kann einen Auslöser für eine maligne Hyperthermie darstellen.[3]

Durch die Reaktion mit Atemkalk kann Kohlenstoffmonoxid (CO) entstehen, was insbesondere bei ausgetrockneten CO2-Absorbern und hohen Gaskonzentrationen der Fall ist.[3]

Umwelt

Die „Lebenszeit“ in der Atmosphäre beträgt 14 Jahre, das Treibhauspotential 2540 und die Emissionen liegen bei (geschätzt) 960 Tonnen pro Jahr.[5] Desfluran schädigt nach Entweichen in die Atmosphäre die Ozonschicht jedoch weniger als bromierte bzw. chlorierte Substanzen wie Halothan, Enfluran und Isofluran.[16]

Literatur

  • Rui Sun, Mehernoor F. Watcha, Paul F. White, Gary D. Skrivanek, James D. Griffin, Louis Stool, Mark T. Murphy: A cost comparison of methohexital and propofol for ambulatory anesthesia. In: Anesthesia & Analgesia. 89, 2, Aug. 1999, S. 311–316, PMID 10439739, online (PDF; 167 kB).
  • Monika Loscar, T. Allhoff, E. Ott, Peter Conzen, Klaus Peter: Aufwachverhalten und kognitive Funktion nach Desfluran oder Isofluran. In: Der Anaesthesist. Band 4, 1996, Nr. 2, S. 140–145.
  • T. K. Abboud et al.: Desflurane: a new volatile anaesthetic for cesarean section. Maternal and neonatal effects. In: Acta Anaesthesiologica Scandinavica. Band 39, Nr. 6, (Kopenhagen) 1995, S. 717.

Einzelnachweise

  1. David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press/Taylor and Francis, Boca Raton, FL, Physical Constants of Organic Compounds, S. 3-474.
  2. Eintrag zu Desfluran in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 7. Dezember 2019. (JavaScript erforderlich)
  3. Rolf Rossaint, Christian Werner, Bernhard Zwissler (Hrsg.): Die Anästhesiologie. Allgemeine und spezielle Anästhesiologie, Schmerztherapie und Intensivmedizin. 2. Auflage. Springer, Heidelberg 2008, ISBN 978-3-540-76301-7, S. 297–320.
  4. Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  5. Martin K. Vollmer, Tae Siek Rhee, Matt Rigby, Doris Hofstetter, Matthias Hill, Fabian Schoenenberger, Stefan Reimann: Modern inhalation anesthetics: Potent greenhouse gases in the global atmosphere. In: Geophysical Research Letters. Band 42, Nr. 5, 16. März 2015, S. 1606–1611, doi:10.1002/2014GL062785.
  6. Monika Loscar und andere: Aufwachverhalten und kognitive Funktion nach Desfluran oder Isofluran. 1996, S. 140.
  7. Michael Heck, Michael Fresenius: Repetitorium Anaesthesiologie. Vorbereitung auf die anästhesiologische Facharztprüfung und das Europäische Diplom für Anästhesiologie. 3., vollständig überarbeitete Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg/ New York u. a. 2001, ISBN 3-540-67331-8, S. 804.
  8. Rote Liste online, Stand: September 2009.
  9. AM-Komp. d. Schweiz, Stand: September 2009.
  10. AGES-PharmMed. Stand: Mai 2011.
  11. Rote Liste Service GmbH (Hrsg.): Rote Liste 2017. Arzneimittelverzeichnis für Deutschland (einschließlich EU-Zulassungen und bestimmter Medizinprodukte). 57. Auflage. Frankfurt/Main 2017, ISBN 978-3-946057-10-9, S. 175.
  12. E. I. Eger II.: Partition coefficents for I-653 in human blood, saline, and olive oil. In: Anesth Analg. Band 66, 1987, S, 971–973.
  13. Monika Loscar und andere: Aufwachverhalten und kognitive Funktion nach Desfluran oder Isofluran. 1996.
  14. Reinhard Larsen: Anästhesie und Intensivmedizin in Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie. (1. Auflage 1986) 5. Auflage. Springer, Berlin/ Heidelberg/ New York u. a. 1999, ISBN 3-540-65024-5, S. 11 f.
  15. R. M. Jones und andere: Biotransformation and hepato-renal function in volunteers after exposure to desflurane (I-653). In: British Journal of Anaesthesiology. Band 64, 1990, S. 482–487.
  16. Monika Loscar und andere: Aufwachverhalten und kognitive Funktion nach Desfluran oder Isofluran. 1996, S. 140.

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