Definition
Eine Definition (lateinisch definitio „Abgrenzung“, aus de „(von etw.) herab/weg“ und finis „Grenze“)[1][2][3] ist je nach der Lehre, der hierbei gefolgt wird, entweder
- die Bestimmung des Wesens einer zu erklärenden Sache,
- die Bestimmung eines Begriffs (Begriffsbestimmung),
- die Feststellung eines tatsächlich geübten Sprachgebrauchs,
- die Festsetzung oder Vereinbarung eines solchen in der Sprachwissenschaft[4] oder
- als Legaldefinition die Bestimmung eines Rechtsbegriffs in der Rechtswissenschaft.
Klassifikation von Definitionen
Intension und Extension
In der Definitionstheorie unterscheidet man zwischen der Extension und Intension eines Ausdruckes. Die Intension (Begriffsinhalt, Sinn, Konnotation) umfasst die Menge der Merkmale (Attribute, Eigenschaften), die gegeben sein müssen, damit Objekte (Personen, Gegenstände) mit dem Ausdruck bezeichnet werden. Die Extension (Begriffsumfang, Bedeutung, Denotation) umfasst die Menge aller Objekte, die mit dem Ausdruck bezeichnet werden.
„Die Extension des Namens ‚Tisch‘ ist die Menge aller Tische, die des Namens ‚Buch‘ die Menge aller Bücher, die des Namens ‚kubistisches Bild‘ die Menge aller kubistischen Bilder, u. ä.“
Zwischen Intension und Extension gibt es eine reziproke Relation:
„Vergleicht man Inhalt und Umfang des Begriffes miteinander, so ergibt sich folgendes Verhältniß: Je größer der Inhalt, desto kleiner der Umfang, und umgekehrt: je kleiner der Inhalt, desto größer der Umfang. Der Grund ist, weil auf viele verschiedene Gegenstände nur wenige gemeinschaftliche Merkmale, dagegen viele Merkmale auf wenige verschiedene Gegenstände passen.“
Die Extension kann leer sein („der gegenwärtige König von Frankreich“).
Konnotative Definitionen
Eine Definition, die die Intension eines Wortes angibt, nennt man intensionale bzw. konnotative Definition.
Äquivalenzdefinition
In der Äquivalenzdefinition wird der zu definierende Ausdruck (Definiendum) und der definierende Ausdruck (Definiens; Plural: Definientia) mit Hilfe einer Kopula verbunden, die ausdrückt, dass zwischen Definiendum und Definiens eine Äquivalenz besteht, d. h., dass der erste Ausdruck dem zweiten intensionsgleich ist.
Das klassisch-griechische Begriffsgefüge (griech. ὁρίζειν (ὁρίζεσθαι) ὁρισμός) wurde bei der Übersetzung in das Lateinische aufgespalten in definire / definitio und determinare / determinatio. Dabei ist die definitio (Begriffs-Erklärung) vom zu definierenden „Objekt“ her, die determinatio (begriffliche Festlegung) vom definierenden „Subjekt“ her bestimmt. Für die klassisch-griechische Denkform war beides noch in einem einzigen Begriff zusammengefallen.[7]
Beispiele für solche Kopulae sind „… nennen wir …“, „… heißt soviel wie …“, „unter … soll man … verstehen“, „ist … genau dann, wenn …“.
Definition über die Gattung und den Artunterschied
Noch im 19. Jahrhundert war die aristotelische Lehre geläufig, wonach der nächsthöhere Gattungsbegriff (genus proximum) und der artbildende Unterschied (differentia specifica) anzugeben sei. Sie ist aber im Grunde nur für Klassifikationen brauchbar und steht zudem bei Aristoteles mit seiner besonderen Metaphysik in engem Zusammenhang.[8]
Aristoteles hat für eine solche Definition folgendes Schema aufgestellt: Jeder Begriff kann als Art (εἶδος eidos, species) definiert werden
- durch den darüber stehenden Begriff (Gattung, γένος genos; genus proximum) und
- den kennzeichnenden (Art bildenden) Unterschied (διαφορά diaphora; differentia specifica), das sind die Merkmale.
Die klassische Form der Definition ist demnach die unter Angabe eines genus proximum (Gattung) und einer differentia specifica (spezifisches Abgrenzungskriterium). Während man lange Zeit glaubte, es handle sich dabei um eine universelle Form, zeigt bereits das einfache Beispiel „Ein Skandinavier ist ein Mensch, der aus Dänemark, Norwegen oder Schweden kommt“, dass sinnvolle Definitionen diesem Schema nicht unbedingt entsprechen müssen.
Definitionen über die Gattung und den Artunterschied (lat.: definitio fit per genus proximum et differentiam specificam) bilden die wichtigste Gruppe der Äquivalenzdefinitionen. Der Ausdruck wird mithilfe eines umfangreicheren Ausdrucks bestimmt und ein Unterschied angegeben, der nur bei der jeweiligen Art von Gegenständen vorkommt und bei allen anderen Arten der Gattung fehlt. Es scheint zunächst sinnvoll zu sein, eine möglichst große Anzahl von Eigenschaften zu wählen. Eine solche Aufzählung könnte jedoch nicht vollständig sein. Deshalb versucht man ein Merkmal zu finden, das genügt, die Gegenstände der Art von anderen Gegenständen der Gattung zu unterscheiden.
In Definitionen über die Gattung und den Artunterschied, insbesondere in den Geistes- und Sozialwissenschaften, findet man häufig den Fehler, dass sich mehrere Gattungen finden. Man nennt Definitionen mit diesem Definitionsfehler Definition mit mehreren Gattungen.
Synonymdefinition
Man kann ein Wort definieren, indem man ein Synonym zu dem Wort angibt. Das Problem dieser Methode ist, dass selten tatsächliche vollständige Synonyme vorhanden sind. John Stuart Mill verweist darauf, dass diese Form der Definition nicht allgemein anerkannt ist:
- “This may be done eight by predicating of the name intended to be defined, another connotative name exactly synonymous, as, ‘Man is a human being’, which is not commonly accounted a definition at all […].”[9]
Denotative Definition
Eine Definition, die die Extension eines Wortes angibt, wird als extensionale oder denotative Definition bezeichnet.
Deiktische Definition
Eine „deiktische“ (oder „epideiktische“[10]) Definition ist eine Begriffsdefinition, sagen wir eines „Elefanten“, die im hinweisenden Zeigen auf ein Exemplar der durch den betreffenden Begriff bezeichneten Klasse besteht (siehe Deixis).
Beispiel: Dies hier ist rot: rot
Deskriptive Definition
Als deskriptive Definition (oder auch feststellende Definition) bezeichnet man eine Definition, die einen gewohnten Sprachgebrauch festhält.
Festsetzende Definition
Als festsetzende Definition bezeichnet man eine Definition, bei der ein neuer Ausdruck eingeführt wird.
Thomas Hobbes war einer der ersten, der entschieden eine Definition als Festsetzung der Bedeutung aufgefasst hat. Doch waren für ihn wie für Spinoza „richtige“ Definitionen der Ausgangspunkt für jede echte Wissenschaft.
Blaise Pascal (L’Esprit Géométrique, Logik von Port-Royal) war sodann der erste, der die Lehre vom Definieren als Begriffsfestsetzen logisch sauber durchgeführt hat.[11]
Christoph Sigwart
Christoph von Sigwart (1830–1904) wollte „Definition“ nur den Satz nennen, der die Bedeutung zweier Ausdrücke gleichsetzt.[12]
Gottlob Frege
Die „Fregesche Theorie“ – die Dubislav so nennt, weil Gottlob Frege[13] es war, der die Unterscheidung von Zeichen und Bezeichnetem entwickelt hat – versteht Definitionen als Substitutionsregeln über Zeichen. Eine Definition gibt die Bedeutung eines Zeichens an, indem sie angibt, auf welche Weise ein Zeichen durch ein anderes in logisch äquivalenter Weise zu ersetzen ist.[14]
Karl R. Popper
Nach herkömmlicher Auffassung bilden Definitionen die Grundbausteine einer jeden Wissenschaft. Für Karl Popper jedoch sind Definitionen gegenüber Problemen und Theorien eher unwichtig. Denn Begriffe sind in ihrer logischen Funktion den Aussagen und Theorien untergeordnet, in deren Zusammenhang sie verwendet werden.
„Nicht durch die Definition wird die Anwendung eines Begriffes festgelegt, sondern die Verwendung des Begriffes legt das fest, was man seine ‚Definition‘ oder seine ‚Bedeutung‘ nennt. Anders ausgedrückt: Es gibt nur Gebrauchsdefinitionen.“[15]
Die herkömmliche Auffassung, man müsse, bevor man eine Diskussion beginnt, erst einmal die Begriffe definieren, d. h., Übereinstimmung über das zu verwendende Vokabular erzielen, hält Popper für grundfalsch. Denn alle Definitionen, inkl. operationaler Definitionen, können nur das Problem von einer Seite der Definitionsrelation auf die andere Seite verschieben. Das führt zu einem infiniten Regress; letzten Endes bleiben immer undefinierte Ausdrücke übrig.[16] Es sei aus logischen Gründen unmöglich, wissenschaftliche Begriffe empirisch zu definieren oder zu „konstituieren“.[17] Doch ist es, um Verwirrung zu beseitigen, oftmals nötig, Begriffe (wie etwa „wahrheitsähnlich“ oder „wahrscheinlich“) zu unterscheiden.[18]
Die Begriffe der empirischen Wissenschaft sind immer nur implizit definiert, und zwar durch die Sätze, in denen sie auftreten. Diese implizite Definition ist als solche nur eine logisch-formale; sie gibt den implizit definierten Termen keine bestimmte Bedeutung (implizit definierte Terme sind Variable). Eine „bestimmte Bedeutung“ und zwar eine empirische „Bedeutung“ erhalten die implizit definierten Terme erst durch den empirischen Gebrauch der Sätze, in denen sie auftreten.
Die irrtümliche Ansicht, dass es möglich ist, Begriffe entweder explizit (durch Konstitution) oder durch Hinweis (durch eine sog. „Zuordnungsdefinition“) empirisch zu definieren, kann durch den Hinweis auf die unüberbrückbare Kluft zwischen Universalien (Allgemeinbegriffen) und Individualien (Eigennamen) widerlegt werden. Es ist trivial, dass man weder durch eine Klasse von Eigennamen einen Universalbegriff definieren kann, noch einen Eigennamen durch Spezifikation von Universalbegriffen. Zwischen Individual- und Universalbegriffen gibt es also keinen Übergang in dem Sinn, dass Individualien durch Universalien oder Universalien durch Individualien definierbar sind; es gibt zwischen ihnen nur eine Substitutionsbeziehung: Jeder Individualbegriff kann nicht nur als Element einer individualen, sondern auch als Element einer universalen Klasse auftreten (aber nicht umgekehrt).[19]
Ein analoges Verhältnis wie zwischen Begriff und Gegenstand besteht zwischen Satz und Tatsache. Der Satz stellt einen Sachverhalt dar. Diesen Sachverhalt kann man[20] von der Tatsache (einem irrationalen Stück Wirklichkeit), die der Satz bezeichnet und von welcher der Sachverhalt ein „rationales Teilmoment“ bildet, unterscheiden.
Von jedem Gegenstand kann man seine Merkmale aussagen. Jeder Satz, der ein Merkmal aussagt, stellt einen Sachverhalt dar. Dass ein Gegenstand unendlich viele Merkmale hat, entspricht also dem Umstand, dass eine Tatsache unendlich viele Sachverhalte als rationale Teilmomente hat.
Diese zweite Ausdrucksweise, die sich auf Tatsachen, Sachverhalte und Sätze bezieht, ist zweifellos wichtiger als die Ausdrucksweise, die von Gegenständen, Merkmalen und Begriffen redet. Aber ebenso, wie ein Gegenstand nicht aus Merkmalen besteht, und wie die Merkmale sich schon dadurch als von uns an den Gegenstand herangebracht erweisen, dass sie sich – rein logisch – immer als willkürlich herausgegriffen erweisen (herausgegriffen aus einer unendlichen Menge möglicher Merkmale), ebenso erweisen sich die Sachverhalte als rationale, von uns in die nicht-rationalisierte Wirklichkeit hineingetragene Koordinaten.
Der naive induktivistische Empirismus hält die Sätze für Abbildungen der Wirklichkeit. Er glaubt also, dass die Sätze das darstellen, was hier als „Tatsachen“ bezeichnet wird; und er übersieht also den Unterschied zwischen „Sachverhalt“ und „Tatsache“. Er hält nicht die Tatsachen, sondern die Sachverhalte für in irgendeinem Sinne „gegeben“ oder „beobachtbar“. Ein weniger naiver Standpunkt, der Sachverhalt und Tatsache unterscheidet, steht, wenn er induktivistisch vorgeht, vor dem Rätsel, wie sich aus den irrationalen Tatsachen die rationalen Sachverhalte abheben.
Für den Deduktivismus besteht hier keine grundsätzliche Schwierigkeit. Seine Theorieansätze sind durchweg rationale Konstruktionen. Dass ein Sachverhalt sich als rationales Teilmoment einer Tatsache erweist, bedeutet für ihn nichts anderes als die Möglichkeit, dass die Tatsachen rationalen Sachverhalten widersprechen können – anders ausgedrückt, und zwar biologisch-pragmatisch: dass Reaktionen sich als zweckmäßig und unzweckmäßig erweisen können.[21]
„Die Grundsätze der Theorien (nichtempirischer wie empirischer) können als implizite Definitionen der auftretenden Grundbegriffe aufgefasst werden. Das ist für nichtempirische Theorien anerkannt; bei empirischen Theorien ist man jedoch meist der Meinung, dass die Grundbegriffe als nichtlogische Konstanten oder dergleichen aufzufassen sind und dass ihnen irgend etwas in der Wirklichkeit zugeordnet ist. Diese Auffassung ist in dieser Form unhaltbar (insbesondere die angegebene Auffassung von den Zuordnungsdefinitionen). Denn dass ein Grundbegriff seinem Gegenstand in der Wirklichkeit zugeordnet werden kann, würde besagen, dass Allgemeinbegriffe aufweisbare Gegenstände bezeichnen (das heißt die These ‚universalia sunt realia‘ in primitivster Form).
Die Sache verhält sich so, dass auch die Grundbegriffe der empirischen Wissenschaften implizit definiert sind. Die Zuordnung zur Wirklichkeit geschieht nicht für die Grundbegriffe, sondern für die Theorie als Ganzes, mit allen ihren Begriffen (dadurch, dass angegeben wird unter welchen Umständen sie als widerlegt anzusehen ist). Anders ausgedrückt: Die Zuordnung geschieht durch die Methode der Entscheidung über die besonderen Folgesätze der Theorie, durch Entscheidung über die abgeleiteten Prognosen, in denen die Grundbegriffe gar nicht mehr auftreten. (Die Zuordnung ist Anwendung der Theorie, ist Praxis, sie beruht auf praktischen Entschlüssen; – eine Bemerkung, die eine Auseinandersetzung des Unterschiedes der transzendentalen und der erkenntnispsychologischen Betrachtungsweise dringlich macht.).“[22]
Während die Logik der Forschung eine Methodologie im Sinne des Empirismus vorschlägt, grenzt Popper letztere ab von einer anderen, für die ein jedes wissenschaftliches System maßgeblich aus Definitionen besteht. Der Konventionalismus ist nach Popper zwar ebenfalls eine deduktivistische Methodologie; aber für diese sind Gesetzesaussagen keine Aussagen, die sich auf die Wirklichkeit oder die Erfahrung beziehen, sondern analytische Urteile, die auf Definitionen gründen.[23] In einem umfassenderen Sinne können an Stelle von expliziten Definitionen auch „implizite Definitionen“ durch die Interpretation und die begriffliche Vernetzung innerhalb eines axiomatischen Systems treten. Hierbei werden die Begriffe also nicht explizit, sondern durch die axiomatische Theorie definiert.
Der grundsätzliche Unterschied aber zwischen Konventionalismus und dem von Popper vertretenen Empirismus ist nicht erkenntnislogisch festzumachen, sondern beruht auf einem Unterschied der Entscheidung für eine bestimmte methodologische Ausrichtung: Während der Empirismus wissenschaftliche Aussagen an der Erfahrung scheitern lassen will, kann der Konventionalist durch eine „konventionalistische Wendung“ in der unterschiedlichsten Art und Weise seine bevorzugte Theorie stets aufrechterhalten. Denn diese ist schon aufgrund definitorischer Setzung (logisch) wahr; sie legt dann ihrerseits fest, etwa durch Messverfahren, was relevante Daten für sie sind.
Stipulative Definition und ihre Explikation
Als stipulative Definition (oder auch regulierende, regelgebende bzw. vorschreibende Definition) bezeichnet man eine Definition, die einen gewohnten Sprachgebrauch zur Grundlage nimmt, aber den Gebrauch neu regelt. Die Analyse des Sprachgebrauchs mit dem Ziel einer stipulativen Definition bezeichnet man als Explikation.
C. G. Hempel
Carl Gustav Hempel empfiehlt, Realdefinitionen ebenso wie der natürlichen oder Alltags-Sprache entnommene Ausdrücke und Begriffe dem Verfahren der Explikation oder Begriffsanalyse zu unterziehen. Erst damit können sie zweckgemäß in wissenschaftlichen Aussagenzusammenhängen eingesetzt werden. Es wird hier eine Parallele zu Karl Poppers „diakritischer Analyse/Dialysis“ deutlich.
Explikationsverfahren
Als Explikation bezeichnet man den Vorgang, in dem von einem Ausdruck dessen Bedeutung noch nicht klar ist zu einem wissenschaftlich fundierten Ausdruck gekommen wird. Häufig wird das Ergebnis eine stipulative, d. h. regulierende, Definition sein. Es haben sich verschiedene Explikationsverfahren etabliert.
Etymologische Methode
Ausgangspunkt dieser Methode bildet die Wortherkunft. Der Verweis kann auf die Herkunft in derselben Sprache oder die Herkunft in einer anderen Sprache erfolgen. Die Wortherkunft ist häufig nur ein Element beim Explizieren und unzuverlässig, aber es kann durchaus überraschende Ergebnisse und Perspektivenwechsel liefern. Insbesondere kann sie helfen Entwicklungstrends bei der Verwendung des Ausdrucks zu erkennen.
Die etymologische Methode
- „[…] empfiehlt nämlich folgendes Vorgehen:
- 1. Der definierte Ausdruck soll in seine Bestandteile zerlegt werden.
- 2. Feststellung des Sinns der einzelnen Bestandteile, den sie in der Herkunftssprache hatten.
- 3. Aus den Sinnen der Bestandteile soll schließlich der Sinn des ganzen definierten Ausdrucks konstruiert werden.“[24]
Induktive Methode
Eine weitere Methode ist die Analyse (insbesondere der Vergleich) vieler Anwendungsfälle des untersuchten Ausdrucks. Die Methode trägt auch den Namen sokratische Methode, weil Sokrates sie angeblich als erster in seinen Überlegungen über den Sinn verschiedener Wörter systematisch anwendete.[24] Die Bezeichnung sokratische Methode ist allerdings problematisch, da dieser Begriff in der philosophiegeschichtlichen Terminologie nicht nur die Induktion beinhaltet.
Lexikonmethoden
In der analytischen Philosophie wird häufig versucht, möglichst viel Sprachmaterial zu gewinnen, um in die Analyse eines Wortes einzusteigen. Es gibt verschiedene systematische Hilfsmittel für das Auffinden eines ausreichenden Sprachmaterials. Eine Gruppe dieser Methoden bilden die Lexikonmethoden.
- „Die eine ist, das ganze Lexikon durchzugehen, und sich alle relevant scheinenden Wörter zu notieren; das nimmt gar nicht so viel Zeit in Anspruch, wie vielleicht viele annehmen. Die andere ist, mit einer ziemlich weit gefaßten Auswahl von offensichtlich relevanten Wörtern anzufangen und im Lexikon jeden einzelnen nachzuschlagen. Es wird sich dabei herausstellen, daß in den Erklärungen der verschiedenen Bedeutungen eines jeden Ausdrucks eine überraschende Anzahl anderer, zwar verwandter, aber natürlich oft nicht synonymer Ausdrücke vorkommt. Dann schlagen wir wieder unter jedem dieser Ausdrücke nach und erweitern somit unseren Bestand durch die jeweils gegebenen »Definitionen«. Wenn wir so ein wenig weitergemacht haben, so wird sich im allgemeinen ergeben, daß sich der »Familienkreis« zu schließen beginnt, bis er zuletzt vollständig ist und wir nur noch auf Wiederholungen stoßen. Diese Methode hat den Vorteil, die Ausdrücke in geeignete Gruppen zusammenzufassen. Aber natürlich wird ein Gutteil davon abhängen, wie umfassend die anfängliche Auswahl gewesen ist.“[25]
Übergang zu anderen Wortarten
In der analytischen Philosophie hat sich ein weiteres Explikationsverfahren etabliert, der Übergang zu anderen Wortarten. Ein typischer Fall ist der Übergang von einem Substantiv zum dazugehörigen Verb. In vielen Fällen, z. B. wenn man statt der Sprache das Sprechen oder statt der Feststellung das Feststellen untersucht, erhöht man mit diesem Zugang die Betonung des Handlungscharakters des Untersuchungsgegenstandes. In anderen Fällen ändert sich zumindest die Perspektive auf den zu explizierenden Ausdruck.
Nominal- und Realdefinition
Im Anschluss an die Topik des Aristoteles werden Nominal- und Realdefinition unterschieden.
Nominaldefinition
Mittels einer Nominaldefinition setzt der jeweilige Sprecher durch seine eigene Entscheidung fest, was ein Name benennen bzw. ein sprachlicher Ausdruck bedeuten soll. Eine Nominaldefinition kommt in der Verwendung dem gleich, was man heute „Explizitdefinition“ nennt.
Beispiel: Unter „AWT“ sei im nachfolgenden Text „Arbeitswerttheorie“ verstanden.
Realdefinition
Eine Realdefinition beinhaltet im aristotelischen Verständnis eine Aussage darüber, was eine Sache in Wirklichkeit ist. Darüber hinaus beinhaltet sie bestimmte theoretische und philosophische Voraussetzungen, etwa was bestimmte Dinge sind, oder welche es überhaupt gibt, und wie diese geordnet sind (Ontologie). Es werden bei Aristoteles hierbei auch Unterschiede der Art und der Gattung nach gemacht, bzw. die Begriffe in eine Ordnung untereinander gebracht (Taxonomie).
Beispiel: „Lagmy“ ≡ Wein, der durch Vergärung des Saftes der Dattelpalme hergestellt wird.
Hinter dem Gebrauch von Realdefinitionen steht somit mehr oder weniger deutlich ausgeprägt eine bestimmte philosophische Auffassung von Sein und Wesen (Essentialismus) oder Annahmen über das Vorliegen einer bestimmten Gesetzmäßigkeit, die im Wesen der Sache ihren Ausdruck findet. Gewöhnlich wird mit einer Realdefinition ein Wahrheitsanspruch erhoben.
Weniger philosophisch verfänglich ist es, Realdefinitionen dem Verfahren der Bedeutungsanalyse oder Explikation zu unterziehen. Das Ergebnis eines solchen Explikationsversuchs kann dann wie eine explizit eingeführte Definition behandelt werden, ohne dass man sich dabei unbedingt auf eine spezielle philosophische Position festlegen muss.
Aristoteles
Die Logik von Aristoteles ist nie „formal“ in dem Sinne, dass sie von allen metaphysischen Annahmen oder anderen sachlichen Vorannahmen frei wäre. Methodologisch ist wichtig, dass nach Aristoteles die höchste Aufgabe der Definition darin besteht, die wissenschaftliche Untersuchung abzuschließen und dadurch das Wesen der untersuchten Objekte festzustellen.
G. W. F. Hegel
In der herkömmlichen Philosophie wird das Allgemeine Aristoteles folgend innerhalb der Logik von Begriff, Urteil und Schluss behandelt. Für Hegel (Jenenser Logik, Wissenschaft der Logik) aber nun reflektieren diese logischen Formen und Prozesse diejenigen der Wirklichkeit, d. h., sie werden von ihm ontologisch gedeutet.
Herkömmlich erfasst durch die Definition das Denken die allgemeine Natur eines Objekts in ihrem wesentlichen Unterschied zu anderen Objekten. Nach Hegel kann die Definition dies nur leisten, weil sie den wirklichen Prozess widerspiegelt, in welchem sich das Objekt von andersartigen unterscheidet: Die Definition drückt die Bewegung aus, in der ein Sein seine Identität in der Bewegung bewahrt.
Demnach kann eine wirkliche Definition nicht in einem einzelnen Satz gegeben werden, sondern eigentlich nur durch die wirkliche Geschichte des Objekts selbst, wie es sich gegen anderes Besonderes sowohl verteidigt wie auch erhält und erweitert.
Das Allgemeine wird durch die Negation des Besonderen gestaltet, d. h., der Begriff wird dialektisch konstruiert. Der Prozess der Auflösung und Zerstörung der stabilen Welt des gemeinen Menschenverstandes resultiert in der Konstruktion eines Allgemeinen, das in sich konkret ist. Denn es verwirklicht sich im Besonderen und durch das Besondere, d. h. in der Totalität der besonderen Momente.[26]
Heinrich Rickert und Emil Lask
Innerhalb des Badischen Neukantianismus haben sich insbesondere Heinrich Rickert und Emil Lask um die Ausarbeitung einer Definitionslehre bemüht.
Definieren ist eine möglichst eindeutige Bestimmung eines Begriffes, wobei er gegenüber benachbarten anderen Begriffen abgegrenzt wird.[27]
Rickerts Zur Lehre von der Definition stellt dessen Dissertation dar. In Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung hat er sodann seine Theorie des Begriffs ohne Rücksicht auf die Definition weiter ausgearbeitet. Die allgemeine Verwirrung in der Definitionslehre beruht auf einer falschen Auffassung vom Begriff.[28] Rickert will an „Definition“ als einer „Begriffsbestimmung“ festhalten.[29]
Zur Frage des Verhältnisses von Erfahrung und Denken bzw. von Anschauung und Begriff sagt Rickert unter Berufung auf den „Augenmenschen“ Goethe, der in seiner Farbenlehre sagt, dass wir schon bei jedem aufmerksamen Blick in die Welt theoretisieren:
„Jede ausdrücklich zum Bewußtsein gebrachten oder erkannte Wahrheit hat die Form des Urteils, und zu seinem logischen Gehalt gehört notwendig sowohl ein 'intuitives’ als auch ein 'diskursives’ Moment.“[30]
Rickert behandelt Definieren als Begriffsbildung und Begriffszerlegung und sucht gegen den Intuitionismus etwa von Jakob Friedrich Fries, der glaube, dass es möglich sei, durch bloßes Sehen schon eine Wahrheit theoretisch zu erfassen, zu zeigen, dass der fertig definierte Begriff nicht etwa logisch früher als das Urteil ist, sondern seinem logischen Gehalt nach als ein Produkt des Urteilens verstanden werden muss. Das Urteil ist daher nicht bloße Verbindung von Begriffen als Vorstellungen, sondern ist Träger eines unentbehrlichen diskursiven Elements.[31]
Ernst Cassirer
Ernst Cassirer erhebt gegenüber dem Nominalismus den Einwand, dieser könne nicht erklären, warum ein bestimmter Begriff (z. B. der Atom-Begriff) zur Entdeckung neuer, bislang unerforschter Tatsachen führen könne.[32]
Kontextdefinition (implizite Definition)
Während in expliziten Definitionen der definierte Ausdruck alleine auf der linken Seite vorkommt, gilt dies für Kontextdefinitionen (oder auch implizite Definitionen) nicht. In der Kontextdefinition tritt der definierte Begriff also nicht allein auf der linken Seite auf, sondern in einem für ihn charakteristischen Kontext. Die Verwendung in anderen Kontexten ist unzulässig.[33]
Fällt beispielsweise eine allgemeine Definition des Prädikates „adäquat“ schwer, so lässt sich leicht definieren, dass die Aussage „X ist ein adäquater Kalkül“ genau dann wahr ist, wenn X ein Kalkül ist, der vollständig und korrekt ist.
Adäquatheit wurde damit nur im Kontext „Kalkül“ definiert, und die Frage, wann überhaupt etwas adäquat ist, bzw. welche Dinge unter diesen Begriff fallen, stellt sich nicht. Dieser ontologische Unterschied erspart etwa der modernen Mathematik die philosophische Frage nach dem Wesen der Zahl (empirisch, psychologistisch oder logisch). Denn die mathematischen Axiome sagen nicht, was eine Zahl ist, sondern wann sich etwas Zahl nennen darf und welche arithmetischen Eigenschaften sodann für diese gelten.
Spinoza
Baruch Spinoza verwechselt in seiner „Ethik“ Definitionen mit Axiomen.[34]
Als Beispiel: Er zieht aus folgenden beiden Aussagen, die er „Definitionen“ nennt, die Schlussfolgerung:
Die Substanz ist von Natur früher als ihre Affektionen.
- „Unter der Substanz verstehe ich das, was in sich ist und durch sich (allein) begriffen wird; es ist derjenige Gegenstand, dessen Begriff nicht der Begriff eines anderen Gegenstandes voraussetzt, aus dem er zu bilden ist.“
- „Unter einem Modus verstehe ich eine Affektion der Substanz; es ist etwas, das in anderem ist, durch welches es auch begriffen werden kann.“[35]
Offenkundig handelt es sich bei (1) und (2) um Vereinbarungen über den Sprach- bzw. Zeichengebrauch. Aus solchen lässt sich noch nicht einmal die Existenz des so Bezeichneten schlussfolgern, geschweige denn eine weitere Existenzbehauptung logisch korrekt ableiten. Wenn es Spinoza gelingt, zu einer interessanten These zu kommen, dann nur darum, weil er seine Definitionen insgeheim als Existenzialaxiome verwendet.
„Omnis determinatio negatio est.“ (lat., zu dt.: Jede Bestimmung ist eine Verneinung. )
Partielle Definitionen
Partielle Definitionen gelten nur für einen bestimmten Teilbereich. Sie sind anwendbar nur für den Fall, dass eine gewisse Vorbedingung erfüllt ist.
Die wichtigste Gruppe der partiellen Definitionen bilden die Definitionen von „Dispositionsbegriffen“, wie zum Beispiel „wasserlöslich“. Solche Definitionen beschreiben nicht Eigenschaften, die direkt durch Beobachtung ablesbar sind, sondern solche, die an eine (Prüf-)Bedingung geknüpft sind.[36]
Operationale Definition
Mitunter werden Ausdrücke durch eine Methode definiert, mit der man feststellen kann, ob in einem konkreten Fall der Ausdruck angewendet werden kann. In diesem Fall spricht man von operationalen Definitionen.[37] Operationale Definitionen sind häufig partiell.
Rekursive Definition
In der rekursiven Definition – auch induktive Definition genannt – wird mit der Nennung der einfachsten Gegenstände begonnen, die dem Definiendum angehören. Dann wird ein Verfahren angegeben, mit dessen Hilfe man die weiteren Gegenstände erzeugen kann. Manchmal wird darauf hingewiesen, dass alles, was nicht durch wiederholte Anwendung des Verfahrens gewonnen werden kann, nicht zum Definiendum gehört, aber auch ohne diesen Hinweis werden rekursive Definitionen zumindest in der Mathematik immer so verstanden. Die Induktion kann strukturell oder vollständig sein. Rekursive Definitionen finden sich vor allem in der Mathematik und der mathematischen Logik.
Beispiel: „Die Summe der natürlichen Zahlen bis einschließlich ist definiert als 0, falls , und sonst.“
Weitere Beispiele sind die rekursive Definition der Fibonacci-Folge oder die rekursive Definition eines Palindroms. Auch die Definition der Syntax einer Programmiersprache durch eine Grammatik in Backus-Naur-Form ist eine rekursive Definition.
Persuasive Definitionen
Persuasive Definitionen sind Definitionen, die neben ihrem beschreibenden Inhalt auch gefühlsmäßige Bedeutungen (engl. emotive meaning) haben. Charles L. Stevenson, der die Bezeichnung 1938 in einem Mind-Artikel eingeführt hat, schreibt:
„A persuasive definition changes descriptive meaning without substantially changing emotive meaning; and a persuasive quasi-definition changes emotive meaning without substantially changing descriptive meaning.“[38]
Persuasive Definitionen finden sich sehr häufig in der Philosophie und in den Sozialwissenschaften.
Max Weber
Für die Entwicklung der Theorie der Typenbegriffe waren die Überlegungen von Max Weber zum Idealtyp theoriebildend.[39]
C. G. Hempel
Die logischen Untersuchungen von C. G. Hempel zum Typusbegriff sind nicht nur im Hinblick auf Max Webers Idealtypus interessant, sondern allgemein zur Frage, wie eine Taxonomie zu erstellen sei.
Wissenschaftstheoretische Probleme von Definitionen
Wissenschaftssystematische Einordnung
Die Definitionslehre bildet einen Teil der Logik, sofern diese als Methodenlehre aufgefasst wird.[40] Der logische Charakter von „Definition“ ergibt sich hierbei „teleologisch“ aus deren daraus bestimmbarer methodologischer Funktion.
Funktionen von Definitionen
Wissenschaftliche Definitionen werden in der Regel dann gefordert, wenn Hypothesen und Theorien aufgestellt oder Modelle konstruiert werden, die von anderen Wissenschaftlern nachvollzogen und diskutiert werden können sollen. Um den Kriterien der Intersubjektivität zu genügen, soll hierbei Einvernehmen über die Bedeutung der verwendeten Begriffe erzielt werden.
Nach der Definitionslehre von Karl Popper hingegen wird die Definitionsfrage dadurch miterledigt, dass man die Theorie als Ganzes auf einen Objektbereich anwendet und einzelne Folgerungen daraus an Beobachtungssätzen überprüft.
In den Sozialwissenschaften ist die Grenze zwischen Definitionen und Ausdrücken, die keine Definition sind, oft fließend. Wenn die äußere Form nicht eindeutig klarstellt, ob es sich um eine Definition handelt, d. h., wenn der Autor weder explizit noch implizit seine Absicht geäußert hat, hängt es von der Intention des Autors ab, die man in diesem Fall nicht klären kann. In diesem Fall kann es zu Verwechslungen von Definitionen und insbesondere empirischen Verallgemeinerungen kommen, die zu Missverständnissen des Textes führen können.[41]
Ähnliche Probleme können auftreten, wenn nicht klar ist, zu welcher Klasse von Definitionen eine vorlegte Definition gehören soll.[42]
Eine Definitionslehre ist je nach Auffassung von Wissenschaftstheorie und Logik ein methodologischer Entwurf davon, was eine „Definition“ und wonach sie zu beurteilen sei, also welchen Sinn und Zweck sie habe. Wie im Bereich einer Fachsprache Definitionen geschaffen und gehandhabt werden, wird durch die Terminologielehre untersucht und präzise festgelegt. Wenn durch Definitionen Objekte klassifiziert, also in eine bestimmte Klasse eingeordnet werden, ist eine Taxonomie geschaffen.
Einer jeden besonderen Definitionslehre liegt eine bestimmte Auffassung von Begriffslehre bzw. eine Auffassung über die Beziehungen zwischen Begriff, Urteil und Theorie zugrunde; sie hat damit eine bestimmte Auffassung von Erkenntnistheorie und/oder Methodologie zur (mehr oder minder explizit gemachten) Voraussetzung. Daher gehen die Auffassungen über die Rolle von Definitionen in der Sprache und auch in wissenschaftlichen Zusammenhängen oft sehr stark auseinander.
Nach Auffassung des Nominalismus ist eine Definition nichts weiter als eine Festlegung des betreffenden Ausdrucks bzw. der jeweiligen Zeichenverwendung und kann als Vereinbarungssache überhaupt nicht „wahr oder falsch“ sein, lediglich mehr oder weniger zweckmäßig. Definitionen in diesem Sinne stellen bloß ein technisches Hilfsmittel dar, indem sie erlauben, die Sprechweise abzukürzen. Wer hingegen meint, für jeden Begriff gebe es eine „richtige“ Definition, eine entsprechende Aussage könne also wahr oder falsch sein, stellt sich dadurch auf die Seite des Essentialismus als einem der möglichen Antwortversuche auf das Universalienproblem.
Die wichtigsten Definitionslehren sind:[43]
A) Eine Definition bestimmt das Wesen (Sacherklärung).
B) Eine Definition bestimmt den Begriff (Begriffskonstruktion oder -zergliederung).
C) Eine Definition stellt fest, wie bzw. mit welcher Bedeutung ein Zeichen tatsächlich verwendet wird.
Diese Auffassung ist in der älteren philosophischen Tradition selten ausdrücklich vertreten worden. Sie wird häufig nur implizit vertreten. Zum Beispiel können solche Autoren so interpretiert werden, die den Anspruch auf Wahrheit, den eine Realdefinition macht, auf eine Nominaldefinition zu übertragen suchen.[44]
Bisweilen, wie etwa von Christoph von Sigwart,[45] wird unter „Definition“ lediglich die Angabe der Bedeutung eines Ausdrucks verstanden.
D) Eine Definition setzt fest, wie bzw. mit welcher Bedeutung ein Zeichen verwendet werden soll.
Beträchtliche Verwirrung ist dadurch entstanden, dass selbst Philosophen wie Aristoteles, Leibniz und Immanuel Kant diese vier Konzeptionen begrifflich nicht immer strikt auseinandergehalten haben und daher in ihren Argumentationen zu Inkonsistenzen gekommen sind.[46]
Klassische Definitionsregeln
Welche Regeln des Definierens man einhält, ist grundsätzlich abhängig davon, welcher Definitionslehre zu folgen man sich entschieden hat.
Auch die klassischen Definitionsregeln lassen sich auf Aristoteles zurückführen;[47] sie werden heute vielfach als veraltet und in der modernen Wissenschaft meist als nicht sehr hilfreich angesehen.
- Ein Begriff wird durch seine nächsthöhere Gattung und den Artunterschied definiert (Praecisio definitionis).
- Der Artunterschied muss ein Merkmal oder eine Gruppe von Merkmalen sein, die nur dem vorliegenden Begriff zukommen und bei anderen Begriffen fehlen, die zur selben Gattung gehören.
- Eine Definition muss angemessen sein, d. h., weder zu weit noch zu eng gefasst sein.
- Eine Definition darf keinen Zirkelschluss enthalten.
- Eine Definition darf keine logischen Widersprüche enthalten.
- Eine Definition darf nicht nur negativ bestimmt sein.
- Eine Definition darf keine Mehrdeutigkeiten enthalten.
Nichtkreativität
Von einigen Autoren wird die Nichtkreativität von Definitionen gefordert. Damit ist gemeint, dass unter Hinzunahme der Definition zu einer Theorie nichts erschlossen werden kann, was nicht bereits ohne jene Definition erschließbar wäre.[48]
Eliminierbarkeit
Wenn eine Äquivalenzdefinition korrekt gebildet ist, kann in allen Sätzen das Definiendum durch das Definiens oder das Definiens durch das Definiendum ersetzt werden, ohne dass sich der Wahrheitswert der Aussage ändert. Diese Eigenschaft gilt aber nicht für alle Definitionsarten, z. B. nicht für partielle oder rekursive Definitionen.
Die Eliminierbarkeit gilt auch nicht, wenn man sich auf der Metaebene befindet. Zum Beispiel folgt aus der Definition „Ein Schimmel ist ein weißes Pferd“ und dem Satz „Der Ausdruck ‚Schimmel‘ hat acht Buchstaben“ nicht „‚Weißes Pferd‘ hat acht Buchstaben“.
Zirkelfreiheit
Karl Christian Friedrich Krause formuliert als erstes „Grundgesetz der Definition“:
„Die erste Forderung ist: das zu Definirende darf nicht wieder in der Definition vorkommen (terminus definitus non debet ingredi definitionem), denn wäre Diess, so erführe man ja nicht, Was das zu Definirende ist, es würde Dasselbe durch Dasselbe erklärt, idem per idem. wie man sagt.“[49]
Und Krause liefert auch gleich zwei Beispiele:
„Z. B. es soll definirt werden der Begriff: Grund, da sagt man gewöhnlich: der Grund von Etwas ist Dasjenige, wodurch dieses Etwas ist. Damit erfährt man aber gar nichts, denn es ist idem per idem definirt; man hat nur ein andres Wort eingeschoben anstatt Grund, d. i. das Wort: durch, welches synonym ist mit Grund, oder wenn man den Raum definiren soll, und man sagt: der Raum ist die Form, wonach das Körperlich neben – und miteinander ist, hier ist idem per idem erklärt; weil man dann das Wort: neben, schon räumlich versteht.“[50]
Angemessenheit
Als drittes Grundgesetz der Definition bezeichnet Krause die Regel, dass eine Definition weder zu eng noch zu weit sein darf.[49]
Eine zu weite Definition wäre „Ein Vogel ist ein eierlegendes Tier“, da auch Krokodile Eier legen.
Kürze
Aristoteles[51] und Cicero[52] haben gefordert, dass eine Definition kurz sein soll. Dem steht entgegen, dass Definitionen mitunter sehr lang sind. Häufig deuten aber lange Definitionen darauf hin, dass sie Bestandteile enthalten, die nicht die Verwendung eines Ausdrucks erläutern, sondern zur Untersuchung des mit dem Ausdruck Bezeichneten gehören.
Redundanzfreiheit
Eng verwandt mit der Forderung nach Kürze ist die Forderung nach Redundanzfreiheit. Nach dieser Forderung darf eine Definition keine Bestandteile enthalten, die aus dem Rest der Definition logisch folgen.
Beispiel: „Ein Parallelogramm ist ein Viereck, bei dem die Gegenseiten jeweils parallel und gleich lang sind sowie die Diagonalen sich gegenseitig halbieren“ ist redundant, da dieser Satz bereits aus dem Satz „Ein Parallelogramm ist ein Viereck, bei dem die Gegenseiten jeweils parallel sind“ folgt.[53]
Ist eine Definition nicht redundanzfrei, spricht man von einer Definition mit Pleonasmus (definitio abundans).
Arbeitsdefinition
Unter einer Arbeitsdefinition versteht man die vorläufige Definition eines Sachverhaltes, die noch nicht den Anspruch erhebt, diesen Sachverhalt erschöpfend zu definieren. Sie dient in der Regel als Arbeitsgrundlage für bestimmte Fragestellungen und wird im Allgemeinen nach Abschluss einer Untersuchung im Sinne einer Präzisierung überarbeitet. Sie dient demnach nur zur Phänomenbeschreibung und groben Abgrenzung des Forschungsgebietes.[54]
Siehe auch
Literatur
- Walter Dubislav: Die Definition. 4. Auflage. Meiner, Hamburg 1981 (Klassiker).
- Rudolf Eisler: Definition. In: Kant-Lexikon. Nachschlagewerk zu Kants sämtlichen Schriften, Briefen und handschriftlichem Nachlass, Berlin 1930 (Nachdrucke Hildesheim 1961, 1972).
- W. K. Essler: Wissenschaftstheorie I (Definition und Reduktion). Alber, Freiburg/München 2. Aufl. 1982 (1. A. 1970).
- Gottfried Gabriel: Definition II. In: Joachim Ritter (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 2, Basel/Stuttgart 1972, Sp. 35–42.
- Gottfried Gabriel: Definition. In: Jürgen Mittelstraß (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. 2. Auflage. Stuttgart/Weimar 2005, Band 2, S. 137–139.
- Michael Gal: Begriff, Definition, Begriffsanalyse. Grundzüge der Terminologie. In: ders., Internationale Politikgeschichte. Konzeption – Grundlagen – Aspekte. Thelem, Dresden/München 2. Aufl. 2021, S. 165–184.
- N. I. Kondakow: Wörterbuch der Logik. Bibliographisches Institut, Leipzig 2. Auflage 1983.
- Guy Longworth: Definitions, Uses and Varieties of. (PDF). In: Keith Brown (Hrsg.): Elsevier Encyclopedia of Language and Linguistics. Elsevier, Cambridge 2005, Band 3 (von 14), S. 409–412.
- Albert Menne: Definition. In: Hermann Krings, Hans Michael Baumgartner, Christoph Wild (Hrsg.): Handbuch philosophischer Grundbegriffe. 3 Bände (Studienausgabe 6 Bände). Kösel, München 1973, Band 1, S. 268–274.
- Tadeusz Pawłowski: Begriffsbildung und Definition. Walter de Gruyter, Berlin/New York 1980.
- Richard Robinson: Definition. Oxford University Press, New York 1954 (Nachdruck 2003).
- Jürgen L. Rößler: Die operationale Definition. Peter Lang, Frankfurt am Main 1998.
- Eike von Savigny: Grundkurs im wissenschaftlichen Definieren. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1970.
- Wolfgang Stegmüller: Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie. Band I: Wissenschaftliche Erklärung und Begründung. Springer, Berlin u. a. 1974 (verbesserter Nachdruck).
Weblinks
- Anil Gupta: Definitions. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.
- Oystein Linnebo: Predicative and Impredicative Definitions. In: J. Fieser, B. Dowden (Hrsg.): Internet Encyclopedia of Philosophy.
- Publikationen zum Thema Definition, in: PhilPapers
Einzelnachweise
- Definition – Duden, Bibliographisches Institut; 2016
- de-, De- – Duden, Bibliographisches Institut; 2016
- Finis – Duden, Bibliographisches Institut; 2016
- Walter Dubislav: Die Definition. Felix Meiner: Leipzig 3. völlig umgearbeitete und erweiterte Auflage 1931, S. 2.
- Tadeusz Pawłowski: Begriffsbildung und Definition. Berlin/New York: Walter de Gruyter 1980, 53.
- Joseph Beck: Philosophische Propädeutik. Stuttgart 1841, S. 95 f. (§. 144).
In englischer Übersetzung bei Emanuel Vogel Gerhart: An introduction to the study of philosophy with an outline treatise on logic. Lindsay & Blakiston, Philadelphia 1858, 231. - Johannes Lohmann: Vom ursprünglichen Sinn der aristotelischen Syllogistik. In: Fritz-Peter Hager (Hrsg.): Logik und Erkenntnislehre des Aristoteles. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1972, S. 193, Anmerkung 14, ISBN 3-534-04552-1.
- Heinrich Rickert: Zur Lehre von der Definition. 3., verb. Auflage. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1929, S. 1.
- John Stuart Mill: A system of logic, ratiocinative and inductive, being a connected view of the principles of evidence, and the methods of scientific investigation. London: Parker 1843, Band I, 183
- Joseph A. Schumpeter, (Elizabeth B. Schumpeter, Hg.): Geschichte der ökonomischen Analyse. Erster Teilband. Vandenhoeck Ruprecht Göttingen 1965, S. 40, Anm. 10
- Dubislav: Die Definition. Felix Meiner: Leipzig 3. völlig umgearbeitete und erweiterte Auflage 1931, S. 21.
- Der erste Band seines Hauptwerks Logik wurde 1873 veröffentlicht und gilt als bedeutender Beitrag zur Philosophie des späten 19. Jahrhunderts.
- G. Frege: Begriffsschrift …. 1879; Über den Zweck der Begriffsschrift. Sitz. D. Jenaer Gesellsch. F. Med. u. Naturw. 1879; Die Grundlagen der Arithmetik, 1884; Grundgesetze der Arithmetik, Band I 1893, Band II, 1903; Über die Grundlagen der Geometrie, Jahresberichte d. Deutschen Math.-Vereinigung, 1903.
- Dubislav: Die Definition. Felix Meiner: Leipzig 3. völlig umgearbeitete und erweiterte Auflage 1931, S. 28f.
- Karl R. Popper: Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie. Aufgrund von Manuskripten aus den Jahren 1930–1933. 2., verbess. Auflage. Tübingen 1994, ISBN 3-16-145774-9, S. 366 f.
- Karl Popper: The Myth of the Framework. London New York 1994, S. 59.
- Rudolf Carnap: Der logische Aufbau der Welt. 1928, S. 213.
- Karl R. Popper: Die Welt des Parmenides. Der Ursprung des europäischen Denkens. Hrsg. Arne F. Petersen, Mitarbeit Jørgen Mejer. Piper, München / Zürich 2005, ISBN 3-492-24071-2, S. 66.
- Karl Popper: Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie. Hrg. von Troels Eggers Hansen, Tübingen 2. Aufl. 1994, S. 368f.
- nach Heinrich Gomperz: Weltanschauungslehre II. 1908, S. 76f.
- Karl Popper: Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie. Hrsg. von Troels Eggers Hansen. 2. Aufl. Tübingen 1994, S. 376f.
- Karl Popper: Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie. Hrsg. von Troels Eggers Hansen. 2. Aufl. Tübingen 1994, S. 428 f.
- Karl Popper: Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie. Hrg. von Troels Eggers Hansen, Tübingen 2. Aufl. 1994, S. 175 ff.
- Tadeusz Pawłowski: Begriffsbildung und Definition. Berlin/New York: Walter de Gruyter 1980, 44
- John L. Austin: Ein Plädoyer für Entschuldigungen. In: Analytische Handlungstheorie. Band 1. Handlungsbeschreibungen. (Hrsg.: G. Meggle). Frankfurt am Main.: Suhrkamp 1985, 8–42, hier S. 22.
- Herbert Marcuse: Vernunft und Revolution. Schriften, Band 4. Suhrkamp Frankfurt am Main 1. Aufl. 1989, S. 72 f., 118 f.
- Heinrich Rickert: Zur Lehre von der Definition. 3., verb. Auflage. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1929, S. 15. „Zur Lehre der Definition“
- Heinrich Rickert: Zur Lehre von der Definition. 3., verb. Auflage. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1929. S. V (aus dem Vorwort zur ersten Auflage)
- Heinrich Rickert: Zur Lehre von der Definition. 3., verb. Auflage. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1929. S. VI (aus dem Vorwort zur zweiten Auflage)
- Heinrich Rickert: Zur Lehre von der Definition. 3., verb. Auflage. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1929. S. VII (Vorwort zur dritten Auflage)
- Heinrich Rickert: Zur Lehre von der Definition. 3., verb. Auflage. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1929. S. IX (Vorwort zur dritten Auflage)
- Ernst Cassirer: Determinismus und Indeterminismus in der modernen Physik. ECW19 Hamburg 2004, S. 172.
- Tadeusz Pawłowski: Begriffsbildung und Definition. Berlin/New York: Walter de Gruyter 1980, 16–18
- Walter Dubislav: Die Definition. Felix Meiner: Leipzig 3. völlig umgearb. und erw. Auflage 1931, S. 66 f.
- Spinoza: Ethika. I, Def. 3; Def. 5
- Paul Feyerabend: Das Problem der Existenz theoretischer Entitäten. In: Ernst Topitsch (Hrsg.): Probleme der Wissenschaftstheorie. Festschrift für Viktor Kraft. Wien 1960.
- P. Bridgman: The Logic of Modern Physics. 1927.
- Stevenson, Charles L.: Ethics and Language. AMS Press 1979, 279
- Wolfgang Schluchter: Die Entwicklung des okzidentalen Rationalismus. Eine Analyse von Max Webers Gesellschaftsgeschichte. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck): Tübingen 1979, ISBN 3-16-541532-3, S. 26.
- Heinrich Rickert: Zur Lehre von der Definition. 3., verb. Auflage. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1929, S. 6.
- Tadeusz Pawłowski: Begriffsbildung und Definition. Berlin/New York: Walter de Gruyter 1980, 12–15
- Tadeusz Pawłowski: Begriffsbildung und Definition. Berlin/New York: Walter de Gruyter 1980, 19
- Walter Dubislav: Die Definition. Felix Meiner Leipzig 3. völlig umgearbeitete und erweiterte Auflage 1931, S. 2.
- Dubislav: Die Definition. Felix Meiner: Leipzig 3. völlig umgearbeitete und erweiterte Auflage 1931, S. 18.
- Christoph von Sigwart: Logik I. 1873, § 44, 4. Aufl. 1911, S. 385; zit. nach Heinrich Rickert: Zur Lehre von der Definition. 3., verb. Auflage. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1929, S. 5f.
- Dubislav: Die Definition. Felix Meiner: Leipzig 3. völlig umgearbeitete und erweiterte Auflage 1931, S. 28.
- vgl. Analytica posteriora, Organon: zit. nach Kondakow 1983, S. 81.
- P. Suppes: Introduction to logic. Princeton 1957.
- Karl Christian Friedrich Krause: Die Lehre vom Erkennen und von der Erkenntniss, als erste Einleitung in die Wissenschaft. Vorlesung für Gebildete aus allen Ständen. Göttingen: Dietrich’sche Buchhandlung 1836, 502
- Karl Christian Friedrich Krause: Die Lehre vom Erkennen und von der Erkenntniss, als erste Einleitung in die Wissenschaft. Vorlesung für Gebildete aus allen Ständen. Göttingen: Dietrich’sche Buchhandlung 1836, 503
- Aristoteles: Topik VI 3
- Cicero: De Oratore. I 42, 189
- Thomas Zoglauer: Einführung in die formale Logik für Philosophen. Göttingen: Vanderhoeken & Ruprecht 2008 (4. Aufl.), 19
- Arbeitsdefinition, Psychologie Uni Heidelberg. Abgerufen am 26. Dezember 2018.