Carl Friedrich von Siemens
Carl Friedrich Siemens, ab 1888 von Siemens (* 5. September 1872 in Charlottenburg; † 9. Juli 1941 in seinem Landhaus Heinenhof in Neu Fahrland bei Potsdam) war ein deutscher Industrieller und Politiker aus der Familie Siemens.
Familie
Carl Friedrich Siemens entstammte dem alten Goslarer Stadtgeschlecht Siemens (1384 urkundlich erwähnt) und war der jüngste Sohn des Erfinders und Unternehmers Werner von Siemens (1816–1892) und dessen zweiter Ehefrau Antonie Siemens (1840–1900). Vater Werner Siemens wurde mit seinen Nachkommen am 5. Mai 1888 in Charlottenburg in den preußischen Adelsstand erhoben.
Siemens heiratete überstürzt und ohne das Wissen der Eltern erstmals 1895 in London. Dies stieß in der Familie auf wenig Verständnis. Die Ehe wurde 1897 wieder geschieden, nachdem seine Frau als Hochstaplerin entlarvt worden war.
In zweiter Ehe heiratete er am 14. Juni 1898 in Berlin Auguste (Tutty) Bötzow (* 2. Februar 1878 in Berlin; † 22. März 1935 ebenda), die Tochter des Großgrundbesitzers und Inhabers der Bötzow-Brauerei Julius Bötzow und der Elisabeth Henze. Diese Ehe wurde am 11. November 1923 in Berlin geschieden. Aus ihr stammen die Kinder Ernst und Ursula (verheiratete Gräfin Blücher).
In dritter Ehe heiratete er am 19. November 1929 in Berlin-Charlottenburg Margarete (Grete) Heck (* 11. Dezember 1890 in Berlin; † 17. November 1977 in München), die Tochter des großherzoglich hessischen Geheimen Hofrats Ludwig Heck, Direktor des Zoologischen Gartens Berlin, und der Margarethe Nauwerk. Margarete Heck war zuvor von ihrem ersten Ehemann, Wilhelm Siemens (1882–1945), in Dresden geschieden worden.
Leben
Wirken als Unternehmer
Carl Friedrich von Siemens studierte ab 1893 Naturwissenschaften, Mathematik und Technik an der Universität Straßburg, der TH München und der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg. Ende 1895 ging er nach London und unternahm Studienreisen in die USA und Frankreich. Er war seit 1899 in der Firma Siemens & Halske AG tätig und leitete von 1901 bis 1908 die Starkstromabteilung der Siemens Brothers & Co. in London. Ab 1912 arbeitete er als Vorsitzender des Direktoriums der Siemens-Schuckertwerke, 1919 folgte er seinem Halbbruder Georg Wilhelm von Siemens (1855–1919) als Vorsitzender der Aufsichtsräte der Siemens & Halske AG und der Siemens-Schuckertwerke (heute Siemens AG) und somit als „Chef des Hauses“.
Nach den Verlusten des Ersten Weltkrieges gehörte Siemens schon Mitte der 1920er-Jahre wieder zu den fünf weltweit führenden Elektrokonzernen. Später wurden einzelne Produktbereiche in spezialisierte Tochter- und Beteiligungsgesellschaften ausgegliedert. So entstanden unter anderem die Osram G.m.b.H. KG (1920), die Siemens-Bauunion (1921), die Siemens-Reiniger-Veifa Gesellschaft für medizinische Technik mbH (1925, ab 1932 Siemens-Reiniger-Werke AG (SRW)) und nach Übernahme der Eisenbahnsignal-Bauanstalt Max Jüdel & Co in Braunschweig die Vereinigten Eisenbahn-Signalwerke GmbH (1929). Siemens & Halske hatte wesentlichen Anteil an der technischen Modernisierung des Telefonsystems nach dem Ersten Weltkrieg. Der in dieser Zeit erreichte technische Vorsprung wurde erfolgreich in einem intensiven Auslandsgeschäft weiterverfolgt. Internationale Kartelle für Europea und Südamerika wurden im Telefongeschäft mit ITT, General Electric, AT&T und Ericsson abgeschlossen, national mit der Reichspost. Das Gebäude der Hauptverwaltung des Unternehmens an der Nonnendammallee in der von seinem Bruder gegründeten Siemensstadt, erbaut 1910–1913 von Karl Janisch, ließ Carl Friedrich von Siemens 1922 von Friedrich Blume und Hans Hertlein erweitern.
Die Weltwirtschaftskrise nach 1929 führte zu erheblichen Umsatzeinbußen und Personalentlassungen, jedoch führte nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 die verstärkte Aufrüstung von Wehrmacht, Luftwaffe und Marine bald wieder zu einer Steigerung der Auftragseingänge. 1939 war Siemens mit 187.000 Beschäftigten größter Elektrokonzern der Welt. Neue Anwendungsbereiche wie die Medizintechnik, die Rundfunktechnik, elektrische Wärme- und Haushaltsgeräte oder auch das Elektronenmikroskop gewannen rasch an Bedeutung für das Unternehmen. 1936 gab es in Europa 16 Fertigungsstätten (u. a. in Wien, Budapest, Mailand und Barcelona), außerhalb Europas entstanden Produktions-Joint-Ventures in Tokio und Buenos Aires. In die Zwischenkriegszeit fallen auch eine Reihe von internationalen Großprojekten.
Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 waren die Siemens-Kapazitäten mit kriegswichtigen Bestellungen voll ausgelastet. Im Verlauf des Krieges wurden Produktionsstätten in alle Gegenden Deutschlands und in die besetzten Gebiete ausgelagert, wo auch Siemens in großem Umfang „Fremdarbeiter“ sowie Zwangsarbeiter beschäftigte.
Carl Friedrich von Siemens' Nachfolger als Vorsitzender der Aufsichtsräte der beiden Siemens-Stammfirmen wurde nach seinem Tode 1941 sein Neffe Hermann von Siemens (1885–1986), dessen Nachfolger als Chef des Hauses 1956 wiederum Carl Friedrichs einziger Sohn Ernst von Siemens.
Weitere Aktivitäten
1919 beteiligte sich Siemens am rechtsradikalen Antibolschewistische Liga#Antibolschewistenfonds.[1] Im Jahre 1921 wurde er Dr. Ing. eh. an der TH München, und 1927 erhielt er den Ehrendoktortitel rer. nat. an der Universität Halle. 1923 wurde er Präsident des Vorläufigen Reichswirtschaftsrates, 1924 Präsident des Verwaltungsrats der Deutschen Reichsbahn und leitete 1927 die deutsche Abordnung auf der Genfer Weltwirtschaftskonferenz.
Von 1920 bis 1924 war er für die Deutsche Demokratische Partei Mitglied des Reichstags. 1929 trat er der Gesellschaft der Freunde bei. Zur Wahl zur Deutschen Nationalversammlung 1919 gründete er das Kuratorium für den Wiederaufbau des deutschen Wirtschaftslebens zur Parteienfinanzierung.
Er war von 1926 bis zu seinem Tod Senator der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Im gleichen Jahr 1926 wurde er zum Mitglied der Leopoldina gewählt. 1933 war er Mitglied im "Generalrat der Wirtschaft" (der nur ein einziges Mal tagte); in der Zeit des Nationalsozialismus war er Mitglied der 1933 gegründeten nationalsozialistischen Akademie für Deutsches Recht.[2]
Die Carl Friedrich von Siemens Stiftung trägt seinen Namen; ebenso das Carl-Friedrich-von-Siemens-Gymnasium in Berlin-Siemensstadt.
Seine letzte Ruhestätte befindet sich im Familiengrab der Familie Siemens auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf.
Literatur
- Bodo von Dewitz: Werner von Siemens. Sein Leben, sein Werk und seine Familie. Das Lebenswerk in Bildern. His life, work and family. His life's work in picture. Thomas Helms Verlag Schwerin 2016, ISBN 978-3-944033-39-6, S. 410–447.
- Genealogisches Handbuch des Adels. Adelige Häuser B Band XIII (Band 73 der Gesamtreihe; ISSN 0435-2408). C. A. Starke Verlag, Limburg (Lahn) 1980, S. 390
- Wilfried Feldenkirchen: Siemens, Carl Friedrich von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 377–379 (Digitalisat).
- Carl Köttgen: Carl Friedrich von Siemens. In: Siemens-Zeitschrift, 21. Jahrgang, Nr. 4 (Juli/September 1941), S. 141–148.
Einzelnachweise
- Jörg-R. Mettke: Das Große Schmieren. Der Spiegel, 3. Dezember 1984, abgerufen am 13. August 2019.
- Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 583.
Weblinks
- Literatur von und über Carl Friedrich von Siemens im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Zeitungsartikel über Carl Friedrich von Siemens in der Pressemappe 20. Jahrhundert der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft
- Carl Friedrich von Siemens in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten
- Biografische Informationen auf den Seiten von Siemens Corporate Archives