Bracht (Rauschenberg)
Bracht ist einer von sieben Ortsteilen der Großgemeinde Rauschenberg im mittelhessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf.
Bracht Stadt Rauschenberg | |
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Höhe: | 240 (238–257) m ü. NHN |
Fläche: | 28,24 km²[1] |
Einwohner: | 845 (2016)[2] |
Bevölkerungsdichte: | 30 Einwohner/km² |
Eingemeindung: | 31. Dezember 1971 |
Postleitzahl: | 35282 |
Vorwahl: | 06427 |
Geographie
Der Ort liegt am Roten Wasser, einem nördlichen Nebenfluss der Ohm, im Burgwald und grenzt an Rosenthal, Schönstadt, Albshausen und Schwabendorf.
Geschichte
Von den Anfängen bis zur Gebietsreform in Hessen
In der Nähe des heutigen Dorfes wurden Reste einer bandkeramischen Siedlung ausgegraben.
Am 2. Januar 1241 wurde Bracht bekanntermaßen erstmals in einer auf der Amöneburg ausgestellten Urkunde als Brachtfe erwähnt. Mit dem „Vertrag von Langsdorf“ ging Bracht am 10. September 1263 nebst großen Teilen des Burgwaldes in das landesherrliche Eigentum über und unterstand somit nicht mehr direkt dem erzbischöflichen Einfluss von der Amöneburg aus. 1349 forderte die Pest erste Opfer im Dorf. 1450 kam Bracht zum Gericht Schönstadt (vorher Gericht Bulenstrut) mit der Besonderheit, dass alle Geldstrafen an die landgräfliche Kanzlei nach Marburg abzuführen waren.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde Bracht trotz seiner „versteckten“ Lage nicht verschont.
Am 3. September 1728 erfolgte die Einweihung der neugebauten Kirche (Erntedankfest und Kirchweihtag). Der Siebenjährige Krieg (1756–1763) brachte Bracht wiederum in große Not, da der Burgwald für beide Gegner eines der wichtigsten Aufstellungs-, Durchmarsch- und Rückzugsgebiete war. Von 1776 bis 1783 nahmen 14 Brachter Soldaten am Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg teil. 1826 hatte Bracht insgesamt 443 Einwohner.
Von 1833 bis 1852 sorgte die Bürgergarde für Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Sie war – abgesehen von den Städten – zahlenmäßig mit 69 Mann die größte im Kreis Marburg, aber auch die patriotischste. 1873 wurde die Landstraße Bracht – Rosenthal, eine der ersten Straßen in Hessen, die teilweise geteert war, dem Verkehr übergeben. Im April 1888 wurde der Weiler und ehemalige Deutschordenshof Merzhausen aus dem Ortsverband Rosenthal aus- und dem Gutsbezirk Oberförsterei Bracht eingegliedert. Die kleine Gehöftgruppe im Norden der Gemarkung ist seitdem Teil von Bracht. 1891 wurde für 900 Mark die erste Feuerspritze angeschafft und somit eine eigenständige Freiwillige Feuerwehr gegründet. 1920 gründete sich der erste Brachter Fußballverein.
Im Sommer 1934 wurden 80 ha einer bereits gerodeten Waldfläche vom Luftwehrbereichskommando Münster für den bereits 1933 geplanten Einsatzhafen I. Ordnung Bracht enteignet. Der Bau des Flugplatzes begann Herbst 1934, seine Fertigstellung erfolgte im Mai 1936. Ab 1935 zweigte am sechs Kilometer entfernten Bahnhof Halsdorf von der Wohratalbahn eine Anschlussbahn zum Flugplatz Bracht ab. Sie diente ausschließlich dem Transport von Militärgütern und Flugplatzpersonal. Ab 10. Mai 1940 lag hier die III. Gruppe des Kampfgeschwaders 28 und flog Einsätze gegen Frankreich. Am 20. Juli 1944 wurde Bracht erstmals von den Alliierten bombardiert. Die letzten deutschen Angehörigen der Wehrmacht sprengten am 27. März 1945 die Flugplatzeinrichtungen und Flugzeuge. Einen Tag später marschierten die US-amerikanischen Truppen und Panzerverbände in Bracht ein. 1946 wurde die Anschlussbahn endgültig stillgelegt und abgebaut.
Ab 1949 entstand der Ortsteil Siedlung. Die Gründung eines Posaunenchors folgte 1950.
Seit der Gebietsreform
Im Zuge der Gebietsreform in Hessen genehmigte die Landesregierung mit Wirkung vom 31. Dezember 1971 den freiwilligen Zusammenschluss der Stadt Rauschenberg und der Gemeinden Albshausen, Bracht, Ernsthausen, Josbach, Schwabendorf und Wolfskaute im damaligen Landkreis Marburg zu einer Stadt mit dem Namen Rauschenberg.[3] Für alle ehemals eigenständigen Gemeinden sowie für die Kernstadt wurden Ortsbezirke mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung gebildet.[4]
Nach fast 20 Jahren Planung konnte 2004 die Einweihung der Mehrzweckhalle gefeiert werden.
Territorialgeschichte und Verwaltung im Überblick
Die folgende Liste zeigt im Überblick die Territorien, in denen Bracht lag, bzw. die Verwaltungseinheiten, denen es unterstand:[1][5]
- vor 1567: Heiliges Römisches Reich, Landgrafschaft Hessen, Gericht Schönstadt (Gericht Schönstädt bestand aus den Orten: Kölbe, Bernsdorf, Bürgeln, Betziesdorf, Reddehausen, Schönstädt, Schwarzenborn und Bracht)[6]
- ab 1567: Heiliges Römisches Reich, Landgrafschaft Hessen-Marburg, Gericht Schönstadt[7]
- 1604–1648: Heiliges Römisches Reich, strittig zwischen Landgrafschaft Hessen-Darmstadt und Landgrafschaft Hessen-Kassel (Hessenkrieg), Gericht Schönstadt
- ab 1648: Heiliges Römisches Reich, Landgrafschaft Hessen-Kassel, Amt Marburg, Gericht Schönstadt
- ab 1806: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Amt Marburg, Gericht Schönstadt
- 1807–1813: Königreich Westphalen, Departement der Werra, Distrikt Marburg, Kanton Rosenthal
- ab 1815: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Amt Marburg, Gericht Schönstadt[8]
- ab 1821: Kurfürstentum Hessen, Provinz Oberhessen, Landkreis Marburg[9]
- ab 1848: Kurfürstentum Hessen, Bezirk Marburg
- ab 1851: Kurfürstentum Hessen, Provinz Oberhessen, Landkreis Marburg
- ab 1867: Norddeutscher Bund, Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Marburg
- ab 1871: Deutsches Reich, Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Marburg
- ab 1918: Deutsches Reich, Freistaat Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Marburg
- ab 1944: Deutsches Reich, Freistaat Preußen, Provinz Kurhessen, Landkreis Marburg
- ab 1945: Amerikanische Besatzungszone, Groß-Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Marburg
- ab 1949: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Marburg
- am 31. Januar 1971 wurde Bracht als Stadtteil der neu gebildeten Stadtgemeinde Rauschenberg eingegliedert.
- ab 1974: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Marburg-Biedenkopf
- ab 1981: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Gießen, Landkreis Marburg-Biedenkopf
Gerichte seit 1821
Bis zur Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung (1807–1813 und endgültig 1822) sind die Ämter neben der Verwaltung für die Rechtsprechung (meist Niedere Gerichtsbarkeit bzw. Erste Instanz) zuständig. Mit Edikt vom 29. Juni 1821 wurden in Kurhessen Verwaltung und Justiz getrennt. Nun waren Justizämter für die erstinstanzliche Rechtsprechung zuständig, die Verwaltung wurde von Kreisen übernommen. In Marburg wurde der Kreis Marburg für die Verwaltung eingerichtet und das Landgericht Marburg war als Gericht in erster Instanz für Bracht zuständig. 1850 wurde das Landgericht in Justizamt Marburg umbenannt. Das Oberste Gericht war das Oberappellationsgericht in Kassel. Untergeordnet war das Obergericht Marburg für die Provinz Oberhessen. Es war die zweite Instanz für die Justizämter.[10]
Nach der Annexion Kurhessens durch Preußen wurde das Landgericht Marburg 1867 zum königlich Preußischen Amtsgericht Marburg. Im Juni 1867 erging eine königliche Verordnung, die die Gerichtsverfassung in den zum vormaligen Kurfürstentum Hessen gehörenden Gebietsteilen neu ordnete. Die bisherigen Gerichtsbehörden sollten aufgehoben und durch Amtsgerichte in erster, Kreisgerichte in zweiter und ein Appellationsgericht in dritter Instanz ersetzt werden.[11] Im Zuge dessen erfolgte am 1. September 1867 die Umbenennung des bisherigen Justizamtes in Amtsgericht Marburg. Die Gerichte der übergeordneten Instanzen waren das Kreisgericht Marburg und das Appellationsgericht Kassel.[12]
Auch mit dem in Kraft treten des Gerichtsverfassungsgesetzes von 1879 blieb das Amtsgericht unter seinem Namen bestehen. In der Bundesrepublik Deutschland sind die übergeordneten Instanzen das Landgericht Marburg, das Oberlandesgericht Frankfurt am Main sowie der Bundesgerichtshof als letzte Instanz.
Einwohnerstruktur
Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Bracht 858 Einwohner. Darunter waren 6 (0,7 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 144 Einwohner unter 18 Jahren, 348 zwischen 18 und 49, 189 zwischen 50 und 64 und 168 Einwohner waren älter.[13] Die Einwohner lebten in 348 Haushalten. Davon waren 81 Singlehaushalte, 96 Paare ohne Kinder und 138 Paare mit Kindern, sowie 27 Alleinerziehende und 6 Wohngemeinschaften. In 59 Haushalten lebten ausschließlich Senioren/-innen und in 228 Haushaltungen lebten keine Senioren/-innen.[13]
Einwohnerzahlen
Quelle: Historisches Ortslexikon[1] | |
• 1577: | 38 Hausgesesse |
• 1630: | 24 Hausgesesse (2 dreispännige, 4 zweispännige, 9 einspännige Ackerleute, 9 Einläuftige) |
• 1681: | 25 hausgesessene Mannschaften |
• 1747: | 60 Hausgesesse |
• 1838: | Familien: 70 nutzungsberechtigte Ortsbürger, 19 Beisassen |
Bracht: Einwohnerzahlen von 1766 bis 2011 | ||||
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Jahr | Einwohner | |||
1766 | 314 | |||
1800 | ? | |||
1834 | 451 | |||
1840 | 503 | |||
1846 | 503 | |||
1852 | 511 | |||
1858 | 489 | |||
1864 | 491 | |||
1871 | 454 | |||
1875 | 459 | |||
1885 | 444 | |||
1895 | 447 | |||
1905 | 507 | |||
1910 | 502 | |||
1925 | 457 | |||
1939 | 546 | |||
1946 | 812 | |||
1950 | 845 | |||
1956 | 806 | |||
1961 | 812 | |||
1967 | 868 | |||
1980 | ? | |||
1990 | ? | |||
2000 | ? | |||
2011 | 858 | |||
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: LAGIS[1]; Zensus 2011[13] |
Religionszugehörigkeit
Quelle: Historisches Ortslexikon[1] | |
• 1861: | 479 evangelisch-lutherische, 19 evangelisch-reformierte, ein römisch-katholischer Einwohner. |
• 1885: | 443 evangelische (= 99,77 %), ein katholischer (= 0,23 %) Einwohner |
• 1961: | 692 evangelische (= 85,22 %), 113 katholische (= 13,92 %) Einwohner |
Erwerbstätigkeit
Quelle: Historisches Ortslexikon[1] | |
• 1766: | Erwerbspersonen: zwei Schuster, ein Strumpfweber, 4 Schmiede, 11 Leineweber, 5 Wagner, ein Schneider, zwei Müller, zwei Wirte, ein Schreiner, ein Ziegelbrenner, 5 Tagelöhner. |
• 1838: | Familien: 52 Ackerbau, 10 Gewerbe, 27 Tagelöhner. |
• 1961: | Erwerbspersonen: 226 Land- und Forstwirtschaft, 131 Produzierendes Gewerbe, 40 Handel und Verkehr, 40 Dienstleistungen und Sonstiges. |
Sehenswürdigkeiten
- „Die Burg“, das anstelle eines um 1280 erbauten Gebäudes errichtete landgräfliche ehemalige Jagdschloss Bracht
- Mehrere Eichen in der Nähe des Forsthauses Hirschberg, wobei die dickste einen Brusthöhenumfang von 7,25 m (2014) hat.[14]
- Naturdenkmal am Steinbornskopf
- Hohle Eiche
Infrastruktur
- Ein Kindergarten
- Eine Grundschule
- Eine Mehrzweckhalle
Weblinks
- Ortsteil Bracht. In: Webauftritt. Gemeinde Rauschenberg
- Bracht, Landkreis Marburg-Biedenkopf. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
Einzelnachweise
- Bracht, Landkreis Marburg-Biedenkopf. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 21. Oktober 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Kritik an neuer Kita-Trägerschaft. In: Oberhessische Presse. Abgerufen am 28. November 2021.
- Gemeindegebietsreform in Hessen; Zusammenschlüssen und Eingliederungen von Gemeinden vom 20. Dezember 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1972 Nr. 2, S. 47, Punkt 50 Abs. 2 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 4,8 MB]).
- Ortsbeiräte. In: Webauftritt. Stadt Rauschenberg, abgerufen im September 2021.
- Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006 .
- Georg Landau: Beschreibung des kurfürstenthums Hessen. T. Fischer, Kassel 1842, S. 370 (online bei HathiTrust’s digital library).
- Die Zugehörigkeit des Amtes Marburg anhand von Karten aus dem Geschichtlicher Atlas von Hessen: Hessen-Marburg 1567–1604., Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt 1604–1638. und Hessen-Darmstadt 1567–1866.
- Kur-Hessischer Staats- und Adress-Kalender: 1818. Verlag d. Waisenhauses, Kassel 1818, S. 100 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Verordnung vom 30sten August 1821, die neue Gebiets-Eintheilung betreffend, Anlage: Übersicht der neuen Abtheilung des Kurfürstenthums Hessen nach Provinzen, Kreisen und Gerichtsbezirken. Sammlung von Gesetzen etc. für die kurhessischen Staaten. Jahr 1821 – Nr. XV. – August. (kurhess GS 1821) S. 73 f.
- Neueste Kunde von Meklenburg/ Kur-Hessen, Hessen-Darmstadt und den freien Städten, aus den besten Quellen bearbeitet. im Verlage des G. H. G. privil. Landes-Industrie-Comptouts., Weimar 1823, S. 158 ff. (online bei HathiTrust’s digital library).
- Verordnung über die Gerichtsverfassung in vormaligen Kurfürstentum Hessen und den vormals Königlich Bayerischen Gebietstheilen mit Ausschluß der Enklave Kaulsdorf vom 19. Juni 1867. (PrGS 1867, S. 1085–1094)
- Verfügung vom 7. August 1867, betreffend die Einrichtung der nach der Allerhöchsten Verordnung vom 19. Juni d. J. in dem vormaligen Kurfürstentum Hessen und den vormals Königlich Bayerischen Gebietstheilen mit Ausschluß der Enklave Kaulsdorf, zu bildenden Gerichte (Pr. JMBl. S. 221–224 )
- Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,1 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 30 und 70 .
- Eintrag im Verzeichnis Monumentaler Eichen. Abgerufen am 10. Januar 2017.