Schwabendorf (Rauschenberg)
Schwabendorf ist ein Ortsteil der Großgemeinde Rauschenberg im mittelhessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf.
Schwabendorf Stadt Rauschenberg | |
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Höhe: | 290 (285–306) m |
Fläche: | 3,03 km²[1] |
Einwohner: | 478 (2016)[2] |
Bevölkerungsdichte: | 158 Einwohner/km² |
Eingemeindung: | 31. Dezember 1971 |
Postleitzahl: | 35282 |
Vorwahl: | 06425 |
Nord-westlicher Ortseingang |
Geographie
Der Ort liegt am Rande des Burgwaldes. Er gehörte von 1821 bis 1932 zum damaligen Kreis Kirchhain. Nördlich treffen sich die Bundesstraße 3 und die Landesstraße 3077.
Geschichte
Von den Anfängen bis zur Gebietsreform in Hessen
Gegründet wurde das Schwabendorf im Jahre 1687 auf Anordnung der landgräflich Regierung in Kassel. Damals siedelten 116 französische Glaubensflüchtlinge hier, Hugenotten und Waldenser. Auf dem zentralen Dorfplatz, dem Hugenottenplatz, erinnert ein Gedenkstein an die Namen der Einwandererfamilien. Ein nordwestlich gelegenes Feuchtgebiet, das den Siedlern teilweise zur Nutzung überlassen wurde, wird heute noch als Franzosenwiesen bezeichnet.
Seit der Gebietsreform
Im Zuge der Gebietsreform in Hessen genehmigte die Landesregierung mit Wirkung vom 31. Dezember 1971 den freiwilligen Zusammenschluss der Stadt Rauschenberg und der Gemeinden Albshausen, Bracht, Ernsthausen, Josbach, Schwabendorf und Wolfskaute im damaligen Landkreis Marburg zu einer Stadt mit dem Namen Rauschenberg.[3] Für alle ehemals eigenständigen Gemeinden sowie für die Kernstadt wurden Ortsbezirke mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung gebildet.[4]
Vom 4. bis 8. Juli 2012 wurde 325 Jahre Schwabendorf gefeiert.
Territorialgeschichte und Verwaltung im Überblick
Bis zur Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung (1807–1813 und endgültig 1822) sind die Ämter neben der Verwaltung für die (meist Niedere Gerichtsbarkeit) Rechtsprechung zuständig. Die folgende Liste zeigt im Überblick die Territorien, in denen Schwabendorf lag, bzw. die Verwaltungseinheiten, denen es unterstand:[1][5]
- ab 1687–1800: Heiliges Römisches Reich (bis 1806), Landgrafschaft Hessen-Kassel, französische Kanzlei der landgräflich Reg. in Kassel
- ab 1800: Heiliges Römisches Reich (bis 1806), Landgrafschaft Hessen-Kassel, Amt Rauschenberg
- ab 1803 ist das Staatsoberhaupt Kurfürst
- 1807–1813: Rheinbund, Königreich Westphalen, Departement der Werra, Distrikt Marburg, Kanton Rauschenberg (Friedensgericht Rauschenberg)
- ab 1815: Deutscher Bund, Kurfürstentum Hessen, Amt Rauschenberg[6]
- ab 1821: Deutscher Bund, Kurfürstentum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Kirchhain (Trennung von Justiz (Justizamt Rauschenberg) und Verwaltung)[7]
- ab 1848: Deutscher Bund, Kurfürstentum Hessen, Bezirk Marburg
- ab 1851: Deutscher Bund, Kurfürstentum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Kirchhain
- ab 1867: Norddeutscher Bund, Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Kirchhain
- ab 1871: Deutsches Reich, Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Kirchhain
- ab 1918: Deutsches Reich, Freistaat Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Kirchhain
- ab 1932: Deutsches Reich, Freistaat Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Marburg
- ab 1944: Deutsches Reich, Freistaat Preußen, Provinz Kurhessen, Landkreis Marburg
- ab 1945: Amerikanische Besatzungszone, Groß-Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Marburg
- ab 1949: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Marburg
- am 31. Januar 1971 wurde Bracht als Stadtteil der neu gebildeten Stadtgemeinde Rauschenberg eingegliedert.
- ab 1974: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Marburg-Biedenkopf
- ab 1981: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Gießen, Landkreis Marburg-Biedenkopf
Einwohnerstruktur
Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Schwabendorf 471 Einwohner. Darunter waren 6 (1,3 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 90 Einwohner unter 18 Jahren, 201 zwischen 18 und 49, 105 zwischen 50 und 64 und 78 Einwohner waren älter.[8] Die Einwohner lebten in 198 Haushalten. Davon waren 57 Singlehaushalte, 45 Paare ohne Kinder und 66 Paare mit Kindern, sowie 24 Alleinerziehende und 6 Wohngemeinschaften. In 33 Haushalten lebten ausschließlich Senioren/-innen und in 138 Haushaltungen lebten keine Senioren/-innen.[8]
Einwohnerzahlen
Quelle: Historisches Ortslexikon[1] | |
• 1687: | 35 Familien |
• 1747: | 38 Haushalte |
• 1812: | 38 Häuser, 342 Einwohner |
• 1838: | Familien: 64 nutzungsberechtigte Ortsbürger |
Schwabendorf: Einwohnerzahlen von 1800 bis 2011 | ||||
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Jahr | Einwohner | |||
1800 | 342 | |||
1834 | 380 | |||
1840 | 442 | |||
1846 | 413 | |||
1852 | 388 | |||
1858 | 407 | |||
1864 | 366 | |||
1871 | 312 | |||
1875 | 299 | |||
1885 | 315 | |||
1895 | 297 | |||
1905 | 288 | |||
1910 | 286 | |||
1925 | 334 | |||
1939 | 338 | |||
1946 | 540 | |||
1950 | 505 | |||
1956 | 461 | |||
1961 | 425 | |||
1967 | 433 | |||
1980 | ? | |||
1990 | ? | |||
2000 | ? | |||
2011 | 471 | |||
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: LAGIS[1]; Zensus 2011[8] |
Religionszugehörigkeit
Quelle: Historisches Ortslexikon[1] | |
• 1861: | 339 evangelisch-lutherische, 10 evangelisch-reformierte, 10 römisch-katholische Einwohner |
• 1885: | 315 evangelische (= 100 %) Einwohner |
• 1961: | 393 evangelische (= 92,00 %), 31 katholische (= 7,29 %) Einwohner |
Erwerbstätigkeit
Quelle: Historisches Ortslexikon[1] | |
• 1746: | Erwerbspersonen: 16 Strumpfweber, 6 Wollkämmer, 5 Wollspinner, 4 Leineweber |
• 1780: | Erwerbspersonen: 25 Strumpfweber, 2 Leineweber, 2 Hutmacher, 1 Schneider, 1 Schuhmacher. |
• 1838: | Familien: 15 Ackerbau, 15 Gewerbe, 34 Tagelöhner |
• 1858: | Erwerbspersonen: 1 Schreiner, 2 Leineweber, 3 Zimmerleute, 10 Maurer |
• 1961: | Erwerbspersonen: 104 Land- und Forstwirtschaft, 88 Produzierendes Gewerbe, 17 Handel und Verkehr, 18 Dienstleistungen und Sonstiges |
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Hugenotten-Gedächtniskirche
Anstelle der 1711 errichteten alten Fachwerkkirche wurde 1875 eine neue Kirche aus Stein errichtet. Kaiser Wilhelm I. hatte mit einem Geschenk von 9000 Mark entscheidend zur Finanzierung beigetragen. 1887 erhielt die Kirche eine Orgel als Geschenk der kaiserlichen Familie zur 200-Jahrfeier des Dorfes. Sie wurde 2006 restauriert.
Bis 1917 war die Kirche mit drei Glocken aus Bronze ausgestattet. Die kleinste aus 1770, die mittlere aus 1839, die größte aus 1902. Im Ersten Weltkrieg mussten die beiden größeren eingeschmolzen werden. 1919 wurde diese gegen Eintausch der kleinsten wieder ersetzt.
1930 ließ die Gemeinde aus dem Vermächtnis von Henriette Moutoux, deren Vorfahren Mitte des 19. Jahrhunderts von Schwabendorf nach Kalifornien ausgewandert waren, zwei Kunstwerke anfertigen: Die Bronzeskulptur "Heiliger Georg / Der Drachentöter" von Gerhard Marcks und das Ölgemälde "David und Goliath / Auszug der Hugenotten" von Karl Leyhausen. Diese erinnern an den Glaubenskampf und die Verfolgung der Hugenotten in Frankreich. Seitdem trägt die Kirche den Namen "Hugenotten-Gedächtniskirche".
1937 wurde eine Sandsteinkanzel eingebaut als Ersatz für die holzvertäfelte Kanzel aus dem Jahre 1888. 1955 wurde das durch einen Blitzschlag zerstörte Chorfenster ersetzt durch das Glasfenster "Der auferstandene Christus" nach dem Entwurf der früheren Schwabendorfer Pfarrfrau Johanna Schütz-Wolff.
Vereine
Das kulturelle Ortsleben prägen folgende Vereine:
- Arbeitskreis für die Geschichte der Hugenotten und Waldenser
- Freiwillige Feuerwehr Schwabendorf
- Gesangverein 1886
- Landfrauenverein
- Motor-Club Schwabendorf 1971
- Posaunenchor
- Tennisclub Schwabendorf 1986 e. V.
- Turn- und Sportverein 1927 Schwabendorf e. V.
- Verein für Schutz- und Gebrauchshunde
Infrastruktur
In Schwabendorf gibt es ein Dorfgemeinschaftshaus und eine evangelische Kirche.
Verkehr
Den öffentlichen Personennahverkehr stellen die Buslinien MR-72, MR-74 und MR-79 des RMV.
Nahwärme
Seit Ende November 2011 läuft auf dem Gelände des Schwabendorfer Ortslandwirtes eine Biogasanlage[9], die dieser mit zwei weiteren Bauern aus der Region betreibt. Ebenfalls im November wurde im Ort eine Genossenschaft gegründet, die ein Nahwärmenetz aufbaut und die Abwärme der Biogasanlage abnimmt[10]. Die Genossenschaftsmitglieder nutzen diese Wärme dann zum Heizen und für Warmwasser. Von dem zwischenzeitlichen Plan, die Kapazitäten durch ein Holzhackschnitzelwerk zu erhöhen[11], wurde wieder Abstand genommen, da die Kapazitäten der Anlage ausreichen, um die gut 70 Mitglieder mit Wärme zu versorgen[12]. Die Bauarbeiten machen sich auch die Stadtwerke Marburg zunutze, die parallel zu der Nahwärmeleitung ein Glasfaserkabel für schnelles Internet verlegen. Das Nahwärmenetz ist seit Anfang 2013 in Betrieb.
Literatur
- Sigrid Althaus: Hugenottendörfer um Marburg und Frankenberg. Hitzeroth, Marburg 1989, Reihe Landeskundliche Bildbände Hessen 2, ISBN 3-925944-76-1, Kap. Schwabendorf S. 37–60
Weblinks
- Ortsteil Schwabendorf. In: Webauftritt. Gemeinde Rauschenberg
- Arbeitskreis für Hugenotten- und Waldensergeschichte Schwabendorf e.V. Ortsgeschichte, Infos. In: www.ak-schwabendorf.de. Private Website
- Luftbild des Ortes
Einzelnachweise
- Schwabendorf , Landkreis Marburg-Biedenkopf. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 15. Januar 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Kritik an neuer Kita-Trägerschaft. In: Oberhessische Presse. Abgerufen am 28. November 2021.
- Gemeindegebietsreform in Hessen; Zusammenschlüssen und Eingliederungen von Gemeinden vom 20. Dezember 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1972 Nr. 2, S. 47, Punkt 50 Abs. 2 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 4,8 MB]).
- Ortsbeiräte. In: Webauftritt. Stadt Rauschenberg, abgerufen im September 2021.
- Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006 .
- Kur-Hessischer Staats- und Adress-Kalender: 1818. Verlag d. Waisenhauses, Kassel 1818, S. 117 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Verordnung vom 30sten August 1821, die neue Gebiets-Eintheilung betreffend, Anlage: Übersicht der neuen Abtheilung des Kurfürstenthums Hessen nach Provinzen, Kreisen und Gerichtsbezirken. Sammlung von Gesetzen etc. für die kurhessischen Staaten. Jahr 1821 – Nr. XV. – August. (kurhess GS 1821) S. 74
- Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,1 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 30 und 70 .
- Biogasanlage angefahren In: Radaktionsnetzwerk Deutschland vom 21. November 2011.
- Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften
- Bath verspricht: Keiner geht leer aus. (Memento vom 25. Januar 2016 im Internet Archive) In: Oberhessische Presse vom 13. April 2011.
- Es ist noch Nahwärme da In: Radaktionsnetzwerk Deutschland vom 2. April 2012.