Anja Blacha
Anja Karen Blacha (* 18. Juni 1990 in Bielefeld) ist eine deutsche Ausdauer- und Extremsportlerin. Sie hält eine Reihe von Rekorden: 2017 bestieg sie als jüngste deutsche Frau den Mount Everest und bezwang als jüngste Deutsche alle Seven Summits. Im Jahr 2019 war sie als erste deutsche Frau auf dem K2.[1][2] 2020 schaffte sie die längste, allein durchgeführte Polar-Expedition einer Frau weltweit, bei der sie auf Langlaufskiern und ohne Fremdhilfe von der Küste der Antarktis zum Südpol lief.[3][4]
Familie und Ausbildung
Anja Blacha wuchs mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester in Bielefeld auf und legte dort an der Marienschule der Ursulinen 2008 das Abitur ab.[1][5] Sie machte einen Bachelor-Abschluss in Betriebswirtschaft an der Universität Mannheim, ergänzt durch Studien an der UC Berkeley und ein Auslandssemester an der Korea University 2010.[6] Anschließend ging sie nach London, wo sie an der Birkbeck, University of London ein Masterstudium in Philosophie absolvierte.[7] Seit 2016 lebt und arbeitet sie in Zürich. Sie ist als Managerin für das Mobilfunkunternehmen Swisscom tätig[8][9] sowie als Motivationsrednerin mit Vorträgen und Präsentationen bei Firmen-, akademischen und öffentlichen Veranstaltungen.
Sie ist seit der Schulzeit auch als Fechterin aktiv.[1][8] 2012 wurde sie von der University of London zur Sportlerin des Jahres gekürt. Blacha begann 2013 mit dem Bergsteigen, nachdem sie im Peru-Urlaub mit ihrer Schwester den Salkantay-Trek, der von Mollepata zum Machu Picchu führt, gelaufen war.[10][11][12]
Expeditionen
Ihre Leistungen beim Extrembergsteigen und Ausdauersport führt Blacha unter anderem auf mentale Stärke, Disziplin, Beharrlichkeit, Grundausdauer, eine „Grundstärke in den Beinen“, gute Verträglichkeit der Höhenluft, akribische Planung,[6] Sicherheitsbewusstsein und ihre gute Regenerationsfähigkeit zurück. Die Motivation für ihre Expeditionen sieht sie in ihrer Reiselust, der Neugier, fremde Dinge kennenzulernen, und der Freude an Herausforderungen, nicht primär im Erreichen von Bestmarken und „Jagd nach Rekorden“.[8] Für sie stehe immer das Erlebnis im Vordergrund.[10] Sie sagte dazu: „Letztlich jedoch mache ich das für mich. Es ist mein Projekt, und es ist mir wichtig.“[8]
Vorurteile gegenüber Frauen führt sie auf eine immer noch „sehr männlich geprägte Szene“, die Extremsport als Männerdomäne ansieht, zurück. Beim Bergsteigen etwa würden Leistungen von Frauen relativiert oder behauptet, sie hätten mehr Hilfe erhalten.[10] Demgegenüber erachtet sie, losgelöst von Geschlechterklischees, Fähigkeiten wie Zielorientierung, Planung von Strategie, Ernährungsplan und Ausrüstungsliste, Adaptionsfähigkeit an sich ändernde Umstände, Durchhaltevermögen, umsichtiges Risiko-, Energie- und Kältemanagement als essentiell für das Gelingen einer Expedition.[13] Zudem seien einige Unterschiede in der Physis günstiger für Frauen als für Männer, etwa weniger Sauerstoffverbrauch in großer Höhe durch geringere Muskelmasse, weniger Gewicht, kleinerer Gewichtsverlust auf langen Expeditionen.[4][10] Blacha will „darauf hinweisen, dass man sich nicht davon abhalten lassen sollte, von Denkmustern oder Stereotypen, die man im Kopf hat. Dass man eben nicht groß, stark und männlich sein muss um solch eine Expedition erfolgreich machen zu können, sondern, dass das auch mit anderen Mitteln geht.“[14] Sie verweist darauf, dass Frauen andere, aber sehr hilfreiche Qualifikationen und gleichwertige Fähigkeiten besäßen,[13] die sie befähigten, neben dem Extremsport auch in anderen bislang als Männerdomäne deklarierten Bereichen ihre Ziele zu erreichen.[4] Am Beispiel ihrer Polartour möchte sie zeigen, „welche Fähigkeiten Frauen haben, um Dinge zu schaffen, die nur Männern zugetraut werden“[8] und dazu motivieren, „dass wir im Sport wie in der Berufswelt den Blick auf solche weniger offensichtlichen Fähigkeiten richten. Für Frauen eröffnen sich dadurch Wege zu Zielen, an die sie sich sonst vielleicht nicht herangewagt hätten“.[13]
* | Jahr | Gipfel | Höhe | Land / Kontinent |
---|---|---|---|---|
2015 | Mont Blanc | 4810 m | Frankreich, Italien / Europa | |
1 | 2015 | Aconcagua | 6962 m | Argentinien / Südamerika |
2 | 2015 | Kibo / Kilimanjaro | 5895 m | Tansania / Ostafrika |
3 | 2016 | Denali | 6194 m | Alaska / Nordamerika |
4 | 2016 | Elbrus | 5642 m | Russland / Europa |
5 | 2016 | Puncak Jaya | 4884 m | Indonesien / Ozeanien |
6 | 2017 | Mount Everest | 8848 m | Nepal, Tibet / Asien |
7 | 2017 | Mount Vinson | 4892 m | Antarktika / Antarktis |
2017 | Dufourspitze | 4634 m | Schweiz / Europa | |
2017 | Großglockner | 3798 m | Österreich / Europa | |
2018 | Matterhorn | 4478 m | Schweiz, Italien / Europa | |
2019 | Broad Peak | 8051 m | Pakistan, VR China / Asien | |
2019 | K2 | 8611 m | Pakistan, VR China / Asien | |
2021 | Mount Everest | 8848 m | Nepal, Tibet / Asien |
Seven Summits
Blacha bestieg die höchsten Berge jedes Kontinents mit einer hundertprozentigen Ersterfolgsquote in knapp drei Jahren:[15] 2015 bestieg sie den Aconcagua, den höchsten Berg Südamerikas. Noch im selben Jahr bestieg sie den Mont Blanc und den Kibo im Kilimandscharo-Massiv, bevor sie 2016 den Denali in Alaska, den höchsten Berg Nordamerikas, erklomm, ebenso den Elbrus und Puncak Jaya. 2017 schloss sie mit Expeditionen auf den Mount Everest[16] und den Mount Vinson, dem höchsten Berg des Kontinents Antarktika, die Besteigung der Seven Summits ab.[5] Mit 26 Jahren war sie 2017 die jüngste deutsche Frau auf dem Mount Everest, den sie über die Nordroute von Tibet aus bestiegen hatte. Im selben Jahr, im Alter von 27 Jahren, war sie die jüngste Deutsche, die alle sieben Gipfel erreicht hatte. 2021 bestieg sie erneut den Mount Everest, diesmal über die Südroute.[17][12]
K2-Besteigung
Anschließend erklomm Blacha mehrere Berge in Europa, bevor sie im Juli 2019 den K2 bestieg.[1] Der Aufstieg war Teil einer Doppelexpedition: Zur Akklimatisation für den K2 bestieg sie zunächst den Broad Peak, den mit 8051 m zwölfthöchsten Berg der Welt. Danach bestieg sie den K2, den mit 8611 m zweithöchsten Berg der Welt. Für den Aufstieg nahm sie den Abruzzi-Sporn, für den Abstieg die Cesen-Route. Sie erreichte beide Gipfel ohne zusätzlichen Sauerstoff.[2][18][19] Sie bestieg den K2 als erste deutsche Frau und als achter Mensch aus Deutschland insgesamt.[20]
Soloexpedition zum Südpol
Zur Vorbereitung auf ihre Südpoltour trainierte Blacha unter anderem 2018/19 in Norwegen und im Frühjahr vier Wochen in Grönland, wo sie das Inlandeis von West nach Ost durchquerte. Im November 2019 machte sie sich zu dem 1.381 Kilometer langen Ski-Marsch durch Schnee und Eis zum Südpol auf. Sie bewältigte ihn alleine und mit anfänglich 110 kg schwerem Gepäck, das sie auf einem Schlitten hinter sich herzog. Nach fast 58 Tagen erreichte sie im Januar 2020 ihr Ziel.[12] Sie ist somit die erste Frau, die eine Soloexpedition von der Gould Bay auf der Berkner-Insel bis zum Südpol ohne Hilfsmittel geschafft hat und stellte damit den Rekord für die längste Expedition in der Antarktis auf, die bisher von einer Frau „solo, unsupported and unassisted“ (zu deutsch in etwa: ‚alleine, ohne Unterstützung von außen und ohne fremde Hilfe‘) unternommen wurde.[4][8] 2012 hatte die 34-jährige Britin Felicity Aston innerhalb von 59 Tagen 1744 Kilometer mit Proviantdepots entlang der Strecke zurückgelegt, was als Unterstützung gilt. Als erster Mann durchquerte Ende 2018 der US-Amerikaner Colin O’Brady im Alter von 33 Jahren die Antarktis allein, ohne Unterstützung und auf Langlaufskiern. Er brauchte für 1470 Kilometer 54 Tage. Zuvor waren noch weitere Männer unter diesen Bedingungen aufgebrochen, darunter 1995 der Polarforscher Børge Ousland.[8]
Unter dem Titel „Not bad for a girl“ firmierte die Kampagne einer PR-Agentur im Auftrag der Sportfachhandelsgruppe Intersport, die die Expedition in die Antarktis zum Teil materiell und finanziell sponserte.[8][21] Blacha hielt das Hissen einer Deutschland-Flagge am Südpol für unpassend, zeigte aber eine Fahne mit dem Firmenlogo und dem Spruch „Not bad for a girl – almost impossible for everyone else“ („Nicht schlecht für ein Mädchen – fast unmöglich für alle anderen“).[4][6][9]
Trivia
Im Jahr 2018 wurde Blacha von dem Studentenmagazin Zeit Campus in der Rubrik #18FÜR18 als eine von 18 Personen unter 30 Jahren vorgestellt, die „Deutschland besser machen“. Die Campus-Redaktion schrieb: „Was wir von ihr lernen können: Trotz Höchstleistung bodenständig bleiben.“ Im Speziellen spielte die Redaktion darauf an, dass Blacha auf ihrer Mount Everest-Expedition Müll („leere Konserven und Flaschen“), den andere liegen gelassen hatten, eingesammelt hatte.[22] 2020 wurde Blacha einem größeren Publikum bekannt, als sie in der am 14. Februar ausgestrahlten Folge der 3 nach 9-Talkshow auftrat.[23] Am 31. August 2020 war sie bei DAS! zu Gast.[24] Für ihre Rekorde wurde Blacha in das Guinness-Buch der Rekorde 2021 im Kapitel „Abenteuer – Abenteuerreisen rund um die Welt“ aufgenommen.
Weblinks
Einzelnachweise
- Ivonne Michel: Bielefelderin Anja Blacha bezwingt als erste Deutsche den K2. In: Mindener Tageblatt. 11. August 2019, abgerufen am 11. Januar 2021.
- Stefan Nestler: K2-Besteigerin Anja Blacha: „Ohne Atemmaske flexibler am Berg“. In: Abenteuer Berg. 7. August 2019, abgerufen am 18. Februar 2020.
- Christian Althoff: Alleine zum Südpol. In: Westfalen-Blatt. 31. Oktober 2019, abgerufen am 16. Februar 2020.
- Andreas Sieler: Anja Blacha nach Expedition zum Südpol: „Männerdomänen sind für Frauen erreichbar“. In: Frankfurter Rundschau. 10. Februar 2020, abgerufen am 2. April 2020.
- Christian Althoff: Geschafft! In: Westfalen-Blatt. 11. Januar 2020, abgerufen am 16. Februar 2020.
- Björn Jensen: Extremsportlerin verbringt Weihnachten allein im ewigen Eis. In: Hamburger Abendblatt. 19. Dezember 2019, abgerufen am 9. Januar 2021.
- Jens Reichenbach: Bielefelder Mount-Everest-Bezwingerin berichtet von großen Gefühlen und Toten am Berg. In: Neue Westfälische. 27. Mai 2017. Abgerufen am 11. Januar 2021.
- Björn Jensen: Anja Blacha will als erste Frau allein durch die Antarktis. In: Hamburger Abendblatt. 5. November 2019, abgerufen am 16. Februar 2020.
- Stefan Nestler: Frauen im Abenteuersport: Der weite Weg nach oben. In: Deutsche Welle. 7. März 2020, abgerufen am 8. Januar 2021.
- Annika Wind: "Wie schafft man es bis zum Mount Everest, Frau Blacha?" In: kultur.west – Magazin für Kunst und Gesellschaft in NRW. 8. Oktober 2018, abgerufen am 10. Januar 2021.
- Andreas Sieler: „Ich würde mich als Bergtouristin bezeichnen“. In: Frankfurter Rundschau vom 21. August 2019, abgerufen am 20. Januar 2021.
- Alexander Petri: Interview des Monats. In: Donaukurier. 25. Juni 2021, abgerufen am 6. Februar 2022.
- Anja Blacha: Bei einer Polarexpedition spielt das Geschlecht keine Rolle. In: Xing.com. 6. März 2020. Abgerufen am 13. Januar 2021.
- Tim Wiese (Moderation): Extremsportlerin Anja Blacha. Allein bis zum Südpol. In: Deutschlandfunk Kultur: Im Gespräch. 9. November 2020. Abgerufen am 13. Januar 2021.
- Jan Philip Häfner: Junge Gipfelstürmerin: „Ein Gefühl von Freiheit“. In: Forum – Das Wochenmagazin. 19. Januar 2018. Abgerufen am 7. Oktober 2019.
- Nadine Sieker: Bielefelderin als wohl jüngste Deutsche auf dem Mount Everest. In: Neue Osnabrücker Zeitung. 24. Juni 2017. Abgerufen am 21. Januar 2021.
- Stefan Nestler: Weitere Gipfelerfolge am Mount Everest – Anja Blacha oben. In: www.abenteuer-berg.de. 31. Mai 2021, abgerufen am 19. Juni 2021.
- Angela Benavides: K2 Summit Tally Spikes From Zero to 24. In: explorersweb.com. 26. Juli 2019. Abgerufen am 7. Oktober 2019.
- Angela Benavides: A Remarkable K2 Season Wraps Up. In: explorersweb.com. 27. Juli 2019. Abgerufen am 7. Oktober 2019.
- Stefan Nestler: Weitere Gipfelerfolge am K 2: Mit und ohne Flaschensauerstoff. In: Abenteuer Berg. 25. Juli 2019. Abgerufen am 7. Oktober 2019.
- Katharina Brecht: Intersport begleitet Extremsportlerin auf ihrer Pionierreise zum Südpol. In: TextilWirtschaft. 5. November 2019, abgerufen am 9. Januar 2021.
- Zeit Campus, Heftnummer 1, Januar/Februar 2018, S. 22,abgerufen am 21. Januar 2021.
- Anja Blacha – Extremsportlerin. In: 3 nach 9. Radio Bremen TV, 14. Februar 2020, abgerufen am 16. Februar 2020.
- Extremsportlerin Anja Blacha zu Gast. In: DAS! NDR Fernsehen, 31. August 2020, abgerufen am 16. Januar 2020.