Spitzahorn
Der Spitzahorn (Acer platanoides), auch Spitzblättriger Ahorn genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Ahorne (Acer) innerhalb der Familie der Seifenbaumgewächse (Sapindaceae). Um seine Zugehörigkeit zur Gattung der Ahorne zu betonen, ist in der Botanik die Bindestrichschreibweise Spitz-Ahorn[1] üblich.
Spitz-Ahorn | ||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Spitzahorn (Acer platanoides) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
| ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Acer platanoides | ||||||||||||
L. |
Der Spitzahorn gehört zu den häufigsten Bäumen in deutschen Städten oder Dörfern und ist besonders zu Frühlingsbeginn auffällig, wenn eine Vielzahl gelbgrüner Blütendolden noch vor dem dunkleren Laubaustrieb Straßen, Alleen und Parks in ein frisches, helles Grün taucht, während viele andere Bäume noch weitgehend kahl sind.
Trivialnamen
Weitere, heute nicht mehr verwendete Trivialnamen des Spitzahorns sind Lehne, Lenne, Löhne, Leinbaum, Leimbaum, Linbaum (Sachsen), Leinahre (Schweiz), Breitlaub, Breitblatt, Breitlöber, Weinblatt oder Gänsebaum.[2] Darüber hinaus bestehen bzw. bestanden die Bezeichnungen: Norwegischer Ahorn (Schwaben), Polnischer Ahorn (Schwaben), Pommerscher Ahorn (Schlesien), Spitziger Ahorn, Bergahorn (Schwaben), Breitläube (Mark bei Luckau), Breitleben, Breitlehne (Schlesien), Epeler, Flaschebaum (Siebenbürgen bei Schässburg), Gänsefussbaum, Gänssbaum, Lähn (Mecklenburg), Laön (Altmark), Leimahorn (Bayern), Leime, Leinöhre (Schwaben), Lie (Glarus), Lienahorn (Berchtesgaden), Lienbaum (Schwaben), Line, Löhn (Pommern), Löne, Lömme, Lön, Lönne, Lon (Niedersachsen), Großer Milchahorn (Schwaben), Milchbaum, Sallatbaum, Spitzflader (Schlesien), Steinahorn, Waldéscher, Wasserbaum (Österreich am Traunfluss), Weissbaum (Schwäbische Alb), Weinblatt, Welsche, Wittléne und Zuckerahorn.[3]
Beschreibung und Ökologie
Der Spitzahorn ist ein sommergrüner, breitkroniger Baum, der ein Wuchshöhe von 20 bis 30 Metern erreichen kann. Er kann etwa 150, maximal 200 Jahre alt werden. Seine Rinde ist in der Jugend glatt und blassbraun Im Alter ist die Borke dunkelbraun bis grau mit längsrissig, gerippter Struktur. Sie löst sich nicht schuppig oder plattig wie beim Berg-Ahorn ab. Bei Verletzung der Laubblätter oder der jungen Zweige tritt Milchsaft aus.
Blattknospe und Blatt
Die Blattknospen des Spitzahorns besitzen weinrote und kahle Knospenschuppen. Sie sind 3–10 mm lang. Die Endknospen sind schmal- bis breit-eiförmig und größer als die Seitenknospen. Die Seitenknospen sind schmal eiförmig und zugespitzt. Sie liegen dem Zweig an und sind kreuzgegenständig angeordnet.[4]
Die gegenständig an den Zweigen angeordneten Laubblätter sind in Blattstiel und Blattspreite gegliedert. Die bis 15 cm lange und bis 20 cm breite Blattspreite ist handförmig, fünflappig. Die Blattlappen sind lang zugespitzt und jeweils auf beiden Seiten mit 1–2 Zähnen bogig gezähnt. Die Buchten zwischen den Blattlappen sind stets stumpf. Die Blattoberseite ist dunkelgrün, glänzend und kahl und die Blattunterseite ist heller mit behaarten Adern. Die Herbstfärbung ist intensiv goldgelb bis tiefrot.
Blütenstand, Blüte und Frucht
Wie beim Feld-Ahorn stehen die Blüten des Spitzahorns in aufrechten Doldentrauben zusammen. Dabei kommen in einem Blütenstand sowohl zwittrige als auch eingeschlechtige weibliche und männliche Blüten vor. Die 1–2 cm lang gestielten Blüten sind 5-zählig und 10–12 mm groß. Kelch und Krone sind sehr ähnlich und die gelbgrünen bis blassgelben Kelch- bzw. Kronblätter 4–7 mm lang. Die Anzahl der Staubblätter, welche etwas kürzer als die Kronblätter sind, ist 8. Der Fruchtknoten ist oberständig und besteht aus zwei Fruchtblättern.[4]
Die Blütezeit ist von April bis Mai und beginnt schon vor dem Austrieb der Laubblätter. Die Bestäubung erfolgt durch Bienen, Hummeln und andere Insekten.
Der Spitzahorn bildet Spaltfrüchte in der Form 2-teiliger Flügelnüsse (Samara). Die Teilfrüchte besitzen jeweils einen Flügel und sind 4–5 cm lang und bis zu 15 mm breit. Die Flügel der Teilfrüchte stehen stumpfwinkelig bis waagerecht voneinander ab. Fruchtreife ist im Oktober.
Chromosomensatz
Die Chromosomenzahlen betragen 2n = 26.[5]
- Borke
- Blattknospen
- Junge Laubblätter und Blütenstände
- Früchte
- Pollen des Spitz-Ahorns (400×)
Vorkommen
Der Spitzahorn ist über weite Teile Europas verbreitet.[6][7] Er reicht nach Norden bis Mittelschweden und Südfinnland und ist im Osten bis zum Ural verbreitet. Von den europäischen Ahornarten ist er diejenige, deren natürliche Vorkommen am weitesten nach Norden reichen. Seine Westgrenze verläuft am westlichen Rand Mitteleuropas. Er fehlt also in Teilen Nordwestdeutschlands und im Großteil Frankreichs. Im Süden kommt der Spitzahorn in den Gebirgen vor, in den Pyrenäen, im Apennin, in den Gebirgen Griechenlands und Kleinasiens sowie im Kaukasus.
Der Spitzahorn wächst im gemäßigt kontinentalen Klima. Er ist ein Baum der Ebene, des Hügellandes und des niedrigen Berglandes. In den Nordalpen steigt er bis in Höhenlagen von etwa 1000 Metern, im Unterwallis kommt er aber auch bis etwa 1600 Metern vor.
In den Allgäuer Alpen steigt er im Tiroler Teil am Wasserschnallengräble gegen Schindtal bei Nesselwängle bis zu einer Höhenlage von 1460 Metern auf.[8]
Der Spitzahorn wanderte nach der Eiszeit mit dem Eichen-Mischwald zurück. Auch heute noch findet man ihn am häufigsten in ganz ähnlich zusammengesetzten Laubmischwäldern aus Linden, Esche, Stiel-Eiche und Berg-Ulme. Solche Wälder findet man in Mitteleuropa vor allem in Schluchten und an steilen Grabeneingängen. Der Spitzahorn kommt aber als Mischbaumart auch in anderen Typen von Laubwäldern vor. Häufig trifft man ihn auch an Waldrändern und (wenn auch nicht so häufig) in Hecken an. Er ist in Mitteleuropa eine schwache Charakterart des Aceri-Tilietum, kommt aber auch in anderen Gesellschaften des Verbands Tilio-Acerion oder der Ordnung Fagetalia vor.[5]
Systematik
Innerhalb der Gattung Ahorne wird der Spitzahorn in die Sektion Platanoidea Pax eingeordnet, zu der auch der ebenfalls in Mitteleuropa heimische Feldahorn (Acer campestre) und der Kolchische Ahorn (Acer cappadocicum), mit der im südlichen Italien vorkommenden Unterart des Kalabrischen Ahorns (Acer cappadocicum subspecies lobelii), gehören.[9]
Forstwirtschaft und Nutzung
Als Halbschattenbaumart ist der Spitzahorn waldbaulich vielseitig und mischungsfähig verwendbar. Er findet zunehmend Beachtung im Waldbau. Vor dem Hintergrund zunehmend trockener Sommer infolge des Klimawandels wird der Spitzahorn als geeigneter Baum angesehen für trockene und sehr trockene Standorte. Für nasse bis frische Standorte ist er hingegen nicht geeignet.[10]
Das Holz des Spitzahorns wird insgesamt für ähnliche Nutzungen gewählt wie der Bergahorn. Spitzahorn wird eher bevorzugt, wenn es um Festigkeit und Robustheit geht, während der Bergahorn eher für ästhetische Anwendungen gewählt wird. Aus dem Holz werden u. a. Werkzeuge, Stiele, Hobelkästen, Werkzeugbänke, Bögen sowie Gewehrschäfte, Spazierstöcke oder Schlittenkufen gefertigt. Früher wurde aus den Blättern mitunter sogar Salat hergestellt, weshalb der Spitzahorn auch Salatbaum genannt wurde. Auch als Viehfutter wurde das Laub früher verwendet.[11] Die gut zersetzbare Laubstreu ist bodenpfleglich.
Landschaftsgestaltung
Aufgrund seiner Widerstandsfähigkeit gegen Industriebelastung wird er gerne im Stadtbereich zur Begrünung verwendet. Garten- und Parkgestalter haben sich des Spitzahorns besonders angenommen. Es gibt eine Fülle verschiedenartiger Formen. Beliebt sind rotblättrige Züchtungen. In Parks werden gern Zierformen verwendet. Alleen aus Spitzahorn sind häufig: im Frühjahr schmücken sie sich noch vor Laubaustrieb mit einer Vielzahl gelbgrüner Blüten, im Herbst mit den von der Spitze zum Kronenansatz fortschreitenden Gelb- und Orangefärbung. An Waldrändern gilt der Spitzahorn als landschaftspflegliche Baumart.
Zuchtformen
Vom Spitzahorn sind viele Zuchtformen bekannt. Hier eine Auswahl:
- 'Almira': Diese seit 1955 entstandene Form hat einen kompakten Wuchs, sie wächst stärker als 'Globosum' und wird bis zu 7,5 Meter hoch.[12]
- 'Crimson King': Diese schwachwüchsige, bis zu 15 Meter hohe Form ist in Frankreich 1946 gezüchtet worden. Sie hat rote Blätter, die allerdings nicht ganz so dunkel wie die von 'Faassen’s Black' sind; die Blattfarbe ist leuchtend blutrot. Die jüngsten Blätter sind dunkel braunrot und runzelig.[12]
- 'Cucullatum': Diese vor 1880 entstandene Form hat einen hohen, schmalen Wuchs und wird bis 23 Meter hoch. Die Blätter sind im Umriss rundlich und 12 cm lang sowie 13 cm breit; die Lappen sind klein und nach unten gebogen.
- 'Drummondii' (auch Drummonds Spitzahorn genannt)[13]: Diese 1903 in England entstandene, bis zu 15 Meter hohe Form hat hellgrüne Blätter, die breit weiß gerandet und gefleckt sind. Die Krone ist kugelig.[12]
- 'Faassen’s Black': Diese 1936 in Belgien gefundene, bis zu 15 Meter hohe Form hat dunkel purpurbraune, teilweise fast schwarze Blätter, die auf der Oberseite glänzen. Die Herbstfärbung ist auffallend rot; die Blütenstände und Fruchtstiele sind auch ganz rot; die Petalen sind gelbgrün.[12]
- 'Globosum' (auch Kugelahorn genannt):[13] Die 1873 entstandene Sorte hat eine sehr dichte verzweigte, kugelige 5 bis 8 Meter breite Krone, wird meist als Hochstamm veredelt und bis zu 6 Meter hoch.[14]
- 'Laciniatum': Diese 1781 entstandene Form wird auch als „Vogelkrallen-Ahorn“ bezeichnet. Sie wächst pyramidenförmig. Die Blätter sind breit keilförmig mit tief eingeschnittenen Lappen. Die Blätter sind sehr lang und spitz gezähnt; Blattrand und Lappen sind „krallenartig“ nach unten gekrümmt.
- 'Lorbergii': Diese seit 1829 bekannte Form ist starkwüchsig; die Zweige sind hin- und hergewunden. Die hellgrünen Blätter sind bis zur Basis eingeschnitten und sind bis 10 cm lang sowie 17 cm breit. Die Lappen sind sehr tief gezähnt.
- 'Reitenbachii': Diese Form ist vor 1874 in Deutschland entstanden. Der Austrieb ist braunrot; im Sommer werden die Blätter stärker grün als bei 'Schwedleri'. Die Herbstfärbung ist tief dunkelrot. Mittlerweile kaum mehr in Kultur, da es rotere Formen gibt.
- 'Schwedleri': Diese vor 1869 in Deutschland entstandene, bis 20 Meter hohe Form wurde früher häufig gepflanzt. Der Austrieb hat blutrot gefärbte Blätter; im Laufe des Sommers werden die Blätter dunkelrotgrün bis olivgrün; Blattstiel und Blattadern bleiben rot. Das Herbstlaub ist rot getönt. Mittlerweile kaum mehr in Kultur, da es rotere Formen gibt.[12]
- 'Stollii': Diese Form ist 1888 als Sämling von 'Schwedleri' bei Späth in Berlin entstanden. Die Blätter sind meist dreilappig und efeuartig. Sie sind dunkelgrün und derb. Oft sind sie auch tütenförmig und sind bis zu 20 cm lang sowie 18 cm breit.
Krankheiten
Eine besonders in Stadtgebieten häufig zu beobachtende Erkrankung ist der Befall mit Uncinula tulasnei, einer für den Spitzahorn spezifischen Art des Echten Mehltaus, die zwar optisch auffallend ist, den Baum aber nicht wesentlich beeinträchtigt. Ebenfalls häufig zu beobachten ist der Befall des Spitzahorns mit der Teerfleckenkrankheit oder Ahorn-Runzelschorf (Rhytisma acerinum).
Literatur
- Helmut Pirc: Ahorne. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 1994, ISBN 3-8001-6554-6.
- Ulrich Hecker: Bäume und Sträucher. BLV Verlagsgesellschaft mbH, München 2003, S. 62–63.
Weblinks
- Spitzahorn. In: BiolFlor, der Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland.
- Steckbrief und Verbreitungskarte für Bayern. In: Botanischer Informationsknoten Bayerns.
- Die Verbreitung auf der Nordhalbkugel nach Eric Hultén
- Thomas Meyer: Datenblatt mit Bestimmungsschlüssel und Fotos bei Flora-de: Flora von Deutschland (alter Name der Webseite: Blumen in Schwaben)
- Förderung seltener Baumarten – Der Spitzahorn (PDF; 636 kB)
- „Seltene Bäume in unseren Wäldern – Erkennen, Erhalten, Nutzen“ – Der Spitzahorn. (PDF; 452 kB)
- Fotos und Infos zum Spitzahorn auf baumkunde.de.
- Fotos und Beschreibung zum Spitzahorn so wie Infos über Krankheiten und Pilzbefall auf baumportal.de.
Einzelnachweise
- Acer platanoides L., Spitz-Ahorn. FloraWeb.de
- Adelung, 1793
- Carl Jessen, Die deutschen Volksnamen der Pflanzen, Verlag von Philipp Cohen Hannover 1882, S. 4.
- Jean-Denis Godet: Einheimische Bäume und Sträucher, Eugen Ulmer KG, Stuttgart, 2019, ISBN 978-3-8186-0945-0, S. 98–99.
- Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. 8. Auflage. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 647.
- Acer platanoides, Norway maple auf EUFORGEN
- Acer platanoides L. auf GRIN-Global (U.S. National Plant Germplasm System)
- Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 2, IHW, Eching 2004, ISBN 3-930167-61-1, S. 207.
- T. G. Tutin, V. H. Heywood: Flora Europaea, Volume 2: Rosaceae to Umbelliferae, Cambridge University Press, 1968, ISBN 0-521-06662-X, S. 238.
- Eidg. Forschungsanstalt WSL: Baumartenwahl bei zunehmender Sommertrockenheit. Abgerufen am 9. April 2021 (deutsch).
- Georg-August-Universität Göttingen – Öffentlichkeitsarbeit: Holz und Nutzung – Georg-August-Universität Göttingen. Abgerufen am 9. April 2021.
- SelecTree – Tree Selection Guide des Urban Forest Ecosystems Institute am College of Agriculture der California der Polytechnic State University in San Luis Obispo in Kalifornien (Memento vom 8. November 2012 im Internet Archive).
- Universität Hohenheim – Datenbank Landesarboretum (Memento vom 24. Mai 2011 im Internet Archive)
- stadt und grün 7/2006, S. 57. PDF-Datei.