Septimer
Der Septimerpass (rätoromanisch Pass da Sett, italienisch Passo del Settimo) ist ein Alpenpass im Schweizer Kanton Graubünden. Mit einer Scheitelhöhe von 2310 m verbindet er die Täler Oberhalbstein (Nord) mit Bergell (Süd) und trennt die Oberhalbsteiner Alpen (West) von den Albula-Alpen (Ost).
Septimerpass (Pass da Sett/Passo del Settimo) | |||
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Abstieg vom Septimerpass auf der Südseite, im Hintergrund die Südlichen Bergeller Berge. | |||
Himmelsrichtung | Nord | Süd | |
Passhöhe | 2310 m ü. M. | ||
Täler: Kanton, Land: |
Oberhalbstein / Bergell Graubünden, Schweiz | ||
Talorte | Bivio (1769 m ü. M.) | Casaccia (1458 m ü. M.) | |
Ausbau | Saumweg (mittelalterliche „Römerstraße“) | ||
Gebirge | Oberhalbsteiner Alpen (W) Albula-Alpen (O) | ||
Besonderheiten | aus römischer Zeit bekannt | ||
Profil | |||
Ø-Steigung | 9 % (541 m / 6 km) | 21,3 % (852 m / 4 km) | |
Karte (Graubünden) | |||
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Koordinaten | 769062 / 143330 |
Lage und Erschliessung
Die Luftdistanz zu den Passfussorten beträgt sechs Kilometer bis Bivio (auf 1769 m gelegen) und vier Kilometer bis Casaccia (1458 m). Auf der Passhöhe verläuft die Europäische Wasserscheide zwischen den Einzugsgebieten von Rhein und Po. Vom Septimerpass aus lassen sich zwei weitere Pässe überschreiten: nach Westen die Forcellina (2672 m)[1] ins Avers, nach Osten der Lunghinpass (2645 m) ins Oberengadin.
Der einstmals bedeutende, aber nicht als neuzeitliche Fahrstrasse ausgebaute Pass wird heute nur noch in den Sommermonaten von Wanderern und Mountainbikern überquert. Das Gebiet von Bivio bis zur Passhöhe wird vor allem vom schweizerischen Militär als Schiess- und Übungsareal genutzt.
Geschichte
Der Pass war mindestens seit der Römerzeit einer der wichtigsten Alpenübergänge. Als seine Vorteile galten die günstige Lage mit direkter Nord-Süd-Verbindung und die günstige Topographie, die den Wegebauern keine grösseren Probleme bereitete.
Bei Ausgrabungen 2007/2008 wurde auf 2340 m direkt oberhalb des Passweges ein noch immer gut erkennbares römisches Feldlager aus der augusteischen Kaiserzeit entdeckt. Es bot Platz für drei jeweils etwa 200 Mann starke Einheiten. Zahlreiche Funde, unter anderem römische Schleuderbleie, Zeltheringe und Münzen, lassen vermuten, dass das Lager 16 v. Chr. zur Vorbereitung des Alpenfeldzugs 15 v. Chr. errichtet wurde und danach bis in das zweite Jahrzehnt n. Chr. in den Sommermonaten besetzt war. Die Soldaten sollten wahrscheinlich den Septimerpass als wichtigen Nachschubweg für die nördlich der Alpen operierende römische Armee militärisch sichern und instand halten. Nachdem Kaiser Tiberius 16/17 n. Chr. die Eroberung des rechtsrheinischen Germanien (Germania magna) aufgegeben und den Rhein als Grenze akzeptiert hatte, hatte das römische Heer im Norden zunächst keine militärischen Aufgaben mehr. Die aufwendigen Nachschublieferungen wurden überflüssig und damit wohl auch das Armeelager auf der Septimer Passhöhe.[2]
Der Besitz der gesamten Septimerroute von Chur bis Chiavenna einschließlich der damit verbundenen Zolleinnahmen bildete seit 960 die Machtbasis des Churer Bischofs. Über den Pass – im Hochmittelalter neben Grossem St. Bernhard und Brenner die wichtigste alpenquerende Transitverbindung – zogen Händler und Heere, Könige und Kaiser, beispielsweise 961 Otto der Grosse und 1164 Friedrich Barbarossa. Das Hospiz Tgesa da Sett mit Kapelle auf der Passhöhe wurde um 1100 erbaut oder erneuert. 1387 beauftragte der Bischof den Bergeller Adligen Jakob von Castelmur, den Pass zu einer befahrbaren Straße auszubauen („da er ainen weg und lantstraß über den vorgenanten berg […] machen will und buwen sol, also das man mit wägen wol darüber gefaren und gewandeln mag“); im Gegenzug hatte dieser Anspruch auf 10 Jahre weglösi.[3] Die Organisation der Transporte erfolgte durch die Porten Lenz, Tinizong, Stalla und Bergell-Sopraporta.
Mit der Öffnung der Viamala 1473 gewann aber die konkurrierende Untere Strasse über den Splügenpass gegenüber der Oberen Strasse über den Septimer an Bedeutung, und durch fehlenden Unterhalt sank der Fahrweg wieder zum Saumpfad herab. Nachdem man seit dem Spätmittelalter verstärkt Weideland durch Rodung gewonnen hatte, stieg die Steinschlag- und Lawinengefahr an. Wegen der besonders im Winter gefürchteten Hangtraversierung am Piz Blanch auf der Südseite des Passes verlagerte sich auch der regionale Verkehr zunehmend auf die wesentlich sicherere parallel verlaufende Route über Julier- und Malojapass. Als 1820 eine Fahrstraße über den Julier gebaut wurde, geriet der Septimer völlig ins Abseits, und das 1646 neu errichtete Hospiz verfiel.
Das gepflasterte Sträßchen von 1387 sowie eine spätere – nach Annahme von Armon Planta um 1800 erbaute – Wegvariante haben sich abschnittsweise sehr gut erhalten. Besonders eindrücklich sind die Passage am Säscel battü (behauener Stein) und, unterhalb davon, die Cranch (Kehren), mit denen der Weg ins Val Maroz absteigt.
Ab 1938 entstand etwas südlich der Passhöhe die Sperrstelle Septimer, bestehend aus vier in Kavernen untergebrachten Maschinengewehrstellungen. Die Sperrstelle sollte das Vordringen von Infanterie-Verbänden aus dem Bergell nach Norden und damit eine Umgehung der Sperrstellen Julier und Maloja verhindern. Die Sperrstelle wurde in den 1990er Jahren im Zuge des Konzepts Armee 95 aufgegeben.[4]
Literatur
- Guido Lisignoli: Bergell – Die schönsten Wanderungen. Lyasis Verlag, Sondrio.
- Carl Paul: Wanderung am 7. August 1882 auf der Römerstraße über den Septimerpass. 1882, S. 83–89 (gaebler.info [PDF]).
Zur historischen Bedeutung:
- Ingrid H. Ringel: Der Septimer – Wahrnehmung und Darstellung eines Alpenpasses im Mittelalter. Kommissionsverlag Desertina, Chur 2011, ISBN 978-3-85637-404-4.
- Armon Planta: Verkehrswege im alten Rätien. Band 2. Terra Grischuna Verlag, Chur 1986, ISBN 3-908133-22-X.
- Maria Strasser-Lattner: Der Handel über die Bündner Pässe zwischen Oberdeutschland und Oberitalien im späten Mittelalter. Magisterarbeit, Universität Konstanz. Konstanz 2004 (Volltext, ub.uni-konstanz.de).
- Werner Zanier: Der römische Alpenfeldzug über den Septimer 15 v. Chr. In: AkademieAktuell. Zeitschrift der bayerischen Akademie der Wissenschaften. Nr. 3/2006, 2006, ISSN 1436-753X, S. 28–31 (badw.de [PDF]).
- Jürg Simonett: Septimerpass. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 9. Dezember 2016.
Weblinks
Einzelnachweise
- Piz Forcellina auf ETHorama
- Terra Grischuna 6/2011: Schleuderbleie, Pilumspitzen und Hellebardenäxte
- Thomas Kühtreiber: Straße und Burg. Anmerkungen zu einem vielschichtigen Verhältnis. In: Kornelia Holzner-Tobisch, Thomas Kühtreiber, Gertrud Blaschitz (Hrsg.): Die Vielschichtigkeit der Straße. Kontinuität und Wandel in Mittelalter und früher Neuzeit (= Veröffentlichungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit). Band 22. Wien 2012, Kap. Burg und Zollstätten: Fallbeispiele im schrift- und bauhistorischen Vergleich (S. 284), S. 263–301 (Text auf academia.edu).
- Sperrstelle Septimer beim Festungsmuseum Crestawald (abgerufen am 12. Oktober 2012).