Römerstraße
Die Römerstraßen sind Straßen, die in der Zeit des Römischen Reiches erbaut und unterhalten wurden. Viele von ihnen ziehen sich über tausende Kilometer kreuz und quer durch Europa. Ihr genäherter Verlauf samt den wichtigsten Verkehrsknoten wurde in der historischen Tabula Peutingeriana kartiert. Das Streckennetz umfasste insgesamt 80.000 bis 100.000 Kilometer.[1]
Allgemeines
Römerstraßen waren in Mitteleuropa ein Novum. Wegen ihres straßentechnischen Aufbaus waren sie im Gegensatz zu den Naturwegen germanischen und keltischen Ursprungs (siehe Altstraße) nicht nur weitgehend unabhängig von der Feuchte des Bodens passierbar, sondern bahnten sich möglichst geradlinig, bei nur vergleichsweise geringen Steigungen, ihren Weg durch Ebenen und mit Kunstbauten wie Stützmauern und Brücken durchs Gebirge. Die Befestigung erfolgte durch einen vorgegebenen Schichtaufbau der Straßen, der sich durch die regionale Verfügbarkeit bestimmter Baustoffe unterschied.
Vier Typen können unterschieden werden:
- Die via publica („Staatsstraße“): hier trat als Planer und Bauherr die Verwaltung Roms auf und ließ diese auf Kosten der Staatskasse errichten. Gebaut wurden solche Straßen von Soldaten, Zwangsarbeitern und Strafgefangenen, deren Skelettfunde Zeugnis für die Mühen um den Bau solcher Straßen geben.
- Die via militaris („Heerstraße“) war durch strategische und logistische Gesichtspunkte gekennzeichnet. Auch bei ihr war der Staat Rom Planer, Bauherr und Träger.
- Die via vicinalis („Provinzstraße“) wurde, wie bereits der Name besagt, durch die Provinzen gebaut und unterhalten.
- Die via privata („Privatstraße“) spielte gerade in der provinzialrömischen Geschichte eine große Rolle, stellt sie doch die Verbindung zwischen den Gutshöfen und den Zivilsiedlungen dar.
Für eine Römerstraße waren zunächst gegebenenfalls Rodung und immer Aushub bis über einen Meter in die Tiefe nötig, um den Grund zu sichern. Danach wurden mit groben Steinen (statumen), dann mit Kies (rudus und nucleus) und darauf mit Sand immer feiner werdende Schichten aufgebracht, bis die Fahrbahndecke mit Pflastersteinen auf eine vorgegebene Breite ausgeführt wurde. Randsteine formten Rinnen in die Konstruktion.[2]
Das Kopfsteinpflaster war für den Marsch, das Reiten und auch den Verkehr mit Ochsenkarren bestens geeignet. Im Laufe der Zeit stellten sich natürlich gewisse Abnutzungen der Decke ein, die noch heute existieren. Es existieren noch zahlreiche Beispiele ausgesprochen gut erhaltener Römerstraßen. Meist sind diese Fragmente aber nicht mehr in den öffentlichen Straßenverkehr eingebunden, was sich wohl am ehesten aus der für heutigen Verkehr und Begegnungsverkehr zu geringen Breite begründet. Etliche heutige Straßen sind auf den Fundamenten von Römerstraßen errichtet, wobei die ursprünglichen Fundamente und die Fahrbahndecke natürlich verbreitert wurden und in der Regel durch eine Asphaltdecke über einer Trennschicht die Römerstraße heute weitgehend unsichtbar ist. So folgt die A15 nördlich von Lincoln noch immer genau der 34 Kilometer lang schnurgerade verlaufenden römischen Straße, nur mit einer einzigen Ausbuchtung bei Scampton versehen; dort wurde um 1955 die Landebahn der Luftwaffenbasis verlängert, was nach rund 1900 Jahren die erste Änderung des Verlaufs nötig machte.
Eingeführt wurde die Technik der Steinpflasterung für Fernstraßen vor allem unter Gaius Iulius Caesar, als er Proconsul in Gallien war. Pflasterung für innerstädtische Straßen wurde für die Städte am Mittelmeer schon lange vor der Zeitenwende praktiziert. Die militärische Bedeutung der Steinpflasterung ist nicht zu unterschätzen. Mit Römerstraßen war es erstmals möglich, schnell und in großer Zahl Truppen von einem Ort zum anderen zu verschieben, um die Herrschaft zu behalten und neue Territorien zu erobern. Begleitend wurden von den Römern auch Kastelle errichtet. Für diese Aufgabe wurden u. a. die beherrschten Menschen zu Frondiensten herangezogen; ebenso wurden Arbeitssklaven eingesetzt. In rauerem Klima war (und ist) ein frostsicherer Unterbau eine Voraussetzung für wetterfeste Straßen.
Entlang den Römerstraßen waren häufig Miliarien (römische Meilensteine) aufgestellt, die zur Orientierung dienten.
Römer an Limes und Bernsteinstraße
Um eine möglichst kurze römische Fernstraße von Mainz nach Augsburg militärisch zu sichern, wurde der Obergermanisch-Raetische Limes erbaut.
Die als Bernsteinstraße bekannten Handelswege des begehrten Bernsteins bis zum Mittelmeer führten von der deutschen und russischen Ostseeküste durch Polen und Österreich (Marchfeld in Niederösterreich) zur Adria nach Aquileia, ein westlicher Zweig von Hamburg nach Marseille. Die winterfeste Verbindung zwischen Carnuntum an der Donau (ca. 40 km östlich von Wien) und Aquileia in Italien wird römische Bernsteinstraße genannt, ihr erster Abschnitt zwischen Aquileia und Ljubljana (Colonia Emona) war die Via Gemina.
An Verkehrsknoten – z. B. an der Reichsgrenze des Limes an der Donau – entstanden schon früh Marktorte. In Niederösterreich entstanden aus militärischen Gründen (häufige Konflikte mit den Germanen) besonders hochwertige Römerstraßen. Dort, etwa 50 km östlich Vindobonas (des heutigen Wien), lag mit Carnuntum, der Hauptstadt der Provinz (Ober-)Pannonien, die größte römische Stadt am Limes.
Siehe auch
Literatur
- Friedrich Carl Ferdinand von Müffling: Über die Römerstrassen am rechten Ufer des Nieder-Rheins: von dem Winterlager Vetera ausgehend, zur Veste Aliso, über die pontes longi zu den Marsen und zu der niedern Weser. Mittler, Berlin 1834 (Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf).
- Theodor Bergk: Zur Geschichte und Topographie der Rheinlande in römischer Zeit. Teubner, Leipzig 1882 (Digitalisat).
- Friedrich Wilhelm Schmidt, hrsg. von Ernst Schmidt: Forschungen über die Römerstrassen etc. im Rheinlande. In: Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande. Band 31, 1861, S. 1–220 (Online-Ressource, abgerufen am 3. März 2012).
- Josef Hagen: Römerstrassen der Rheinprovinz (= Erläuterungen zum Geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz. Band 8). 2. neubearb. u. vermehrte Auflage. Bonn 1931 (http://www.ub.uni-koeln.de/cdm/ref/collection/grhg/id/44837 Scan d. 1. Aufl. Bonn 1923 [abgerufen am 2. September 2018]).
- Harm-Eckart Beier: Untersuchung der Gestaltung des römischen Straßennetzes im Gebiet von Eifel, Hunsrück und Pfalz aus der Sicht des Straßenbauingenieurs. Braunschweig 1971 (Diss. Univ. Braunschweig Fak. f. Bauwesen).
- Raymond Chevallier: Les voies romaines. Colin, Paris 1972.
- Hans Bauer: Die römischen Fernstraßen zwischen Iller und Salzach nach dem Itinerarium Antonini und der Tabula Peutingeriana. Neue Forschungsergebnisse zu den Routenführungen. Herbert Utz Verlag, München 2007, ISBN 978-3-8316-0740-2.
- Arnold Esch: Römische Straßen in ihrer Landschaft: das Nachleben antiker Straßen um Rom. Mit Hinweisen zur Begehung im Gelände. Philipp von Zabern, Mainz 1997, ISBN 3-8053-2023-X.
- Werner Heinz: Reisewege der Antike. Unterwegs im Römischen Reich. Theiss, Stuttgart 2003, ISBN 3-8062-1670-3; Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2003, ISBN 3-534-16853-4.
- Margot Klee: Lebensadern des Imperiums. Straßen im Römischen Weltreich. Theiss, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8062-2307-1 (Rezension).
- Thomas Pekáry: Untersuchungen zu den römischen Reichsstraßen (= Antiquitas. Reihe 1: Abhandlungen zur alten Geschichte. Band 17). Habelt, Bonn 1968.
- Michael Rathmann: Untersuchungen zu den Reichsstraßen in den westlichen Provinzen des Imperium Romanum (= Beihefte der Bonner Jahrbücher. Heft 55). Philipp von Zabern, Mainz 2003, ISBN 3-8053-3043-X.
- Josef Stern: Römerräder in Rätien und Noricum. Unterwegs auf römischen Pfaden (= Römisches Osterreich. Jahresschrift der Österreichischen Gesellschaft für Archäologie. Band 25). Österreichischen Gesellschaft für Archäologie, Wien 2003.
Weblinks
- Römerstraßen in Deutschland (mit diversen Karten)
- Antikefan – Römische Straßen, Brücken und Tunnel
- Römischer Fahrtransit über die Julier-Mittelland-Jurapässe auf genormten Geleisen mit der Spurweite 106–107 cm
- Römerstraße Neckar-Alb-Aare
- Via Rhenana. Projekt Römerstrasse am Oberrhein. Archiviert vom Original am 11. April 2015; abgerufen am 28. November 2015.
- Thomas Codrington: Roman Roads in Britain (veröffentlicht durch die Society for Promoting Christian Knowledge, London, 1903)
- Roman Roads in the Mediterranean. (Memento vom 23. Mai 2008 im Internet Archive) (auf Englisch, Griechisch, Französisch Italienisch, Portugiesisch und Spanisch)
- Pilgerwege in Spanien, z. T. auf Römerstraßen (mit Karte; öffnet in einem separaten Fenster)
- Traianus; Abschnitte: "Viae" und "Vias Romanas" (Memento vom 21. September 2010 im Internet Archive) (englisch, französisch und spanisch)
- rätische Bilder von sichtbaren Resten von Römerstraßen zwischen Kempten, Augsburg, Salzburg und Tirol
- Viae (Artikel von William Ramsay, engl.)
- Römerstraße Via Claudia – Römischer Straßenbau im Allgemeinen sowie eine fotografische Dokumentation der Via Claudia zwischen Augsburg und Epfach
- Via Numidica (Römerstraße in Nordafrika)
- Viae Roma, Konsularstraßen Roms
- Hans Bauer: Militärische Logik und Verlauf der Römerstraßen im bayerischen Raum
Einzelnachweise
- Reinhold Reck: Kommunikation und Gemeindeaufbau. Eine Studie zu Entstehung, Leben und Wachstum paulinischer Gemeinden in den Kommunikationsstrukturen der Antike (= Stuttgarter biblische Beiträge. Band 22). Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 1991, S. 82: über 90.000 km; Werner Heinz: Reisewege der Antike. Unterwegs im Römischen Reich. Stuttgart, Theiss 2003, S. 115: 80.000 bis 100.000 km.
- Werner Heinz: Reisewege der Antike. Unterwegs im Römischen Reich. Theiss, Stuttgart 2003, ISBN 3-8062-1670-3, S. 43–45.