Ostende
Ostende [ɔstˈʔɛndə] (niederländisch Oostende [ˌoːstˈɛndə], französisch Ostende [ɔstɑ̃d]) ist eine Hafenstadt und ein Seebad an der belgischen Küste in der Provinz Westflandern mit 71.647 Einwohnern (Stand 1. Januar 2020).
Ostende | |||
---|---|---|---|
| |||
Staat: | Belgien | ||
Region: | Flandern | ||
Provinz: | Westflandern | ||
Bezirk: | Ostende | ||
Koordinaten: | 51° 13′ N, 2° 54′ O | ||
Fläche: | 37,7 km² | ||
Einwohner: | 71.647 (1. Jan. 2020) | ||
Bevölkerungsdichte: | 1900 Einwohner je km² | ||
Postleitzahl: | 8400 | ||
Vorwahl: | 059 | ||
Bürgermeister: | Bart Tommelein (Open VLD) | ||
Adresse der Kommunalverwaltung: | Stadhuis Vindictivelaan 1 8400 Oostende | ||
Website: | www.oostende.be |
Geschichte
Ostende liegt am früheren östlichen Ende der ehemaligen Insel Testerep. Darin liegt auch ihr Name begründet.
Historische Bedeutung erlangte die Stadt während des auch als Achtzigjährigen Kriegs bekannten niederländischen Unabhängigkeitskampfs gegen die Spanier, als es durch diese zur Belagerung von Ostende, das von den Aufständischen gehalten wurde, kam.[1] Diese Belagerung im Jahr 1604 war eine der verlustreichsten in der Frühen Neuzeit.[2]
1722 gründete der römisch-deutsche Kaiser Karl VI. die Ostender Kompanie für den Seehandel mit Ostindien.
Im Februar 1915 richtete die Oberste Heeresleitung in Ostende ein „Kommando der Kraftwagengeschütze“ unter der Leitung von Oberleutnant Günther Rüdel ein, in dem die Führer und Mannschaften der frühen Flugabwehrgeschütze ausgebildet wurden. Anders als auf den Firmen-Schießplätzen von Krupp und Rheinmetall in Tangerhütte bzw. Unterlüß konnte in Ostende an der See auf Freiballons und häufig auch auf feindliche Flugzeuge geschossen werden.
Im Oktober 1915 wurde dieses Ausbildungskommando zur Flakschule erweitert, und im Dezember 1915 schuf das Preußische Kriegsministerium in Ostende zusätzlich noch ein Versuchskommando zur Weiterentwicklung der damals noch recht einfachen Flugabwehrgeschütze – auf horizontal gelagerte Wagenräder montierte Feldkanonen.[3] Dieses Kommando wurde ein Jahr später in die „Prüf- und Lehrabteilung für Flak“ umgewandelt, bei der die Ballonabwehr-Offiziere die wissenschaftlichen Vorkenntnisse für ihre Arbeit erhielten.[4]
Während des Zweiten Weltkriegs kapitulierte Belgien 18 Tage nach dem Beginn des Westfeldzuges der Wehrmacht am 28. Mai 1940. Einen Tag später marschierten deutsche Truppen kampflos in Ostende ein. 1944 flogen Bomber der Westalliierten zahlreiche Luftangriffe gegen Frankreich (vor und nach der Invasion in der Normandie). Ostende war wegen seiner Hafenanlagen ein Ziel und wurde zu großen Teilen zerstört.
„Die Bevölkerung von Ostende war auf Anweisung der Kriegskommandantur Brügge (04.08.1944) bis Ende August evakuiert worden. Am 01.09.1944 betraten die Alliierten erstmals belgischen Boden und rückten schnell auf Brüssel vor. Antwerpen, rund 70 km östlich von Ostende gelegen, fiel den Alliierten bereits am 04.09.1944 in die Hände. Damit waren für die wenigen, in den Küstenorten verbliebenen Deutschen fast alle Fluchtwege abgeschnitten. In der Nacht vom 6. auf den 7. September verbrannten die Deutschen eilig das Lebensmitteldepot, das die Kriegsmarine in Ostende zurückgelassen hatte. Teile des Hafens wurden zerstört, aber als die Alliierten am 08.09.1944 in die Stadt einrückten, hatten alle Deutschen sie bereits verlassen. Zur Befreiung genügte ein kanadisches Regiment der „Manitoba Dragoons“, das am Vortag noch 10 km westlich in Nieuwpoort gelegen hatte. Überhaupt boten die Deutschen kaum nennenswerten Widerstand entlang der Küste zwischen De Panne und Zeebrugge.“
Verkehr
Die Stadt ist ein Verkehrsknotenpunkt (Auto, Schiene, Schiff und Flugzeug).
Mit der weltweit längsten Straßenbahn – der Überlandstraßenbahn Kusttram – erreichen Fahrgäste alle belgischen Orte an der Küste von De Panne bis Knokke.
Luft
Der Flughafen Ostende-Brügge wird hauptsächlich für Fracht genutzt, jedoch auch für Feriencharter- und Geschäftsreiseverkehr.
Bahn
Früher war Ostende wichtiger Endpunkt vieler renommierter Fernzüge (beispielsweise Ostende-Wien-Express, Nord-Express, Ostende-Köln-Pullman-Express, Tauern-Express, Kurswagen des Orient-Express), da vom Hafen von Ostende aus günstige Anschlussfährverbindungen nach England bestanden.
Heute ist der Kopfbahnhof in Ostende, der täglich von rund 80 Zügen frequentiert wird, Ausgangspunkt für die stündlich verkehrenden IC-Züge der Verbindungen:
- IC 01: Ostende – Brügge – Gent – Brüssel – Lüttich – Verviers – Eupen
- IC 02: Ostende – Brügge – Gent – Sint-Niklaas – Antwerpen
- IC 23: Ostende – Brügge – Kortrijk – Zottegem – Brüssel – Flughafen Brüssel-Zaventem
Daneben wurde Ostende bis 31. März 2015 durch einige Thalys-Züge mit Paris Nord verbunden.[6]
Wasser
Der Hafen von Ostende war früher einer der wichtigsten Fährhäfen für den Verkehr nach England, verlor aber nach der Eröffnung des Ärmelkanaltunnels und der kurz darauf folgenden Fertigstellung der Autobahnverbindung nach Calais an Bedeutung. Es gab danach zeitweise Fährverbindungen mit der südenglischen Stadt Ramsgate, die (Stand 2013) wieder eingestellt wurden.
Bei Ostende befindet sich eine Navtex-Station für die Nordsee.
Sehenswürdigkeiten
- Sint-Petrus-en-Pauluskerk, die St.-Petrus-und-Paulus-Kirche, 1899–1905 im neugotischen Stil erbaut; die von weitem sichtbare Kirche befindet sich im Stadtzentrum.
- Die ehemalige königliche Sommerresidenz.
- In Ostende befinden sich außerdem ein Kurbad, ein Kursaal, Yacht- und Fischereihäfen, Werften und ein Fährhafen für den Verkehr nach England.
- Synagoge, erbaut 1910/11
- Altes Postgebäude von Gaston Eysselinck, erbaut 1947–1953
Museen
- Amandine: Trawler, Museumsschiff
- Atlantikwallmuseum
- Domein Raversijde
- Fort Napoleon
- Historisches Museum De Plate, hier starb Louise d’Orléans, die zweite Ehefrau von König Leopold I., deren Sterbezimmer im Museum zu besichtigen ist
- James-Ensor-Haus: das Museum befindet sich in einem Haus, in dem der belgische Maler James Ensor von 1917 bis 1949 gelebt hat
- Mercator: ehemaliges Segelschulschiff
- PMMK: Museum für moderne Kunst
Freizeit
Ostende | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Klimadiagramm | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|
- Seebad: Ostende wird auch als die Königin der Seebäder bezeichnet, besitzt ein Vergnügungsviertel und etwa 300 Restaurants.
- Strandpromenade: Die Strandpromenade erstreckt sich über den gesamten Seedeich und ist von Straßencafés sowie Restaurants gesäumt.
- Kusttram: Die Kusttram ist eine Straßenbahnlinie, die alle Orte der flämischen Nordseeküste miteinander verbindet; sie ist mit 67 km die längste Straßenbahnstrecke der Welt.
- Casino Kursaal: Die 1857 eröffnete Spielbank liegt direkt am Strand und bietet Roulette, Black Jack, Poker und Spielautomaten an.
- Wellington Golf: öffentlicher 9-Loch-Golfplatz im Stadtzentrum. Vier Löcher davon befinden sich im Innenraum der Pferderennbahn Wellington Hippodroom.
Sport
- Wellington Hippodroom: Pferderennbahn, auf der im Sommer Trab- und Galopprennen stattfinden. Die Gebäude der 1883 eröffneten und 2011 renovierten Rennbahn stehen seit 1998 unter Denkmalschutz.
- 1964 war der Ort zum ersten Mal Austragungsort der Dreiband-Weltmeisterschaft, bei der der Belgier Raymond Ceulemans zum zweiten Mal Weltmeister wurde. 1976 konnte er diesen Erfolg erneut in Ostende wiederholen, dann zum 13. Mal. 1933 gewann der Belgier Gaston de Doncker die Weltmeisterschaft in der Karambolagedisziplin Cadre 71/2 in Ostende.
- Der Fußballverein KV Ostende trägt seine Heimspiele in der Diaz Arena aus und spielt seit der Saison 2013/14 wieder in der höchsten Spielklasse Belgiens.
- Der BC Ostende ist der erfolgreichste Basketballverein des Landes und tritt im Versluys Dôme an. Er spielt seit 1973 durchgehend in der 1. Liga und wurde 22 Mal belgischer Meister und 20 Mal belgischer Pokalsieger.
- 2009 war Ostende Austragungsort der Europameisterschaft im Inline-Speedskating sowie 1999 der Inline-Speedskating-Marathon-EM. Auch die Inline-Speedskating-Weltmeisterschaften 1991, 2002 und 2013 fanden in Ostende statt.
- 1920 wurden die Segelwettbewerbe und der Polowettbewerb der Olympischen Sommerspiele in Antwerpen in Ostende ausgetragen.
- Die Damenmannschaft von Hermes Volley Ostende spielt in der höchsten Volleyball-Liga Belgiens und konnte 13 Mal die belgische Meisterschaft gewinnen.
Städtepartnerschaften
- Monaco, seit 1958
Persönlichkeiten
Söhne und Töchter der Stadt
- James Weddell (1787–1834), englischer Seefahrer und Walfänger
- Edouard Jean Conrad Hamman (1819–1888), belgisch-französischer Maler, Stecher und Illustrator
- Auguste Beernaert (1829–1912), Leiter der belgischen Delegation auf den Haager Konferenzen, Nobelpreis für den Frieden 1909
- Euphrosine Beernaert (1831–1901), Landschaftsmalerin
- James Ensor (1860–1949), Maler und Zeichner
- Leon Spilliaert (1881–1946), Maler und Zeichner
- Gustaaf Sorel (1905–1981), Maler und Zeichner
- Henri Storck (1907–1999), Dokumentarfilmer
- Karel Sys (1914–1990), Boxprofi
- Paul Valcke (1914–1980), Fechter
- Gerd Martienzen (1918–1988), deutscher Schauspieler und Synchronsprecher
- Roger Lenaers (1925–2021), katholischer Ordensgeistlicher, Jesuit, Pfarrer und Hochschullehrer
- Raoul Servais (* 1928), Filmschaffender
- Werner Quintens (1937–2005), römisch-katholischer Priester
- Wilfried Puis (1943–1981), Fußballspieler
- Frans Verhaeghe (* 1945), Mittelalterarchäologe
- Jan Vercruysse (1948–2018), Bildhauer
- Arno (* 1949), Sänger
- Jean Bourgain (1954–2018), Mathematiker
- Robert Van de Walle (* 1954), Judoka, Olympiasieger
- Monica De Coninck (* 1956), Politikerin
- Koenraad Vanhoutte (* 1957), katholischer Geistlicher, Weihbischof in Mecheln-Brüssel
- Liza ’N’ Eliaz (1958–2001), DJ und Produzentin
- Denis Langaskens (* 1966), Tennisspieler
- Stefaan Maene (* 1972), Schwimmer
- Brigitte Becue (* 1972), Schwimmerin
- Steve Vermaut (1975–2004), Radrennprofi
- Pieter Ghyllebert (* 1982), Radrennfahrer
- Oliver Naesen (* 1990), Radrennfahrer
- Divock Origi (* 1995), Fußballspieler
- Sandrine Tas (* 1995), Inline-Speedskaterin
- Manon Depuydt (* 1997), Leichtathletin
Personen mit Beziehung zur Stadt
- Auguste Distave (1887–1947), belgischer Grafiker, lebte viele Jahre in Ostende
- Prinz Karl von Belgien (1903–1983), Prinzregent von Belgien, lebte und starb in Ostende
- Marvin Gaye (1939–1984), US-amerikanischer Soul- und R&B-Sänger, lebte ab 1981 fast zwei Jahre in Ostende und schrieb hier seinen letzten großen Hit Sexual Healing[7]
- Henri Wille (1926–2012), belgischer Ornithologe, lebte und starb in Ostende
Einzelnachweise
- Illustration von Frans Hogenberg von 1601: Eigentliche abcontrafactur der Seestat Oostende, sampt der belegerung des Ertzhertzogen Alberti, Anno 1601 (Digitalisat)
- Illustration von Frans Hogenberg von 1604: Ostende wie es itziger zeit gelegen […] (Digitalisat); Illustration von Frans Hogenberg von 1601: Ostend ein Kriegsschul uberal, Hat uberstanden manchen fahl […] (Digitalisat)
- Helmut Gruber (Hrsg.): Gratwanderungen. Lebenserinnerungen von Wolfgang Gruber (1886–1971). Carl Hanser Verlag, München 2018, S. 182.
- Niklas Napp: Die deutschen Luftstreitkräfte im Ersten Weltkrieg. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2017, S. 143f.
- Elle Declerq, Dissertation bei Bruno De Wever, Universität Gent 2008
- Thalysverbindungen nach Paris eingestellt. In: brf.be. Belgischer Rundfunk (BRF), 31. März 2015, abgerufen am 15. März 2016.
- FAZ Nr. 96, 26. April 2010, S. 34.