Unterlüß
Unterlüß liegt im Nordosten des Landes Niedersachsen, in der Lüneburger Heide, am Ostrand des Naturparks Südheide und gehört als Ortschaft zur Gemeinde Südheide im Landkreis Celle.
Unterlüß Gemeinde Südheide | |
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Höhe: | 108 m ü. NHN |
Fläche: | 77,53 km² |
Einwohner: | 3486 (31. Dez. 2013) |
Bevölkerungsdichte: | 45 Einwohner/km² |
Eingemeindung: | 1. Januar 2015 |
Postleitzahl: | 29345 |
Vorwahl: | 05827 |
Lage der ehemaligen Gemeinde Unterlüß im Landkreis Celle | |
Geografie
Geografische Lage
Unterlüß liegt inmitten des 7500 ha großen Lüßwaldes. Der Lüßwald, ein Mischwald mit Kiefern, Fichten, Buchen, Eichen und Birken, ist eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete Deutschlands und Teil des Landschaftsschutzgebietes Südheide (LSG-CE 25).
Zur Gemeinde gehören die Ortschaften bzw. Gehöfte Altensothrieth, Lünsholz (Forsthaus), Lutterloh, Neuensothrieth (Forsthaus), Neu-Lutterloh (eine Neubauernsiedlung, gegründet 1955), Neuschröderhof, Schafstall (Forsthaus), Schröderhof, Siedenholz (früher Forsthaus, heute Jugendwaldheim) und Theerhof.
Flächennutzung
Die Flächennutzung in Unterlüß verteilt sich wie folgt:
Nutzungsart | Größe | Nutzungsart | Größe | |
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Wald | 6478 ha | Wasserfläche | 19 ha | |
Gebäudefläche | 239 ha | Landwirtschaft | 600 ha | |
Geschichte
Bereits 1569 wurde der Flur- und Waldname Lüß erwähnt. Nach diesem Forst Lüß, der sich südwestlich des Ortes befindet, ist Unterlüß wohl benannt.[1]
1847 wurde die Bahnstrecke Lehrte–Harburg (Hannover–Hamburg) gebaut und der Bahnhof Unterlüß angelegt. In der Folge entstand eine Siedlung am Bahnhof. 1899 legte die Rheinische Metallwaaren- und Maschinenfabrik Aktiengesellschaft in der Nähe einen Schießplatz an, ein erster Fabrikkomplex entstand. Das trug zum Aufschwung bei, so dass die Siedlung 1910 zu einer selbstständigen Gemeinde erhoben wurde. Im Ersten Weltkrieg wurden französische Kriegsgefangene bei Rheinmetall eingesetzt. Durch den Versailler Vertrag musste Rheinmetall auf zivile Produktion umstellen und betrieb ein landwirtschaftliches Mustergut, Ersatzarbeitsplätze entstanden zum Teil in der Kieselgurindustrie.
Im Zuge der Aufrüstung der Wehrmacht wurde das Werk ab 1934 erweitert. Rheinmetall und Borsig wurden verstaatlicht und fusionierten zu Rheinmetall-Borsig. Im heutigen Ortsteil Hohenrieth (1942 eingemeindet) wurde 1936 eine Werkssiedlung errichtet. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 wurden polnische Zwangsarbeiter im Rheinmetall-Borsig-Werk eingesetzt, nach 1941 auch sowjetische Zwangsarbeiter. 1944 wurden ungarische Jüdinnen durch Rheinmetall-Borsig in einem Außenlager Unterlüß des KZ Bergen-Belsen in der Produktion beschäftigt. Nach Kriegsende 1945 wurde der Ort von den Briten besetzt und die teilweise zerstörten Werksanlagen sowie die Werkssiedlungen wurden beschlagnahmt. Im Ort existierten etwa zwanzig Barackenlager für etwa 4000 ausländische Zwangsarbeiter sowie Kriegsgefangene (etwa 2500 Polen, 1000 aus der UdSSR, 500 Jugoslawen, 1000 aus anderen Ländern).
Die Rheinmetall Berlin AG wurde 1951 reprivatisiert; als zweiter Industriebetrieb in Unterlüß entstand die Textilmaschinenfabrik Artos. 1955 zogen die Briten ab, Rheinmetall produzierte nun für die Bundeswehr.
Der Orkan Quimburga richtete am 13. November 1972 im Lüßwald bei Unterlüß, einem der größten zusammenhängenden Waldgebiete in der Südheide, besonders großen Schaden an. 1974 wurde das Werk der Artos in Unterlüß geschlossen, nachdem es an den britischen Maschinenbaukonzern Babcock verkauft worden war. Mit Steuergeldern des Landes Niedersachsen errichtete Rheinmetall 1986 das Technologiezentrum Nord (TZN) für militärische Forschung, die auch zivil nutzbar sein sollte. Die Verkleinerung der Bundeswehr führte zu Auftragseinbrüchen und Abbau von Arbeitsplätzen bei Rheinmetall.
Im Jahr 1997 wurde das 150. Ortsjubiläum begangen.
Eingemeindungen
Am 1. Januar 1973 wurden Teilgebiete der Gemeinde Weesen mit damals etwa 300 Einwohnern eingegliedert.[2]
Ausgliederungen
Am 1. März 1973 wurde ein Gebiet mit damals weniger als 50 Einwohnern an die Nachbargemeinde Eschede abgetreten.[2]
Einwohnerentwicklung
Im Jahr 2007 hatte Unterlüß 3.887 Einwohner. Der sprunghafte Anstieg der Einwohnerzahlen nach dem Zweiten Weltkrieg ist im Wesentlichen durch den Zuzug Vertriebener bedingt.
Jahr | Einwohner | Jahr | Einwohner | Jahr | Einwohner | ||
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1940 | 2500 | 1970 | 4700 | 2005 | 4115 | ||
1945 | 8200 | 1980 | 4600 | 2006 | 3922 | ||
1950 | 4100 | 1990 | 4300 | 2007 | 3887 | ||
1960 | 4250 | 2000 | 4350 | 2008 | 3817 |
Religion
Im Ort existieren zwei evangelisch-lutherische, die evangelisch-freikirchliche Baptistengemeinde mit ihrer Christuskirche und eine katholische Kirchengemeinde.
Politik
Gemeinderat bis 2014
Der Rat der Gemeinde Unterlüß setzt sich aus 14 (2001: 15) Abgeordneten sowie (seit 2005) dem direkt gewählten hauptamtlichen Bürgermeister zusammen. Nach den Kommunalwahlen seit 2001 setzte sich der Gemeinderat jeweils wie folgt zusammen:
CDU | SPD | parteilos | FÜR Unterlüß | Gesamt | ||||
2001 | Sitze | 9 | 6 | 0 | 0 | 15 Sitze | ||
2006 | Sitze | 8 | 4 | 2 | 0 | 15 Sitze | ||
2011 | Sitze | 6 | 3 | 0 (siehe FÜR) | 5 | 15 Sitze[3] | ||
2011 | Stimmenanteil | (45,2 %) | (18,3 %) | (36,5 %) |
letzte Kommunalwahl am 11. September 2011
Bürgermeister bis 2014
- 1945–1948: Erich Müller, SPD (durch die britische Besatzungsmacht eingesetzt)
- 1948–1949: Heinrich Leifels, CDU
- 1949–1951: Walter Gähle, CDU
- 1951–1956: Heinrich Meyer
- 1956–1957: Wilhelm Schmidt, CDU
- 1957–1970: Robert Busse, CDU
- 1970–1991: August Biermann, CDU
- 1991–2005: Eberhard Staiger, CDU
- 2005–2014: Kurt Wilks, parteilos
Mit Wirkung vom 1. Oktober 2005 fiel das Amt des Bürgermeisters und des Gemeindedirektors bis zum 31. Dezember 2014 zusammen. Dieses Amt bekleidete der am 22. Mai 2005 mit 63 % der Stimmen gewählte Kurt Wilks, ein parteiloser Diplom-Verwaltungswirt.
Seit 1. Januar 2015 bildet Unterlüß zusammen mit dem benachbarten Hermannsburg die neue Gemeinde Südheide im Landkreis Celle.[4]
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Theater und Museen
- Das Albert-König-Museum, das einzige reine Kunstmuseum der Lüneburger Heide, ist dem Maler und Graphiker Albert König gewidmet, dessen Nachlass die Gemeinde Unterlüß geerbt hat.
Musik
- Liedertafel „Frohsinn“ (Gesangverein)
- Gospelkonzerte der Evangelischen Friedenskirche
- Klassikkonzerte im Albert-König-Museum
Bauwerke
- Evangelisch-lutherische Friedenskirche (Schulstraße 7)
- Evangelisch-Freikirchliche Christuskirche (Baptisten), 1980 eröffnet (Erfurter Weg 7)
- Katholische St.-Paulus-Kirche (Müdener Straße 33), 1926/27 erbaut und heute zur Pfarrgemeinde St. Johannes der Täufer in Celle-Vorwerk gehörend
- Neuapostolische Kirche (Heidkamp 9), 1988 erbaut und inzwischen geschlossen
- Friedenskirche
- Ehemaliges Wohnhaus des Künstlers, heute das Albert-König-Museum
Baudenkmäler
- Liste der Baudenkmale in Südheide (Gemeinde)
- Gaußstein (Breithorn) Im Jahr 1820 beauftragte König Georg IV. den Professor der Astronomie und Direktor der Sternwarte der Universität Göttingen, Carl Friedrich Gauß, das Königreich Hannover zu vermessen. Gauß benutzte für die Landvermessung auch den Berg Breithorn (118 m über NHN), südlich von Unterlüß, als einen der Dreieckspunkte zum weiter westlich bei Wardböhmen liegenden Falkenberg (150 m über NHN) und zu dem nördlich gelegenen Wilseder Berg (169 m über NHN). Es ist davon auszugehen, dass die Punkte Breitehorn, Haußelberg und Falkenberg, die heute alle im Wald liegen, damals auf freien, unbewaldeten Hügelkuppen lagen, wahrscheinlich umgeben von Heidelandschaft. Erst die großen systematischen Aufforstungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führten zum heutigen bewaldeten Landschaftsbild.
Sport
- Turn- und Sportverein (TuS) Unterlüß e. V. (verschiedene Sparten)
- DLRG (Schwimmsport), Schul- und Vereinsbad
- Keglervereinigung Unterlüß
- FC Unterlüß
Regelmäßige Veranstaltungen
- Schützenfest in Unterlüß, seit 1952 jeweils am letzten Wochenende im Juli
- Schützenfest in Lutterloh, alljährlich am Himmelfahrtstag
- Unterlüßer Dorffest, seit 1981 jeweils am letzten Wochenende im August
- "Rheinmetall entwaffnen", einwöchiges antimilitaristisches Camp seit 2017 im Spätsommer
- Sportwoche
- Waldweihnachtsmarkt, jeweils am Samstag vor dem 1. Advent
Wirtschaft und Infrastruktur
Unternehmen
- Rheinmetall, ein Unternehmen der Rüstungsindustrie, seit 1899 am Standort, heute der einzige größere Arbeitgeber des Ortes und der ganzen Region mit rund 1700 Beschäftigten
- Eltosch-Grafix GmbH, ein Unternehmen zur Herstellung von Komponenten für Druckmaschinen. Eltosch Grafix ist ein weltweit agierendes Unternehmen, das in Unterlüß nur einen von vielen Standorten betreibt
- Im Gewerbeverein Unterlüß e.V. (seit 1980) ist die Mehrzahl der Unterlüßer Unternehmen Mitglied.
Bildung
- Kindergarten „Noahs Arche“ (ev.-luth.)
- Kindergarten/-krippe „Regenbogen“ (DRK)
- Grundschule „Waldschule“
- Außenstelle der Volkshochschule Celle (beherbergt in der Grundschule)
Verkehr
Unterlüß verfügt über einen Bahnhof und liegt an der Bahnstrecke Hannover–Hamburg. Diese wird von der Metronom-Eisenbahngesellschaft bedient, Züge nach Hannover/Göttingen und Uelzen/Hamburg verkehren im Stundentakt.
Im Straßenverkehr liegt Unterlüß 8 km von der Bundesstraße 191 entfernt. So sind die Städte Celle (37 km) und Uelzen (35 km) jeweils in einer guten halben Stunde zu erreichen.
Persönlichkeiten
- Hans Ritter (* 1891 in Unterlüß; † 1978 in München), Jurist und Politiker
- Tilopâ Monk (* 1949 als Rüdiger Frank in Unterlüß-Lutterloh; † 2010 in Wuppertal), Künstler
Literatur
- Jürgen Gedicke: Chronik der Gemeinde Unterlüß. Von den Anfängen als Eisenbahnsiedlung im Jahre 1847 bis zur selbständigen Gemeinde im Jahre 1910. 1997. ISBN 3-930374-10-2.
- Jürgen Gedicke: Chronik der politischen Gemeinde Unterlüß. Band 2: Von der selbständigen Gemeinde im Jahre 1910 bis zum Ende des 2. Weltkrieges im Jahre 1945. Unterlüß 2002. ISBN 3-927399-37-X.
- Karl-Heinz Grotjahn: Meiler, Mühlen und Monarchen. Kleine Geschichte des Kieselgurbergbaus in der Lüneburger Heide 1836–1994 (= Veröffentlichung des Albert-König-Museums 30), Unterlüß 1999.
- Nils Köhler: Zwangsarbeit in der Lüneburger Heide. Organisation und Alltag des „Ausländereinsatzes“ 1939–1945. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2004, 2. Auflage. ISBN 3-89534-537-7.
- Rainer Schulze (Hrsg.): Unruhige Zeiten. Erlebnisberichte aus dem Landkreis Celle 1945–49. München 1990. ISBN 3-486-54981-2.
Weblinks
Einzelnachweise
- Jürgen Udolph (Recherche): Der „Ortsnamenforscher“. In: Internetseite NDR 1 Niedersachsen. Archiviert vom Original am 3. Dezember 2016; abgerufen am 5. August 2019.
- Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart/Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 223.
- Vorläufiges Ergebnis der Kreis- und Gemeindewahlen als PDF-Dokument 2,90 MB (Memento des Originals vom 11. Januar 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Gesetz über die Neubildung der Gemeinde Südheide, Landkreis Celle, vom 15. Mai 2014. In: Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 5321 vom 28. Mai 2014, Niedersächsische Staatskanzlei, Hannover 2014, S. 142.
- Ortsrat von Unterlüß